Falsche Rolle in der Gruppentherapie

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Falsche Rolle in der Gruppentherapie

Beitrag Mi., 23.09.2020, 07:51

Kurz zu meiner Vorgeschichte.

Ich bin schon relativ lange in Therapie. Vor zwei Jahren war ich in einer psychosomatischen Klinik in der sehr viel Wert auf Gruppentherapien gelegt wurden. Danach war ich wieder in ambulanter Einzeltherapie. Nachdem das Stundenkontingent nun aufgebraucht war, hatte mir meine Therapeutin angeboten an ihrer Gruppentherapie teilzunehmen.

Bisher fanden nur 4 Stunden statt, aber ich fühle mich immer mehr in eine Rolle gedrängt, die mir nicht zusteht.

Es kommt sehr oft vor, dass eine der beiden Gruppenleiterinnen und ich gleichzeitig auf einen Beitrag eines Gruppenmitglieds antworten wollen. "Meine" Therapeutin hat mir in solchen Situationen von Anfang an "das Feld überlassen" in der letzten Stunde hat sich auch die zweite Therapeutin zurückgezogen. Das ging so weit, dass ich am Ende das Gefühl hatte, in die Rolle einer Psychotherapeutin geschlüpft zu sein. Die anderen Gruppenmitglieder schienen damit kein Problem zu haben, aber ich kam mir richtig unwohl dabei vor. Ich fühlte mich in eine Rolle gedrängt, die mir nicht zusteht, und kam mir vor wie ein Hochstapler.

Jetzt ist es so, dass ich aufgrund meines Berufs (Arbeit mit straffälligen Jugendlichen) tatsächlich schon oft quasi-psychotherapeutisch tätig war und es mein heimlicher Wunsch gewesen wäre, Psychotherapeutin zu sein. Meine Therapeutin kennt diesen Traum (auch wenn sie nie etwas dazu gesagt hat, ob sie die Idee gut findet oder nicht.) Im Grunde gefällt mir diese neue Rolle durchaus, aber in diesem Rahmen passt es einfach nicht.

Jetzt weiß ich nicht, ob ich das in der Gruppe zur Sprache bringen soll, oder ob es vielleicht besser wäre, ein "privates" Gespräch mit meiner Therapeutin zu suchen.

Irgendwelche Ideen?
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lisbeth
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Beitrag Mi., 23.09.2020, 08:22

Was hindert dich daran, einfach mal nichts zu sagen und abzuwarten, was dann passiert? Und zu schauen wie sich das anfühlt? Niemand "drängt" dich dazu, Beiträge zu leisten, das bist du selbst.

Wenn ansprechen, dann in der Gruppe. Kann aber gut sein, dass die anderen Teilnehmer da eine komplett andere Perspektive drauf haben. Aber genau darum gehts ja in der Gruppe....

Vielleicht herrscht bei den anderen das Gefühl vor, du "lässt" sie gar nicht zu Wort kommen? Oder für die ist das sehr bequem, denn du hast die "Arbeit" vermutlich ja schon erledigt bevor die überhaupt Luft geholt haben...

Könnte auf alle Fälle erhellend sein, für alle Seiten.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott


Waldschratin
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Beitrag Mi., 23.09.2020, 09:14

War mein erster Gedanke auch : Wenn du den Impuls hast zu antworten, grade dann erstmal schweigen und bei dir selber bleiben und gucken, was das auslöst in dir und wie es dir dann geht.

Ich kenns ein bissl von mir her, dass mir immer schnell was "Machbares" einfällt. Gewünscht wird das aber nicht immer gleich, den meisten Leuten gehts erstmal eher drum, angehört, wahrgenommen zu werden. (Mir selber ja auch ;-) )
Ich versuch also erstmal, ganz achtsam und innerlich wirklich offen dem Anderen zuzuhören, ihm "Raum" zu geben in mir.
Schnell antworten und das noch im "therapeutischen" Sinn kann auch viel mit eigenem Schutz zu tun haben. Man lässt sein Gegenüber dann sozusagen wegen "Überfüllung" in sich selber "draußen vor der Türe" stehen, anstatt sich klarzumachen, dass man grade gar nicht offen da sein kann/will für denjenigen. Das ist aber jetzt nur so ein Gedanke am Rande dazu von mir.

