„Therapeutisches“ Umarmen?

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Gespensterkind
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„Therapeutisches“ Umarmen?

Beitrag Di., 28.12.2021, 09:54

Ich hab ein Problem oder eine Frage oder würde einfach gern hören, was ihr davon haltet:
Kurz die Rahmenbedingungen - ich befinde mich seit Oktober wieder in PT (VT) wegen kPTBS.
Fühle mich eigentlich mit dem Therapeuten bislang wohl und kann mit ihm auch besser an meinen Themen arbeiten als in der vorherigen Psychoanalyse (schon Jahre her).
Wie viele andere hier habe ich große Probleme mit Nähe, Vertrauen, Bindung. Gleichzeitig wünsche ich mir aber auch, dass ich Nähe besser zulassen kann.
Vor ca. 2 Wochen hat nun mein Therapeut vorgeschlagen, weil ich so große Angst vor Nähe habe, dass wir uns umarmen. Damit ich mich mehr an Nähe gewöhne.
Ich fand den Vorschlag zwar schrecklich, wollte mich aber auch nicht sperren gegen alles und hab dem also zugestimmt.
Seitdem umarmen wir uns also in den täglichen Therapiestunden.
Ich finde es nicht angenehm, eher fremd und habe eher ein unwohles Gefühl dabei. Ich halte es aber aus. Er fragt auch immer vorher, ob er mich umarmen darf und ich äußere zwar meine Bedenken, aber „erlaube“ es auch.
Neben meinem nicht so guten Gefühl dabei (aber vielleicht ist das ja auch normal?) mache ich mir aber auch viele Gedanken, ob das grundsätzlich richtig ist. Ich fühle mich damit sehr verunsichert. Ich weiß auch nicht, ob ich mich da nur noch länger daran gewöhnen muss, damit ich mich damit wohler fühle?
In der Psychoanalyse war mein Therapeut halt total abstinent. Ich kenne das nicht so nah wie jetzt.
Ich bin für jede eurer Rückmeldungen dankbar!
Lg
Gespensterkind

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Lillern
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Beitrag Di., 28.12.2021, 10:19

Hallo Gespensterkind,
Gespensterkind hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 09:54 Neben meinem nicht so guten Gefühl dabei (aber vielleicht ist das ja auch normal?) mache ich mir aber auch viele Gedanken, ob das grundsätzlich richtig ist. Ich fühle mich damit sehr verunsichert.
Grundsätzlich finde ich, dass alles was für den Klienten hilfreich/gut usw. ist, auch in Ordnung in einer Therapie ist (außer natürlich offensichtlich verbotene Dinge). Ich würde es in deiner Situation nur bedenklich finden, wenn er einfach drauf los umarmen würde, ohne deine Erlaubnis einzuholen. Aber er scheint da ja sehr bedacht zu sein.
Gespensterkind hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 09:54 Ich fand den Vorschlag zwar schrecklich, wollte mich aber auch nicht sperren gegen alles und hab dem also zugestimmt.
Seitdem umarmen wir uns also in den täglichen Therapiestunden.
Ich finde es nicht angenehm, eher fremd und habe eher ein unwohles Gefühl dabei. Ich halte es aber aus. Er fragt auch immer vorher, ob er mich umarmen darf und ich äußere zwar meine Bedenken, aber „erlaube“ es auch.
Was bedeutet denn du äußerst deine Bedenken? Sagst du ihm ganz klar, wie unwohl du dich damit fühlst? Und falls ja, was sagt er dazu? (falls du das beantworten möchtest)

Ich finde es erstmal total mutig, dass du daran arbeiten willst. Für mich wäre eine Umarmung da ein Schritt zu weit gedacht für den Anfang. Das ist natürlich bei jedem anders, ich würde es allerdings schon als stressig empfinden, wenn mein (männlicher) Therapeut mit mir/neben mir auf dem Sofa sitzen würde. Also würde ich wahrscheinlich mit sowas anfangen, und erstmal schauen wie es läuft.

