Verstehe meinen Therapeuten nicht

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Drachenherz
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Verstehe meinen Therapeuten nicht

Beitrag Sa., 04.04.2020, 16:02

Hallo zusammen,

ich bin neu hier und mich würde mal eure Meinung interessieren.

Ich bin seit ca. 10 Monaten in Therapie wegen Depressionen, Aggressionen und weil mein Verhalten allgemein nicht normal ist. Ich wohne in einer ländlichen Region und war daher froh, dass ich einen Therapeuten gefunden habe, mit dem ich auch gut zurechtkam.

Nach einiger Zeit fiel mir auf, dass mein Therapeut nicht wirklich gut mit administrativen Dingen ist. Er hat mir immer einen blanko Antrag gegeben, den ich unterschreiben musste und es gab auch nie Therapieziele oder eine Diagnose oder irgendeine Vereinbarung. Ich fand es zuerst nicht so schlimm, da ich grundsätzlich gut mit ihm zurecht kam.

Mit der Zeit wurden die Themen schwieriger und ich auch und eines Tages nach ca. sechs Monaten, eröffnete mir mein Therapeut dass er nicht mehr mit mir arbeiten könnte. Ich war sehr enttäuscht, traurig und wütend und habe ihn mehrmals gefragt, was denn konkret der Grund sei, aber er konnte mir nie eine richtige Antwort darauf geben. Da es wie gesagt auf dem Land schwierig ist eine Therapie zu finden, gab er mir ab und zu noch reine Gesprächstermine. Auch bei den Gesprächsterminen habe ich natürlich über schwierige Sachen gesprochen und eines Tages sagte er mir dann, dass er mir nun auch keine Gesprächstermine mehr geben könnte. Wieder habe ich keinen Grund erfahren und fühlte mich zum zweiten Mal „verlassen“.

Dann im Januar diesen Jahres sagte er mir aus heiterem Himmel ich könnte die Therapie bei ihm fortfahren. Obwohl ich skeptisch und auch eigentlich immer noch sauer war habe ich es trotzdem angenommen und bin nun wieder in Therapie bei ihm. Ich merke aber dass diese Zeit immer noch zwischen uns steht und dass ich ihm nicht mehr so ganz vertraue. Auch habe ich Angst, schwierige Sachen wieder anzusprechen weil mir sofort in den Kopf kommt, dass er mich auch ein drittes Mal fallen lassen wird. Auch stört mich, dass er diese admin Sachen nicht richtig macht. Er sagt mir nichts über den Verlauf, ich habe immer noch keine Diagnose etc.

Ich denke nun darüber nach ob ich nicht die Therapie beenden sollte, weil ich sein Verhalten nicht wirklich professionell finde, obwohl er persönlich sehr nett ist.

Versteht ihr was ich meine? Was würdet ihr tun? Ansprechen geht nicht, weil er wirklich nicht antwortet. Ich frage mich, warum er überhaupt wollte, dass ich wieder bei ihm anfange.

Drachenherz

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alatan
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Beitrag Sa., 04.04.2020, 17:32

Ja, das hört sich nicht nur ganz unprofessionell an. Sondern auch unausgebildet oder möglicherweise hat dieser Therapeut massive eigene Probleme. Abbrechen um nicht Schaden zu nehmen, ist die beste Option.


GuterGeist2019
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Beitrag So., 05.04.2020, 08:04

Hallo Drachenherz,

auch für mich klingt es unprofessionell und ich kann gut verstehen, dass dein Vertrauen nicht mehr so da ist. Wie sollst du dich richtig öffnen können, wenn immer die (begründete!) Angst da ist, er könnte die Therapie wieder beenden!?

Ich weiß aus eigener Erfahrung: Nett allein reicht nicht. Und solche Blanko-Geschichten kenne ich auch, sehr vertrauenerweckend ist das nicht. Vielleicht steckt da auch etwas "dubiose Abrechnungspraxis" dahinter?

Wenn du von Gesprächsterminen schreibst, dann nehme ich an, dass es sich um einen ärztlichen Therapeuten handelt, der dazwischen noch solche "Gesprächsinterventionen" abrechnen kann, oder?

