Analyse - Einsicht in Verhaltensmuster führen nicht zur Besserung

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confidence
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Analyse - Einsicht in Verhaltensmuster führen nicht zur Besserung

Beitrag Fr., 08.01.2021, 00:53

Ich bin seit ca. 1 1/2 Jahren in einer analytischen Therapie. Es ist für mich auch ok, mit dem Therapeuten zu reden und bekomme auch Erkenntnisse. Zwar nichts, was mich jetzt tief zum staunen bringt, aber dinge, die ich so bewusst noch nicht betiteln konnte.

Nun zu meinem Problem, die Erkenntnisse bringen mich leider null weiter. Es ist für mich gut zu wissen, wo die Ursprünge sind und was für Verhalten ich aus meiner Vergangenheit auf Situationen und andere Personen projektiere. Leider hilft mir das Wissen darüber nicht weiter, dass ich mich besser fühle oder mir damit geholfen ist.

Es heißt doch immer, dass man durch Einsicht auch zu dem Punkt kommt, wo man sich besser fühlen soll bzw. besserung einsetzt und die Gefühle sich anpassen, wenn man verstanden hat, worum es sich bei einem Problem handelt, in der Psychoanalyse. Leider ist das bei mir kein Stück der Fall. Also entweder sind das die falschen Erkenntnisse oder ich bin einfach nicht fähig, die Erkenntnisse im intellektuellen Sinne, auf meine Gefühle zu übertragen, dass ich sich mein (unter-)Bewusstsein diesem annehmen kann und ich anfange mich besser zu fühlen.

Wie ist das zu erklären oder gibt es einfach Menschen, die nicht für die Methode der Psychoanalyse geeignet sind (was ich leider bei mir vermute)?
Ich habe noch weitere 2 1/2 Jahre vor mir, wenn ich das möchte, aber sollte sich nicht wenigstens ein kleiner Fortschritt anbahnen, was das Wohlbefinden angeht, nach 1 1/2 Jahren und nicht nur der Fortschritt im intellektuellen sinne, dass man mehr Einsicht bekommt (aber die Gefühle sich halt 0 zum positiven angepasst haben)?

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Pinguin Pit
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 02:37

Hi confidence,
das braucht Zeit.

Ich mache seit fast 4 Jahren analytische Therapie, habe jetzt noch 50 Stunden. Habe von mir aus in den letzten 1 1/2 Jahren regelmäßig mal alle 50 Stunden etwa eine Stunde genutzt, um Bilanz zu ziehen. Die größten Veränderungen haben sich im letzten halben Jahr ergeben, das ging Schlag auf Schlag, dass ich schon fast vom Tempo nicht mehr mitgekommen bin. Da ging und geht es auch weiter richtig zur Sache.
Bleib am Ball, da wird sich noch was tun.
Ich hatte auch immer wieder Zweifel, sehr starke Zweifel, viele Krisen. Aber ich will ja was ändern, deshalb habe ich einfach immer weiter gemacht.
Die Vergangenheit ist nicht tot - sie ist nicht einmal vorbei. (William Faulkner)

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Kellerkind
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 07:15

@PinguinPit

Das heißt also im Umkehrschluss, es hat sich 3,5 Jahre lang nicht wirklich was getan. Und ob dann die Veränderungen im letzten halben Jahr wirklich aus der Therapie stammen sei dahin gestellt, oder einfach nur weil... nun ja... 4 Jahre Zeit VERÄNDERN einen Menschen nun mal in der Regel, so wie sich auch Umstände verändern....oder gerade auf das letzte halbe Jahr bezogen: auch so was wie eine weltweite Pandemie und Lockdown kann die Sicht auf die Dinge ändern.

Und wenn sich nun auf dem letztem Drücker keine nennenswerten Veränderungen eingestellt hätten? Dann hätte man 4 Jahre wertvolle Therapie-Zeit mit dem falschen Thera/falschem Ansatz vergeudetet.