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Shukria
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Beitrag Mi., 23.09.2020, 13:08

Mir kam auch sofort der Gedanke, daß ja niemand dich zwinge was zu sagen. Du nimmst diese Rolle.

Ich kenn das auch von mir das ich in Gruppen schneller bin als andere und denen aber dadurch Raum nehme.
Gerade wenn du mit Jugendlichen arbeitest erkennst du vieles schneller aber du bist durch viele Reflexionsprozesse halt schon durch.

Vielleicht fragst du dich ja auch, okay, wenn ich vieles schon erkenne, was mache ich dann in der Gruppe?
Meine Erfahrung, wenn ich mich zurücknehme und den anderen Raum lasse trauen die sich irgendwann auch ihre Sichtweise auszusprechen und da sind immer interessante Ansichten bei die mich weiterbringen.

Du könntest aber grundsätzlich in der Gruppe zur Sprache bringen das du viel einbringt und die anderen nicht so und die Fragen was ihre Sicht ist, woran das liegt.

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Hardworking Fool
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Beitrag Mi., 23.09.2020, 13:22

Vielen Dank für Eure Antworten. So schnell hätte ich gar keine Reaktion erwartet.

Das ich zu viel reden würde, hat mir eigentlich noch nie jemand vorgeworfen, eher das Gegenteil, "Jetzt sagen Sie doch endlich mal was!" aber vielleicht habt Ihr Recht.

Was sehr auffällig ist - und was ich so extrem noch nie erlebt habe - in dieser Gruppe ist es so, dass sich alle ständig entschuldigen, wenn sie mal etwas erzählt haben. Ständig heißt es, "Jetzt habe ich schon wieder so viel Raum eingenommen. Eigentlich hätte doch XY mal etwas sagen sollen. Tut mir schrecklich leid."

Vielleicht liegt es daran, dass die Gruppe noch sehr neu ist. Am besten ich warte wirklich erstmal ab.

Liebe Grüße

Fool
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Fairness
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Beitrag Mi., 23.09.2020, 13:37

Liebe Fool,

Hardworking Fool hat geschrieben: Mi., 23.09.2020, 13:22 Das ich zu viel reden würde, hat mir eigentlich noch nie jemand vorgeworfen, eher das Gegenteil, "Jetzt sagen Sie doch endlich mal was!" aber vielleicht habt Ihr Recht.
möglicherweise geben dir die Therapeutinnen auch deswegen so viel Raum. Wie ich das basiert auf deiner Aussage verstehe, war der Punkt bei dir, zu lernen, deine Meinung zu formulieren und äußern... In dem Fall könnte dieses (Schuld-)Gefühl des Unpassenden, dass du dich wie in der Therapeutinrolle erlebst, für dich eine getarnte Möglichkeit sein, wieder in die schweigende Komfortzone zu rutschen. Ich meine, das ist normal, dass du dich wohlfühlen möchtest. Und, Respekt, dass du nun mehr sprichst.

Deine Therapeutinnen und auch Mitpatienten tragen Verantwortung für sich selbst. Wenn es ihnen zu viel sein sollte, oder deine Beiträge sie stören sollten, liegt es auch in ihren Händen, etwas zu sagen, in der Gruppe auszuhandeln...

Viele Grüße.
Sometimes your heart needs more time to accept what your mind already knows.

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Hardworking Fool
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Beitrag Mi., 23.09.2020, 13:56

Danke, Fairness!

Das klingt überzeugend. In den früheren Gruppentherapien sah ich mich immer eher in der Beobachterrolle und es ist mir wirklich sehr schwer gefallen, überhaupt etwas zu sagen. Und wenn ich ehrlich bin, am liebsten würde ich mir wahrscheinlich immer noch eine Schüssel Popcorn holen und einfach nur zuhören.