Es klingt für mich irgendwie nicht nach sauberer Abrechnung, eher nach einem "Zusatzbonbon" an Gesprächshonorar. Kann aber auch sein, dass ich da durch meine Erfahrungen so geprägt bin, wo sich erst später herausgestellt hat, was da noch so alles abgerechnet wurde.

Jedenfalls würde ich den Therapeuten wechseln, wenn es wirklich so sein sollte, dass Ansprechen schon mehrmals vergeblich war. Für mich ist es kein Zeichen von Respekt, den Patienten zuerst hängenzulassen, dann wieder Therapie anzubieten - und das alles ohne schlüssige Erklärung trotz deiner Nachfragen.

Was mich noch interessieren würde: Gab es zwischen "Gesprächen" und "Therapiestunden" überhaupt einen Unterschied? Bei mir gab es damals keinen, allerdings war dann hinterher klar, dass es nur ein "Abrechnungsschlupfloch" für ärztliche Therapeuten war, weil Therapieanträge zu spät oder gar nicht gestellt wurden. Eben dieses Problem mit den administrativen Dingen...

Ich hoffe, du triffst für dich die richtige Entscheidung!

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Drachenherz
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Beitrag So., 05.04.2020, 08:44

Hallo GuterGeist2019,

Danke für deine Antwort. Tatsächlich gab es keinen Unterschied zwischen Therapie und den Gesprächsterminen. Er ist Psychologe und scheint auch sonst gut ausgebucht sein. Ich hatte das Gefühl, dass er mir dann Gesprächstermine gab, wenn jemand anderes abgesagt hatte, denn die Termine waren sehr kurzfristig.

Diese Admin Sachen haben mich zuerst nicht gestört, aber jetzt schon, da ich mich nicht gut informiert und einbezogen in meine Therapie finde. Über allem steht aber die Befürchtung, dass er mich wieder rauswerfen könnte, wenn er wollte. Ich muss auch dazu sagen, dass ich zwischendurch eine schwere Krise hatte, ihn mehrmals anschrieb, er mich aber schlichtweg ignoriert hat.

Wahrscheinlich ist beenden wirklich das beste.

Drachenherz

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GuterGeist2019
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Beitrag So., 05.04.2020, 09:46

Vielleicht entscheidest du ja leichter, wenn du nochmal einen Versuch machst - natürlich nur, wenn du dir das vorstellen kannst. Also nochmal alles sagen (oder alternativ aufschreiben und ihm geben), was dir zu schaffen macht, was dich stört und dich bezüglich einer guten Verarbeitung behindert. Eben dann auch die Angst schildern, wieder fallen gelassen zu werden. Dann hättest du danach vielleicht eher das Gefühl, wirklich ALLES versucht zu haben.

Es klingt tatsächlich, als würde er mit diesen kurzfristigen Gesprächsterminen seine Lücken im Terminkalender füllen. Aber dann kann er das mit Sicherheit irgendwie abrechnen - warum sollte er das sonst auch tun? Was ich auch schwierig finde: Dadurch hattest du bestimmt auch keine Sicherheit, ob und wie oft solche Termine stattfinden können. Und das macht es mit dem Vertrauen und der Sicherheit leider auch nicht besser.

Was eine Diagnose angeht: Mein jetziger Therapeut nennt von selbst auch keine Diagnosen. Natürlich muss er bei der Krankenkasse welche angeben, aber er meinte, er würde mit dem Menschen arbeiten und nicht mit Diagnosen. Was ich insgesamt auch sehr positiv und motivierend finde. Allerdings: Auf Fragen bekomme ich auch eine ehrliche Antwort. Und darauf kommt es an. Es geht nicht, dass du in der Luft hängst und nichts erklärt bekommst, weder Diagnose noch Therapieverlauf. Er stellt ja einen Antrag und da muss er auch die Diagnose und einen Therapieplan darlegen.