Ich bin eindeutig der Meinung, - auch wenn eine Analyse mehre Jahre dauern kann - , dass man nicht erst nach über 3 Jahren das Gefühl haben sollte, es bringt einem was. Das wäre doch Irrsinn und entgegen des gesunden Menschenverstand, eine Heilmethode so aufzubauen, dass man erst nach 4 Jahren in der Rückschau sagen kann ob es hilft oder nicht. Doch falls das die Norm ist, dann bin ich sehr verwundert über unser Krankenkassensystem, wenn das so beabsichtigt und toleriert wird...

Zumal, wie bereits geschrieben, sich in der aller Regel innerhalb von 4 Jahren auch Lebensumstände ändern und man von alleine hier und da reift, wie will man das halbwegs wissenschaftlich korrekt einer Therapie zuordnen, die eben "zufällig" parallel lief?

Soll heißen: Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass diese Sicht- und Vorgehensweise korrekt ist, und man angehalten wird, mehre Jahre die Zweifel... ("Bringt mir das wirklich was?") ... einfach im blinden Gottvertrauen aussitzen soll. Ich glaube sogar, je mehr man lernt, auf sich selbst und das "Bauchgefühl" zu hören, dass man um so weniger Therapie-Gedöns braucht. Und wenn man das Gefühl hat, das bringt einem nichts, dann sollte man zuerst versuchen, nachzubessern, aber ansonsten so schnell wie möglich nach Alternativen Ausschau halten. Allein der Gedanke, dass ich mir 3 bis 4 Jahre einreden ließe bzw. selbsteinrede, dass etwas, dass sich nicht richtig anfühlt, schon irgendwann und irgendwie zu einem guten Ende führe... allein die bloße Vorstellung lässt mich gleich viel kränker statt gesünder fühlen.

Schön,PinguinPit, wenn für dich die Rechnung aufging. Aber das würde ich dann eher als GLÜCK bezeichnen. Die Gefahr, dass so eine Denkweise eher zu einer Verschlimmerung führt, halte ich für deutlich höher.
"Auch andere Wege haben schöne Steine. "

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Fairness
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 07:15

Hallo confidence,

vorerst möchte ich sagen, toll, dass du das nun betiteln kannst!

Es ist denke ich auch so, dass die Erkenntnisse allein weniger bewirken, als Entscheidungen und daraus folgende Handlungen. Du könntest dich bei jeder Erkenntnis fragen, ob du das, was du erkannt hast, verändern möchtest oder kannst, beziehungsweise es so bleiben wird, wie es ist.

Und ich verstehe das so, dass es dann im nächsten Schritt auch um die Akzeptanz deiner Schwächen geht, welche so bleiben, wie sie sind und der, welche sich zum Beispiel im gewissen Maße verändern lassen, aber vielleicht dann weniger oder anders, als du dir wünschen würdest. Das ist auch abzuwägen, möglichst 'richtig' einzuschätzen, basiert auf deinen folgenden Erfahrungen und wie es dir mit den eventuellen Veränderungen während der Zeit ginge.

Dass es auch um dein Bild von dir selbst geht, mit welchem du weitere Schritte deines Lebens machst und eine Vorstellung davon hast, wie es in deiner Zukunft weitergehen könnte und was die möglichen Ziele sind. Das gehört für mich in eine Psychotherapie auch noch dazu, vielleicht ist es das, was dir dort noch fehlt...

Viel Glück, und lieben Gruß,
Fairness
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alatan
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 07:34

confidence hat geschrieben: Fr., 08.01.2021, 00:53 Es heißt doch immer, dass man durch Einsicht auch zu dem Punkt kommt, wo man sich besser fühlen soll bzw. besserung einsetzt und die Gefühle sich anpassen, wenn man verstanden hat, worum es sich bei einem Problem handelt, in der Psychoanalyse.
Wundert mich nicht, dass das nicht wirkt. Wurde auch schon längst wissenschaftlich, sowohl neurobiologisch als auch psychodynamisch begründet, warum das nicht funktionieren kann. Der Verstand ist eben nur ein winziger Baustein des Seelenlebens und macht nicht allzuviel her, wenn man tiefe und anhaltende Veränderung anstrebt


