Antidepressiva bei reaktiver Depression?

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Hamna
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Antidepressiva bei reaktiver Depression?

Beitrag Fr., 27.02.2009, 14:47

Ich hoffe, ich bin hier mit meiner Frage richtig:

Beim zweiten Vorgespräch (im ersten hatte ich es vergessen) sagte ich meinem Therapeuten, dass ich zur Zeit zwei verschiedene Antidepressiva nehme, auf Anraten des Psychiaters, die mir aber nicht helfen.

Daraufhin meinte er (lachend), die könnten auch nicht helfen, da sie reaktiv wären. Hmmm, damit konnte ich so erstmal gar nichts anfangen.

Habe eben gegoogelt, und finde zwar reaktive Depressionen, aber keine reaktiven Antidepressiva. Bin ich jetzt blöd - oder er? Verwirrung mal wieder komplett!

Überhaupt hat es ihn nicht sonderlich interessiert, dass ich zur Zeit Tabletten nehme. Ich meine, ist das denn nicht wichtig für die Therapie? Bin im Moment mal wieder etwas sauer auf ihn! Sicher, ich werde ihn nächstens fragen, aber das macht mich total kribbelig gerade.

Hat jemand einen Rat oder kann sich einen Reim drauf machen, was er mit diesem "reaktiv" meinte, und warum Antidepressiva mir nicht helfen können?

(Hinweis Admin: Betreffzeile von "Mal wieder völlig verwirrt...!" auf obige präzisiert. Bitte zukünftig - siehe Netiquette! - möglichst aussagekräftige Betreffzeilen wählen! Danke.)

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lamedia
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Beitrag Fr., 27.02.2009, 15:13

Hi Rilke,

ich denke, es geht um einen Gegensatz zwischen "reaktiv" und "ursächlich".
"Reaktiv" sind Medikamente, weil sie auf Symptomebene arbeiten. In der medikamentenkritischen Sicht wird der berühmte sog. "gestörte Gehirnstoffwechsel", auf den Medis einwirken sollen, als ein Symptom, eine Folge von Grundkonflikten und ungeeigneten Verarbeitungen biographischer Erfahrungen, von maladaptiven (schlecht angepaßten) Denk- und Verhaltensmustern begriffen.
"Ursächlich" zu arbeiten, würde dagegen bedeuten, an den Gründen für das innere Ungleichgewicht zu arbeiten, durch Betrachtung deiner Geschichte, ihrer inneren Logik und durch Neuorierentierung, die er dir hoffentlich anbieten kann. Also, kein Grund zur Verwirrung. Hört sich gut an.

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münchnerkindl
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Beitrag Fr., 27.02.2009, 15:23

Rilke hat geschrieben:
Daraufhin meinte er (lachend), die könnten auch nicht helfen, da sie reaktiv wären. Hmmm, damit konnte ich so erstmal gar nichts anfangen.
Mit "sie" meint er die Depression, eine reaktive Depression. Also eine Depression als Reaktion auf irgendeine Situation im Leben.

Aber auch bei einer reaktiven Depression kann ein passendes Antidepressivum gegen das Symptom Depression erstmal helfen, auch wenn es die Depression natürlich nicht ursächlich kuriert, von daher kann man nicht sagen daß er mit seiner Aussage Recht hat. Finde es nicht gerade vertrauneerweckend wenn ein Therapeut sich lachend über ein an sich potentiell wirksames Medikament und die Behandlung damit erhebt. Weil es durchaus passieren kann daß jemand mit schweren Depressionen durch Antidepressiva erst in der Lage ist überhaupt eine Therapie zu machen.

