Therapeut wechseln?

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Therapeut wechseln?

Beitrag So., 15.02.2009, 22:21

Hallo, ich bin neu hier.

Ich mache nun seit über einem Jahr eine Verhaltenstherapie bei einem Psychiater, der auch Gesprächstherapie anbietet. Ich bin in Behandlung wegen Depression, und weil ich psychotische Episoden hatte.

Ich schätze an diesem Arzt dass er sich gut mit Psychopharmaka auskennt und sehr offen und ehrlich über die Nebenwirkungen Auskunft gibt.

Von seinen Qualitäten als Therapeut bin ich aber nicht so überzeugt. Des öfteren merke ich wie er in den Therapiestunden gegen den Schlaf kämpft. Manchmal stellt er Fragen bzw. sagt Dinge die nicht zu dem passen was ich ihm zuvor erzählt habe. Als hätte er mich nicht verstanden oder einfach "abgeschaltet". Z.B. habe ich ihm in der letzten Stunde erzählt dass mein Vater vor kurzem verstorben ist, und erst nachdem ich bereits fünf Minuten über alles mögliche (meine Gefühle dazu, das Begräbnis, wie meine Mutter damit umgeht etc.) gesprochen hatte, fragte er nach: "Moment, wer ist jetzt gestorben? Ihr Vater, ich dachte ein Onkel?" Es war aber von keinem Onkel die Rede. Wenn er Ratschläge gibt, dann sind es Allerweltsweisheiten, die man so wohl in jedem Psychoratgeber finden kann: "Trauerarbeit leisten", "sich selber lieben", etc. Wenn ich wüsste wie das geht bräuchte ich keine Therapie.

Alle diese Dinge verunsichern mich, ich bin mir dann nie sicher ob es wirklich nur Unaufmerksamkeit/Einfallslosigkeit von seiner Seite ist, oder eine therapeutische Taktik, z.B. um mich zu irgendeiner Reaktion zu provozieren. (Ich kann keine Gefühle/Aggressionen zeigen.)

Hat es Sinn diese Therapie weiterzuführen? Soll ich mir jemand anderen suchen und wenn ja welche Richtung? Von Analyse wurde mir abgeraten, wegen der psychotischen Episoden.

Oder bin ich überhaupt "unbegabt" als Therapie-Klient? Muss sagen, der einzige Fortschritt den ich bis jetzt verzeichnen konnte kam von Medikamenten (AD). Ich bin sehr froh dass die geholfen haben, aber ich fürchte es ist keine Dauerlösung.

Grüsse,
Anfänger

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R.L.Fellner
Psychotherapeut
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Beitrag Mo., 16.02.2009, 06:56

Hallo 'Anfänger',

vor Anflügen von Müdigkeit sind natürlich auch Therapeuten nicht gefeit, inhaltlich sollte er Ihnen deshalb aber schon noch folgen können ... auch sind generell nicht alle Ärzte oder Fachärzte gleichzeitig auch gute Therapeuten. Vielleicht kann er Ihnen ja als Arzt erhalten bleiben, Sie könnten sich aber jemanden suchen, der Ihnen in therapeutischer Hinsicht besser weiterhelfen kann, wenn Sie sich doch schon einige Zeit lange nicht gut verstanden fühlen, und sich das auch nicht ändert, wenn Sie diese Unzufriedenheit ansprechen.

Daß Sie als Klient 'unbegabt' sind, kann ich mir nicht vorstellen - es ist ja der Therapeut, der sich (innerhalb eines gewissen Rahmens) auf Sie einstellen sollte. Vielleicht helfen Ihnen meine Tipps zum Finden des 'richtigen' Therapeuten weiter. Bei Depressionen haben sich Systemische Therapie, Gestalttherapie, Verhaltenstherapie und körperorientierte Therapieformen immer wieder bewährt.

Freundliche Grüße und alles Gute,
R.L.Fellner


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Beitrag Di., 16.03.2010, 18:19

Hier ein interessanter Beitrag zum Thema Therapeutenwechsel.


Gast
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Beitrag Di., 16.03.2010, 18:36

Hallo Anfänger,

ich würde das an deiner Stelle mit dem T. besprechen.
Ich mache mit meinem jetzigen T. die Erfahrung, dass ich bei Irritation ihn darauf ansprechen kann. Er wird nicht sauer, im Gegenteil.

Rosenrot

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Thread-EröffnerIn
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Beitrag Do., 18.03.2010, 12:39

Lustig, da habt ihr meinen Thread von vor einem Jahr hochgewuchtet.