Das Ignorieren in einer Krise finde ich absolut unverantwortlich!! Ich hatte das in der ersten Therapie auch mal und es hätte mich fast das Leben gekostet, weil ich nach einem schweren Übergriff völlig kopflos war, auch suizidal. Um Kontakt und Hilfe gebeten habe - und als auch nach Tagen keine Reaktion kam, wurde natürlich alles noch schlimmer. Seitdem habe ich für sowas überhaupt kein Verständnis mehr! Natürlich ist jeder für sich selbst verantwortlich, aber als Therapeut einen Patienten in einer schweren Krise zu ignorieren, das ist meiner Meinung nach höchst unprofessionell und fahrlässig! Und wenn er sich nur meldet, die Situation einschätzt und dir etwas empfiehlt (Klinik, Krisendienst, Angebot einer Extra-Stunde - je nach Situation eben). Aber gar nichts... Nicht sehr verantwortungsbewusst.

Für mich würde es neben all diesen negativen Sachen nicht ausreichen, dass ich den Therapeuten nett finde. Lieber fahre ich - wie derzeit - etwas weiter für meine Therapie. Und im Idealfall sind Professionalität UND Sympathie gegeben. Aber natürlich kann ich nicht beurteilen, wie bei dir die Alternativen sind. Und wie störend das alles für dich ist. So, wie du das hier aber beschreibst, kann ich mir schwer vorstellen, dass das zerstörte Vertrauen nochmal entstehen kann. Und seine Reaktion auf Nachfragen lässt auch keine große Änderung oder einen professionelleren Verlauf in der Zukunft vermuten.

Alles Gute für dich!

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Beitrag Mo., 06.04.2020, 00:24

Drachenherz hat geschrieben: Sa., 04.04.2020, 16:02 . Er sagt mir nichts über den Verlauf, ich habe immer noch keine Diagnose etc.
Also Diagnosen und Verlauf.... das würde mich jetzt nicht primär stören.


Aber dieses Hin und Her was du geschildert hast...
Was sollte das? Welche Gründe hat er dafür?

Also ich würde da sehr hartnäckig nachfragen... also für mich, einfach um das nachvollziehen und für mich abhaken zu können.
Danach würde ich aber vermutlich abbrechen... außer er hätte ne super gute für mich sehr einleuchtende Erklärung... dann könnte man noch mal überlegen, aber nicht so.

So müsste man ja logischweise immer wieder vermuten, dass sich das wiederholt.
Ich hätte da auch so meine Vermutungen, warum das so ist. Zuviele PatientInnen, dann eine abgesprungen, eventuell sowas....

Weil wenns nur mit mir zusammen hängt, hätte man ja drüber sprechen können. Und wenn der Patient nich offen mit ir spricht, seh ich da auch keine Basis für ne Zusammenarbeit.
"You cannot find peace by avoiding life."
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Candykills
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Beitrag Mo., 06.04.2020, 09:42

Ja, den würde ich auch nicht verstehen.
Gibt es keine anderen Therapeuten in deiner Nähe?

Dass er nicht so mit Diagnosen arbeitet, finde ich jetzt nicht problematisch. Aber dieses Hin und Her geht halt überhaupt nicht, ich könnte da kein Vertrauen mehr aufbauen. Eigentlich sollte dem Therapeuten klar sein, was das mit einem Klienten macht, wenn man ihn mehrmals so hängen lässt. Und das auch noch ohne Gründe zu nennen. Deswegen mein Rat: Wechsle den Therapeuten.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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nulla
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Beitrag Mo., 06.04.2020, 12:42

Hallo Drachenherz!

Ich bin auch der Meinung, dass da etwas grundsätzlich nicht passt. So kann man doch mit seinen KlientInnen nicht verfahren, das muss dem PT doch einleuchten.

Was ich noch fragen wollte:
Drachenherz hat geschrieben: Sa., 04.04.2020, 16:02 Ansprechen geht nicht, weil er wirklich nicht antwortet
Wie ist das denn gelaufen? Hat er einfach gar nichts gesagt? Hat er sich herausgeredet? Wie hat er auf nonverbaler Ebene auf deine Fragen reagiert? Er kann ja nicht einfach stumm und reglos dagesessen sein.
Ich kann mir das gerade sehr schwer vorstellen. Vielleicht magst du da noch einmal etwas dazu sagen?