Ich denke es gehört sicherlich dazu, dass man sich unwohl fühlt, wenn man sich an sowas rantastet. Allerdings finde ich nicht, dass man sich zu etwas zwingen muss wenn man merkt, dass es zu viel ist. Da ist es dann auch vollkommen okay kleinere Schritte zu gehen. Andererseits finde ich die "Methode" jetzt nicht fragwürdig, und wenn du das als hilfreich empfindest und gerne so machen möchtest, dann warum nicht :->

LG

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peponi
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Beitrag Di., 28.12.2021, 10:31

Hallo Gespensterkind,

ich finde, dass körperlicher Kontakt in einer regulären, d.h. nicht körperorientierten Psychotherapie nichts verloren hat.
Ich bin da auch ein gebranntes Kind - vor Jahren war ich einmal bei einem Therapeuten, der exakt das zu mir meinte: ich müsse lernen, Nähe auszuhalten, und netterweise hat er sich dazu direkt angeboten und fing an, mich zu berühren, ohne mich auch nur gefragt zu haben. Das ist bei dir anders und das muss nicht direkt einen missbräuchlichen Hintergrund haben - aber du fühlst dich unwohl damit und das solltest du ernst nehmen. Therapie sollte ein sicherer Raum sein und das ist er so nicht für dich, wenn du schon schreibst, dich unwohl zu fühlen.

Nähe lässt sich in einer Psychotherapie auch ohne Körperkontakt herstellen. Auch so kann man lernen, allmählich einen anderen Umgang damit zu finden und sich daran zu gewöhnen. Dafür braucht es keine Umarmungen, die therapeutisch dafür schnell nach hinten losgehen können. Insbesondere bei entsprechender Vorgeschichte empfinde ich das sogar als fahrlässig von Seiten des Therapeuten.
silence like a cancer grows.

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mathilda1981
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Beitrag Di., 28.12.2021, 10:34

Gespensterkind hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 09:54 Ich finde es nicht angenehm, eher fremd und habe eher ein unwohles Gefühl dabei. Ich halte es aber aus.
Hallo Gespensterkind,

wie das nun therapeutisch sinnvoll ist - keine Ahnung.... Aber ich persönlich würde es nicht machen. Das "keine Nähe wollen" ist im Moment deine Grenze. Wenn du sie ständig "unter Zwang" überschreitest, sehe ich keinen Sinn dahinter - eher im Gegenteil....

Bei mir war es ähnlich. Ich habe es auch nicht so mit Nähe. Mein Weg, Nähe wieder zulassen zu können (wenn ich das will!), war eher anders. Ich habe gelernt, dass meine Grenzen ok sind. Das ich sie haben darf. Und das sie eingehalten werden. Das ich mich auf mich verlassen kann und meine Grenzen nicht überschreite (überschreiten lasse). Das ich, ohne schlechtes Gewissen, sagen darf, wenn ich keine Nähe möchte. Das gibt mir den sicheren Rahmen, dass ich dann auch Nähe zulassen kann - weil ich weiß, ich kann die Situation selber bestimmen.

Du schreibst, du hast große Probleme mit Nähe, Vertrauen, Bindung - ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass man unter "Umarmungszwang" eine Vertrauens/Bindungsebene lernen kann (und das sollte man mit seinem Therapeuten wahrscheinlich auch nicht aufbauen...) oder sich daran gewöhnt....

Ich für mich musste erstmal zu mir Vertrauen - ja und auch eine Bindung/Akzeptanz aufbauen, um dies dann meiner Umwelt zu gestatten. Seit ich mir mehr vertraue, läuft das mit der Nähe besser.

