Therapie beenden?

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parisblues
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Therapie beenden?

Beitrag Mi., 07.07.2021, 16:55

Hallo!

Ich bräuchte bitte eure Meinung. Ich bin schon sehr lange unsicher ob mein Therapeut richtig für mich ist und ob er mir überhaupt helfen kann. In der letzten Sitzung hat er etwas ganz deutlich ausgesprochen, was mich einfach schon länger stutzig macht. Ich habe einige Verhaltensweise, bei denen er der Meinung ist, dass ich, wenn ich will, dass es mir besser geht, sie ändern sollte. Mein Standpunkt und meine Erfahrung ist, dass ich keine Kontrolle darüber habe. Er ist der Meinung, dass das nicht stimmt, und ich mich einfach sperre irgendwelche Schritte in die Veränderung zu machen.

Jetzt geht dieses Thema aber schon einige Monate und wir kommen da einfach nicht weiter. Müsste er nicht irgendwelche anderen Möglichkeiten kennen um mir zu helfen? Wenn es so einfach wäre, dann bräuchte ich ihn ja nicht und würde einfach alleine diese Veränderungen vornehmen. Ich habe den Eindruck für ihn geht es nur darum, mein Verhalten zu ändern. Für mich sind meine Verhaltensweise nicht von so großer Bedeutung, ich möchte einfach grundsätzlich, dass es mir besser geht.

Nehmen wir als Beispiel meine Angst und Unsicherheit im Bezug auf Menschen, er versucht mir Möglichkeiten aufzuzeigen, was ich machen könnte, z.B. wo und wie ich Leute kennen lernen könnte. Wenn ich dann ehrlich sage, dass ich das einfach nicht kann, ich es einfach nicht zusammen bringe, dann ist sein Versuch mir zu helfen, zu Ende und er ist ratlos. Es hinterfragt nicht, wieso ich solche Angst habe, oder was da passiert, wenn ich Menschen begegne. Es geht immer nur darum mir die Verantwortung umzuhängen und wenn ich sie nicht annehme, dann kann er mir halt auch nicht helfen. Das Gleiche betrifft auch meine dissoziativen Störungen, Suchthematik. SVV, etc.. Das sind doch Muster, die total schwer zu durchbrechen sind, er kann doch nicht wirklich erwarten, dass ich sie einfach so ändern kann? Es muss doch auch andere Wege geben. Zum Beispiel hinterfragen, wieso man gewisse Dinge tut oder was weiß ich.

Ich kann mich nicht erinnern, dass wir über das "Warum" meiner Mustern gesprochen haben. Wir sprechen nie über irgendwelche destruktiven Muster, es geht immer nur darum Lösungen zu finden und das positive zu sehen. Ich habe das auch schon merhmals angesprochen, dass ich große Probleme habe mit diesem "Think Positive-Zugang" aber die Einstellung des Therapeuten werde ich wohl nicht ändern können weil es immer zum Gleichen führt.

Ich bin ziemlich am Ende. Ich brauche gerade Hilfe mehr als andere und ich schaffe es nicht die Therapie zu beenden, andererseits merke ich, dass sie nirgendwo hinführt. Mir ist klar, dass auch Schritte der Veränderungen gegangen werden müssen, aber ich schaffe es in dem Ausmaß einfach nicht. Eigentlich möchte ich mich endlich von ihm lösen, mir geht es nach jeder Stunde schlecht und ich bin nur am schimpfen über ihn. Da ist so viel Wut. Andererseits kann ich mir einfach nicht vorstellen, es zu beenden. Ich muss dazu sagen, dass ich auch Probleme habe die Therapie zu beenden, da ich befürchte, dass da halt nur meine Krankheit spricht und ich mir somit ie Chance auf eine mögliche Verbesserung verbaue. Ich traue meiner Wahrnehmung da nicht wirklich. Habt ihr vielleicht einen Rat für mich? Ich danke euch schon mal!
Zuletzt geändert von Tristezza am Mi., 07.07.2021, 17:34, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Absätze zur besseren Lesbarkeit eingefügt.

