Zwangsgedanken und aggressives Verhalten durch Antidepressiva

Erfahrungsaustausch zur Begleitmedikation zur Psychotherapie (Psychopharmaka und pflanzliche Mittel). Achtung: dient nicht zur gegenseitigen Medikamentenberatung, die ausschließlich Fachärzten vorbehalten ist. Derartige Beiträge werden aus dem Forum entfernt.
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Esbri
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Zwangsgedanken und aggressives Verhalten durch Antidepressiva

Beitrag Do., 01.09.2016, 13:50

Hi!

Ich habe wohl ein etwas ungewöhnliches Problem, weil ich Nebenwirkungen von Medikamenten bekomme, die eigentlich gegen diese Symptome helfen sollten.
Ich habe vor kurzem Mirtazapin verschrieben bekommen, weil ich (unter anderem) seit mehreren Monaten Schlafprobleme habe und jede Nacht nur wenige Stunden schlafe.

Da ich, was Psychopharmaka anbelangt, doch etwas empfindlich bin und nicht so reagiere, wie man annehmen würde, habe ich mich im Vorfeld informiert und Mirtazapin erschien mir harmlos. Es ist kein SSRI, ich erwartete also nicht die üblichen Probleme, es sollte nur müde machen und das war mir eigentlich recht.
Genommen habe ich die Dosis, die in erster Linie müde machen sollte. 15mg am ersten Tag und weil ich schon Nebenwirkungen hatte und befürchtet habe es geht vielleicht zu schnell je 7.5mg zweiten, dritten und vierten.
Ich bin sehr froh, dass ich am Ende noch ein kleines bisschen klar im Kopf war und nach 4 Tagen aufgehört habe, diese Tabletten zu nehmen. Die SSRIs waren schon sehr unangenehm, aber das ist rückblickend ein Horrortrip.
Ich hatte schon am ersten Tag nach der Einnahme befremdliche Zwangsgedanken bzw. Impulse und am zweiten Tag überkam mich eine seltsame Art von Gleichgültigkeit, die aber irgendwie auch Gereiztheit war und ich bin stundenlang sehr plastischen Mordphantasien nachgehangen weil mich alles und jeder so ungemein gestört hat. Ich wollte meinen Freund verlassen, damit ich alleine in meiner Wohnung sitzen kann. Seine pure Existenz war mir zuviel. Ich war so fernab von normalem Empfinden, ich tu mir schwer, das überhaupt zu beschreiben. Ich wollte nur noch in meiner Wohnung sitzen und ins Leere schauen, und alles, was mich dabei stören könnte, vernichten. Mich hat das alles auch überhaupt nicht beunruhigt, mich hat überhaupt garnichts beunruhigt, es kam mir noch nicht seltsam vor. Ich hab mir nur irgendwann gedacht, dass was nicht mit mir stimmt, das war so eine ganz nüchterne Feststellung weil irgendwie war mir beusst, dass ich nicht so bin wie sonst. Die Tabletten haben auch nicht beim Schlafen geholfen, im Gegenteil und daraufhin hab ich sie nicht mehr genommen. Über einen Tag später bin ich dann wieder "zu mir gekommen" könnte man sagen und war ziemlich durch den Wind und panisch, was da passiert war.

Ich neige nicht zu Zwängen und ich bin auch nicht psychotisch. Ich habe in erster Linie seit langer Zeit Panikattacken und eine chronische depressive Verstimmung. Da ich schon mehrere psychologische Tests machen musste, habe ich das auch schwarz auf weiß. Das Thema, eine Psychose zu haben habe ich mehrfach in Therapien besprochen, weil ich vorallem in der Anfangszeit meiner Panikattacken sehr davon überzeugt war, wahnsinnig zu werden, da ich schon recht heftige und langanhaltende Derealisations- und Depersonalisationszustände habe.
Die Zustände unter SSRIs bzw. jetzt unter Mirtazapin waren gänzlich untypisch für mich.
Der Einfachheit halber sage ich Zwangsgedanken oder Zwangsbilder dazu. Es waren aber eigentlich keine Gedanken, sondern in meinem Kopf auftauchende Bilder oder teilweise sogar ganze Sequenzen.
Der krasseste "Film" war eine Sequenz, die auftauchte, als ich im Bus saß. Ich "sah" sehr realistisch, wie ich einem Mann hinter mir mit einem langen Messer den Kopf abschneide. Ich "hörte" das Geräusch, das das Messer macht, wenn es durch Knochen und Fleisch schneidet. Ich "spürte" das Messer in meiner Hand, den Widerstand beim Schneiden, ich "spürte" das Blut meine Hand runterrinnen.
Das passierte nicht einmal, sondern jedes Mal, wenn ich zu dem Mann hinsah. Insgesamt sicher 3x hintereinander.
Ich kann nicht sagen, was das ausgelöst haben könnte, ich hab den Mann nur von hinten gesehen, er hat nicht geredet, er hat auch nichts getan, was mich aufregen könnte. Ich fühlte mich auch nicht wütend. Mir war die ganze Situation ziemlich gleichgültig.

Wenn ich mich jetzt daran erinnere, dann macht mich das natürlich fertig. Jetzt habe ich Gefühle dazu und ich füchte mich vor mir selbst und bin richtiggehend entsetzt. Ich kann das mit meiner Persönlichkeit gar nicht in Einklang bringen, das war ganz einfach nicht ich. Handelt es sich dabei um eine Art substanzinduzierte Psychose? Denn ich hatte ja sowas wie Wahnvorstellungen. Wobei vielleicht waren es doch keine Wahnvorstellungen, denn dann wäre ich wohl überzeugt davon gewesen, es wäre wirklich. Mir war aber schon klar, dass es nicht wirklich passiert.