Ich mag meine Therapeutin sehr. Bin auch zeitweise bei einer Köpertherapeutin, die bei Nähe sicher aufgeschlossener wäre. Aaaber, ich muss/möchte beide nicht umarmen. Ich schätze ihre fachliche Kompetenz sehr, sie gibt mir sehr guten Input - aber um zu lernen, Nähe zuzulassen (und in meinem Fall nicht mehr zu dissoziieren), habe ich keine körperliche Nähe "üben müssen". Ich war vor vielen Jahren kurzzeitig mit meinem Mann in einer Paartherapie - dieser meinte auch, ich müsse die Nähe aushalten (Nähe erzeugt Nähe war der Glaubenssatz) und wir haben täglich Übungen machen sollen in denen ich mich zu Nähe gezwungen habe. Unterm Strich hat es die Symptomatik total verschlimmert..... Zum Glück haben wir das dann abgebrochen. Ich glaube, es ist wichtig, erstmal rauszufinden warum du keine Nähe aushalten kannst. Keine Bindung, kein Vertrauen aufbauen kannst.

Lg Mathilda

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alatan
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Beitrag Di., 28.12.2021, 10:43

Ich finde das missbräuchlich durch den Therapeuten, der möglicherweise eigene Unzulänglichkeiten damit kaschieren will - im besten Falle.

Nähe im eigentlichen Sinn bedeutet immer emotionale Nähe (auch zum Therapeuten), die dann im wirklichen Leben bei Menschen, wo es passt, auch körperlich ausgedrückt werden kann. In einer Therapie, die nicht eine spezielle Körpertherapie ist, hat das regulär nichts zu suchen.
Zuletzt geändert von alatan am Di., 28.12.2021, 10:45, insgesamt 1-mal geändert.

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Malia
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Beitrag Di., 28.12.2021, 10:45

"Körperliche Nähe aushalten" ..hm...das wäre ja etwas, das du möglicherweise so schon kennst?
Meine Nähe-Erfahrungen im therapeutischen Rahmen begannen mit einem Handkontakt und das nur, wenn es in die Situation gepasst hat und nur so lange, wie es sich gut anfühlte.
Ich bestimmte!
So konnte ich erfahren, dass Körperkontakt auch etwas positives sein kann (Schutz z.B., Wärme)
Bei einem gewissen Stande der Selbsterkenntnis und bei sonstigen für die Beobachtung günstigen Begleitumständen wird es regelmäßig geschehen müssen, dass man sich abscheulich findet.
Franz Kafka

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Lillern
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Beitrag Di., 28.12.2021, 11:02

Ich finde man sollte sowas wirklich nicht direkt als missbräuchlich pauschalisieren. Solange es nur ein Vorschlag bzw. eine Frage ist, hat die Klientin doch jederzeit die Möglichkeit nein zu sagen. Das finde ich nicht missbräuchlich von einem Therapeuten. Würde dieser jetzt sagen du MUSST Nähe aushalten und wir berühren uns nun ist das allerdings eine ganz andere Geschichte.

Ich finde auch nicht, dass man emotionale Nähe zwingend körperlich ausdrücken kann, selbst wenn es passt. Allerdings MUSS man das ja auch nicht. Genau so wenig wie man sich in einer Therapie zwingen müssen sollte, eine Umarmung auszuhalten.

Für einige Klienten kann das sicherlich eine positive Erfahrung darstellen, und für andere wiederum total fatal sein, Therapie ist nun mal sehr individuell, und das müssen Therapeut und Klient doch dann gemeinsam herausfinden. Man sollte nur jederzeit in der Lage sein den Stopp-Schalter drücken zu dürfen, und selber zu bestimmen was für einen selbst das richtige ist, ohne sich zu irgendwas zwingen zu müssen, was man nicht möchte.

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Gespensterkind
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Beitrag Di., 28.12.2021, 11:16

