Was bedeutet Heilung?

Hier können Sie Fragen zu Begriffen, Diagnosen und sonstigen Fachworten stellen, die einem gelegentlich im Zusammenhang mit Psychologie und Psychotherapie begegnen oder die Bedeutung von Begriffen diskutieren.
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Osa
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Was bedeutet Heilung?

Beitrag So., 15.04.2012, 12:17

Im PA-oder-VT-Thread kam vorhin eine Frage auf, die ich gerne als eigenes Thema hier einstellen möchte:

Was bedeutet Heilung?

Ich habe schon mehrfach gelesen, dass jemand schrieb, seine Therapie hätte (nicht) zur Heilung beigetragen oder ihn/sie (nicht) geheilt.

Wie kann man denn Heilung bzw. Nicht-Heilung feststellen?

Wie konntet ihr (diejenigen, die diesen Begriff verwendet haben) das für euch feststellen?

Ein Definitionsversuch: Heilung bedeutet, nicht mehr an seinen "Macken" zu leiden, sondern sie zu akzeptieren.

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candle.
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Beitrag So., 15.04.2012, 12:23

Hallo Osa!

Wäre es nur eine Macke, dann wäre es ja OK, dann würde ich daran auch nicht leiden.

Naja, Heilung steigert die Lebensqualität auf ein höheres Level.

candle
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Osa
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Beitrag So., 15.04.2012, 12:28

Huhu Candle!

Ich finde deine Definition "Heilung = Steigerung der Lebensqualität" echt super! So kann ich mit dem Begriff Heilung doch etwas anfangen


leberblümchen
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Beitrag So., 15.04.2012, 12:35

Naja, ich weiß nicht: Heilung ist halt Heilung Wenn jemand eine Krankheit hat und die Symptome gelindert werden, damit man ein erträgliches Leben führen kann, ist man doch nicht geheilt.

Ich frag mich auch, ob für den Behandler, die Kassen und den Patienten da jeweilse andere Maßstäbe gelten.

Ich glaube, das hängt von zu vielen Faktoren ab, ob man von einer psychotherapeut. Behandlung eine Heilung erwarten kann und darf. Es gibt sicher Störungen, die sich leichter behandeln lassen als andere. Und es gibt bestimmt auch Patienten, die besser 'anspringen' als andere, weil sie vielleicht einen besseren Zugang zu sich selbst haben.

Insofern würde ich meinen, eine Therapie ist dann erfolgreich, wenn die Lebensqualität gesteigert wurde. Das muss nicht immer mit einer Heilung einhergehen.

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Osa
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Beitrag So., 15.04.2012, 12:50

titus2 hat geschrieben: Wenn jemand eine Krankheit hat und die Symptome gelindert werden, damit man ein erträgliches Leben führen kann, ist man doch nicht geheilt.

Insofern würde ich meinen, eine Therapie ist dann erfolgreich, wenn die Lebensqualität gesteigert wurde. Das muss nicht immer mit einer Heilung einhergehen.
Vielleicht gibt es Menschen, für die das eine (erträgliches Leben durch Symptomlinderung) das andere (gesteigerte Lebensqualität) impliziert und die das dann Heilung nennen?

Wenn die Steigerung der Lebensqualität nicht die Heilung ist, was ist es dann? Gibt es überhaupt so etwas wie psychische Heilung?
Man kann ja nicht von seinem Selbst geheilt werden, denn das würde ja heißen, dass das Selbst eine Krankheit ist.

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candle.
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Beitrag So., 15.04.2012, 12:55

Osa, Heilung hat auch den Zeitfaktor, den man seelisch schlecht bestimmen kann oder wie mir Therapeuten sagten, dass die Seele keine Zeit kennt. Das ist natürlich bei einem physischen Trauma etwas anderes Heilung abzuschätzen wo meistens auch Narben zurückbleiben- also ich bleibe bei der gesteigerten Lebensqualität.

candle
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Woman
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Beitrag So., 15.04.2012, 13:08

Hallo Osa,
Gibt es überhaupt so etwas wie psychische Heilung?
Ich habe das Buch des kanadischen Psychiaters und Psychoanalytikers Norman Doidge "Neustart im Kopf - Wie sich unser Gehirn selbst repariert"
gelesen und fand es sehr lesenswert.

... 296&sr=1-1

Wenn Du magst, kannst Du Dir die Doku ansehen:

Und seit jeher war es so, daß die Liebe erst in der Stunde der Trennung ihre eigene Tiefe erkennt.


