Starkes Bindungsgefühl an Therapeutin

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Hasenmaus123
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Starkes Bindungsgefühl an Therapeutin

Beitrag Fr., 08.11.2019, 14:27

Hallo ihr Lieben,

ich habe viele eurer Beiträge gelesen und möchte mich nun zu Wort melden. Ich mache seit einem knappen Jahr eine Analyse. Die Therapeutin ist mir mit der Zeit, nach ca. einem 3/4 Jahr, sehr ans Herz gewachsen. Ich konnte nicht mehr klar denken und ich habe gemerkt, wie es meiner Entwicklung schadet. Auf meine eigentlichen Themen konnte ich mich nicht mehr wirklich konzentrieren.
Ich war und bin nicht in sie verliebt, ich denke aber ständig an sie und zähle immer die Stunden bis wir uns wieder sehen. Als verheiratete Frau und Mutter eines Kindes fand ich das anfangs ganz schön komisch, eine Frau wie sie anzuhimmeln bzw. als Vorbild zu haben. Sie ist einfach toll und findet immer die richtigen Worte. Nachdem ich selbst nicht mit tollen Eltern gesegnet bin, beneide ich hin und wieder ihre Kinder, das sie so eine tolle Mutter haben. Mein Verstand als erwachsene Frau sagt mir natürlich, dass nicht alles super sein kann und dass sie sicher auch Schwächen hat, ich sie bloß im geschützten Rahmen der Therapie nicht kennengelernt habe.

Nun habe ich mich letztens überwunden und ihr schweren Herzens meine Gefühle mitgeteilt, weil sie mich und mein Fortkommen belasten. Sie hat mein Problem gleich verstanden, hat sich gefreut für mich und mir geraten, diese Gefühle zu genießen. Das mit dem Genuss klappt leider nicht wirklich, weil sie mir das, was mir fehlt, nicht geben kann...
Trotzdem bin ich froh, ihr meine Gefühle zu ihr, endlich berichtet zu haben. Sie ahnte ohnehin schon, dass irgendetwas im Raum schwebt. Ihre Reaktion hat mir wieder gezeigt, wie toll sie ist.

Diese Beichte hat mein Leben erleichtert.
Dies als kleiner Erfahrungsbericht.

Viele Grüße

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Philosophia
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Beitrag Fr., 08.11.2019, 14:33

Keine Sorge, ihr werdet euch schon noch zoffen ;-). Nach nem 3/4 Jahr war da auch noch alles ganz kuschelig bei mir. Aber es ist schön, dass du so viel Vertrauen hast, dass du ihr all das schon sagen konntest. Und sie hat Recht: Genieß es :-).
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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Candykills
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Beitrag Fr., 08.11.2019, 18:38

Naja, sie kann dir das schon geben. Meine Therapeutin tat das auch, in einem gewissen Rahmen halt. Zum Beispiel als ich mal kurz bevor ich in die Traumaklinik krank war und nicht in die Psychiatrie sollte, das hätte nämlich die Aufnahme in die Traumaklinik zunichte gemacht (man muss ein halbes Jahr vorher nicht in Psychiatrie gewesen sein), rief sie mich jeden Tag an und nachbeelterte mich. Da gab es so einige Situationen, in denen sie mich nachbeeltert hat. Aber das Beispiel war jetzt schon "extrem". Normal hat sie mich nicht angerufen. Ich will damit sagen, dass das schon geht mit etwas Fürsorge. Für mich war das heilsam. Man muss sich nur klar sein: das gibts ne bestimmte Zeit, aber nicht auf Dauer. Je mehr ich heilte, umso weniger beelterte sie uns. Das war aber am Ende OK für uns. Wir fanden einen friedlichen und guten Abschluss. Jetzt sehen wir sie nur noch alle paar Monate.
Ich bin wie einer, der blindlings sucht, nicht wissend wonach noch wo er es finden könnte. (Pessoa)

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Philosophia
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Beitrag Fr., 08.11.2019, 19:46

Ja, ich pflichte Candy bei, auch ich habe so was erleben dürfen und es hat mir verdammt gut getan und mich wachsen lassen. Aber natürlich kann sie dir nicht komplett dein emotionales Loch stopfen, da hast du schon Recht.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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Hasenmaus123
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Beitrag Mi., 13.11.2019, 13:53

Vielen Dank für die Mitteilung eurer Erfahrungen.

