Wie Suizidgedanken ansprechen?

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Thread-EröffnerIn
Sindy
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Wie Suizidgedanken ansprechen?

Beitrag Sa., 26.03.2022, 21:42

Guten Abend zusammen,

in meiner Therapie waren meine Suizidgedanken bisher nie ein Thema, weil ich es nie angesprochen habe und der Therapeut auch nie in die Richtung etwas gefragt hat.

Ich habe aber das Befürfnis darüber zu sprechen. Ich habe nur Angst, dass wenn ich das Wort "Selbstmordgedanken" oder "Suzidgedanken" verwende, dass es sehr hart klingt und er das in den falschen Hals bekommt und mich einweisen will. Dabei möchte ich nur gerne mal drüber reden, ich habe es definitiv nicht vor.

Habt ihr da Erfahrungen wie man sich dem Thema nähert? Direkt ansprechen oder irgendwie nebenei einfliessen lassen? Wie reagiert euer Therapeut?

Vielen Dank

Sindy

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parisblues
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Beitrag Sa., 26.03.2022, 22:35

Also zunächst hatte ich auch Bedenken das Thema in der Therapie anzusprechen. Einfach, weil es eben schon sehr intime Gedanken/Gefühle sind. Mit der Zeit konnte ich aber freier darüber reden. Du kannst ja auch andere Ausdrücke dafür verwenden. Z.B. könntest du sagen, dass du einfach nicht mehr kannst, dass du willst, dass alles vorbei ist. Dann weiß der Therapeut eh was du meinst. Zumindest hab ich begonnen so darüber zu sprechen. Ich hoffe, du schaffst es darüber zu reden. Auch wenn die Gedanken und Gefühle deshalb nicht verschwinden aber es ist, find ich, schon etwas erleichternd es auszusprechen. Bezüglich einweisen: bei mir sind die Therpeuten immer sehr undramatisch damit umgegangen, wenn man sagt, dass man jetzt keine konkreten Pläne hast, gibt es keinen Grund für eine Einweisung. Alles Liebe wünsche ich dir.

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R.L.Fellner
Psychotherapeut
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Beitrag So., 27.03.2022, 00:48

Liebe Sindy,

Suizidgedanken sind für die meisten, insbesondere erfahreneren TherapeutInnen, vertraute Themen und werden sie kaum "schockieren". Für mich ist es eher auffällig, wenn derartige "dunkle Gedanken" von KlientInnen niemals verbalisiert werden, da derartige Fragen in gewisser Weise ganz natürlich sind, wenn man psychisch stark angeschlagen ist - manchmal eher in abstrakter Form, mitunter aber auch durchaus real.

Insofern möchte ich Sie anregen, diese Gedankengänge durchaus anzusprechen, und Sie brauchen aus meiner Sicht keine Sorge zu haben, dass der Therapeut davon überfordert oder überrascht wäre.

Herzliche Grüße,
R.L.Fellner

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alatan
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Beitrag So., 27.03.2022, 06:23

Das sehe ich auch so. Und es gibt Suizidgedanken nicht nur bei psychisch Kranken, sondern es ist quasi eine anthropologische Konstante, also Menschen sind eher Ausnahmen, die es nie erlebt haben im Laufe des Lebens. Und das Spektrum der "Suizidalität" ist ein sehr sehr weites. Herauszufinden, wo genau du diesbezüglich stehst und wie die Dynamik ist, ist die Aufgabe des Therapeuten, was nur möglich ist im Gespräch darüber. Therapeuten, die bei diesem Stichwort als erstes an Einweisung denken (die gibt es wirklich), agieren nicht professionell.

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Montana
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Beitrag So., 27.03.2022, 07:25

alatan hat geschrieben: So., 27.03.2022, 06:23 Herauszufinden, wo genau du diesbezüglich stehst und wie die Dynamik ist, ist die Aufgabe des Therapeuten, was nur möglich ist im Gespräch darüber.
Das sehe ich anders. Das Erwähnen des Themas darf gerade NICHT in eine Art Verhör münden, wo der Therapeut etwas herausfinden will. Und das ist auch definitiv nicht seine Aufgabe.


kaja
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Beitrag So., 27.03.2022, 08:48

Naja, es ist schon auch die Aufgabe der Therapeuten das Risiko einzuschätzen, dass die Gedanken umgesetzt werden.

Ein Verhör muss das Ganze deshalb trotzdem nicht werden.

Grundsätzlich ist die Thematik für jeden erfahrenen Therapeuten Standard in seiner Arbeitstätigkeit.

Falls es um die Angst geht deshalb gleich eingewiesen zu werden, so schnell passiert da nichts und nur in den allerseltensten Fälle gegen den Willen des Klienten.

Suizidgedanken haben ein so unglaublich weites Spektrum bis zur Eskalation, da bleibt genug Raum um sich darüber mit dem Therapeuten auszutauschen.
Zuletzt geändert von kaja am So., 27.03.2022, 09:07, insgesamt 2-mal geändert.
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lisbeth
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Beitrag So., 27.03.2022, 08:59

Für mich war es irgendwie gut und hilfreich, dass diese "geheimen" Gedanken ins Offene kamen, als ich anfing, darüber zu sprechen. Und zu sehen: Das Gegenüber reagiert gelassen, bleibt zugewandt, verurteilt mich nicht und lässt mich auch nicht fallen.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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alatan
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Beitrag So., 27.03.2022, 09:38

Montana hat geschrieben: So., 27.03.2022, 07:25 NICHT in eine Art Verhör
Ich schrieb etwas von "Gespräch". Tut mir leid, wenn du dich in der Therapie Verhören unterziehen musst.