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caduta
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Beitrag Mi., 07.07.2021, 17:09

Das klingt als würde dein Therapeut reine Verhaltenstherapie machen. Bei dem was du über deine Probleme schreibst, könnte ich mir vorstellen, dass du mit Schematherapie eher weiterkommen würdest. Du kannst ihn ja fragen, ob er sowas auch machen würde. Im Internet und auch hier im Forum findest du ganz viel zu dem Thema.
Ich glaube übrigens nicht, dass da nur deine Krankheit spricht. Mein Therapeut hat auch mit Verhaltenstherapie angefangen, hat dann aber bald gewechselt, als er gemerkt hat, dass ich damit überhaupt nicht klarkomme und immer verzweifelter wurde. Wobei Schematherapie schon auch zur Verhaltenstherapie gehört, aber eben auch mit Anleihen aus der Tiefenpsychologie (also hinschauen wo es herkommt).
LG, caduta

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wind of change
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Beitrag Mi., 07.07.2021, 17:19

Sich nicht vom Therapeuten lösen können habe ich auch erlebt ::? (letztlich ist die Behandlung jetzt vorbei, weil er in den Ruhestand gegangen ist).
Du könntest bei Situationen, wo du dich zB mit anderen Menschen unwohl fühlst, es als Aufgabe nehmen, mal in so eine Situation reinzugehen UND dann in der nächsten Therapiestunde mit deinem Therapeuten besprechen, was dir da Schwierigkeiten bereitet hat. Für mich gehört da auch Beides zu: Schritte der Veränderung gehen ("seine Forderung", hier zB eine soziale Situation aufsuchen), Aber auch das dann besprechen oder "beleuchten" ("deine Forderung"). Ist er denn auch zu einem besprechen bereit? Sonst fände ich es auch sinnlos. Wenn es dir schon lange schlecht geht bei ihm oder du kein gutes Gefühl hast, kannst du dem schon trauen, finde ich. Vielleicht hast du auch Angst, ohne ihn erstmal "allein in der Luft zu hängen"?
Viele Grüsse
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chrysokoll
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Beitrag Mi., 07.07.2021, 18:04

parisblues hat geschrieben: Mi., 07.07.2021, 16:55 Es hinterfragt nicht, wieso ich solche Angst habe, oder was da passiert, wenn ich Menschen begegne. Es geht immer nur darum mir die Verantwortung umzuhängen und wenn ich sie nicht annehme, dann kann er mir halt auch nicht helfen. Das Gleiche betrifft auch meine dissoziativen Störungen, Suchthematik. SVV, etc.. Das sind doch Muster, die total schwer zu durchbrechen sind, er kann doch nicht wirklich erwarten, dass ich sie einfach so ändern kann? Es muss doch auch andere Wege geben. Zum Beispiel hinterfragen, wieso man gewisse Dinge tut oder was weiß ich.
Du bringst da eine ganze Palette an Symptomen mit in die Therapie, Sucht, Angst, SVV, Dissoziation.
Und ja klar, das kommt nicht von "nichts".
Ist dir denn bewusst warum das alles so ist?

Möglicherweise ist die Therapieform die du machst jetzt nicht die richtige für dich, es scheint eine Verhaltenstherapie zu sein.
Vielleicht hast du auch "zu viel" für nur eine ambulante Therapie und du solltest die schlimmsten Symptome erst einmal in einer Klinik angehen

Aber: Bei allem Hinterfragen und Verstehen - es muss der absolute Wille von dir da sein Dinge aufzugeben, hart an dir zu arbeiten und Neues auszuprobieren. Ohne geht es nicht. In keiner Therapie.

Bekommst du denn z.B. antidissoziative Skills, Möglichkeiten gegen Selbstverletzung vorzugehen?

