Ehemalige Therapeutin als Bekannte?

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Saly
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Ehemalige Therapeutin als Bekannte?

Beitrag Di., 01.06.2021, 08:26

Hallo Zusammen,

ich bräuchte mal eine Einschätzung oder Erfahrung von euch.

Ich mache derzeit meine zweite Verhaltenstherapie. Die erste begann ich 2014 und ging ein Jahr, dann musste sie beendet werden, weil ich umgezogen bin. Mit der damalige Therapeutin kam ich gut klar, auch wenn die Therapie im Vergleich zur jetzigen bei weitem nicht so tief ging. Sie ist nur ein paar Jahre älter als ich und wir hatten viele „gemeinsame“ Themen damals. So kam es, dass ich 9 Monate später mal noch zu einem Termin bei ihr war und wir alle paar Jahre mal Mails schrieben und ich berichtete wie es mir so geht und was es neues bei mir gibt (ich ziehe gefühlt ständig um, da gibt’s immer was zu erzählen).

Sie ist mir sehr sympathisch und schreibt auch jedes Mal sehr ausführlich zurück und dass sie sich sehr gerne an mich erinnert und sich sehr freut. Ich würde ihr gerne privat schreiben und sie einfach als Bekannte kennenlernen.

Am Anfang schrieb ich ihr öfter mal wenn ich ne Frage hatte oder eben was zu meinem psychischen Zustand. Mittlerweile geht es darum aber gar nicht mehr und ich hab auch nicht das Bedürfnis ihr davon zu erzählen. Ich bin ja wieder in Therapie und dafür ist meine jetzige Therapeutin zuständig.

Und vielleicht würden wir uns privat ja auch gar nicht so gut verstehen. Das glaube ich zwar nicht, aber dann wär das eben so. Sie wohnt ja recht weit weg und ich würde es erstmal gerne als „Bekanntschaft“ laufen lassen. Ob sich sowas wie eine Freundschaft entwickeln könnte, würde man dann ja sehen.

Momentan habe ich das Gefühl, wir sind einander sehr zugewandt und „höflich“ (keine Ahnung wie ich’s näher beschrieben soll) und daher weiß ich nicht genau, ob sie das auch so sieht oder möchte.

Hat da jemand Erfahrungen? Einfach fragen oder ist das sehr grenzüberschreitend? Wie spricht man sowas an? Am Ende hab ich ja nicht viel zu verlieren. Sie ist schon längst nicht mehr meine Therapeutin und als solche seh ich sie auch schon lange nicht mehr. Nur kann ich schwer abschätzen wie ich mit einer Ablehnung umgehen würde. So ganz generell, das ist für mich auch bei anderen Menschen schwierig.

Liebe Grüße,
Saly

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candle.
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Beitrag Di., 01.06.2021, 10:03

Hallo Saly!
Saly hat geschrieben: Di., 01.06.2021, 08:26 Am Ende hab ich ja nicht viel zu verlieren.
Diesen Satz finde ich widersprüchlich im Gegensatz zu dem was du schreibst, gerade wenn sie dies ablehnt.

Was ist denn überhaupt der Unterschied, wenn du von ehemaliger Therapeutin in Bekannte transformierst?

Einer Bekannten würde ich ja auch im Privatleben begegnen. Wie würde das bei dir aussehen? Würdest du sie besuchen? Soll sie dich besuchen? Kannst du das überhaupt so gestalten mit der Entfernung? Bist du für sie da? Und wieweit ist es dir möglich?

An deiner Stelle würde ich eher mit einer Ablehnung rechnen und alles so lassen wie es ist.

LG candle
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Saly
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Beitrag Di., 01.06.2021, 10:11

Hallo candle,

ja ich verstehe was du meinst. Ich habe ein Problem mit dem Gedanken oder der Angst abgelehnt zu werden. Mache mir im Vorfeld dazu auch bei anderen Menschen immer viele Gedanken, passe mich stark an usw. Das hat jetzt aber nichts persönlich mit der Therapeutin zu tun. Und ja, vielleicht wäre es eine gute Übung mich mal zu „trauen“. Was jetzt nicht heißen soll, dass ich das ganze als Experiment sehe. Ich meine das schon ernst.