;-)
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Bluemoon123
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Beitrag Mi., 23.09.2020, 13:57

Hardworking Fool hat geschrieben: Mi., 23.09.2020, 13:22 Das ich zu viel reden würde, hat mir eigentlich noch nie jemand vorgeworfen, eher das Gegenteil, "Jetzt sagen Sie doch endlich mal was!" aber vielleicht habt Ihr Recht.
Ob Du generell zu viel oder zu wenig redest, dass kann hier natürlich keiner beurteilen. Ich gehe davon aus, der Eindruck des "zu viel redens" war eher darauf bezogen, dass Du im Eingangsposting nur die eine Situation schilderst, dass Du gleichzeitig mit den Therapeutinnen eine Antwort geben willst und Dir dann der Raum gelassen wird. Wenn Dir auf der anderen Seite eher gespiegelt wird, dass Du zu wenig redest (also "Sagen Sie doch auch mal was") entsteht bei mir der Eindruck, dass Du in der Gruppe vielleicht viel mehr bei den anderen bist als bei Dir. Also Dir fällt zwar immer etwas zu dem ein, was die anderen sagen, aber Du gibst vielleicht gar nicht so viel von Dir selbst Preis.

Ich hab mich nach dem Lesen des Eingangspostings auch sofort gefragt, wer drängt Dich eigentlich in die Rolle, die Du als für Dich unangemessen empfindest? So wie Du es schilderst, bist Du diejenige, die sich in die Rolle gebracht hat, indem Du halt immer eine Antwort/Lösung oder sonst was parat hast. Und so kann man natürlich wunderbar, von sich ablenken, wenn man selbst "die Expertin" gibt, die für immer gleich alles eine Antwort hat. Wenn Dir diese Rolle nicht gefällt, dann liegt es an Dir, Dich eben mal bei den Problemen oder Fragen der Anderen zurück zu halten, auch wenn Du etwas entgegnen könntest. Das heißt aber nicht, dass Du nix mehr sagen sollst. Sondern nur, dass Deine Beiträge eben von Dir handeln sollten und nicht eine Antwort auf die Anderen sein müssen. Und wenn Dir das jetzt am Anfang der Gruppe schon selbst so aufgefallen ist, so dass Du das hier reflektierst, hast Du doch schon einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Jetzt kannst Du daran arbeiten, Deine Rolle in der Gruppe aktiv zu ändern. Das ist ein sehr guter Lernprozess, für den ja so eine Gruppentherapie da ist.


Waldschratin
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Beitrag Mi., 23.09.2020, 14:22

Ich hab aus deinem Eingangspost auch eher rausgelesen, dass du keine großen Probleme damit hast, in der Gruppe zu reden.
Vielleicht meinen die Leute mit dieser Rückmeldung, du redest "zu wenig" ja auch mehr den "Inhalt" dessen, was du sagst. Dass "zu wenig über dich als Person" gemeint war.
Aber gut, reine Mutmaßung nach ein paar wenigen Zeilen von dir, also entschuldige, wenns gruselig danebenliegt.

Aber jetzt mal ganz abgesehen von dem, was andere dir da rückmelden, fühlst du dich ja momentan selber nicht mehr wohl in dieser vermeintlichen Rolle als.
Hast du da schon mal genauer drüber reflektiert, was ganz konkret es ist, das dich dran stört?
Denn an sich ist es ja ein Herzenswunsch von dir, therapeutisch arbeiten zu "dürfen".

Jetzt bist du dort in dieser Gruppe aber als Klient, da ergibt sich schon mal der erste Grund, warum es sich nicht stimmig anfühlt für dich .
Dann kann es ja auch mit den anderen Klienten zusammenhängen : Wenn die so durch die Bank sich mit Ängsten rumschlagen, Raum einzunehmen (und den Auswirkungen auf sich, wenn sie es dann doch mal tun), kann alleine das ja schon mal bei dir selber auch einiges auslösen, wo du dich als "Wegnehmer" erlebst vielleicht, Schuldgefühle mitschwingen oder oder oder.

