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So., 04.10.2015, 19:58
Auch wenn es OT ist: ein paar Worte muß ich dazu verlieren:
Die sexualtherapeutische Intervention meiner ehemaligen Hautärztin in meine Selbstanalyse wird von mir vehement gutgeheißen, und stellt für mich keinen Verstoß gegen das Abstinenzgebot dar.
Zunächst einmal muß ich betonen, daß meine Ärztin wußte, daß ich promiskuitiv lebe, und "so schnell nichts krumm nehme". Dann: sie wußte auch, daß ich auf dem Weg zu einem Bilanzselbstmord gewesen war - das hatte ich ihr sogar selbst mitgeteilt, auf einem "psychoanalytischen" Wege, der für sie jedoch sehr gut erkennbar gewesen war. Meine Selbstanalyse war eine Analyse "auf Leben und Tod" gewesen. Ziemlich melodramatisch war das alles - "Das Leben ist nur ein Abklatsch unserer guten Romane." (Balzac) Es war nach der chirurgischen Sanierung der Akne Inversa bereits wieder zu sehr ernsthaften Rezidiven gekommen - Srcotum, Scham und Peniswurzel waren (und sind immer noch) bereits wieder verfistelt (inzwischen ist das alles weitgehend vernarbt, konservativ beherrschbar). Es war - auch für mich subjektiv - ein Kampf gegen die Zeit, die mir davongelaufen ist: wielange würde ich noch kognitiv intakt bleiben, bevor ich in der nächsten chirurgischen Sanierung wieder auf unabsehbare Zeit von Opioiden und Opiaten bedröhnt sein würde, zum Vorantreiben der Analyse nicht mehr fähig ?
Meine Ärztin hat mir das Leben gerettet - und was noch viel wichtiger ist: meine Identität.
Ihr Vorgehen geschah auch völlig offen - in der Praxis wußte jederman darüber Bescheid: die Krankenschwestern und insbesondere auch der Ehemann meiner Ärztin, der in der Praxis mitarbeitete. Mit allen wurde nach dem Wiedererleben des Traumas darüber gesprochen, die Krankenschwestern waren selbst auch teilweise involviert gewesen - nämlich wenn es darum ging, mich mit Probepackungen, Verbandsmaterial usw zu überhäufen.
Sexuelles Verhalten als Therpeutikum einzusetzen, ist ungewöhnlich, aber keineswegs unmöglich. Ich glaube heute noch, wenn ich mit der Analyse nicht weitergekommen wäre, meine Ärztin hätte sich nicht gescheut, sich mir im Minirock auf den Schoß zu setzen - um mich nicht sterben zu lassen. Nicht, bevor sie alles versucht hätte, alles gegeben hätte, was sie drauf hatte.
Die Probleme, die sich nach dem Wiedererleben des Traumas ergeben hatten, beruhten auf einem nicht bewußten psychischen Defizit meiner Ärztin - einem nur unvollständig verarbeiteten "Infertilitätskomplex". Das wußte meine Ärztin nicht - vielleicht weiß sie es auch heute nicht. Mein Über-Psycho nimmt an, daß sie verdrängt haben wird. Das kann man ihr nicht zum Vorwurf machen. Und das stellt auch ihre Fähigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes in keinster Weise infrage. Denn: es ist ausserordentlich ungewöhnlich, daß in der Sprechstunde einer Hautarztpraxis unter den üblichen Sprechstundenbedingungen eine Psychoanalyse stattfindet, die zum Wiedererleben eines Kindheitstraumas führt. Wer führt schon eine Selbstanalyse durch - heutezutage ? Die meisten wissen ja noch nicht einmal, daß das überhaupt möglich ist.
Es ist ein Irrtum zu glauben, Ärzte wären Übermenschen, könnten durch berufsrechtliche Vorschriften oder ethische Gebote zu Übermenschen gemacht werden.
Die Begegnung von dieser Ärztin und mir selbst war eine Begegnung über der Baumgrenze gewesen. Daß man dabei Federn läßt, gehört dazu.
Es ist eine merkwürdige Ironie unseres privaten Schicksals, daß meine zweite Geburt (und eine erfolgreiche Analyse ist eine Solche) durch eine Frau maßgeblich unterstützt worden ist, die ihrerseits keine Kinder bekommen kann, und darunter schwer leidet.
Die Begegnung mit dieser Ärztin war die wichtigste Begegnung meines Lebens gewesen. Sie ist in mehrfacher Hinsicht meine "Mutter 2.0", die mir geholfen hat, die Tür zum Licht aufzumachen.
Für meine Ärztin dagegen war sie eine Durchbrechung ihrer Kompensation gewesen - eine äusserst schmerzhafte Angelegenheit.
Ich bezweifele indessen, ob das alles jemand verstehen kann, der nicht einen Zugang zur Gedankenwelt der Psychoanalyse gefunden hat. "Der Mensch" ist ein Neurotiker - jeder Mensch, der in einer zivilisierten Gesellschaft aufgewachsen ist und lebt. Was wir als "normal" und "psychisch gesund" bezeichnen, begreifen und auch wissenschaftlich versichert bekommen, ist nichts, als die "sozialübliche Neurose".