Jenny Doe
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 08:26

confidence: Leider hilft mir das Wissen darüber nicht weiter, dass ich mich besser fühle oder mir damit geholfen ist.
Wenn man weiß, was nicht hilft, dann kann dieses Wissen dabei helfen zu formulieren, was genau man braucht, damit einem geholfen ist.
Du weißt jetzt, Wissen allein ist nicht hilfreich. Wissen allein bringt Dich nicht weiter.
Welche Hilfe brauchst Du konkret? Was wünschst Du dir in deiner Psychotherapie? Was ist Dein Therapieziel? Wobei soll Dir diese helfen? Welche Hilfestellung brauchst Du konkret?

Versuch konkret zu formulieren, was genau Du brauchst oder wende Dich damit an deinen Therapeuten oder ggfs. an einen Verhaltenstherapeuten, wenn Deine jetzige Therapie nicht das leisten kann, was Dein Therapieziel ist.
In einer analytischen Therapie geht es vorrangig darum, Erkenntnisse zu gewinnen. Konkrete Hilfestellung ist (es gibt Ausnahmen) nicht vorgesehen.
Wenn Dir Wissen und Erkenntnisse allein nicht helfen, dann gibt es alternativ die Verhaltenstherapie, die dir konkret dabei hilft Verhaltensweisen zu verändern.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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confidence
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 09:25

Pinguin Pit hat geschrieben: Fr., 08.01.2021, 02:37 Hi confidence,
das braucht Zeit.

Ich mache seit fast 4 Jahren analytische Therapie, habe jetzt noch 50 Stunden. Habe von mir aus in den letzten 1 1/2 Jahren regelmäßig mal alle 50 Stunden etwa eine Stunde genutzt, um Bilanz zu ziehen. Die größten Veränderungen haben sich im letzten halben Jahr ergeben, das ging Schlag auf Schlag[...]
Wie würdest du sagen, hat die Analyse dabei einen Anteil gehabt? Wie hast du es hinbekommen, die Erkenntnisse so umzusetzen, dass sich dadurch deine Gefühle so verändert haben, dass es dir besser geht?

Fairness hat geschrieben: Fr., 08.01.2021, 07:15 Hallo confidence,

vorerst möchte ich sagen[...]
Gute Anregungen. Also könnte es sein, dass eine Analyse nur darauf abzielt, dass man am Ende einfach lernt sich selber so zu akzeptieren und die Lebensumstände um einen rum, so dass diese nicht mehr dazu führen, dass man sich davon runter ziehen lässt?
Wie kann man das hin bekommen, wenn man ständig von Personen, mit denen man zwangsweise zu tun hat, einfach nicht klar kommt (Stichwort toxische Personen). Ausweichen wäre nur mit starken Abstrichen in den sonstigen Lebensbereichen verbunden. Davon abgesehen wird in der Psychologie so etwas als Flucht betitelt und das kann ja nur das letzte Mittel sein.

alatan hat geschrieben: Fr., 08.01.2021, 07:34 Wundert mich nicht, dass das nicht wirkt. Wurde auch schon längst wissenschaftlich, sowohl neurobiologisch als auch psychodynamisch begründet, warum das nicht funktionieren kann. Der Verstand ist eben nur ein winziger Baustein des Seelenlebens und macht nicht allzuviel her, wenn man tiefe und anhaltende Veränderung anstrebt
Wie erklärst du dann, dass Psychoanalyse schon vielen Menschen geholfen haben?

Auch an andere, vielleicht auch wer für sich eine Analyse als Erfolg beschreiben würde. Wie konntet ihr eure Probleme durch eine Analyse in den Griff bekommen?