Meine Therapeutin hat mich nun nochmal auf meine Gefühle für sie angesprochen. Sie macht das immer so geschickt, so dass ich mir nicht ganz so blöd vorkomme. Wir sind uns einig, dass dieses Geständnis richtig und wichtig war, damit wir uns wieder auf die eigentlichen Themen konzentrieren können. Momentan klappt das ganz gut, was noch kommen wird, muss man abwarten.

Nachdem wir den Grund für meine Gefühle entschlüsselt haben, haben wir umgehend damit begonnen, eine Gegenwirkung zu erzielen. Sie hätte meine Gefühle auch einfach ausnutzen können, aber sie ist einfach ein Profi.

Trotzdem kann ich mir heute nicht vorstellen, dass das mit der Abnabelung klappen wird, dafür ist sie mir momentan aber auch zu wichtig. Wir haben aber auch noch ein paar wirklich kniffelige Themen vor uns.

Lg

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Candykills
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Beitrag Mi., 13.11.2019, 14:01

Das kannst du dir JETZT noch nicht vorstellen. Aber wenn sie Profi ist, wie du sagst, wird sie dir die Zeit geben, die du zur Abnabelung brauchst.
Unsere meinte auch: ich dachte sie schaffen es nicht!
Und am Ende haben wir es doch geschafft. Wir hatten viel Zeit. Machten 1 Jahr nur noch alle zwei Wochen Termine, dann ein Jahr einmal im Monat und erst dann wurde offiziell beendet. Wir haben also nach der eigentlichen Therapie noch 2 Jahre "ausgeschlichen". Die Zeit haben wir gebraucht.
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peppermint patty
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Beitrag Mi., 13.11.2019, 15:57

Hasenmaus123 hat geschrieben: Mi., 13.11.2019, 13:53
Nachdem wir den Grund für meine Gefühle entschlüsselt haben, haben wir umgehend damit begonnen, eine Gegenwirkung zu erzielen. Sie hätte meine Gefühle auch einfach ausnutzen können, aber sie ist einfach ein Profi.
Das habe ich nicht verstanden. Welche Gegenwirkung? Und für was? Gewollt?

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Hasenmaus123
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Beitrag Mi., 13.11.2019, 17:49

@ peppermint patty

Meine Gefühle für sie kommen natürlich von der Nähe, die zwischen ihr und mir aufgrund der therapeutischen Arbeit herrscht, haben ihren Ursprung aber auch aufgrund unbefriedigter Bedürfnisse in meiner Kindheit. Dieses Thema aus meiner Kindheit bearbeiten wir jetzt verstärkt.
Zuletzt geändert von Tristezza am Do., 14.11.2019, 07:40, insgesamt 1-mal geändert.

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Kreativus50
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Beitrag Mi., 13.11.2019, 19:49

Liebe Hasenmaus,

Deine Offenheit hier mit diesem so schwierigen Thema hat mich sehr berührt. Respekt und Danke dafür.

Ich stecke selber grade da drin. So weit, dass in der Therapie offen auszusprechen, bin ich noch nicht gekommen.
Aber mein Thera weiß es - das weiß ich. Und - so ein Mist - ich kann es immer weniger überspielen.
Bisweilen fliegt mir meine ganze kindliche Sehnsucht mit dem dazugehörigen Schmerz um die Ohren. Genießen ist da
nicht.
Die Nachbeelterung in der Therapie ist heilsam UND tut so weh. Kaum aus haltbar, sie spült alles hoch.
Ich bin - rational betrachtet - überzeugt, dass ich lernen muss, mit diesem Schmerz zu leben. Der wird nie ganz gehen,
bestenfalls weniger werden. Gefühlsmäßig WILL WILL WILL ich das weghaben, dass das so weh tut. Jetzt sofort ... sprachs und stampfte zornig mit dem Fuß. Manchmal könnte ich nur noch Schreien.

Verzeihung, wenn ich manches bissel mit'm Augenzwinkern und überspitzt schreibe. Das hilft mir, daran nicht völlig zu verzweifeln.

Fazit: Danke an Dich, für mich sind Deine Zeilen sehr hilfreich und tröstlich. Und mit dem, was ich von mir preisgebe, will ich Dir zeigen, dass Du nicht alleine damit bist. Wir sind viele.

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Hasenmaus123
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Beitrag Mi., 13.11.2019, 22:17

Guten Abend Kreativus50,

ich freue mich riesig von dir zu hören.
Ich habe den Druck und das Ankämpfen gegen meine Gefühle nicht mehr ausgehalten und es deshalb angesprochen. Schlimmer konnte es nicht mehr werden. Zur Not hätte ich die Therapie abbrechen müssen, aber wir hatten ausgemacht, dass alle Gefühle erlaubt sind.