Du klingst als empfändest du es als ungerecht, ja als Zumutung das alles "einfach" aufzugeben?
Nein, einfach ist es absolut nicht, und glaub mir, ich kenn das alles.
Aber es erfordert schon deine intensive Anstrengung

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parisblues
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Beitrag Mi., 07.07.2021, 20:42

Danke für eure Antworten.
@caduta: Der Hinweis mit der Schematherapie ist gut, ja. Wir haben mal was in Richtung Stuhlarbeit gemacht( glaub ich), fand das auch ganz interessant aber nach einmal probieren ging es dann nicht weiter und es war auch sehr oberflächlich und zurückhaltend von seiner Seite aus, so empfand ich das. Aber das werde ich auf jeden Fall zum Thema machen.
@wind of chance: Ja, das Problem wenn ich z.B.: übe mit Menschen etwas offener umzugehen, ist das, dass ich überhaupt keine Kontolle über das Geschehene habe. Also selbst wenn ich mir vornehme, dieses oder jenes auszuprobieren, schaffe ich es nicht umzusetzen. Ich funktioniere da wie automatisiert und merke einfach große Angst und eigentlich schon Panik und habe gar keine Chance irgenwie mein Verhalten zu beeinflußen. Wir beleuchten schon auch mal Situationen aber ich habe den Eindruck es ist alles immer sehr oberflächlich. Wir gehen nie wirklich in Tiefe und springen von Einem zum Nächsten. Ja genau ich habe schreckliche Angst ihn loszulassen. Ich bin schrecklich abhängig dabei empfinde ich die meiste Zeit nur negative Sachen ihm betreffend..so schräg echt.
@chrysokoll: Also ja in gewisser Weise kann ich mir schon zusammmenreimen wieso ich so bin wie ich bin mit meinen Symptomen. Sind einfach viele Sachen in meinem Leben zusammengekommen, die mich fertig gemacht haben. Dazu kommt, dass ich doch sehr sensibel bin. Ja ich glaube auch, dass es passendere Therapieform geben würde. Es hilft mir schon mal eure Meinungen zu lesen und vielleicht schaffe ich es doch anzugehen mich neu umzuschauen. Es ist halt echt schwer. Ich fühle mich trotz allem sehr verbunden und kann nicht loslassen. Klinik geht leider nicht. Dabei würde ich das so gerne machen. Die Gründe möcht ich hier jetzt nicht schreiben, aber es ist tasächlich nicht möglich. Ich möchte es aber auf alle Fälle machen, sobald es geht. Ich muss sagen, langfristig möchte ich sicher die Dinge aufgeben, aber jetzt gerade schaffe ich es eben noch nicht, da ich es ja nicht ohne Grund mache und es ja in irgendeiner Form etwas geben muss, dass es mir das irgendwie leichter macht. Und ich bin absolut bereit an mir zu arbeiten. Nein wie gesagt, es gibt null Kommunikation was z.B. SVV betrifft. Es gab noch nie eine Frage dazu. Das Thema wird komplett vermieden, ich nehme an das ist bei manchen Therapeuten eine Art damit umzugehen, da sie keine Aufmerksamkeit darauf lenken wollen. Hab ich zumindest mal gelesen, und so wie er darauf reagiert kann ich es mir bei ihm vorstellen. Aso er hat mir mal den Tipp gegeben am Boden zu stampfen und mich abzuklopfen um mich zurückzuholen, nachdem ich ihm erzählt habe, dass ich null Kontakt zu meinem Körper und meiner Umwelt habe....aber bei mir gibt es kein zurückholen. Da ich ununterbochen unter Depersonalisation und Derealisation leide. Komm da gar nicht raus. Hab auch schon wegen SKillsgruppen oder DBT Gruppen gesucht, aber so wie ich das mitbekommen habe, sind die 2 Mal die Woche und das ist organisatorisch nicht möglich. Und Einzelstunden kann ich mir nicht leisten.
Naja als ungerecht empfinde ich es nicht aber als unrealistisch und unemphatisch. Ich weiß einfach, dass ich, so wie ich jetzt gerade bin, gewisse Sachen nicht anders machen kann. So gut kenne ich mich einfach.