Jenny Doe hat geschrieben: Fr., 08.01.2021, 08:26
confidence: Leider hilft mir das Wissen darüber nicht weiter, dass ich mich besser fühle oder mir damit geholfen ist.
Wenn man weiß, was nicht hilft, dann kann dieses Wissen dabei helfen zu formulieren, was genau man braucht, damit einem geholfen ist.
Du weißt jetzt, Wissen allein ist nicht hilfreich. Wissen allein bringt Dich nicht weiter.
Welche Hilfe brauchst Du konkret? Was wünschst Du dir in deiner Psychotherapie? Was ist Dein Therapieziel? Wobei soll Dir diese helfen? Welche Hilfestellung brauchst Du konkret?

Versuch konkret zu formulieren, was genau Du brauchst oder wende Dich damit an deinen Therapeuten oder ggfs. an einen Verhaltenstherapeuten, wenn Deine jetzige Therapie nicht das leisten kann, was Dein Therapieziel ist.
In einer analytischen Therapie geht es vorrangig darum, Erkenntnisse zu gewinnen. Konkrete Hilfestellung ist (es gibt Ausnahmen) nicht vorgesehen.
Wenn Dir Wissen und Erkenntnisse allein nicht helfen, dann gibt es alternativ die Verhaltenstherapie, die dir konkret dabei hilft Verhaltensweisen zu verändern.
Ich denke ich würde mir einfach mehr direkte Unterstützung wünschen. Einfach Strategien, wie man bestimmte Gedankenspiralen und Ängste kurz- aber vor allem auch langfristig in den Griff bekommt. Ich wurde auch früher schon tiefenpsychologisch behandelt (mehrere Jahre), von verschiedenen Therapeuten und mir wurde auch immer Mal wieder Analyse empfohlen, weil wir auch damals nicht so richtig meine Probleme hin bekommen haben (fühlte mich nur durch andere Lebensumstände kurzfristig besser). Dieses Mal habe ich dann halt Mal eine Analyse gewagt.
Um ehrlich zu sein, habe ich auch schon bei verschiedenen Verhaltenstherapeuten angefragt. Scheint zurzeit aussichtslos zu sein, einen Platz zu bekommen. Ich denke viele haben durch Corona psychische Probleme bekommen und deshalb gibt es im Moment keine Plätze für niemanden mehr, die frei sind (für mich hat Corona bei mir aber nichts schlimmer gemacht oder hat überhaupt etwas mit meinem Problem zu tun). Aus diesem Grund ist es zurzeit auch nicht möglich, mir was Neues zu suchen. Hätte auch etwas angst, komplett ohne Therapie da zu stehen, denn ganz ohne bekomme ich es einfach nicht hin, auch wenn ich hier zur Zeit keine Verbesserung wahrnehme.

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Pinguin Pit
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 11:35

@Kellerkind
Da hast Du mich falsch verstanden, ich schrieb, dass die "größten" Veränderungen in der letzten Zeit auftraten. In der der Zeit davor hat sich natürlich auch was bewegt, aber kaum merklich, deswegen immer wieder bilanziert, um zu schauen, was tut sich. Aber es dauert halt von der Erkenntnis bis zur Änderung.

Du hast doch schon mal Puzzle gelegt.
Stell Dir vor, Analyse ist wie ein 25.000 Teile Puzzle.
Viele Versuche, die Steinchen zusammenzulegen, am Anfang sieht man gar nichts, es ist mühsam und frustrierend, dann ergeben sich manchmal schon so kleine Bildausschnitte und dann werden aus den kleinen Auschnitten durch weitere verlinkende Steinchen grössere Abschnitte und irgendwann bekommt man eine Ahnung vom Gesamtbild und je weiter es vorangeht, desto schneller finden sich weitere passende Teilchen.