Vielen lieben Dank für eure Antworten!
Lillern hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 10:19 Was bedeutet denn du äußerst deine Bedenken? Sagst du ihm ganz klar, wie unwohl du dich damit fühlst? Und falls ja, was sagt er dazu? (falls du das beantworten möchtest)
Ich sage ihm, dass ich mich unwohl fühle oder mir das fremd ist und er fragt dann halt nach, was "sich unwohl fühlen" bedeutet, wo ich das fühle und ob ich oder er oder wir daran etwas verbessern können.
Lillern hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 10:19 Für mich wäre eine Umarmung da ein Schritt zu weit gedacht für den Anfang. Das ist natürlich bei jedem anders, ich würde es allerdings schon als stressig empfinden, wenn mein (männlicher) Therapeut mit mir/neben mir auf dem Sofa sitzen würde.
Das hatten wir schon probiert. Merkwürdigerweise war das für mich unaushaltbar viel schlimmer, wenn er sich neben mich aufs Sofa gesetzt hat. Deswegen haben wir das erst mal wieder gelassen. Da finde ich komischerweise das Umarmen weniger schlimm.
Lillern hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 10:19 Allerdings finde ich nicht, dass man sich zu etwas zwingen muss wenn man merkt, dass es zu viel ist.
ja, das weiß ich eben nicht, ob es mir zu viel ist. ich bin einfach etwas verwirrt und kann das nicht in ein richtiges Gefühl übersetzen, was verwirrt heißt.
peponi hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 10:31 und netterweise hat er sich dazu direkt angeboten und fing an, mich zu berühren, ohne mich auch nur gefragt zu haben. Das ist bei dir anders und das muss nicht direkt einen missbräuchlichen Hintergrund haben
das finde ich tatsächlich missbräuchlich. aber mein Therapeut würde mich nie ohne meine Erlaubnis umarmen o.ä. (er fragt auch vorher, ob er mir die Hand geben darf). Wenn ich klar sagen würde, ich will nicht, dann würde er das auch respektieren, da bin ich mir sicher. Ich sag es aber eben nicht so, weil ich mir nicht sicher bin.
mathilda1981 hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 10:34 Ich habe gelernt, dass meine Grenzen ok sind. Das ich sie haben darf. Und das sie eingehalten werden. Das ich mich auf mich verlassen kann und meine Grenzen nicht überschreite (überschreiten lasse). Das ich, ohne schlechtes Gewissen, sagen darf, wenn ich keine Nähe möchte. Das gibt mir den sicheren Rahmen, dass ich dann auch Nähe zulassen kann - weil ich weiß, ich kann die Situation selber bestimmen.
Das klingt sehr gut irgendwie. Bei diesen Gedanken fühle ich mich wohl oder zumindest finde ich mich da wieder! Wobei ich - wie gesagt - nicht das Gefühl habe, dass mein Therapeut meine Grenzen nicht achtet, weil wir uns ja nicht nur umarmen, sondern auch darüber sprechen. Ich werde diesen Gedanken aber mitnehmen.
Malia hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 10:45 "Körperliche Nähe aushalten" ..hm...das wäre ja etwas, das du möglicherweise so schon kennst?

Das ist allerdings richtig - und deshalb vermutlich für mich auch so schwierig.
Lillern hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 11:02 Therapie ist nun mal sehr individuell, und das müssen Therapeut und Klient doch dann gemeinsam herausfinden. Man sollte nur jederzeit in der Lage sein den Stopp-Schalter drücken zu dürfen, und selber zu bestimmen was für einen selbst das richtige ist, ohne sich zu irgendwas zwingen zu müssen, was man nicht möchte.
Danke auch dafür. Ich schwanke eben zwischen Deiner Position und der "bloß nicht-Position". Weil ich mir nicht sicher bin, was ich eigentlich will. Das ist irgendwie immer mein Problem... :-((

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münchnerkindl
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Beitrag Di., 28.12.2021, 11:44

Wenn man das Fass aufmacht dann werden doch recht wahrscheinlich noch andere "Nähebedürfnisse" sich melden.

Das wird ziemlich sicher emotional nicht so werden, wie wenn ein Bruder dich rein freundschaftlich umarmt.

Von daher, nein, falscher Kontext.