Jenny Doe
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Beitrag So., 15.04.2012, 14:44

Wie kann man denn Heilung bzw. Nicht-Heilung feststellen?
Heilung mache ich daran fest,
- dass der Zustand vor der Erkrankung wieder hergestellt wird
- mein Leben (wieder) Lebensqualität bekommt
- mein Leid gemindert wird oder noch besser, verschwindet
- ich (wieder) Dinge machen kann, die ich aufgrund der Erkrankung nicht (mehr) machen konnte
- ich mit den Symptomen umgehen kann und mir selber helfen kann
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Blaubaum
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Beitrag So., 15.04.2012, 15:32

ich glaube, wirkliche heilung ist ein "seltenes gut". meistens muss man damit zufrieden sein, was Jenny Doe beschrieben hat. etwas bessert sich, wird erträglicher, das leben wird schöner. das ist schon viel.

heilung als begriff kommt mE von heil, ganz, komplett. vielleicht gibt es heilung jenseits des (polaren) lebens? vielleicht heisst geheilt sein, nicht mehr zwischen polaren qualitäten (z.b. gut/schlecht oder vorher/nachher) zu unterscheiden? nicht mehr zu bewerten? sein individuelles selbst hinter sich zu lassen, indem man sich und alles andere/alle anderen bedingungslos akzeptiert? vielleicht ist heilung bedingungslose liebe oder entsteht aus dieser?
spezialisten wissen zuerst viel über wenig und am ende alles über nichts

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Osa
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Beitrag So., 15.04.2012, 15:40

Blaubaum hat geschrieben:sein individuelles selbst hinter sich zu lassen, indem man sich und alles andere/alle anderen bedingungslos akzeptiert?
Das klingt für mich eher gruselig... Kannst du erklären, wie du das meinst?

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Blaubaum
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Beitrag So., 15.04.2012, 21:36

Osa hat geschrieben:
Blaubaum hat geschrieben:Das klingt für mich eher gruselig... Kannst du erklären, wie du das meinst?
gern. ich meine es so, dass jemand zwar weiterhin ein individuum ist, aber gleichsam alle "ecken und kanten", also auch alle i.w.s.neurotischen determinierungen ablegt, indem er/sie sich bzw. seinen lebensfokus z.b. im körperlichen bereich von der immer und ewig alles bewertenden kopf-energie zur alles so wie es ist sein lassenden wurzel-energie (unterleib, beine, füsse) wandelt.

oder dass jemand im kognitiven bereich sich darum bemüht, alle betrachtungen der umwelt oder der eigenen person und lebensrolle, alle gedanken, die er sich darüber macht, so weit (als gegenteil von eng) zu spannen, dass in ihm das entstehen kann, was die christen als "universelles/göttliches verzeihen" bezeichnen.
dieses universelle verzeihen entsteht mE aus dem universellen verstehen, dem erkennen aller ursache-wirkungszusammenhänge. das enthebt den einzelnen zwar nicht von seiner persönlichen verantwortung für seine taten (und gedanken), aber es führt zu einem zustand, dem unentwegtes bewerten irgendwelcher verhältnisse nach und nach fremd werden.

für mich persönlich ist daran nichts gruseliges, im gegenteil, ich finde den zustand, der uns zum unentwegten spielball der umstände macht, gruselig. wir sind wie schlecht verwurzelte bäume im sturm, wenig geerdet.

die menschen sind stolz darauf, ein individuum zu sein (ich übrigens auch), und viele meinen, je individueller sie sind, desto glücklicher sind sie.

nur leider sind sie mE nicht individuell genug. sie lassen sich nämlich ständig manipulieren, belohnen, bestrafen.....und wenn es niemand für sie tut, belohnen und bestrafen sie sich selbst. das ist ein durch sozialisation und konditionierung entstandener selbstläufer. und unentwegt rattert das gehirn, denkt und denkt, bewertet und bewertet.

dabei vergessen wir unseren körper, unsere wurzeln, unser herz. unser vegetativum scheint uns nicht viel wert zu sein, unsere gefühle, unsere herzenergie. wir setzen sie als gegeben voraus und bemerken viel zu spät, dass etwas nicht stimmt in uns. und dann brauchen wir psychopharmaka, die unsere neurotransmitter regulieren. dabei kann unser körper das ganz gut selbst. wir müssen ihn nur lassen.