Meine Therapeutin hat mir gelernt, dass man mit seinen Gefühlen gegenüber bestimmten Personen offen umgehen muss, da dies das Leben erleichtert. Das übe ich gerade im echten Leben, aber auch hier im Forum und es erleichtert tatsächlich.

Trotzdem ist der Schmerz vorhanden. Ich habe schon wirklich Angst vor Weihnachten, weil ich befürchte, dass dieses Fest den Schmerz verstärken wird und ich sie natürlich auch wegen Urlaub, Feiertagen, etc. eine gewisse Zeit nicht sehen kann. Am Liebsten würde ich mich an ihrer Schulter ausweinen, aber leider ist das nur eine kindliche Sehnsucht und keine Realität.

Meine Therapeutin ist der Meinung, dass ich nach Ende der Therapie ein richtig tolles Leben leben kann und mich der Schmerz, wenn überhaupt, nur noch gelegentlich minimal überkommt. Vorstellen kann ich mir das zwar nicht, aber weil ich ihr vertraue, glaube ich das natürlich.

Warum denkst du, dass dein Therapeut längst deine wahren Gefühle kennt? Erahnen kann er es möglicherweise. Aber sicher sein kann er sich nie....

Danke für deine Worte, sie haben mir sehr geholfen. Kopf hoch, du wirst es schaffen.
Zuletzt geändert von Tristezza am Do., 14.11.2019, 07:39, insgesamt 1-mal geändert.
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Kreativus50
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Beitrag Mi., 13.11.2019, 23:44

Ja, ohne den Vertrauensvorschuß geht's in der Therapie nicht. Und irgendwo Hoffnung, wenigstens ein Fünkchen.

Weihnachten? Oh Gott, da darf ich gar nicht dran denken. Ja, da leide ich auch wie ein Hund, weil sich da die Familiengeschichte besonders in die Gedanken schiebt. Da hilft mir kein Ablenken bisher, nur Aushalten. Wenigstens
ist sicher, dass Weihnachten 100%ig vorbeigeht 😎 . Silvester ist bei mir dann auch nochmal ganz schlimm.

PS: Hab Dir noch ne PN geschickt.

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Hasenmaus123
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Beitrag Do., 14.11.2019, 13:12

Du hast recht und mich gleichzeitig aufgebaut. Es ist sicher, dass Weihnachten irgendwann vorbei ist... danke :-)

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Hasenmaus123
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Beitrag Mi., 12.02.2020, 09:07

Guten Morgen
Ich wollte berichten, wie es mir nun drei Monate nach meinem ersten Post geht.

Unsere therapeutische Beziehung hat sich aufgrund meines Geständnisses und dem daraus resultierenden Rumforschen in meiner Kindheit nochmals intensiviert. Es tut weh, aber ich bin ihr unendlich dankbar, dass sie mich dabei unterstützt. Ich möchte den ganzen Mist auch mit niemand anderem erleben. Ich stelle fest, je hässlicher die Themen sind, desto mehr möchte ich mit ihr kuscheln... Tun wir natürlich nicht, aber wünschen darf man sich ja vieles.

Ich vermisse sie immer noch richtig, wenn ich sie nicht sehen kann. Bald ist sie für zwei Wochen im Urlaub und es macht mich jetzt schon fertig.

Mittlerweile merke ich aber, dass erste kleine Spannungen aufkommen. Ich bin gespannt, wie sich alles weiter entwickeln wird. Am Montag als ich sie gesehen habe, fand ich sie wieder so unheimlich hübsch und klug. Heute kann ich mir auch noch nicht vorstellen, ohne sie zu leben.

Ich berichte weiter.

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Montana
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Beitrag Mi., 12.02.2020, 09:43

Keine Sorge, es wird tatsächlich irgendwann so weit sein, dass du ohne sie kannst und willst. Jetzt ist es noch nicht so weit und das ist völlig ok. Alles Gute für dich!

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DieBeste
Forums-Gruftie
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Beitrag Mi., 12.02.2020, 11:02

Hatte auch ein starkes BindungsGefühl zu ihr und habe ihr das auch so mitgeteilt weil es mich eingeschränkt hat in meiner Therapie. Leider ist sie kaum darauf eingegangen wie auch auf kaum was anderes. Ich habe ca drei Monate danach die Therapie beendet.

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