Tatsache ist wohl auch, dass du nicht in diese Rolle gedrängt wirst, sondern man dir "Raum lässt" zur Zeit dafür. Und du erstmal in die Rolle gegangen bist, von dir aus.
Und da find ichs interessant, mal nach deinen Gründen dafür zu gucken : Einfach, weil es ne gute Gelegenheit ist, dich da mal auszulassen und auszuprobieren? Warum nicht, macht dir ja Spaß und gibt dir also auch was Gutes.

Oder doch eher als "Ersatz" für was anderes, das du dir vielleicht selber noch gar nicht eingestehen traust?

Oder "versteckst" du als Person dich eher in ner "Rolle"?
Oder oder oder.
Sind nur meine Gedanken dazu, wie gesagt, ich kenn dich viel zu wenig, um da was Bestimmtes zu meinen, nix für ungut.

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Sadako
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Beitrag Mi., 23.09.2020, 17:54

Ich kenne das gut von mir aus Gruppentherapien. Für mich war es ein Schutzmechanismus. Ich habe mich dadurch weniger angreifbar gefühlt. Die Konsequenz war, dass ich mich selbst in diese Cotherapeutenrolle festgenagelt habe und nicht mehr als Patientin da war.
Bei mir kommt das Wichtige erst heraus, wenn ich aufhöre, das Richtige zu sagen.

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Candykills
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Beitrag Mi., 23.09.2020, 18:18

Ich sehe das auch eher so, dass du dir die Rolle "einfach" aneignest und nicht, dass sie dir zugewiesen wird. Deswegen würde ich bei dir selbst schauen, warum du das brauchst und nicht auf die Anderen schieben.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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Hardworking Fool
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Beitrag Mi., 23.09.2020, 18:49

Nochmal herzlichen Dank an alle. So viele Denkanstöße in so kurzer Zeit, das hatte ich ehrlich nicht erwartet.
Da war auch ganz viel dabei, wo ich mir denke. Jupp! Genau so ist es. Vor allem das mit dem "Wegnehmer." Ich habe allmählich auch schon fast ein schlechtes Gewissen, wenn ich mal was von mir erzähle - vor allem wenn ich mich dafür nicht auch entschuldige.

Vielleicht ist es ja auch eine Art Berufskrankheit, diese "Sucht" Verantwortung für andere zu übernehmen. ???

Was auch eine Rolle spielen mag, außer mir haben fast alle gegenwärtig das gleiche Problem: Sie sind mit ihrem erlernten Beruf unglücklich und wollen / müssen ihn aufgeben. Drei von ihnen haben mittlerweile gekündigt, ohne eine berufliche Perspektive zu haben. Zwei sind gerade noch in der Ausbildung, bzw. gerade fertig und haben gemerkt, dass ihnen diese Arbeit nicht liegt.
Das ist nun leider ein Thema für das ich eine echte Expertin bin. Ich musste mich auch mehrfach beruflich komplett neu orientieren,
war unzählige Male arbeitslos usw. Da ist es mitunter wirklich schwer nicht den Hammer herauszuholen und Ratschläge zu verteilen.

Im Grunde wäre mir am liebsten ich hätte von all dem keine Ahnung und könnte mich auf meine eigenen Probleme konzentrieren - aber das ist ja auch nicht Sinn einer Gruppentherapie, oder?

Ich danke auch auf jeden Fall für eure gut durchdachten Worte. Ich bin froh, dass ich das Thema hier angesprochen habe.
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lisbeth
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Beitrag Mi., 23.09.2020, 20:18

Hardworking Fool hat geschrieben: Mi., 23.09.2020, 13:22 Das ich zu viel reden würde, hat mir eigentlich noch nie jemand vorgeworfen, eher das Gegenteil, "Jetzt sagen Sie doch endlich mal was!" aber vielleicht habt Ihr Recht.
Kam das von der Therapeutin? Hast du das als "Auftrag" an dich verstanden?
Kann es sein, dass du da ihr gegenüber in einer "Kind"-Rolle bist und dich beweisen musst/willst? Also zeigen, wie toll/kompetent/verantwortungsvoll du bist? Und es ihr "Recht" machen willst/musst? Was (falls das überhaupt zutrifft) wahrscheinlich dann auch eher ein Muster von früher ist, mit dem du dich jetzt an ihr abarbeitest...