Naja, der Unterschied wäre, dass wir uns auf privater Ebene unterhalten und miteinander beschäftigen. Ich muss nicht direkt ihre beste Freundin werden. Die habe ich und sie vermutlich selbst.

Ja, wir sind schon auch öfter in der Stadt, in der sie wohnt, weil wir dort Verwandte haben. Das könnte sich ergeben. Allerdings habe ich durch die vielen Umzüge auch in meinem Bekanntenkreis recht viele Menschen mit denen ich hauptsächlich telefoniere oder schreibe, weil sie eben weiter weg wohnen. Und man sieht sich dann eben nur ein paar mal im Jahr. Was aber für mich keine „schlechtere“ Verbindung darstellt als mit Leuten, die ich öfter sehe.

Lg Saly

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candle.
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Beitrag Di., 01.06.2021, 10:22

Saly hat geschrieben: Di., 01.06.2021, 10:11 Naja, der Unterschied wäre, dass wir uns auf privater Ebene unterhalten und miteinander beschäftigen. Ich muss nicht direkt ihre beste Freundin werden. Die habe ich und sie vermutlich selbst.
Klingt ja eher wie eine Brieffreundin. :)

Wenn du in Gedanken mal mehr Realität reinbringst, wie wäre das denn? Mit ihr Eis essen gehen oder sie im Notfall irgendwo hinbringen. Ihr Leid erfahren?

Ich würde es nicht als dein Experiment angehen. Das kannst du auf freier Wildbahn besser "üben".

candle
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Saly
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Beitrag Di., 01.06.2021, 10:26

Keine Ahnung, im Notfall irgendwo hinbringen geht bei meiner besten Freundin momentan auch nicht. Weil sie weiter weg wohnt. Aber als ihre Tochter einen Unfall hatte haben wir jeden Abend im Krankenhaus stundenlang telefoniert und ich hab ihr Mut zugesprochen etc.
Ich glaub wir haben da einfach ne andere Vorstellung von Bekanntschaft oder Freundschaft. Es heißt ja nicht, dass wir uns gleich all unser Leid klagen müssen. Auch das mach ich nur bei wirklich wirklich guten Freunden.

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candle.
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Beitrag Di., 01.06.2021, 10:30

Vielleicht ist das aber auch eine unbewusste Strategie dir die Menschen mit der Entfernung "vom Hals" zu halten?

Bei mir ist es jedenfalls anders, wenn ich weit weg ziehe.

candle
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Saly
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Beitrag Di., 01.06.2021, 11:34

Hm. :gruebel: Wieso denn vom Hals halten? Ich mag die doch! Zu manchen hab ich trotz der Entfernung ein sehr inniges Verhältnis. Nur weil ich wegziehe, vergesse ich ja die Menschen nicht, die mir was bedeuten.

Das Problem bei meinem Thema ist ja, dass ich mir nicht sicher bin wie sie das sieht. Einfach weil wir uns in einem anderen Kontext kennengelernt haben. Bei anderen Bekanntschaften, die ich so mache, frage ich mich eher nicht „darf ich das? will derjenige das?“ das kommt so mit der Zeit. Und trotzdem bin ich auch da manchmal etwas angespannt. Solange bis ich mir sicher bin, dass derjenige
mich auch mag und mit mir befreundet sein will. Aber irgendwie ergibt sich sowas im neutralen Umfeld natürlich mehr und mehr.

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candle.
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Beitrag Di., 01.06.2021, 11:47

Naja, bei mir schläft auf die Entfernung der Kontakt meistens ein und ich baue mir einen neuen auf. Wie kann man denn so viele Leute auch bei der Stange halten?