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lisbeth
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Beitrag Di., 28.12.2021, 11:58

Ganz ehrlich, Gespensterkind, mir zieht sich beim Lesen alles innerlich zusammen.
Gespensterkind hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 09:54 Vor ca. 2 Wochen hat nun mein Therapeut vorgeschlagen, weil ich so große Angst vor Nähe habe, dass wir uns umarmen. Damit ich mich mehr an Nähe gewöhne.
Ich fand den Vorschlag zwar schrecklich, wollte mich aber auch nicht sperren gegen alles und hab dem also zugestimmt.
Seitdem umarmen wir uns also in den täglichen Therapiestunden.
Du findest Nähe - aus welchen Gründen auch immer - gefährlich oder unheimlich. Und nun sollst du dich einfach dran "gewöhnen"?
Weil irgendjemand (dein Therapeut...) findet, dass Nähe was ganz Normales ist und man sich daran gewöhnen müsse?
Und er initiiert diese Nähe auch noch?
Zusätzlich zu euren täglichen Stunden?
Du fandest den Vorschlag "schrecklich", aber wolltest "gute Patientin" sein und dich nicht sperren und machst deshalb brav mit?

Bei mir klingeln ehrlich gesagt alle Alarmglocken...
Schon allein dass dein Therapeut nicht auf dem Schirm hat, was er da mit seiner Intervention (auch wenn sie gut gemeint sein mag) auslösen könnte. Dass er dich genau in diese Zwickmühle bringen könnte in der du dich jetzt befindest. Dass er dir da Dinge von außen überhilft und dir eben nicht dabei hilft, dich deinen eigenen Wünschen und Impulsen zu nähern und die zu erforschen und zu lernen, dass die alle da sein dürfen und ihre Berechtigung haben (dürfen).
mathilda1981 hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 10:34 Mein Weg, Nähe wieder zulassen zu können (wenn ich das will!), war eher anders. Ich habe gelernt, dass meine Grenzen ok sind. Das ich sie haben darf. Und das sie eingehalten werden. Das ich mich auf mich verlassen kann und meine Grenzen nicht überschreite (überschreiten lasse). Das ich, ohne schlechtes Gewissen, sagen darf, wenn ich keine Nähe möchte. Das gibt mir den sicheren Rahmen, dass ich dann auch Nähe zulassen kann - weil ich weiß, ich kann die Situation selber bestimmen.
Das hier möchte ich ganz ganz fett unterstreichen! Danke dafür, mathilda.
Gespensterkind hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 11:16 Wenn ich klar sagen würde, ich will nicht, dann würde er das auch respektieren, da bin ich mir sicher. Ich sag es aber eben nicht so, weil ich mir nicht sicher bin.
[...]
Wobei ich - wie gesagt - nicht das Gefühl habe, dass mein Therapeut meine Grenzen nicht achtet, weil wir uns ja nicht nur umarmen, sondern auch darüber sprechen.
Aber wenn ich das hier lese, habe ich eher den Eindruck, dass für dich (innerlich) eher der Therapeut für die Grenzen "verantwortlich" zu sein scheint. Also, in dem Sinne, dass du seine "Erlaubnis" brauchst, dafür, dass du überhaupt Grenzen haben darfst?
Diese Erlaubnis kann aber nur von dir selbst kommen. Ich bin da voll bei mathilda: Du selbst musst dir erlauben, dass diese und jene Grenze sein darf und völlig ok ist. Wenn du das lernst, dann wächst auch innerlich die Gewissheit und das Vertrauen, in deine Fähigkeit, Grenzen effektiv setzen zu können, ganz unmittelbar. Bei mir war es das Vertrauen, in diese Fähigkeit, die wachsen musste. Wenn ich mir das mehr zutraue, gehe ich auch anders mit körperlicher Nähe um, weil ich weiß: a) ich spüre es, wenn mir etwas zu viel wird und b) ich kann mich dann auch abgrenzen, eindeutig und unmissverständlich.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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Winni
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Beitrag Di., 28.12.2021, 12:04

Gespensterkind hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 09:54 Seitdem umarmen wir uns also in den täglichen Therapiestunden.
Ich finde es nicht angenehm, eher fremd und habe eher ein unwohles Gefühl dabei. Ich halte es aber aus. Er fragt auch immer vorher, ob er mich umarmen darf und ich äußere zwar meine Bedenken, aber „erlaube“ es auch.
Hallo Gespensterkind,

den Umarmungsvorschlag Deines Therapeuten finde ich sehr ungewöhnlich, wenn auch - da er stets Deine Erlaubnis einholt - nicht zwingend missbräuchlich. Aber ich sehe es als Graubereich.