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Hamna
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Beitrag Fr., 27.02.2009, 15:24

lamedia hat geschrieben: Also, kein Grund zur Verwirrung. Hört sich gut an.
Oh, dann bin ich ja beruhigt, vielen Dank


Kann es sein, dass Therapeuten grundsätzlich eine sehr "medikamentenkritische" Sichtweise haben? Denn wenn der gestörte Gehirnstoffwechsel eine Folge der Grundkonflikte etc. ist, müssten oder könnten Antidepressiva doch zumindest, wenn vielleicht nicht die Depression heilen, zumindest unterstützend wirken, oder?

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Hamna
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Beitrag Fr., 27.02.2009, 15:32

münchnerkindl hat geschrieben:
Finde es nicht gerade vertrauneerweckend wenn ein Therapeut sich lachend über
Ja, münchnerkindl, was soll ich sagen, er ist halt ein Witzbold. Aber das ist mit ein Grund, dass ich ausgerechnet wieder zu ihm gegangen bin, weil wir viel miteinander lachen können (und das bei meiner Depression!). Auch wenn es mich in manchen Situationen dann auch wieder total aufregen kann.

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münchnerkindl
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Beitrag Fr., 27.02.2009, 16:25

Rilke hat geschrieben:
Kann es sein, dass Therapeuten grundsätzlich eine sehr "medikamentenkritische" Sichtweise haben?

Nein, kann man so nicht sagen. Ich schätze das ist eine individuelle Sache des jeweiligen Therapeuten.Ich hatte mal ein Vorgespräch, die hätte mich nur genommen wenn ich ein Antidepressivum nehme. Hab es bei der dann bei einem Vorgespräch gelassen weil ich das Gefühl hatte es stimmt nicht.

Ich wäre prinzipiell vorsichtig bei jedem Therapeuten der so festgefasste Vorstellungen und Ideen hat. Das ist ein Zeichen dafür daß jemand unflexibel ist.

Weil wie gesagt es stimmt einfach nicht. Auch bei einer reaktiven Depression kann ein Antidepressivum die Symptome lindern.
Das ist wie wenn du dir den Kopf angeschlagen hast und dann eine Schmerztablette nimmst damit der Schädel nicht ganz so dröhnt.

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Traumstern
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Beitrag Sa., 28.02.2009, 22:56

Hallo,
ich hab zur (Nicht-)Medikamenteneinnahme was Interessantes gefunden:
(das sind nur Ausschnitte)

Aus dem Erfahrungsschatz von über 100 Jahren psychiatrischer Wissenschaft kristallisieren sich viele Faktoren heraus, die eine Psychotherapie heilsam und wirkungsvoll werden lassen:

Die Fähigkeit des Patienten, Depressionen zu ertragen und angstneurotische Symptome, begünstigt einen positiven therapeutischen Verlauf, da diese schwierigen Phasen in einer Psychotherapie unabdingbar sind und auch ausgehalten werden müssen. Die Einsicht des Patienten, daß er Psychotherapie benötigt, erhöht sich erfahrungsgemäß, wenn der Leidensdruck sich erhöht.


Wenn man weiß (und hofft, das es stimmt), warum man so leidet, lässt es sich (zumindest phasenweise) etwas leichter ertragen.

Liebe Grüße

Traumstern
[hr][/hr]
„Ich bin mir selbst zur Frage geworden.“ (Augustinus)

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hungryheart
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Beitrag Di., 17.03.2009, 20:01

rilke, was ist denn der therapeut von der ausbildung her?
psychologe?
dann hat er , anders als der facharzt für psychiatrie, nur rudimentäre kenntnisse über medikamente.
deshalb darf ja auch nur der arzt medikamente verschreiben.

und auf der höhe der zeit scheint er auch nicht zu sein:
die unterscheidung reaktiv / endogen ist veraltet.

und selbstverständlich wirken antidepressiva bei beiden arten von depressionen (oder auch nicht)

wenn du eine kombi hast, die nicht wirkt, wäre ein möglicher weg, diese unter ärztlicher aufsicht anzusetzen und neue auszuprobieren.
Nimm was du willst und zahl dafür.

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