Und, was vielleicht auch nicht zu unterschätzen ist: Du warst vorher bei ihr in Einzeltherapie, hattest sie also "alleine" für dich. Jetzt musst du sie mit der Gruppe "teilen"... Ich hab die Erfahrung gemacht in einer ähnlichen Konstellation (also von Einzeltherapie in eine Gruppe bei derselben Therapeutin), dass mich das innerlich ziemlich ins Rotieren gebracht hat. Ich "wollte" ihre Aufmerksamkeit, ungeteilt, und um jeden Preis... war nicht angenehm. Kann sowas in der Art auch eine Rolle spielen? Also dass deine Beiträge auch eine Art Wunsch nach Aufmerksamkeit und beachtet werden ist?
Hardworking Fool hat geschrieben: Mi., 23.09.2020, 18:49 Im Grunde wäre mir am liebsten ich hätte von all dem keine Ahnung und könnte mich auf meine eigenen Probleme konzentrieren - aber das ist ja auch nicht Sinn einer Gruppentherapie, oder?
Wieso solltest du dich nicht auf deine eigenen Probleme konzentrieren dürfen? Genau das ist (auch) der Sinn einer Gruppe. Zwar miteinander und aneinander lernen, auch im Beziehungsgefüge, aber trotzdem auch lernen, bei sich selbst zu bleiben.

Du musst nicht der "Problemlösebär" für die anderen sein, das ist dein Auftrag an dich selbst, weshalb auch immer. Und ja, mir gehts da wie Waldschratin: Es geht nicht immer um die konkreten Lösungen. Es geht oft auch darum, dass irgendwas Unangenehmes und nicht so Schönes überhaupt da sein darf, Raum bekommen darf. Und darin in Kontakt zu kommen, mit sich und den anderen. Zu lernen, dass man nicht alleine ist mit seinen Problemen und Stolpereien. Und das erfahre ich eher, wenn andere mir erzählen: Ich kenn das auch. Und ich erfahre das weniger, wenn mir (gutgemeinte) Ratschläge vorgesetzt werden, das ist für mich eher Aktionismus.

Und wie andere schon vor mir, würde ich dir auch die Frage in den Raum werfen, was dir der "Aktionismus" bringt? Was du damit vielleicht überdeckst? Welchen unangenehmen Gefühlen wie Hilflosigkeit oder Verwirrung oder Ambivalenz du damit aus dem Weg gehst? Und vielleicht geht es eher darum, auch mit diesen Aspekten einen Umgang zu lernen?

Was mir noch auffällt: Schon mit dem Titel für diesen Thread machst du ja eine Festlegung, bzw. du fühlst dich festgelegt. Beziehungsgeschehen, auch bzw. gerade in so einer Gruppe, ist aber dynamisch und verändert sich ständig. Und eigentlich "erfinden" sich alle ständig, immer wieder neu, und das wird dann im Miteinander sichtbar und spürbar. Vielleicht wäre es auch eine Idee zu versuchen, dass für dich selbst etwas dynamischer zu begreifen und als Prozess, und nicht so statisch und als Festlegung? Damit können sich auch neue (Spiel-)Räume eröffnen.

Viele Grüße, l.
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― Anne Lamott

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Shukria
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Beitrag Do., 24.09.2020, 07:08

Das fiel mir beim ersten Lesen Deines Posts gar nicht so auf.

Du schreibst ja das dein stundenkontigent für einzelstunden aufgebraucht war und dir deshalb die Therapeutin anbot bei ihr in der Gruppe bleiben zu können.

Willst du das denn auch selbst? Also wirklich Gruppe statt Einzel und auch "Deine" Therapeutin und die 1:1 Beziehung mit ihr jetzt mit den anderen Gruppenmitgliedern teilen?

Ich stell mir das von emotionalen her schwierig vor. Mir wurde das auch von meiner Therapeutin angeboten bei ihr nach 2Jahren Einzel in Gruppe zu gehen. war für mich nicht vorstellbar. Mir war klar ich möchte sie und ihre Aufmerksamkeit grad nicht teilen. Wenn Gruppe dann wo anders. Hab mir später eine Gruppe ohne sie als Therapeutin gesucht.