Für mich ist eine Besprechung von Suizidalität nicht nur therapeutisch wichtig, sondern auch forensisch relevant.

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Scars
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Beitrag So., 27.03.2022, 10:55

Hallo Sindy! Mir ging es damals genauso wie dir und ich habe anfangs lieber nichts gesagt. Aber selbst als ich dann Krisen hatte wurde ich nicht eingewiesen. Möchte mich den anderen anschließen, für Therapeuten sind Suizidgedanken wie Fieber für Ärzte, es sollte also ein normales Gespräch darüber möglich sein. Es gibt auch verschiedene Formen von Suizidalität und nicht bei allen ist eine Einweisung nötig oder sogar gar nicht sinnvoll.

Wie lange bist du denn schon in Therapie und wie laufen die Stunden bei euch ab? Vielleicht findest du ja mal einen Aufhänger, ansonsten kannst du es genauso ansprechen, wie du andere Themen ansprichst. Du könntest auch direkt sagen, dass du Bedenken vor der Reaktion deines Therapeuten hast und dass dir das Thema unangenehm ist. Ich würde es eher nicht nebenbei einfließen lassen, weil sowieso Rückfragen kommen um die Situation einschätzen zu können. Wenn du offen das Gespräch suchst, wird dein Therapeut vermutlich unmittelbar gelassen darauf reagieren. LG Scars
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Montana
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Beitrag So., 27.03.2022, 11:25

"Herausfinden" ist aber ein Wort, dass das Erlangen von Informationen zur Not auch gegen den Willen der betreffenden Person impliziert.
Angemessen wäre es dagegen, ein Zuhören anzubieten. Und das Thema auch sofort wieder ruhen zu lassen, wenn der Patient nicht weitersprechen möchte.
Eine "Risikoeinschätzung" sehe ich ausdrücklich nicht als Auftrag eines Therapeuten, und schon gar nicht durch aktives Nachfragen. Das wäre ja gerade wieder ein Grund, besser nicht drüber zu sprechen, weil einmal angefangen erstmal der Therapeut beschwichtigt werden müsste, damit man frei wieder gehen kann.
Handeln müsste ein Therapeut wirklich nur dann, wenn man ausdrücklich ankündigt, sofort einen entsprechenden Plan in die Tat umzusetzen. Und auch das nur dann, wenn er davon ausgehen muss, dass man das in einer psychischen Ausnahmesituation tut. Hätte er z.B. Kenntnis davon, dass man im Endstadium seiner Krebserkrankung die Dinge selbst in die Hand nehmen will, dann wäre das eine freiverantwortlich getroffene Entscheidung, die nicht zu beanstanden ist.

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chrysokoll
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Beitrag So., 27.03.2022, 11:39

Montana hat geschrieben: So., 27.03.2022, 11:25 Eine "Risikoeinschätzung" sehe ich ausdrücklich nicht als Auftrag eines Therapeuten, und schon gar nicht durch aktives Nachfragen.
doch, das ist rein juristisch die Aufgabe des Therapeuten.
Wenn etwas passiert muss er im Zweifel nachweisen dass er eine Risikoeinschätzung vorgenommen hat und warum er wie zu einer anderen Erkenntnis gelangte.
Einfach nur abnicken und ruhen lassen darf er tatsächlich nicht

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Montana
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Beitrag So., 27.03.2022, 11:49

Ist meine Meinung dazu, aber ich weiß aus eigener Erfahrung, dass teils abstruse Dinge passieren. So musste ich mal ohne jede Andeutung einen Anti-Suizid-Vertrag unterschreiben und wäre sonst aus der Reha geflogen. Einfach so. Da ist dann anlasslos jede Grundlage für Vertrauen sofort zerstört.

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Scars
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Beitrag So., 27.03.2022, 12:00

Die Behandelnden haben eine Fürsorgepflicht, was im Rahmen dessen notwendig und sinnvoll ist, entscheidet der Einzelfall. Ich denke es ist ein Unterschied, ob man den Patienten gut kennt oder nicht.

Anti-Suizid-Veträge sind halt ein verbreitetes Vorgehen, ist ja auch praktisch, hat man es schwarz auf weiss. Denke in einer Reha-Einrichtung (psychosomatische Klinik vermutlich ähnlich) geht es ganz praktisch um bürokratische Fragen wie Haftung, Versicherung und erst danach um die therapeutische Relevanz.
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alatan
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Beitrag So., 27.03.2022, 12:06

Genau, solche Verträge haben mMn nichts mit therapeutischer Beziehung zu tun.


kaja
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Beitrag So., 27.03.2022, 12:51

Natürlich ist es die Aufgabe des Therapeuten das Risko eines Suizides einzuschätzen.

Wie bereits erwähnt ist er dazu verpflichtet.

Aktives Ansprechen der Thematik ist da eine Möglichkeit und ein durchaus seriöses und sinnvolles Mittel. Dafür gibt es sogar etliche Leitfäden.

Das hat rein gar nichts damit zu tun, ob man "wieder gehen darf". Die Aussage impliziert ja, dass es diesbezüglich grundsätzlich ein Risiko gibt, was so schlicht falsch ist.

Kein Grund aufgrund subjektiver Wertungen die TE zu verunsichern.
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