Und nein, das ist kein Glück oder die allgemeinen Lebensumstände oder der Lauf des Lebens oder Corona. Ich habe dafür hart gearbeitet, zusammen mit dem Analytiker.
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Fairness
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 12:14

confidence hat geschrieben: Fr., 08.01.2021, 09:25 Also könnte es sein, dass eine Analyse nur darauf abzielt, dass man am Ende einfach lernt sich selber so zu akzeptieren und die Lebensumstände um einen rum, so dass diese nicht mehr dazu führen, dass man sich davon runter ziehen lässt?
Das hängt von den Themen, Stärken und Schwächen ab, welche der Patient zum Beginn mitbringt und welche in der Analyse oder allgemein in einer Therapie verarbeitet werden... ich denke, es gehören die Veränderungen, die Handlungsfähigkeit zu stärken, für sich zu sorgen zu lernen, und dann auch Akzeptanz der Schwächen dorthin. Nur, die Antwort auf die Frage, was das bei konkretem Menschen genauer bedeutet, ist individuell.

Falls du einen weiteren Schritt in der Therapie gehen möchtest, sprich das bei deinem Therapeuten an... dass du gern mehr tun würdest, als zur Zeit, und dir dazu Unterstützung von ihm erhoffst. Denn, er wird nur dann die Möglichkeit haben, dir weiter zu helfen, wenn er weiß, was du als Nächstes brauchst.
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Anti Lope
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 12:48

Pinguin Pit hat geschrieben: Fr., 08.01.2021, 11:35
Stell Dir vor, Analyse ist wie ein 25.000 Teile Puzzle.
Viele Versuche, die Steinchen zusammenzulegen, am Anfang sieht man gar nichts, es ist mühsam und frustrierend, dann ergeben sich manchmal schon so kleine Bildausschnitte und dann werden aus den kleinen Auschnitten durch weitere verlinkende Steinchen grössere Abschnitte und irgendwann bekommt man eine Ahnung vom Gesamtbild und je weiter es vorangeht, desto schneller finden sich weitere passende Teilchen.

Und nein, das ist kein Glück oder die allgemeinen Lebensumstände oder der Lauf des Lebens oder Corona. Ich habe dafür hart gearbeitet, zusammen mit dem Analytiker.
Ein schöner Vergleich mit dem Puzzle. Mir geht es da ganz ähnlich. Ich nähere mich dem Ende meiner Analyse. Es gab viele verschiedene Phasen während der letzten 3 Jahre, auch immer wieder Zweifel und das Gefühl, ich komme nicht voran, ich bin zu blöd für Analyse usw. Es ist halt ein Prozess, da ändert sich nicht unbedingt von jetzt auf gleich etwas gravierendes.

Es braucht Geduld und Zeit um Dinge wirklich zu verinnerlichen. Rede mit deinem Therapeuten genau über diese Gefühle und Zweifel! Das kann sehr wichtig sein für deinen Prozess und dich weiterbringen.

Das Gedicht "Über die Geduld" von Rilke beschreibt für mich ganz gut diesen langsamen Prozess in meiner Analyse.

"Über die Geduld

Man muss den Dingen
die eigene, stille
ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt
und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann,
alles ist austragen – und
dann gebären…

Reifen wie der Baum,
der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,
ohne Angst,
dass dahinter kein Sommer
kommen könnte.

Er kommt doch!

Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind, als ob die Ewigkeit
vor ihnen läge,
so sorglos, still und weit…

Man muss Geduld haben

Mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.

Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antworten hinein."
"Wenn ich einen grünen Zweig im Herzen trage, wird sich der Singvogel darauf niederlassen."
chinesisches Sprichwort


Bilderbuch
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 16:03

Ich hatte jede Stunde der PA das Gefühl, dass ich weiter komme. Selbst dann wenn mein Zustand sich verschlechtert hat und zwar gravierend. Jedes Mal erzählte ich etwas mehr und mehr und das allein war schon der Fortschritt für mich; dass ich nicht allein mit dem Käse bin.
Ich habe immer vertraut, dass das zu dem Gesundungsprozess dazu gehört, dass Symptome sich verschlimmern.
Ich denke, es hängt alles von den Ansprüchen ab.
Nach 4 Jahren sah ich erst deutlich, dass ich eine andere Person bin. Davor war eigentlich nur Themen abarbeiten und Geduld haben für mich wichtig.
Wenn du das Gefühl hast die Zeit zu vergeuden, dann verstehe ich nicht, warum man sich das dann antut.
Noch etwas; Anregungen kamen durch neue Erkenntnisse von mir selbst, in 5 Jahren habe ich kaum welche von der Therapeutin erhalten.
Zuletzt geändert von Bilderbuch am Fr., 08.01.2021, 16:17, insgesamt 1-mal geändert.