Wie sortiert du dich da emotional?

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Hardworking Fool
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Beitrag Do., 24.09.2020, 07:57

Hallo Shukria!

Bei mir war es so, dass das Stundenkontingent schon längst bis zum geht nicht mehr ausgereizt war. Nach Beendigung der Therapie ging es mir eigentlich (!!!) ganz gut, aber dann kam ein ziemlicher Schlag - gerade als ich beruflich wieder durchstarten wollte wurde ich zwangsweise in den Ruhestand versetzt und fiel wieder in ein ganz tiefes Loch. Wäre ich "nur" arbeitslos gewesen, hätte ich ja wenigstens noch die Perspektive gehabt irgendwann wieder einen Job zu finden. So hieß es, ich könne nicht mal 20 Stunden / Woche leichte Hilfsarbeiten (z.B. Ablage in der Verwaltung) leisten und sei grundsätzlich und dauerhaft dienstunfähig.
Da stand wieder die Frage Klinik im Raum, deshalb hat die Krankenkasse mir doch noch mal 20 Stunden über der Regelverordnung bewilligte. In dieser Zeit gelang es mir ein ziemlich sicheres soziales Netz zu knüpfen. Ich war ehrenamtlich tätig, was mir unheimlich wichtig war. Meine Therapeutin hatte ich da längere Zeit nur noch 1 x im Monat gesehen, bis Ende Dezember, dann haben wir die Therapie beendet. Und das war auch gut so.

Bis Mitte März ging es mir supi. Dann kam Corona, sämtliche Aktivitäten mussten eingestellt werden. Anfangs kam ich auch damit gut zurecht, allerdings merkte ich schnell, dass mir der Ausgleich fehlte, Nun saß ich nur noch den ganzen Tag zu Hause mit meinem behinderten Sohn - der immer unerträglicher wurde, da er sich eingesperrt fühlte.
Nicht falsch verstehen. Ich liebe ihn über alles. Aber es tut keinem von uns gut, wenn wir ständig aufeinander hocken.
Trotzdem hatte ich eigentlich (!!!) den Eindruck, ganz gut durch die Krise zu kommen - bis eines Tages meine Therapeutin anrief. Es ging um eine (organisatorische) Kleinigkeit, aber als sie mich fragte wie es mir ginge, in dem Fall eigentlich wirklich nur eine Höflichkeitsfloskel, da bin ich zusammengebrochen. Ich, die seit Jahren nicht eine einzige Träne vergossen hatte, heulte plötzlich wie ein Schlosshund und konnte gar nicht mehr aufhören. Deshalb hatte sie mir wieder ein paar Termine angeboten.

Langer Rede, kurzer Sinn. Im Grunde war ich mir mit meiner Therapeutin einig darüber, dass eine Fortführung der Einzeltherapie weder wünschenswert noch sinnvoll sei. Die Gruppe schien eine gute Alternative zu sein, da ich ganz offensichtlich doch nicht so stabil bin wie ich glaubte. :-(

Ich habe mich in den bisherigen Sitzungen sehr viel stärker auf die andere Therapeutin und natürlich die Gruppenmitglieder konzentriert, gerade weil ich "meine" Thera und ihre Reaktionen schon sehr gut kenne. Die anderen sind einfach interessanter im Moment. ^^Deshalb glaube ich eigentlich nicht, dass unsere frühere Beziehung das Problem ist.
Es scheint merkwürdigerweise auch so zu sein, dass alle Gruppenmitglieder bereits Einzeltherapien bei einer der beiden Therapeutinnen gemacht haben oder aktuell machen.

Oje, jetzt habe ich schon wieder furchtbar viel geschrieben. Reden tue ich wirklich wenig, aber wenn ich mich quasi nur mit meinem Computer und der Tastatur unterhalte, dann könnte ich stundenlang so weiter machen.
Ein herzliches Dank an alle, die durchgehalten haben und bis zum Ende durchgelesen haben. :hallo:
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