Mitgefühl in der 'zivilisierten' Welt

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September
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Mitgefühl in der 'zivilisierten' Welt

Beitrag Fr., 19.11.2010, 11:57

Hallo liebe Leser
In einem Buch von Matthieu Ricard, mit dem Titel „Meditation“ habe ich folgenden Satz gelesen: „Liebe und Mitgefühl zu entwickeln bringt doppelten Nutzen: Die Erfahrung zeigt, dass diese Empfindungen nicht nur uns selbst besonders guttun, sondern andere Wesen die daraus sich ergebenden Verhaltensweisen ebenfalls als wohltuend empfinden.“
Nun ich zweifele keineswegs an der Aussage von Matthieu Ricard, doch finde ich die Umsetzung nicht ganz so einfach. Ein Beispiel:
Gestern war ich mit meinem Wagen unterwegs, es war so gegen 19.00 schon stockdunkel. Ich befand mich auf der Autobahn Richtung Buxtehude und wollte gerade einen LKW überholen, da erblickte ich schon gleich im Spiegel einen anderen Fahrer, der sich mit rasender Geschwindigkeit eines Formeleinsfahrers meinem Fahrzeug näherte. Unter Betätigung der Lichthupe machte der Unbekannte auf sich aufmerksam, doch war ich bereits dabei den LKW – Fahrer zu überholen. Nach einem ersten leichten Aufschrecken verspürte ich Ärger, ich dachte „schon wieder so ein Drängler, wieso kann er nicht eine Sekunde warten“, dann folgte der Gedanke „vielleicht muss er schnell auf Toilette oder er hat erfahren, dass seine Frau gerade in ihren Wehen liegt, oder es ist etwas schlimmes passiert, vielleicht ist ihm eine Ziegel auf die Gaspedale gefallen und er hat einen Bandscheibenvorfall und kann diese schwere Ziegel daher nicht mehr von der Gaspedale entfernen, oder er hat einfach Blei im Schuh, oder seine Frau hat ihn kräftig getreten oder er ist einfach nur verrückt und denkt die Strasse gehört ihm, also dass es gewissermaßen seine Art ist so zu sein bzw. er nur zufrieden ist, wenn man tut was er/sie sagt ...“ naja, es dauert eine Weile bis ich ein gewisses Mitgefühl empfinden konnte.... und dieses Mitgefühl entstand indem ich mir sagte: "vielleicht ist es seine Art, dafür zu sorgen, dass er zufrieden bleibt indem er einfach alles aus dem Weg zu räumen versucht...auch wenn ihn das auf Dauer nicht glücklich macht...."

Was meint ihr, habe ich Matthieu Ricard richtig verstanden??

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chandelle
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Beitrag Fr., 19.11.2010, 12:00

Hallo September!

Ich kenne das Buch nicht, aber ich befürchte Du hast da etwas völlig falsch verstanden.

chandelle


Tipi tipi hoe
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Beitrag Fr., 19.11.2010, 12:43

Hi,

Ich kenne das Buch auch nicht und hab auch den Eindruck, du hast da was missverstanden. Aber die Sache mit dem Ziegelstein auf dem Gaspedal und dem BS- Vorfall finde ich super
Tipi
Es ist besser, das zu überschlafen, was du zu tun beabsichtigst, als dich von dem wach halten zu lassen, was du getan hast.
(Afrikanisches Sprichwort)

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Innere_Freiheit
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Beitrag Fr., 19.11.2010, 13:51

Hallo,

ich kenne das Buch auch nicht,
aber: "Sich selbst irgendetwas einzureden und sich Scheuklappen aufzusetzen" halte ich für keinen dauerhaft funktionierenden Weg, mit dem Leben umzugehen.

Ganz prinzipiell denke ich, den Umgang mit unangenehmen Situationen und mit unangenehmen Gefühlen muss man erst im Trockenen üben - also in der Nachbereitung zu Hause. (Erst mit viel Übung kann man es dann auch direkt in der unangenehmen Situationen anwenden.)