Falls es jemand interessiert: Ich habe das Thema damals auch mit meinem Thera durchbesprochen. Er gab den Fehler zu und sagte, es wäre ihm auch peinlich gewesen. Er stellte auch die Vermutung in den Raum, dass er die Tatsache (Tod meines Vaters) eventuell nicht hätte wahrhaben wollen, also quasi Fehlleistung. Ich verstehe immer noch nicht ganz wie er das gemeint hat. Vielleicht wollte er mich unbewusst als Patient loswerden, dann würde es Sinn ergeben. Verstehe allerdings nicht warum er dann nicht gleich die Konsequenzen gezogen und mich an jemand anderen verwiesen hat.

So habe ich noch ein paar Monate mehr bei ihm zugebracht und die Therapie erst im Mai 09 abgebrochen.

Das Problem das bussard mit seinem Thera hat (siehe http://www.psychotherapiepraxis.at/pt-f ... 20&t=13351) hatte ich mit diesem übrigens auch.

Auch das habe ich angesprochen, und er hat mir dazu gratuliert dass ich die Kritik so sachlich vorgebracht habe. Das hat mir damals kurz ein gutes Gefühl gegeben. (Hat man ja im Alltag nicht so oft, dass man jemand durch die Blume sagt dass man ihn für kein grosses Licht hält, und er gratuliert einem noch dazu.) Später allerdings habe ich mich eher über eine gewisse Selbstzufriedenheit seinerseits geärgert, die er damals doch recht deutlich an den Tag gelegt hat.

Bescheidenheit ist ja bekanntlich die höchste Form der Arroganz. Irgendwie habe ich inzwischen resigniert, was das betrifft. Es gibt aus diesem Zirkel kein Entkommen.

Demut besteht meiner Meinung nach darin, sich damit abzufinden dass es immer Leute geben wird, die einen arrogant finden und mit dieser Tatsache zu leben.

Seit ein paar Monaten bin ich bei jemand anderem in Therapie, diesmal eine Koryphäe mit dickem Bücherregal im Hintergrund .

Mal schauen. Dass es bis jetzt auch nicht viel mehr gebracht hat sieht man unter anderem daran, dass ich immer noch hier mitlese...

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Sintje
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Beitrag So., 23.08.2020, 15:09

Hallo zusammen,

ich bin zur Zeit stationär und muss schauen, wie es danach therapeutisch weitergeht. Dabei steht die Frage in Raum: Bleibe ich bei meinem derzeitigen ambulanten Psychotherapeuten (Ego-State-Therapie), oder suche ich mir jem. anderen?

Damit ich bei ihm bleiben könnte, müsste ich erstmal einiges Unausgesprochenes klären. Das wäre theoretisch möglich. Und er hat auch in vielen Bereichen Ahnung. Er weiß, was in mir vorgeht, kennt meine Problematiken und Biografie. Ich habe mit ihm zusammen vieles an Stabiltät im Inneren aufgebaut und Helfer erschaffen. Er hat sich mit auf die innere Bühne gestellt, sich Angreifern in meiner Erinnerung entgegengestellt. Es wird bestimmt schwierig bei jemand anderem nochmal ganz neu anzufangen.

Aber es gibt zwei Dinge, da kann ich mir eine Besserung einfach nicht vorstellen.
1) Er pathologisiert und negiert meine (teilweise) Transidentität. Er trifft diagnostische Aussagen dazu, obwohl er selbst gesagt hat, keine Erfahrung in dem Gebiet zu haben. Stattdessen kommt er mir ständig mit Verdacht auf sMB. Ich bräuchte aber jemand positiv zugewandtem, mit dem ich offen darüber reden kann.
2) Er bagatellisiert meine als schlimm erlebten Erfahrungen. Die verletzenden Handlungen meiner Eltern legitimiert er mit seiner Erklärung, ich sei ein besonderes (spr. schwieriges) Kind gewesen. Für ihn scheinen nur objektiv traumatische Situationen, wie es im Lehrbuch steht, zu gelten.

Was würdet ihr an meiner Stelle tun?

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Lilli-E
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Beitrag So., 23.08.2020, 15:42

Ich würde versuchen, Gespräche mit ihm zu führen, in denen du dich positionierst bzw lernst, dich zu positionieren.