LG nulla
"Wege entstehen dadurch, dass man sie geht."
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Drachenherz
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Beitrag Sa., 11.04.2020, 17:26

Hallo alle,

vielen Dank für eure Rückmeldungen. Ich war diese Woche nochmal bei meinem Therapeuten. Ich habe ihn gebeten mir eine Rückmeldung zu geben, aber er hat nur gesagt, dass das für ihn gegessen sei und er nicht mehr darüber spricht. Hat mich sogar gefragt, ob ich ein Problem mit Vergebung hätte und immer so nachtragend bin... ::?

Würdet ihr allgemein (und unabhängig von meiner Erfahrung) zu einem Therapeuten zurückgehen, der die Therapie beendet hat?

Viele Grüße!

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Broken Wing
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Beitrag Sa., 11.04.2020, 17:35

Vergiss ihn einfach. So kann man nicht arbeiten.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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Echolotin
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Beitrag Sa., 11.04.2020, 17:46

Hallo Drachenherz,

zu deiner Frage nein, würde ich nicht. Nicht, wenn mir keine Gründe genannt werden und die Beendigung nicht mal besprochen sondern unter den Tisch fallen gelassen wird.
Nicht wenn dieses Hin und Her scheinbar Mode ist.

Renn so schnell du kannst.

Echolotin


Jenny Doe
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Beitrag Sa., 11.04.2020, 18:04

Hallo Drachenherz,

ein solches Therapeutenverhalten wäre auch für mich schwierig.

Unabhängig von den Schwierigkeiten mit deinem Therapeuten: Hilft er dir denn während der Sitzungen trotzdem?

Wäre es für dich machbar in die Stadt zu fahren und dort Therapie zu machen?

Egal welche Entscheidung du triffst, ob du bei ihm bleibst (weil er dir troztzdem hilft) und sein Verhalten duldest oder ob du die Fahrtzeit in die Stadt auf dich nimmst, beide Entscheidungen verlangen etwas von dir. Die Frage wäre, was für dich das kleinere Übel ist.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Candykills
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Beitrag Sa., 11.04.2020, 18:09

Drachenherz hat geschrieben: Sa., 11.04.2020, 17:26
Würdet ihr allgemein (und unabhängig von meiner Erfahrung) zu einem Therapeuten zurückgehen, der die Therapie beendet hat?

Viele Grüße!
Eine Therapie kann ja aus verschiedenen Gründen enden. Meine Therapeutin hat auch nach langer Zeit beendet in Absprache mit mir. Zu ihr gehe ich trotzdem noch, weil das Ende hat gepasst.

Bei dem, was dein Therapeut abgezogen hat: Nein, da würde ich die Beine in die Hände nehmen und nur noch in die entgegengesetzte Himmelsrichtung laufen.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)


GuterGeist2019
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Beitrag Sa., 11.04.2020, 18:38

Hallo Drachenherz,

unabhängig von deiner Situation - so deine Frage - käme es für mich auf die Gründe an und eine Erklärung müsste schon sein.

In deiner Situation: nein. Ich hätte kein Vertrauen mehr.

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Vivy
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Beitrag Sa., 11.04.2020, 19:13

Hallo Drachenherz!

Ich persönlich brauche sehr große Zuverlässigkeit.
Ich könnte niemals mit einem Therapeuten arbeiten, der mich ohne Erklärung fallenlässt und dann wiederum ohne Erklärung sich „gnädig herablässt“,die Therapie doch fortzusetzen.

Mit nachtragend hat das meiner Meinung nach nichts zu tun.
Weißt du denn sicher, ob er das nicht übermorgen wieder so macht?


Für mich ist das Willkür. Ich hätte kein Vertrauen mehr.
»Man versteht nur die Dinge, die man zähmt«, sagte der Fuchs.
aus: Der kleine Prinz, Antoine de Saint-Exupéry

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