Innere Freiheit
Das was ich ablehne, bleibt an mir kleben!

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September
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Beitrag Fr., 19.11.2010, 16:12

So hilft mir doch, wie soll ich also Mitgefühl haben mit z.B. diesem Menschen



Wäre die passende Antwort z.B. indem ich einfach sage: ich weiß es nicht, aber er hat seine Gründe und es geht ihm wohl nicht so gut, der Arme ????

Liebe Grüsse
Zuletzt geändert von September am Fr., 19.11.2010, 16:15, insgesamt 1-mal geändert.

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chandelle
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Beitrag Fr., 19.11.2010, 16:14

Also da sollte mindestens ein realer Mensch vorhanden sein, den Du persönlich kennst.

chandelle

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September
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Beitrag Fr., 19.11.2010, 16:20

Hmm danke Chandelle, klingt gut, gibt es noch andere Ideen?

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chandelle
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Beitrag Fr., 19.11.2010, 16:24

Es ist erstmal die Frage welches Ziel Du im Thread verfolgst. Das scheint nicht nur mir unklar.

Nur Geschichten über Menschen zusammenzureimen kann vielleicht eine Bremse für Deine Wut sein, hat aber mit Mitgefühl für Menschen nichts zu tun, denn Du kennst ja die wahren Beweggründe nicht.

Gibt es niemanden, mit dem Du mit- fühlst und leidest, beistehst und tröstest und zuhörst?

chandelle

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Hildegard
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Beitrag Fr., 19.11.2010, 16:28

Vielleicht war der Typ in dem Wagen hinter Dir auch einfach nur ein A****-loch... Auch das soll es geben

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Innere_Freiheit
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Beitrag Fr., 19.11.2010, 16:47

Hallo September,

da passiert das mit diesem Autofahrer, worauf du mit Angst und Wut reagierst.
Doch statt dich dir selbst zuzuwenden... weichst du dir selbst aus....
.... indem du dir irgendwelche Geschichten über die Ursachen seines Verhaltens ausdenkst.....

(Also wenn der andere ernsthaft den Verkehr gefährdet und ich sein Nummernschild lesen konnte, dann würde ich ihn anzeigen. In allen anderen Fällen kann ich ihn sowieso nicht ändern.)

Ich wende dann (am Abend zu hause) meinen Blick lieber auf mich - und verarbeite dann meine Wut, sofern ich dann immer noch wütend bin.

Auch das ist eine Form von Mitgefühl.... aber Mitgefühl für mich selbst.

-- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --

Im privaten Bereich ist es nochmal etwas anders.
Hier kann ich den Anderen auch ganz anschauen....
Nein, nicht irgendetwas ausdenken, wieso und warum.... denn das ist ja ein Ausweichen vor dem anderen - und wenn du ausweichst und wegschaust, wie kannst du denn dann mitfühlen?

Stattdessen: Ganz hinschauen wie er wirklich ist, mich wirklich einlassen auf ihn, wirklich mit ihm mit-fühlen. (Das geht freilich nur auf den Gebieten, auf denen ich selbst innerlich schon wirklich frei bin und mich ohne Angst einlassen kann....)

Aber es gibt viele Wege, die vielleicht nach Rom führen - und nur du kannst nur den richtigen für dich selbst finden.

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(V)
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Beitrag Fr., 19.11.2010, 16:58

Wie alles im Leben kommt es auf das richtige Maß an.

Für alles und jeden Mitgefühl haben, nur nicht für sich selbst? Sich vor lauter Mitgefühl selbst vernachlässigen, für alles und jeden Verständnis haben, keine Grenzen setzen? Das funktioniert nicht.

Außerdem sollte man auch beim Mitgefühl durchaus überlegen WO und WANN es angebracht ist. Auch ein Zuviel an Mitgefühl kann schaden, z.B. wenn man Selbstmitleid und falsche Verhaltensmuster fördert oder sich von dubiosen Organisationen, die auf die Tränendrüse drücken, über's Ohr schlagen lässt.