Man muss nicht in jedem einzelnen Punkt mit dem Therapeuten harmonieren oder den gleichen Standpunkt einnehmen. Ich finde es sogar gar nicht schlecht, wenn man in der Lage ist, das auszuhalten.

Ich hatte auch einige Punkte, in denen meine Therapeutin innerlich und emotional andere Bewertungen hatte. Das hat mich zunächst sehr irritiert, weil ich den Eindruck hatte, wir müssten das als gleich schlimm oder wichtig einstufen.
Als wir aber darüber geredet haben, konnten wir uns darauf einigen, dass das eben nicht sein muss. Wichtig war mir, deutlich zu machen, dass es nicht darum gehen kann, ob etwas tatsächlich schlimm war (für jeden Menschen gleich) oder ob es eine Erklärung geben könne, sondern dass ich selbst es als schlimm empfunden habe. Das ist ein subjektives Empfinden, das nicht zur Diskussion steht.

Das darüber Reden halte ich für außerordentlich wichtig (ganz offen und direkt). Das macht auch Therapie aus.

Manchmal muss man auch für sich kämpfen - vorausgesetzt natürlich, es ist kein Dauerzustand.

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Kreativus50
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Beitrag Mo., 24.08.2020, 11:16

Liebe Sintje!

Das ist echt eine schwierige Situation in der Du Dich grade befindest.

Ich würde wohl so schnell wie möglich versuchen, Klarheit zu bekommen.
Deine beiden Punkte genau so und ganz direkt ansprechen und schauen, wie er reagiert, ob er da bereit ist, das anzuhören, anzunehmen und seine Positionen transparent darzulegen und auch in Deinem Sinne zu überdenken. Dann könnte ich mir zumindest eine Chance für eine Verbesserung für Dich vorstellen.
Wenn er das abblockt - dann weißt Du auch, woran Du bist.

In einer Therapie kann und wird es in der Regel zu manchen Themen auch keinen Konsens geben. Aber über unterschiedliche Standpunkte offen und respektvoll sprechen zu können und als Patient 100% ernstgenommen werden damit, das ist für mich eine Grundvoraussetzung. Und das kann in einem selber auch schon manches bewegen, dass man dann trotz einiger unterschiedlicher Ansichten dann gut weiterarbeiten kann.
Es kann auch sein, dass es dann trotzdem für Dich so gravierend ist, dass eine weitere Therapie dort für Dich nicht geht.

Also auch in dem Sinne, dass Du Dir klarer wirst, welche Bedeutung diese beiden Punkte für Dich haben und dann Deine Grenzen abstecken. Was geht und was geht gar nicht.

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Montana
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Beitrag Mo., 24.08.2020, 13:18

Es geht um eine ganz grundlegende Sache: ist deine Transidentität eine Krankheit und muss therapiert werden oder ist das einfach genauso normal wie alle anderen denkbaren Varianten von sexueller Identität. Darüber kann man in allen Lebensbereichen unterschiedlicher Meinung sein, ohne dass das ein Problem wäre. Also, was hat das z.B. deinen Friseur zu interessieren. Aber beim Therapeuten ist das echt was anderes, denn was bringt es, wenn er das quasi als Kern deiner Probleme begreift und sich zu einer Therapie, die das nicht zum Thema macht, nicht in der Lage sieht? Das muss wirklich geklärt werden, auch wenn das Ergebnis blöd ausfällt.

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lisbeth
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Beitrag Mo., 24.08.2020, 16:10

Hi Sintje,

schwierig, denn diese beiden "offenen" Punkte berühren dich ja ganz tief in deinem Kern.

Könntest du diese Frage denn mit deinen Ärzten/Therapeuten in der Klinik auch erörtern? Die kennen dich ja eventuell jetzt auch schon ein wenig?

Hast du ihm denn zu diesen beiden Sachen schonmal ganz offen und ungefiltert Rückmeldung gegeben? Also was das mit dir macht, die Pathologisierung deiner Transidentität bzw. die Bagatellisierung dessen was du erlebst hast?
Ich vermute Nein, weil du das ja als "Unausgesprochenes" beschreibst.
Falls das so ist, dann würde ich mich nochmal an einer Klärung mit ihm versuchen.