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chrysokoll
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 16:10

es ist sicher eine ganz individuelle Sache, hängt von einem selber ab, der Diagnose, der Lebensphase und auch vom Therapeuten / Analytiker.
Aber: Ich bin aufgrund eigener Erfahrungen kein Fan mehr von Analyse.
Da hab ich zu viel Zeit, zu viele Stunde, zu viele Jahre und auch zu viel Geld (teils als Selbstzahlerin) vergeudet für wenig. Für viel zu wenig Ergebnis.
Und das bei einem Analytiker der warmherzig und für seine Zunft echt gesprächig war, der über den Tellerrand blickte, auch Dinge ermöglichte die eigentlich nicht in einer Analyse statt finden, mir aber therapeutisch gut taten.
Also mal was aufmalen, den ganzen Raum nutzen, solche Dinge.

Aber ich kam nur quälend langsam und wenig voran.
Und ich hatte genau das hier beschriebene Gefühl auch immer.

Nun, in einer passenden Therapie, Verhaltenstherapie, merke ich was möglich ist, was schnell möglich ist.

Ich kann da - sicherlich voreingenommen - nur raten: Auf das Gefühl hören
Nicht ewig Zeit und Stunden vertrödeln für nix.

Aber zuerst würde ich natürlich auch immer mit dem Therapeuten reden, das klären, also es versuchen.


Bilderbuch
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 16:23

Du fragtest, wie wir durch PA die Probleme in den Griff bekamen..
Ich durch Reden, Zuhören, Reflektieren, Halt, Vertrauen, richtige Medikamente und mein Umfeld, das mich unterstützt. Und vor allen den ernsthaften Willen gesund zu werden und dafür schwierige Schritte zu machen.
Ohne unterstützendes Umfeld und glückliche Umstände, hätte die PA ggf. wenig Erfolg bei mir gehabt.

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Philosophia
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Beitrag Fr., 08.01.2021, 17:07

Also, wenn die Analyse nur durch Aufdecken alter Dinge gekennzeichnet ist, ist das für mich nur eine halbe Sache, die da veranstaltet wird. Da hätte sich bei mir auch nix getan! Meine Analyse war für mich deswegen wertvoll, weil wir die Dinge aufgedeckt haben und gleichzeitig im Hier und Jetzt in den Analysestunden aktiv daran gearbeitet haben - das heißt, ich habe in der Analyse selbst mein Verhalten geändert, weil ich merkte, dass ich meine alten Verhaltensmuster bei der Analytikerin nicht mehr brauchte, und verspürte den tiefen Wunsch, sie abzulegen und Neues mit ihr auszuprobieren. In der Analyse sollte es zuvörderst auch um die analytische Beziehung gehen, denn anhand dieser Arbeitsbeziehung kann eben Neues erarbeitet werden - da stellt sich jemand quasi zur Verfügung. Das geht aber nur, wenn die Beziehung stimmt und wenn eben auch mit den aktuellen Gefühlen, die in ebendieser Beziehung auftauchen gearbeitet wird. Dann kommt es zu sogenannten Now-Moments, in denen sich innerlich etwas verändert. Und das kann dann auf die Beziehungen draußen angewendet werden.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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Beitrag Fr., 08.01.2021, 17:49

Fairness hat geschrieben: Fr., 08.01.2021, 12:14
confidence hat geschrieben: Fr., 08.01.2021, 09:25 Also könnte es sein, dass eine Analyse nur darauf abzielt, dass man am Ende einfach lernt sich selber so zu akzeptieren und die Lebensumstände um einen rum, so dass diese nicht mehr dazu führen, dass man sich davon runter ziehen lässt?
Das hängt von den Themen, Stärken und Schwächen ab, welche der Patient zum Beginn mitbringt und welche in der Analyse oder allgemein in einer Therapie verarbeitet werden... ich denke, es gehören die Veränderungen, die Handlungsfähigkeit zu stärken, für sich zu sorgen zu lernen, und dann auch Akzeptanz der Schwächen dorthin. Nur, die Antwort auf die Frage, was das bei konkretem Menschen genauer bedeutet, ist individuell.