Hast du das mit der Ablehnung mal in der aktuellen Therapie besprochen. Lehnst du keine Menschen ab?

candle
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Saly
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Beitrag Di., 01.06.2021, 11:52

So viele sind das ja nicht. Wenn ich’s hoch rechne komme ich auf maximal 5 Personen/Familien. Und die halte ich nicht bei der Stange...mit denen telefoniere ich ab und an oder schreibe. Und wenn es passt und jemand in der Gegend ist, dann treffen wir uns. Es gibt auch genügend Menschen, die ich auf die Entfernung aus den Augen verloren habe. Was ja nicht schlimm ist. Und ja irgendwie auch was anderes als Ablehnung. Ich hab halt auch sehr wichtige, langjährige Freunde, die ich nicht aufgeben möchte nur weil ich 300km weit weg wohne. Das hat bei mir nichts mit der Entfernung zu tun.
Aber ich schätze da ist jeder anders.

Ja das war schon öfter Thema in der Therapie und ist auch schon besser geworden, was meine Gedanken dazu angeht.

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chrysokoll
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Beitrag Di., 01.06.2021, 11:52

Saly hat geschrieben: Di., 01.06.2021, 10:26
Ich glaub wir haben da einfach ne andere Vorstellung von Bekanntschaft oder Freundschaft. Es heißt ja nicht, dass wir uns gleich all unser Leid klagen müssen. Auch das mach ich nur bei wirklich wirklich guten Freunden.
mir ist nicht ganz klar WARUM du denn jetzt deine ehemalige Therapeutin zur Bekannten haben möchtest?
Die Therapie ist lange her, so wie ich das verstanden habe habt ihr euch seither nie mehr gesehen, du schreibst ihr ab und zu.
Du hast eine neue Therapie, wohnst ganz woanders, hast nach eigener Aussage genug Freunde und Bekannte.
Was also steckt da wirklich dahinter?

Es ist natürlich nie irgendwas ausgeschlossen, aber Therapeuten wollen in aller Regel keine ehemaligen Patienten als Freunde.

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Saly
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Beitrag Di., 01.06.2021, 12:01

Ab wann hat man denn zu viele Freunde und Bekannte? :roll:

Ich versteh das Problem nicht. Wir schreiben uns in längeren Abständen mal. Vor kurzem auch. Und jedesmal fällt mir auf, dass wir uns mögen. Vielleicht irre ich mich was ihre Sicht dazu angeht, aber deshalb denke ich ja drüber nach es anzusprechen. Weil es eben nicht so einfach ist wie bei „normalen“ Bekanntschaften. Und deswegen habe ich hier im Forum nach Erfahrungen gefragt :dunno:

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lisbeth
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Beitrag Di., 01.06.2021, 12:04

Ich finde, es ist schon ein Unterschied, ob man sich gut kennt und ein inniges Verhältnis hat, und dann die Entfernung kommt (wegen Umzug oder anderen Veränderungen). Denn dann hat man eine Ebene, an der man (meistens) immer wieder anknüpfen kann.

Ich kann mir allerdings schwer vorstellen, wie eine "Bekanntschaft" über eine solche Entfernung ganz beiläufig wächst und mehr wird. Denn die ganzen beiläufigen, zufälligen Kontaktmöglichkeiten, die ein ganz unverbindliches "Beschnuppern" ermöglichen, wie mal schnell auf einen Kaffee vorbeikommen, oder gemeinsam einen Spaziergang/Ausflug machen, die fallen ja weg. Und für mich ist es schon so, dass das Beschnuppern mir signalisiert, ob ich zu jemandem mehr oder intensiveren Kontakt möchte. Das ergibt sich ja meistens einfach so, und es ist nicht so ein feststellendes Fragen: Willst du meine Bekannte sein? :cool:

Von daher würde ich da die Frage stellen wollen, was deine eigentlichen Erwartungen sind? Erhoffst du dir (ganz tief innen) mehr, also gehst doch gleich von inniger Freundschaft aus? Oder ist es das, was Candle auch andeutet: Ein In-der-Nähe-haben-wollen, ohne sich zu nah sein zu müssen? Und warum ist dir das im Falle deiner Ex-Therapeutin so wichtig? Was hat sie für dich, was andere potentielle "Bekanntschaften" in deiner Nähe nicht haben?