Es kann manchmal sein (/kann/, aber muss nicht) dass man manches stark verzerrt wahrnimmt, was vom Therapeuten kommt, vor allem wenn es solche Themen betrifft, die so ganz eng mit der eigenen Identität verwoben sind. Ich habe bei mir auch schon öfters mal das Problem gehabt, dass ich bei "schwierigen" Themen dann ziemlich schnell in eine negative Übertragung rutsche, und die Therapeutin dann etwas "Fieses" oder "Monsterhaftes" bekommt. Und es hat lange gedauert, bis ich für mich sehen konnte, dass das meine eigenen Filme sind und meine eigenen Abwertungen und gar nicht von ihr selbst ausgeht.

Kann aber auch sein, dass er dich da wirklich pathologisiert und bagetellisiert...
Dann würde ich sagen: Geh und such dir jemand neues.

Grundsätzlich ist Therapie für mich ein Ort, an dem ich und alles in mir zuallererst erstmal so sein dürfen muss wie es jetzt gerade ist. Weil erst wenn die Dinge so sein dürfen, wie sie gerade sind, dann können sie sich auch entwickeln und verändern, in welche Richtung auch immer. Nur wenn ich mich nicht ständig vor Bewertungen und Pathologisierungen meiner Therapeutin fürchten muss, kann ich mich ihr auch wirklich offen anvertrauen. Und mit ihr zusammen daran arbeiten, dass ich mehr Stabilität in meinem Leben finde. Wenn ich diese Grundlage der Zusammenarbeit ständig in Frage stelle oder stellen muss, dann bringt das Ganze eigentlich nichts.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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Sintje
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Beitrag Mi., 26.08.2020, 12:55

Vielen Dank für eure Antworten

Ich denke, ein Gespräch, wie von euch vorgeschlagen, könnte beim 2. Punkt durchaus etwas bringen. Wahrscheinlich weiß er wirklich nicht, wie es mir mit den Aussagen geht. Danke für die Bestärkung.

Was seine Haltung zu meiner queeren bzw. Transidentität angeht, bin ich aber leider kaum zuversichtlich. Ich finde gerade nicht die richtigen Worte, um mich hier zu erklären.

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Kreativus50
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Beitrag Mi., 26.08.2020, 16:42

Na, ich gehe in jedem Falle davon aus, dass Du für Deine Skepsis gute Gründe hast. Trau' da Deiner Wahrnehmung, auch wenn Du sie nicht in Worte fassen kannst. Das musst Du nicht, ist manchmal so.

Für's Ansprechen viel Mut und Glück! Ich würde mich sehr freuen, irgendwann kurz von Dir zu hören, wie es weitergegangen
ist.

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Pianolullaby
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Beitrag Mi., 26.08.2020, 19:55

Was heisst für dich, deine "teilweise " Transidentität. Bist du es, oder nicht?
Träume nicht Dein Leben, lebe Deinen Traum

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lisbeth
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Beitrag Do., 27.08.2020, 07:46

Hallo Sintje,
zu deinem ersten Punkt nochmal:
Sintje hat geschrieben: So., 23.08.2020, 15:09 Aber es gibt zwei Dinge, da kann ich mir eine Besserung einfach nicht vorstellen.
1) Er pathologisiert und negiert meine (teilweise) Transidentität. Er trifft diagnostische Aussagen dazu, obwohl er selbst gesagt hat, keine Erfahrung in dem Gebiet zu haben. Stattdessen kommt er mir ständig mit Verdacht auf sMB. Ich bräuchte aber jemand positiv zugewandtem, mit dem ich offen darüber reden kann.
Ich hatte als Lesbe in fast allen Therapien (bis auf eine, da war die Therapeutin selbst lesbisch) immer wieder Momente, wo ich dachte: Boah, das hat die jetzt nicht /wirklich/ so gesagt, oder? Das waren Sachen im Zusammenhang mit meinem Lesbischsein, die ich als abwertend und verletzend empfand. Es ging allerdings nie soweit, dass mir mein Lesbischsein abgesprochen wurde oder mein Lesbischsein als Ausdruck eines pathologischen Männerhasses gedeutet wurde...

Ich habe jedes Mal - manchmal auch erst mit großem zeitlichen Abstand - diese Dinge angesprochen, gerade weil mich das so tief drinnen getroffen hatte. Und eigentlich kam am Ende ziemlich oft dabei heraus, dass die Therapeutinnen manches so "dahergesagt" hatten, ohne sich darüber vorher groß Gedanken gemacht zu haben. Manches aus Unwissenheit heraus, und weil sie in einer heteronormativen CIS-Blase leben, und manches auch aus Unsicherheit heraus (was irgendwie ironisch ist, weil das die Momente sind, wenn man schon merkt, dass man jetzt besser nichts "Falsches" sagen sollte, und dann ganz elegant so ein No-Go platziert...)