Auch wenn das seinerseits im besten therapeutischen Sinne gedacht ist - das „täglich“, also regelmäßige, Umarmen würde mich stören. Es nutzt sich ab, es tritt im besten Fall ein Gewöhnungsprozess Deinerseits ein. Aber hätte das dann wirklich mit richtiger „Nähe zulassen“ zu tun?

Ziel sollte ja sein, dass Du Dich in DIR und mit DIR so sicher fühlst, dass Du generell Nähe zu anderen besser erträgst. Dich diese nicht mehr in Panik versetzt. Ob dazu der tägliche Körperkontakt zu einem Nicht-Körpertherapeuten dienlich ist - hmmm.

Vielleicht wäre es eine Alternative für Dich, dem Umarmen nur ab und zu zuzustimmen. Also wirklich nur zu gelegentlichen Übungszwecken. Dann kannst Du leichter an Deinen Gefühlen dazu erkennen, ob sich da für Dich etwas zum Positiven verändert. Und Du könntest gleichzeitig sehen, wie ER mit einem „heute nicht“ umgeht. Ob das wirklich für Dich dann stimmig ist.

Viel Erfolg!
"An Ärger festhalten ist wie wenn Du an einem Stück
Kohle festhältst mit der Absicht, es nach jemandem zu werfen -
derjenige, der sich dabei verbrennt, bist Du selbst" (Buddha)

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Lillern
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Beitrag Di., 28.12.2021, 12:34

Gespensterkind hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 11:16 ja, das weiß ich eben nicht, ob es mir zu viel ist. ich bin einfach etwas verwirrt und kann das nicht in ein richtiges Gefühl übersetzen, was verwirrt heißt.
Wenn du diesbezüglich noch so viel Verwirrung und Unsicherheit verspürst, wäre es ja evtl. gut, da doch nochmal Pause zu drücken, und dieses Gefühl erstmal zu verstehen, ohne dass ihr euch jetzt noch weiterhin umarmt?
Gespensterkind hat geschrieben: Di., 28.12.2021, 11:16 Weil ich mir nicht sicher bin, was ich eigentlich will. Das ist irgendwie immer mein Problem...
Vielleicht könntest du dann ja erstmal herausfinden, was du eigentlich willst, das geht ja auch ohne, dass du dich durch die Umarmung "quälst". Das läuft dir ja auch nicht weg, falls du das dann wirklich "üben möchtest". Allerdings wäre so ja vielleicht wirklich der erste Schritt für dich zu schauen, was hier deine Grenzen sind, womit du dich wohlfühlst, und dich da ein wenig zu sortieren, und erst im zweiten Schritt zu handeln, in welche Richtung auch immer. Denn dann kann man ja auch immer nochmal weiter schauen, was das beste Vorgehen für dich wäre, wenn du genau weißt, wo du stehst.

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Hasenmaus123
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Beitrag Di., 28.12.2021, 12:35

Ich selbst habe auch Umarmungen in der Therapie erlebt, allerdings von einer Frau. Nun habe ich nicht alles gelesen, aber dass er ein Mann ist und dich umarmt, finde ich grenzwertig bzw. darüber hinaus.

Zudem was ist mit Übertragung von Corona?

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Montana
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Beitrag Di., 28.12.2021, 13:15