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wind of change
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Beitrag Mi., 07.07.2021, 21:06

parisblues hat geschrieben: Mi., 07.07.2021, 20:42 @wind of chance: Ja, das Problem wenn ich z.B.: übe mit Menschen etwas offener umzugehen, ist das, dass ich überhaupt keine Kontolle über das Geschehene habe. ....... Wir beleuchten schon auch mal Situationen aber ich habe den Eindruck es ist alles immer sehr oberflächlich. Wir gehen nie wirklich in Tiefe und springen von Einem zum Nächsten.

Das finde ich sehr schade dass ihr da gar nicht in die Tiefe geht (mir fiel spontan die Frage ein bei sozialen Situationen "was geht da in deinem Kopf vor, Angst? Vor was? Blöd angeguckt zu werden, sich blamieren, zur Zielscheibe von (blöden) Witzen oder Sprüchen zu werden, ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken, Angst nur vor bestimmten Menschen (zB nur Männer oder nur Frauen ....), sich überfordert fühlen zB bei smalltalk und deshalb Angst" .... oder .... oder .... oder (hätte fast Lust, dir da einen eigenen Thread für zu empfehlen ;-) )). Das könnte man doch eigentlich gut besprechen. Deshalb schade wenn das so oberflächlich von seiner Seite ist.
parisblues hat geschrieben: Mi., 07.07.2021, 20:42 Ja genau ich habe schreckliche Angst ihn loszulassen. Ich bin schrecklich abhängig dabei empfinde ich die meiste Zeit nur negative Sachen ihm betreffend..so schräg echt.
Ich kenne das, ging mir ziemlich lange genauso, also noch ne "schräge" ;-) Hast du eine Idee, WAS Dich so abhängig von ihm macht?
Und dass er auch null auf SVV eingeht und es sogar meidet scheint dir ja auch nicht zu helfen (würde mich da auch blöd fühlen).
Ja, ich weiss dass es nicht leicht ist, da ein(e) neue(n) Therapeuten zu suchen und dann auch noch einen passenden zu finden. Wünsche dir, dass du da einen guten Weg für dich findest.
Ach, was mir noch eingefallen ist (wo du von skillgruppen geschrieben hast), vielleicht wäre auch Gruppentherapie was für dich (wegen den sozialen Situationem zB)? Vielleicht ginge das auch zusätzlich zur Einzeltherapie (weiss ich jetzt auch nicht genau) (oder generell auch Selbsthilfegruppe, kann auch hilfreich sein)

Nachtrag: hm, wenn das alles so oberflächlich "abgehandelt wird" stellt sich mir die Frage, wie werden deine Therapiestunden ausgefüllt, was passiert da, worüber redet ihr in einer Stunde, weil, was bleibt denn da noch zu sagen (frage ich mich spontan). Oder wird gar nichts oder kaum was gesagt?
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Beitrag Mi., 07.07.2021, 22:17

parisblues hat geschrieben: Mi., 07.07.2021, 16:55

Nehmen wir als Beispiel meine Angst und Unsicherheit im Bezug auf Menschen, er versucht mir Möglichkeiten aufzuzeigen, was ich machen könnte, z.B. wo und wie ich Leute kennen lernen könnte. Wenn ich dann ehrlich sage, dass ich das einfach nicht kann, ich es einfach nicht zusammen bringe, dann ist sein Versuch mir zu helfen, zu Ende und er ist ratlos.
Also er gibt dir bei diesem Thema dann Tipps, wo du Leute kennen lernst. Und das war's? Wirklich?

Also falls wirklich scheint er ja nicht so viel drauf zu haben.
In der Verhaltenstherapie gibt es zu diesem Thema sehr viele konkrete Übungen, Taktiken, Hernagehensweisen usw. wie man damit konkret umgehen kan, Ängste, Unsicherheiten reduizieren.

Oder ist es eine tiefenpsychologische Therapie?
Dann hast du vielleicht falsche Erwartungem am diese Therapieform. Da gibt es nämlich kaum weniger Handlungsvorschläge, diese müssen sich eher aus dir selbst entwickeln....