Für mich war es jedesmal gut und hilfreich darüber geredet zu haben, zum einen weil ich da für mich selbst eingestanden bin. Zum anderen weil es das Verhältnis zur jeweiligen Therapeutin geklärt hat, weil sowas schnell mal so im Raum stehen bleibt und zum rosa Elefanten wird, und ich das Thema dann beim nächsten Mal vielleicht nicht mehr so 'locker' anschneiden kann und will... Und eigentlich war es fast immer so, dass den Therapeutinnen erst durch mein Ansprechen klar wurde, dass sie da einen ziemlichen Bock geschossen hatten - nicht aus Böswilligkeit, sondern einfach weil sie bei diesen Fragen die Welt durch ihren eigenen Filter sehen und ich durch einen ziemlich anderen, und Themen wie sexuelle Identität, Geschlechtsidentität, Transidentität auch heute in den Ausbildungen kaum vorkommen, und wenn überhaupt dann eben oft genug als pathologische Abweichung von der CIS-Hetero-Norm.

Gleichzeitig war das für mich aber auch nie zentrales Therapiethema, sondern wir sind immer in anderen Zusammenhängen drauf gestoßen. Für mich gab es da auch nichts grundsätzlich zu klären, was mit meiner Identität zusammengehangen hätte. Das Thema "lesbische Identität" war für mich lange durch als ich das erste Mal in Therapie war. Und was in der Therapie im Hinblick auf Beziehungen zu besprechen war, das war eben das: Beziehungskram und nicht Identitätskram.

Für mich war das ok so, wahrscheinlich weil das nicht Dreh- und Angelpunkt meiner "schwierigen" Themen war, sondern eher Randgeschehen. Und auf eine gewisse Art war es für mich auch gut, an ganz konkreten Beispielen zu erleben, dass die Therapeutinnen mich da auch als Expertin meiner selbst ernst nehmen und dann auch nachgefragt haben, weil sie besser verstehen wollten. Die Grenze wäre für mich dort gewesen, wo wiederholt die gleichen Böcke kommen, also die Therapeutin nichts dazulernt. Oder da, wo ich das Gefühl habe, die Therapeutin will mich dazu benutzen, um sich in diesen Themen "fortzubilden"...

Meinst du denn, die Pathologisierung ist die persönliche Meinung deines Therapeuten? Oder bringt er da eine (extrem veraltete) Lehrmeinung rein, die er irgendwann mal im Zuge seiner Ausbildung oder seines Studiums gehört hat und er sich einfach nie die "Mühe" gemacht hat oder die Notwendigkeit gesehen hat, sich da mal upzudaten? Wenn es eher letzteres ist, meinst du, er würde sich anhören, was du ihm dazu zu erzählen hast? Vor allem, wenn du ihm dabei auch deutlich und offen zeigst, was dieses Pathologisieren mit dir als Person macht und wie verletztend es ist?

Und noch eine Frage: Hat er dich tatsächlich pathologisiert? Oder hat er dich in dem was du ihm erzählt hast (kritisch) hinterfragt? Da würde ich auch nochmal einen Unterschied sehen, wobei es da auch offenes und abwertendes Hinterfragen gibt...

Letztenendes kannst du eigentlich nur durch Trial and Error herausfinden, wie offen er dafür wäre, bei diesem Thema mit dir in einen wirklich ergebnisoffenen Dialog einzutreten, auf den ihr dann auch weiter aufbauen könnt und wodurch die Therapie für dich dann auch weiter sinnvoll und fruchtbar wäre und dich weiterbringt. Ob es für dich lohnen würde, da nachzuhaken, und ob du die Energie da investieren willst, das kannst nur du entscheiden... Wenn er auf seinen Pathologisierungen beharrt, dann wäre ich da weg.

Alles Gute! l.

PS Ich würde mich auch freuen, ein Update von dir zu bekommen, wenn es was Neues gibt!
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― Anne Lamott

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Sintje
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Beitrag So., 30.08.2020, 06:56

Hallo nochmal.

Ich habe vorgestern kurz mit meinem Thera telefoniert, um überhaupt ein Gefühl dafür zu bekommen, wie es um die therapeutische Beziehung steht. Das Thema des Threads kann ich aber natürlich erst in der nächsten Sitzung ansprechen, also in ca. 2 Monaten. Ich gebe Bescheid, wie es gelaufen ist.

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