Ich glaube, ohne dir selbst über deine Motive klarer zu werden, wirst du da nicht weiterkommen. Wenn du weißt, das und das möchte ich gern, und da für dich auch die Klarheit hast, dann fällt es meistens auch leichter, ein Risiko einzugehen, und sich dann da auch mal aus dem Fenster zu lehnen und dem anderen ein Angebot zu machen.

Edit: Letzte Beiträge noch nicht gelesen...
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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Scars
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Beitrag Di., 01.06.2021, 12:28

Also ich fände da nichts grenzüberschreitend bei, wenn du ihr deinen Gedanken mitteilst. Und auch nichts bei, ob man sich mit dem ehemaligen behandelnden Arzt, Therapeuten, dem ehemaligen Arbeits- oder Studienkollegen, oder wo man sich eben kennengelernt hat, trifft. Allerdings kann es natürlich sein, dass sich die Person privat ganz anders verhält und wie candle schon schrieb, bekommt man dann auch die Seiten mit, die in der beruflichen Rolle ferngehalten werden. Gerade in Berufen, wo man sich grundsätzlich zugewandt, freundlich etc. verhält, kann da schnell ein fehlerhafter Eindruck entstehen, dass man diese Rolle mit „echtem“ zwischenmenschlichen Interesse verwechselt.

Im Grunde kommuniziert ihr ja schon privat, die Therapie ist lange her und du nutzt sie auch nicht mehr (primär) als Therapeutin. Wo jetzt der formale Übergang zur „Bekannten“ liegt, ist mir auch nicht klar, aber das macht ja auch nichts, das muss du selbst wissen. Vermutlich würdet ihr dann vom „Sie“ zum „Du“ übergehen? Wichtig ist doch, dass beide Seiten zufrieden damit sind. Genauso wieviel Kontakt du in welcher Form möchtest. Allerdings könnte ich mir durchaus vorstellen, dass sie ihrerseits nicht mehr/was anderes will, sondern es als netten Teil ihrer Arbeit betrachtet, ab und an was von dir zu hören. Möglicherweise hält sie das mit anderen ehemaligen (sympathischen) Patienten auch so.
Remember to leave pawprints on hearts.

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Saly
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Beitrag Di., 01.06.2021, 12:31

Ja sicher ist das „Kennenlernen“ oder „Beschnuppern“ schwieriger. Und genau wegen dem Problem mit dem „Willst du meine Bekannte sein?“ frage ich ja.

Ja, meine Motive. Ich weiß nicht. Es ist ja nicht so dass ich ständig an sie denke oder es sowas wie eine Übertragung gibt. Aber immer wenn bei mir ein Wendepunkt ansteht, denke ich zwangsläufig mal an sie, weil es damals eine sehr einschneidende Zeit war. Ab und an schreib ich ihr dann und jedes Mal denke ich, dass wir uns echt gut verstehen und es so schade ist, dass wir uns nur so „offiziell“ schreiben können. Ich denke, es gibt zwei Möglichkeiten: entweder sie macht sowas eben prinzipiell nicht (unabhängig davon ob sie es wollte, denn das kann ich nicht wissen) oder ihr geht es genauso, sie würde es aber nie von sich aus ansprechen, weil sie eben sehr professionell ist und von sich aus diese Ebene nicht verlassen kann.

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Saly
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Beitrag Di., 01.06.2021, 12:38

@Scars: ja mir ist schon klar, dass selbst wenn sie einwilligt, da nicht zwangsläufig was „draus werden“ muss. Ich seh das auch nicht so dramatisch. Sicher würde es irgendwie mein Ablehnungs-Problem triggern. Aber ich habe mittlerweile in der Therapie auch gelernt, dass ich mich ab und an diesem Risiko aussetzen kann, um auch die Chance schöne Reaktion nicht außen vor zulassen. Ich bin da durchaus schon gelassener geworden.

Ja vermutlich würde wir zum Du übergehen, aber das ist ja nur ein Detail. Und mir ist klar dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass sie das nur als Teil ihrer Arbeit sieht. Die Möglichkeit, dass sie mein „Angebot“ ablehnt ist vermutlich sehr hoch...

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