Ach so du kommst aus Österreich. Da gibt es viel mehr zugelassene Therapieformen. Aber da kenn ich mich nicht so aus. Vielleicht ist das auch ne ganz andere Thefapieform. Da verliere ich immer den Überblick, was es da alles so gibt bei euch :-D .
"You cannot find peace by avoiding life."
Virginia Woolf

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Montana
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Beitrag Mi., 07.07.2021, 22:39

Es gibt tatsächlich die Ansicht, man müsse SVV konsequent ignorieren, weil es einen Appell darstellt, der so viel wie "kümmere dich um mich" aussagt. Nach dieser Theorie würde jede fürsorgliche Reaktion dazu führen, dass noch mehr SVV stattfindet, um noch mehr Fürsorge zu erfahren. Es soll dagegen aufhören, wenn es nicht den gewünschten "Erfolg" bringt.
Ich persönlich halte diese Ansicht für falsch. SVV findet doch normalerweise lange Zeit im Verborgenen statt, wird verheimlicht, und besteht lange vor dem ersten Kontakt mit einem Therapeuten. Da werden Klamotten gewählt, die alles gut verdecken, damit bloß keiner was merkt. Auch und gerade in Therapiestunden.
Ähnliches gilt für dissoziative Zustände jeder Ausprägung. Auch die werden als Appell verstanden und es wird versucht, sie "wegzuerziehen".

Das funktioniert nicht. Der Ansatz ist Müll. Weder SVV noch Dissoziation sind das Problem. Sie sind die Krücken, die dem Lahmen das Laufen ermöglichen. Nimm sie ihm weg und er steht mit einem hinreißend normalen Erscheinungsbild herum (und kommt nicht mehr vom Fleck).
Mir fällt da spontan etwas ein, was ich mal beobachtet habe auf dem Weg vom Parkplatz zum Büro. Ein gehbehinderter Kollege konnte durchaus auf seinen Beinen laufen. Das sah sehr anstrengend aus und er war sehr langsam. Für den Weg vom Parkplatz zum Bürogebäude packte er seinen Klapprollstuhl aus und bretterte damit den Berg runter. Damit war er schneller als jeder Fußgänger. Wie hätte der das wohl gefunden, wenn ihn jemand zwangsweise von seinem Rollstuhl "befreit" hätte?

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lisbeth
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Beitrag Do., 08.07.2021, 09:59

parisblues hat geschrieben: Mi., 07.07.2021, 16:55 Nehmen wir als Beispiel meine Angst und Unsicherheit im Bezug auf Menschen, er versucht mir Möglichkeiten aufzuzeigen, was ich machen könnte, z.B. wo und wie ich Leute kennen lernen könnte. Wenn ich dann ehrlich sage, dass ich das einfach nicht kann, ich es einfach nicht zusammen bringe, dann ist sein Versuch mir zu helfen, zu Ende und er ist ratlos. Es hinterfragt nicht, wieso ich solche Angst habe, oder was da passiert, wenn ich Menschen begegne. Es geht immer nur darum mir die Verantwortung umzuhängen und wenn ich sie nicht annehme, dann kann er mir halt auch nicht helfen. Das Gleiche betrifft auch meine dissoziativen Störungen, Suchthematik. SVV, etc.. Das sind doch Muster, die total schwer zu durchbrechen sind, er kann doch nicht wirklich erwarten, dass ich sie einfach so ändern kann? Es muss doch auch andere Wege geben. Zum Beispiel hinterfragen, wieso man gewisse Dinge tut oder was weiß ich.
Wie würde es denn nach deinem Empfinden (konkret) aussehen, wenn er dir helfen könnte?

Das was er dir anbieten kann, sind Impulse. Aufnehmen und weitertragen musst du die Impulse schon selbst, das kann dir kein Therapeut dieser Welt abnehmen (und auch keine Therapeutin).