Man sagt, das äußere Erleben sei immer ein Spiegel des Inneren. Man kann nur so viel ehrliches, gutes Mitgefühl für das Außen aufbringen, wie man sich selbst gegenüber hat. Deswegen rate ich mittlerweile jedem:

Fangt erstmal an, erstmal Euch selbst gegenüber tolerant, verzeihend und mitfühlend zu sein. Mit der Nächstenliebe klappt es wesentlich besser, wenn man auch für sich selbst ein wenig Selbstliebe übrig hat.

(Und was mich angeht: solange ich das nicht kann, denke ich über das andere gar nicht erst nach, hoffe aber, dass es sich eines Tages mal wieder bessert.)

Warum es trotzdem so schwierig ist...? Das liegt an der sog. Moral, über die man nun auch wieder stundenlang vor sich hin philosophieren könnte. Auf jeden Fall gibt es ein paar Werte, die gesellschaftlich anerkannt werden und andere, die eher für Tabu und unschicklich erklärt wurden.

Mitgefühl ist eines davon, dass als so erstrebenswert gilt, dass es nicht selten zu "blinden Mitgefühl" kommt oder den o.g. Schattenseiten des zu großen Mitgefühls, aber selten ernsthaft hinterfragt werden "darf". Das schickt sich nicht. Schnell wird mal als kalt, egoistisch, egomanisch, narzistisch etc.pp beschimpft. Während gleichzeitig eine andere Fraktion auf einen einredet, man möge doch bitte lernen sich abzugrenzen und eigene Grenzen zu erkennen und erstmal an sich selbst denken. Zurück bleibt Verwirrung: Ja, wie denn nun?!

Unter dem Strich: Denken lohnt sich. Immer. Das richtige Maß ist entscheidend. Und idealerweise sollte es das eigene Maß sein.
Zuletzt geändert von (V) am Fr., 19.11.2010, 17:02, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag Fr., 19.11.2010, 17:01

Danke Euch

Ich glaube ich habe es jetzt begriffen, es geht in dem Beispiel, das ich genannt habe glaube ich weniger um Mitgefühl (also im Sinne von: "ich bin zwar nicht einverstanden mit seinem Verhalten, aber er/sie reagiert so, sie ist Opfer ihrer Reaktionen und manchmal bin ich auch Opfer meiner Reaktionen, wie dem Ärger den ich jetzt empfinde), die Betonung sollte eher auf Gelassenheit liegen.. hmm ja... verstehe...
Und ja manchmal kann es dann auch so sein, dass der Ärger doch hochkommt und ja, die Selbstzuwendung bedeutet dann auch Mitgefühl mit dem Ärger... stimmt.

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Innere_Freiheit
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Beitrag Fr., 19.11.2010, 17:08

Noch einen kleinen Nachtrag:

Mitgefühl bedeutet für mich nicht, herablassend auf jemanden (oder etwas) herunterzublicken.
Mitgefühl bedeutet für mich, mich für jemanden (oder etwas) zu öffnen, mich ihm zuzuwenden.

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Beitrag Fr., 19.11.2010, 17:23

Weiß jetzt nicht warum du diesen Nachtrag machst.

Ich habe Dich nicht falsch verstanden. Herablassend auf jemanden herunterzublicken bedeutet dass man ihn entwertet und sich über ihn stellt... ich denke man versucht zu verstehen aber auf der anderen seite bleibt man auch Gelassen dies durch Selbstzuwendung (zum eigenen Gefühl).... wer hat was von herunterblicken gesagt?

LG

S.

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Beitrag Fr., 19.11.2010, 17:25

und ich wäre der Person sehr verbunden, die dieses Thema nun verschoben hat ... wenn Sie es noch etwas weiter verschiebt, damit es wieder unter eine Rubrick fällt, das würde mich sehr freuen.

Gruß

September

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