mE geht der weg zur heilung bei uns menschen über das lassen. das schliesst mit ein, dass jeder ein individuum sein darf, sogar ein absolut einzigartiges individuum. und sich auch so fühlen darf, ohne dafür bestraft zu werden oder massnahmen der mehr oder weniger gewaltsamen oder manipulativen umkonditionierung befürchten zu müssen (z.b. bei allzu "merkwürdigen" äusserungen oder lebensformen abgeurteilt, verleumdet oder ignoriert zu werden).
um seine individualität eines tages nicht mehr als lebenskrücke (kompensationsinstrument der als widrig empfundenen umstände) nötig zu haben (sie ist sowieso illusion, aber anscheinend vorübergehend nötig), muss man erst mal ein wirkliches individuum sein dürfen (so wie z.b.ein kleinkind erstmal etwas sicher besitzen dürfen muss, um schliesslich das leichtherzige abgeben an die geschwister oder andere kinder lernen zu können).

jo, so meinte ich das
spezialisten wissen zuerst viel über wenig und am ende alles über nichts

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Osa
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Beitrag Mo., 16.04.2012, 11:32

@Blaubaum: Vielen Dank für die ausführliche Erklärung, jetzt verstehe ich, was du meinst.
Hat auch nichts gruseliges mehr (Ich hatte "sein individuelles Selbst hinter sich lassen" zuerst in Richtung Normanpassung verstanden.)

Selbstverständlich auch Danke an alle anderen für ihre Erklärungen (was nicht heißen soll, dass der Thread jetzt zu Ende ist, weitere individuelle Erklärungsversuche nach wie vor erwünscht)!

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Corumbra Myosotis
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Beitrag Mo., 16.04.2012, 11:50

Kann man den Begriff "Heilung" überhaupt mit PT verbinden (natürlich gibt es da auch Ausnahmen,"leichtere" und konkretere Symptome z.B.)? Ist das nicht unseriös,wenn sich da heutzutage noch jemand da hinstellt und behauptet jemanden "heilen" zu können und naiv, wenn das jemand auf der anderen Seite erwartet?

Ich meine, ich habe nie einen Fachmenschen von der Begrifflichkeit an sich sprechen hören. Es ging immer nur in Richtung "Besserung". Und ich glaube, das ist leider oft auch das Maximum.
-
"It is not nor it cannot come to good:
But break, my heart; for I must hold my tongue.“

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Osa
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Beitrag Mo., 16.04.2012, 11:56

Dysfunction hat geschrieben:Kann man den Begriff "Heilung" überhaupt mit PT verbinden (natürlich gibt es da auch Ausnahmen,"leichtere" und konkretere Symptome z.B.)? Ist das nicht unseriös,wenn sich da heutzutage noch jemand da hinstellt und behauptet jemanden "heilen" zu können und naiv, wenn das jemand auf der anderen Seite erwartet?
@Dysfunction: Das frage ich mich auch, aber der Begriff Heilung ist schon desöfteren hier im Forum gefallen, weshalb mich einfach interessiert, was damit wohl gemeint ist (nicht im Sinne einer fachlichen Definition, sondern eher eine individuelle Definition des jeweiligen Begriffsbenutzers).

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Corumbra Myosotis
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Beitrag Mo., 16.04.2012, 12:06

Hmm ... gut, dann bin ich raus. Nichts für ungut.

Den Begriff würde ich nie benutzen bzw. es für meine Pathologie erwarten oder erträumen. Das wäre doch arg illusorisch.
Verbinde halt damit eine Beseitigung von Symptomen, alles andere ist nur Linderung oder Verschlechterung. Ist halt alles eine Frage, wie schwerwiegend eine Krankheit ist. Wenn jemand mit einer komplexen Persönlichkeitsstörung erwartet, daß er geheilt wird, ist das wohl ziemlich vergeblich. Bzw. sich über "Nicht-Heilung" beschwert, ist es auch schon arg wirklichkeitsentrückt, wenn diese Beseitigung in der Regel gar nicht möglich ist. Ich glaube, oft gehen Menschen mit einer falschen Erwartungshaltung daran,weil es eben nie ein passiver Prozess ist, wie bei vielen physischen Krankheiten. Aber dazu gibt es ja an anderer Stelle schon diverse Ausuferungen, nicht wahr?
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"It is not nor it cannot come to good:
But break, my heart; for I must hold my tongue.“

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