Was du hier schreibst, wirkt auf mich so, dass du gleich sagst: "Das geht nicht, das kann ich nicht" ohne es überhaupt zu probieren. Aber es ist wichtig, dass du in Handeln kommst, denn vom Reden alleine wird sich nicht viel verändern. Und das Reden über die Ursachen alleine wird dir auch keine Besserung bringen. Mir erscheint das ein wenig so, als ob du dadurch deinen Problemen dadurch auch ein Stückweit aus dem Weg gehst.

Es ist auch wichtig zu schauen, was genau passiert, wenn du einen Schritt in Richtung Veränderung probierst. Wenn du Panik bekommst ist konkret was Anderes für dich hilfreich, als wenn du innerlich erstarrst. Und genau diese Erfahrungen sind auch wichtig, weil du nur durchs Ausprobieren auch neue, andere Erfahrungen machen kannst. Die braucht es letzten Endes, um deine schlechten Erfahrungen von früher zu überschreiben.

Wenn die Ideen die er in den Raum stellt, für dich (noch) ein paar Nummern zu groß sind, dann könntest du ja mal überlegen, welche kleineren Schritte in diese Richtung führen könnten, und auch mal einen kleineren Schritt probieren. Oder ihm sagen, das ist für mich zu viel auf einmal, wir müssen das in kleinere Schritte runterbrechen. Und mit ihm dann zusammen überlegen, wie diese kleineren Schritte aussehen können. Teilst du ihm sowas mit?
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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münchnerkindl
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Beitrag Do., 08.07.2021, 10:23

parisblues hat geschrieben: Mi., 07.07.2021, 16:55 Nehmen wir als Beispiel meine Angst und Unsicherheit im Bezug auf Menschen, er versucht mir Möglichkeiten aufzuzeigen, was ich machen könnte, z.B. wo und wie ich Leute kennen lernen könnte. Wenn ich dann ehrlich sage, dass ich das einfach nicht kann, ich es einfach nicht zusammen bringe, dann ist sein Versuch mir zu helfen, zu Ende und er ist ratlos. Es hinterfragt nicht, wieso ich solche Angst habe, oder was da passiert, wenn ich Menschen begegne. Es geht immer nur darum mir die Verantwortung umzuhängen und wenn ich sie nicht annehme, dann kann er mir halt auch nicht helfen. Das Gleiche betrifft auch meine dissoziativen Störungen, Suchthematik. SVV, etc.. Das sind doch Muster, die total schwer zu durchbrechen sind, er kann doch nicht wirklich erwarten, dass ich sie einfach so ändern kann? Es muss doch auch andere Wege geben. Zum Beispiel hinterfragen, wieso man gewisse Dinge tut oder was weiß ich.

Ich kann mich nicht erinnern, dass wir über das "Warum" meiner Mustern gesprochen haben.


Ich würde mir tatsächlich jemand anders suchen.

Den Rat "dann hör halt auf zu trinken, SVV zu machen und geh unter Leute", dazu brauche ich keinen Therapeuten. Das kann dir auch jeder Laie empfehlen.

Der Mehrwert einer Therapie gegenüber Laienrat sollte ja sein, dass dir der Therapeut gangbare Wege aufzeigt WIE du diese Veränderungen angehen kannst. Wenn du es "einfach so per Willensentscheidung" tun könntest, dann hättest du es ja vermutlich schon selbst verändert.

Und klar ist es wichtig zu wissen warum man so ein Muster entwickelt hat und welche psychologische Funktion es jetzt hat um es verändern zu können, weil, ich wiederhole mich, wenn man es einfach so per Willensentscheidung abstellen könnte dann bräuchte man dazu keine Therapie.

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chrysokoll
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Beitrag Do., 08.07.2021, 10:27

es sind zwei unterschiedliche Therapieansätze, genau in die Vergangenheit schauen und ganz konkret an Themen arbeiten.
Die sich natürlich idealerweise nicht ausschliessen.

Wenn man bei einem Verhaltenstherapeuten ist dann wird nunmal nicht so viel in die Vergangenheit geschaut.

Aber grundsätzlich muss die Bereitschaft und die Entscheidung da sein was zu ändern und auch hart an sich arbeiten zu wollen.
Alles andere ist "wasch mich aber mach mich nicht nass".