Falls du einen weiteren Schritt in der Therapie gehen möchtest, sprich das bei deinem Therapeuten an... dass du gern mehr tun würdest, als zur Zeit, und dir dazu Unterstützung von ihm erhoffst. Denn, er wird nur dann die Möglichkeit haben, dir weiter zu helfen, wenn er weiß, was du als Nächstes brauchst.
Klar, bin ja schon immer sehr offen mit meinem Therapeuten im Gespräch. Das klappt auch gut, aber ihm sind halt durch die Analyse die Hände gebunden, wie er sagt. Er sagt auch Mal Ideen und Erkenntnisse über mich, die er selber hat, aber er macht halt keine Verhaltenstherapie wo er mir konkrete Schritte geben kann, wie man an's Ziel kommt oder was es für Bewältigungsstrategien gibt.

Bilderbuch hat geschrieben: Fr., 08.01.2021, 16:03 Ich hatte jede Stunde der PA das Gefühl, dass ich weiter komme. Selbst dann wenn mein Zustand sich verschlechtert hat und zwar gravierend. Jedes Mal erzählte ich etwas mehr und mehr und das allein war schon der Fortschritt für mich; dass ich nicht allein mit dem Käse bin.
Ich habe immer vertraut, dass das zu dem Gesundungsprozess dazu gehört, dass Symptome sich verschlimmern.
Ich denke, es hängt alles von den Ansprüchen ab.
Nach 4 Jahren sah ich erst deutlich, dass ich eine andere Person bin. Davor war eigentlich nur Themen abarbeiten und Geduld haben für mich wichtig.
Wenn du das Gefühl hast die Zeit zu vergeuden, dann verstehe ich nicht, warum man sich das dann antut.
Noch etwas; Anregungen kamen durch neue Erkenntnisse von mir selbst, in 5 Jahren habe ich kaum welche von der Therapeutin erhalten.
Bilderbuch hat geschrieben: Fr., 08.01.2021, 16:23 Du fragtest, wie wir durch PA die Probleme in den Griff bekamen..
Ich durch Reden, Zuhören, Reflektieren, Halt, Vertrauen, richtige Medikamente und mein Umfeld, das mich unterstützt. Und vor allen den ernsthaften Willen gesund zu werden und dafür schwierige Schritte zu machen.
Ohne unterstützendes Umfeld und glückliche Umstände, hätte die PA ggf. wenig Erfolg bei mir gehabt.
Ich hatte bisher nicht das Gefühl, dass ich keine Geduld mehr habe. In der letzten Sitzung ist mir aber innerhalb dieser, im Gespräch, aufgefallen, dass ich mich eigentlich immer noch sehr schlecht fühle, trotz dessen, dass ich einige Erkenntnisse habe, wie etwas zusammenhängt. Darüber hatte ich vorher noch nicht so richtig nachgedacht. Natürlich habe ich schon gemerkt, dass es mir nicht gut geht, aber letztendlich ist der Groschen erst letzte Stunde gefallen, dass es mir nicht wirklich weiter hilft, bisher. Habe das auch direkt angesprochen, aber die Zeit war dann zu knappt. Werde das sicherlich noch weiter führen. Ich hoffe mein Therapeut ist da offen für und verteidigt nicht nur blind seine Analyse.

Hmm Medikamente haben aber, für mich, nicht viel mit einer Analyse zu tun oder meinst du das einfach, zusätzlich zur Analyse?

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