Ich bin jetzt wieder "normal", so normal wie ich halt sein kann. Für mich fühlt sich das mehr an wie ein ganz mieser Traum.
Mich würde sehr interessieren, ob sich jemand in meinen Zeilen wiederfindet und mich vielleicht erleuchten kann, was da mit mir passiert ist.

Liebe Grüße

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Candykills
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Beitrag Do., 01.09.2016, 13:55

Hey

Klingt für mich danach, als wärest du unter der Einnahme ein wenig psychotisch geworden, also sehr gut, dass du das Medi so schnell wieder abgesetzt hast. Das haben viele Antidepressiva als Nebenwirkung, kann also wirklich vorkommen. Ich denke du musst jetzt nach dem Absetzen aber nichts mehr befürchten. Vielleicht würdest du mit einem stimmungsstabilisierenden Neuroleptikum wie Seroquel Prolong, dass auch antidepressiv wirkt, besser hinkommen, falls du medikamentös deine Depression noch angehen möchtest.

LG
Candy
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Esbri
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Beitrag Do., 01.09.2016, 14:19

Nach meinen bisherigen Erfahrungen mit Psychopharmaka bin ich nicht geneigt, da noch mehr rumzuprobieren.
Bis jetzt ist noch nie was Gutes dabei rausgekommen.
Ich hatte insgesamt 4 verschiedene SSRIs und ein trizyklisches AD und keines davon hatte eine positive Wirkung. Die harmlosesten Nebenwirkungen waren noch Lethargie und sexuelles Desinteresse, die schlimmsten gehen in die Richtung, die ich mit dem Mirtazapin hatte. Extreme Unruhe, Aggressivität und sehr befremdliche Gedanken.

Ich hab auch noch ganz kurze Einmalerlebnisse mit Benzodiazepinen, hauptsächlich als Beruhigungstropfen für Gastroskopie und MRT. Wirkung war einmal gleich Null, das andere Mal wurde ich nach ca 1h nach der Einnahme ziemlich verwirrt und auch sehr wütend. Ich hab erst das Personal angefaucht und später noch meinen Freund, der mich abgeholt hat. Zum Glück bin ich danach eingeschlafen.
Einmal hat mir der Hausarzt ohne mein Wissen ein Beruhigungsmittel in einer Infusion mit verabreicht (gegen Verspannungen im Rücken, Schmerzmittel und das tolle "Mittel zur Muskelentspannung"), ich bin daraufhin wie betrunken heimgewackelt und hatte einen Filmriss von mehreren Stunden, in denen ich meine Wohnung zerlegt habe und allgemein ausgerastet bin. Ich wurde von meinem besten Freund total desorintiert und verwirrt aufgefunden, den ich offenbar angerufen habe, aber ich erinnere mich an garnichts nichts.
Mittlerweile weiß ich, dass es Menschen gibt, die paradox auf Beruhigungsmittel reagieren. Ich versuche die auch zu vermeiden, dieses Jahr habe ich wider besseres Wissen für ein MRT doch welche bekommen und wie oben gesagt ging die Tendenz wieder stark in Richtung Aufgeregtheit und Aggression.

Im jetzigen Fall ging es gar nicht um meine sonstigen psychischen Erkrankungen, sondern um extreme Schlaflosigkeit.
Ich habe wirklich alles probiert, um wieder normal zu schlafen, aber es funktioniert seit Monaten nicht mehr.
Ein paar Mal war ich über 36h durchgehend wach und hab dann gerade mal 4h geschlafen und war wieder wach. Und das Ganze ohne dass ich daraufhin erschöpft oder müde wäre. Ich bin geradezu krankhaft wach, was extrem untypisch ist, da ich bisher mein Leben lang eher krankhaft müde war. Sogar in dem Ausmaß, dass es ein Chronic Fatigue Syndrom hätte sein können.

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Esbri
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Beitrag Sa., 31.12.2016, 12:29

Als kleines Update:
Seit Mitte November wurden meine Schlafprobleme weniger und mittlerweile kann ich sagen, dass sie sich so weit verringern kann, dass ich annähernd wieder ein normales Schlafmuster habe. Nicht so wie vorher, aber zumindest schlafe ich meistens durch und bin auch nicht mehr um 4 wach und kann nicht mehr einschlafen.
Was ist passiert?
Ich habe mit Ende Oktober mit der Dreimonatsspritze Depocon aufgehört. Auf Anraten eines Spezialisten für Schmerzerkrankungen, der da eigentlich ganz andere Hintergründe dafür hatte, jedenfalls aber meinte, dass ich damit mal probewiese aufhören soll. An meiner Schmerzproblematik hat sich leider Null geändert, in meinem Leben hat sich auch ansonsten nichts geändert. Alles was wegfiel, ist die Spritze. Und nun kann ich endlich wieder fast normal schlafen.
Bei den Nebenwirkungen der Dreimonatsspritze ist auch Schlaflosigkeit aufgeführt, allerdings soll das wohl nicht sehr häufig sein. Ich hatte wohl ausgerechnet dieses Pech.
Ich habe mir so viele Gedanken gemacht, woran meine Schlaflosigkeit liegen könnte und wollte schon ins Schlaflabor und dann sinds einfach nur die Hormone. Damit hätte ich echt nicht gerechnet.

LG

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