Bei parisblues sind wirklich vielfältige Symptome da und es wäre vielleicht sinnvolle erstmal die drängendsten anzugehen (vielleicht die Sucht?)
Alles gleichzeitig wird nicht funktionieren, schon gar nicht ambulant

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münchnerkindl
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Beitrag Do., 08.07.2021, 11:19

chrysokoll hat geschrieben: Do., 08.07.2021, 10:27 es sind zwei unterschiedliche Therapieansätze, genau in die Vergangenheit schauen und ganz konkret an Themen arbeiten.
Die sich natürlich idealerweise nicht ausschliessen.

So klar kann man das nicht abgrenzen. Die überwältigende Mehrheit an psychischen Beschwerden sind keine reinen Phobien, die man durch pure Konfrontations- und Gewöhnungsstrategien beheben kann.

Von daher muss auch der Verhaltenstherapeut darauf eingehen was die Faktoren sind die die Symptome verursacht haben und jetzt am Laufen halten. "Dann hör halt auf zu xyz" kann nicht funktionieren, wenn dieses Symptom für den Patienten eine konkrete Funktion hat. ZB der Substanzkonsum eine Art der Selbstmedikation ist, oder das SVV hilft unerträgliche Emotionen zu regulieren. Es kann auch nicth funktionieren, wenn die dahinterliegenden Ängste aufgrund einer Traumatisierung entstanden sind.

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Montana
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Beitrag Do., 08.07.2021, 11:57

münchnerkindl hat geschrieben: Do., 08.07.2021, 11:19 Es kann auch nicth funktionieren, wenn die dahinterliegenden Ängste aufgrund einer Traumatisierung entstanden sind.
Richtig. Weil es keinen Sinn macht, den Patienten überzeugen zu wollen, seine Ängste seien irrational und unbegründet, wenn sie aufgrund ganz konkreter und realer Ereignisse entstanden sind.
Wenn man z.B. in der U-Bahn überfallen wurde (als einfaches Beispiel), dann bewirkt eine Konfrontation nicht, dass man danach wieder ohne Angst U-Bahn fährt. Es findet nämlich nicht die Erkenntnis statt: "Oh, U-Bahn fahren ist ungefährlich". Eher: "Puh, diesesmal ist zum Glück nichts passiert. Beim nächsten Mal kann es wieder anders aussehen."

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parisblues
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Beitrag Do., 08.07.2021, 13:22