Ich finde zwar nicht, dass es etwas grundsätzlich schlechtes ist, aber ich zweifele daran, dass es hilfreich ist. Selber habe ich es auch erst als Erwachsene gelernt, Berührungen nicht nur zu ertragen, sondern auch gut zu finden. Aber: das gilt für bestimmte Personen und nicht grundsätzlich. Erst war es mein Lebensgefährte, mit dem ich das zum ersten Mal erlebt habe. Und danach war es mein jetziger Ehemann und inzwischen habe ich eine Tochter, für die es ebenfalls zutrifft. Es gibt also nur zwei Menschen in meinem Leben, die ich gern nah bei mir habe. Dass ich das "kann" bedeutet also nicht, dass es für noch mehr Menschen gilt. Und hätte ich es mit einem Therapeuten als erstes versucht, dann hätte es sich vermutlich auch nicht auf andere Menschen erweitert. Eher glaube ich, dass es überhaupt nicht funktioniert hätte, weil die Voraussetzungen nicht da gewesen wären. Einfach, weil es nicht dasselbe ist, wenn einer die Arme um einen legt oder einen wirklich, wirklich in den Arm nimmt. (Mein Mann ist z.B. so viel größer als ich, dass bei einer Umarmung im Stehen mein Kopf an seiner Brust liegt. Für einen angemessenen Abstand zu einem weniger nahestehenden Menschen müsste ich mich total verrenken.)


Waldschratin
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Beitrag Di., 28.12.2021, 13:56

Hallo Gespensterkind,
erstmal schließ ich mich allen Vorschreibenden (Ist das jetzt aktuell richtig gegendert? :-> ) an, auch bei mir schrillen da die Alarmglocken.
Und ich bin an sich gar nicht gegen Umarmung/Körpertherapeutisches in ner "normalen" Therapie, wenn es für beide tatsächlich passt und mit entsprechender Umsicht und Reflektion stattfindet.

Und beim Vorgehen deines Theras merk ich da nicht viel von Umsicht und Reflektion, geschweige denn Respekt! vor dir und deinem So-Sein.

Er weiß doch, dass du DIS bist, oder?
Spätestens da müsste ihm klar sein, was "sich an etwas gewöhnen" und deine Verwirrtheit bedeutet.
Hat er je nachgefragt, ob wirklich alle! Innenanteile tatsächlich und vollständig und ohne Bedenken mit dieser Umarmerei einverstanden sind?
Damit, diese Frage erstmal ausführlich abzuklären, hätte für mich ein Weg zu "Nähe üben" begonnen. Zumal es so rein gar nicht drum geht, sich an etwas zu "gewöhnen", sondern ein inneres Team zu werden, in dem jeder zu Wort kommt, ernstgenommen wird und die Grenzen eines jeden Anteils gewahrt und respektiert werden.

Und ich finds einfach reichlich blauäugig von ihm, nicht erst reden reden reden über die Umarmung und erstmal auf diesem Weg dich eine Wahrnehmungsfähigkeit für dich selbst und dein Wollen oder Nichtwollen aus dir selbst raus entwickeln zu lassen.
Stattdessen versucht er die Quadratur des Kreises, indem du in der Umarmung selbst was/deinen Körper wahrnehmen sollst?!

Wenn er so tatsächlich überzeugt ist von was Körpertherapeutischem, warum redet er dann nicht mit dir drüber, zusätzlich zu der Therapie bei ihm parallel eine "echte" Körpertherapie zu machen? (Und mal die ein oder andere tägliche Stunde bei ihm "abzutreten" an die Körpertherapie)

Ich hab selber Körpertherapie gemacht zuletzt und da v.a. die Miniminischrittchen sehr zu schätzen gelernt. Als eben auch so grundsätzlich dissoziativ Gebaute (und frühere DIS) hab ich dadurch erst mitbekommen, was ich alles "automatisch" gemacht hab, unreflektiert und ohne inneres eigenes Empfinden dazu.

Ich kann dir auch nur raten, als zentrales Thema erstmal "Grenzen wahrnehmen" zu setzen und dass die sein dürfen, respektiert werden etc.
Vielleicht will er tatsächlich nur "helfen". Aber auch dieses "dir muss geholfen werden" würde für mich bedeuten "Du bist "verkehrt", jetzt werde mal schnellschnell wieder normal ("gesund"), ich zeig dir, wie du sein sollst".

Für mich das Schlimmste, was man mir antun kann : Ich darf nicht sein. Nicht die sein, die ich bin. Ich soll "weg", mein So-Sein soll "weggeholfen" werden.
Mag jetzt ganz und gar nur Meins sein, aber deine Verwirrtheit und das "Keingefühldafür" kommt mir sehr bekannt vor. :hugs:

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