Danke euch!
@wind of change: Mhh..da sind ganze viele Optionen vor denen ich Angst habe. Ich habe einfach extrem viele schlecht Erfahrungen mit anderen Menschen gemacht, ich glaube aber am prägendsten sind die nicht vorhande Bindungen in meiner Kindheit zu anderen Mensschen. Also da war einfach keiner. Ich glaub ich habe gar nicht so große Angst, dass mich jemand verletzt sondern diese Angst kommt daher, dass ich unfähig bin mit anderen Menschen zu interagieren. In erster Linie bin ich nur dabei mich anzupassen / zu gefallen, und selbst wenn da mal mehr Kontakt da war bin ich innerlich total enttäuscht, weil da nicht wirklich eine Beziehung oder sowas entsteht. Ich spüre keinen Kontakt zu anderen Menschen. Kann es nicht besser beschreiben.
Ich bin abhängig von ihm weil er mir doch irgendwas gibt. Vielleicht die Chance auf eine Beziehung zu einem Menschen? Ich fürchte, dass ich einfach nur flüchte und in Wahrheit sehe ich alles falsch und er hilft mir doch. Und er gibt mir mehr als sonst jemand mir je gegeben hat. Aufmerksamkeit, Interesse und ich merke, dass er involviert in die Beziehung ist, irgendwie bewege ich etwas in ihm, manchmal hab ich das Gefühl zu viel. Also, dass er zu sehr verstrickt ist und nicht den nötigen Abstand hat.
Ja an Gruppentherapie hab ich auch schon gedacht, danke für den Tipp! Und doch es passiert schon was in den Stunden. Ich erzähle wie beschissen es mir geht und habe ein schlechtes Gewissen weil ich glaube zu merken, dass er auch schon ansteht und er einfach genug davon hat. Er fragt bei vielen Dingen nach und versucht es in eine positive Richtung zu lenken bzw. mit mir Lösungen zu suchen. Die ich abschmettere, nachdem ich merke, dass es für mich nicht umsetzbar ist.
@ ~~~ Nein so ist es nicht. Es ist schon komplexer, nein keine tiefenpsychologische Therapie. Aber er hat seinen Fokus eben schon sehr stark auf Verhaltensänderungen, auf die Gegenwart und Zukunft und das wird sich auch nicht ändern lassen können. Die Frage ist ob die Therapie die richtige für mich ist und ich einen Nutzen daraus ziehen kann.
@Montana Ja das sehe ich auch so. Habe nicht den Eindruck, dass ignorieren hilfreich ist.
@lisbeth Ich wünsche mir mehr Struktur, einen Plan, Zuversicht. Er hat nur einen Weg und dem folge ich nicht und somit kann er mir nicht helfen. So wirkt es auf mich. Er hat übrigens schon den Eindruck, dass mir die Therapie hilft. Ich traue mich Dinge anzusprechen. Ich bin offener ihm gegenüber geworden. Das kann ich zum Teil auch bestätigen, trotzdem halte ich vieles zurück und ich habe das Gefühl er kennt mich eigentlich gar nicht. Ich würde mir wünschen, dass er einen anderen Weg mit mir sucht. Und deutlicher ausspricht wo wir gerade sind. Und so in die Richtung habe ich das auch schon alles angesprochen aber eigentlich stimmte er da nur zu, dass ich halt Dinge verändern müsste und er auch nicht weiter weiß wie man mir helfen kann. Also er lässt mich jetzt nicht fallen deswegen und ich glaube auch, dass die Beziehung zu ihm zum Teil schon auch heilsam ist. Ich würde mir mehr Aktionismus wünschen, er ist schon sehr passiv und Raum gebend und das bin ich halt auch und dadurch ist alles sehr stockend.
Ja du hast schon Recht mit dem was du schreibst. Aber wie gesagt, fühl ich mich derzeit nicht in der Lage etwas zu verändern. Es ist das einzige, was mir gerade hilft. Und ich bin mir sicher, nur weil ich schlechte Verhaltensweise ablege, bedeutet das nicht, dass ich dadurch tiefliegende psychische Probleme löse. Ich habe ziemlich lange ohne die Verhaltensmuster gelebt, und trotzdem die Probleme in mir waren deswegen nicht weg. Mittlweile ist die Hoffnung halt echt nur noch sehr klein, dass ich mich noch großartig ändern kann. Also ich meine damit wie ich als Mensch bin, nicht was ich tue oder nicht tue.
@münchnerkindl Danke so empfinde ich das eben auch.
@chrysokoll Ich hab echt null Ahnung von Therapie. Was würde jetzt ein Therapeut tun können um so eine Thematik zb Sucht ändern zu können? Welche Möglichkeiten gibt es? Ich kann es mir gar nicht vorstellen.

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Pinguin Pit
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Beitrag Do., 08.07.2021, 13:47

parisblues hat geschrieben: Do., 08.07.2021, 13:22 Mittlweile ist die Hoffnung halt echt nur noch sehr klein, dass ich mich noch großartig ändern kann. Also ich meine damit wie ich als Mensch bin, nicht was ich tue oder nicht tue.
Da möchte ich Dir gerne ganz energisch widersprechen, aus eigener Erfahrung. Ich bin 59 Jahre alt und habe dementsprechend lange, seit meiner Kindheit, eingeschliffene Verhaltensmuster zu überwinden und ich kann Dir nur sagen: es ist möglich und es ist nie zu spät.
Die Vergangenheit ist nicht tot - sie ist nicht einmal vorbei. (William Faulkner)

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