Nach Psychoanalytischer Therapie kann ich nicht mehr schreiben

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ephraima
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Nach Psychoanalytischer Therapie kann ich nicht mehr schreiben

Beitrag So., 20.08.2017, 16:14

Liebes Forum,

hier mal etwas, das mich schon länger beschäftigt.

Schon ganz am Anfang meiner Therapie vor 5 Jahren sagte mir ein Journalisten-Kollege, ein Freund hätte nach einer Psychoanalyse nicht mehr schreiben können.

Als ich das damals besorgt meinem Therapeuten vortrug, sagte er: "Kann passieren" Und nach einer Denkpause: "Vor allem, wenn der Motor für das Schreiben innere Konflikte waren.

Damals hab ich einen blog geschrieben und aus einzelnen Beiträgen manchmal schöne Aufsätze zusammen gestellt.

Das ging schon nach zwei Jahren nicht mehr. Ich finde keinen Ton mehr, keine Themen. Oder finde Themen und verwerfe sie ständig. Es ist ein einziges Für und wieder, kein Biss mehr. Wobei ich sagen würde, dass ich vieles heute auch nicht mehr so schreiben würde, aber manches war toll. Und es hat gut getan, das regelmäßig zu machen.

Was allerdings viel besser geht, sind Schreibaufträge. Die Texte sind strukturierter und ich gehe pragmatischer ran.

Aber es bleibt das Gefühl, meinen Ton verloren zu haben.

Und das ich keine Konflikte mehr in mir tragen würde, würde ich wohl auch nicht behaupten. :)

Hat hier jemand ähnliche Erfahrungen gemacht?

Es grüßt Ephraima

P.S.: muss gerade an den "Papyrus des Cäsar" denken, wo Obelix am Ende fröhlich ruft: "Her mit den Konflikten, her mit den Konflikten" nachdem er eine Weile Konflikte gemieden hatte wegen eines falschen Horoskops, was wiederum Konflikte in ihm erzeugt hat. ;)

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Philosophia
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Beitrag Mo., 21.08.2017, 06:28

Also, ich würde sagen - ich kann jetzt besser schreiben, allerdings schreibe ich andere wissenschaftliche Dinge. In Ihnen ist aber mehr Herz, mehr Seele und mehr Sicherheit. Mich hat die Analyse verändert. Aber es gibt andere Dinge, die ich nicht mehr mache - auch normale Dinge - weil die sich nicht mehr stimmig anfühlen. Vielleicht sind die Themen von damals nicht mehr das, was dich wirklich beschäftigt? Vielleicht ist jetzt noch ein Umbruch im Innern im Gange?
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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lisbeth
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Beitrag Mo., 21.08.2017, 06:31

Liebe Ephraima,

vorab: Ich mache keine Analyse, hab auch nie eine gemacht.
Ich habe aber auch einen "schreibenden" Beruf, zu großten Teilen jedenfalls. Und schreibe auch "privat" viel - schon immer.

Der Gedanke, der mir beim Lesen deiner Zeilen kam: Ob du - durch Analyse - vielleicht deine "Unbekümmertheit" verloren hast im Hinblick auf Schreiben? Dass du nicht mehr einfach drauflos schreiben kannst und willst, weil du hinterfragst, weil du schnell/er die Meta-Ebene dahinter betrachtest, weil vielleicht ganz tief innen eine Angst ist, was andere jetzt daraus ableiten könnten oder wie dein Analytiker das betrachten würde, wenn er es denn läse?

Dass es beruflich nachwievor geht, muss da kein Widerspruch sein. Weil das ist "Job" und "Handwerk" und "Technik" und hat erstmal - wie du auch schreibst - nicht so richtig viel mit dir selbst zu tun. Und dass du da mehr Pragmatismus und Klarheit entwickelt hast, ist ja auch ein Gewinn.

Für mich ist es so, dass es immer wieder Phasen gibt, die auch länger andauern können. Phasen des Vielschreibens und Phasen wo ich nichts zu Papier bringe. Auch wenn mich Vieles beschäftigt. Weil ich keinen Anfang finde, weil ich mir selbst aus dem Weg gehe, weil mein eigener Anspruch mir im Weg steht - es gibt 1000 Gründe, warum es nicht geht, wenn es gerade nicht geht. Und das ist wie Ebbe und Flut für mich, es kommt und geht. Und das ist dann einfach so. Manchmal weiß ich den Grund und machmal nicht. Aber selbst wenn mir der Grund klar ist, macht das im Ergebnis wenig Unterschied: Das Blatt bleibt erstmal leer. Manchmal muss man das auch einfach akzeptieren. Und sich dann anderen schönen Dingen zuwenden. Oder andere Ausdrucksformen suchen. Oder mit dem leeren Blatt dann Origami machen ;-)

Vielleicht brauchst du auch ein neues Medium. Der Blog hat sich vielleicht überlebt. Oder neue Anstöße und anderen Input. Austausch mit "Gleichgesinnten". Mir hat mal ein Workshop im Kreativen Schreiben da viele neue Ideen gegeben. Schreibwerkstätten mit bestimmten Themen können da auch hiflreich sein. Und Menschen mit denen ich mich intensiv über das Schreiben austauschen konnte. Auch den Anstoß mal neue Formate auszuprobieren. Etwas anders zu machen. Und dann kam "es" auch wieder - ganz von selbst.

Liebe Grüße,
lisbeth
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott


ziegenkind
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Beitrag Mo., 21.08.2017, 09:33

Bei mir war das nicht schreiben können Ausdruck, - eines nicht nicht-mehr und noch-nicht, eine Phase. Früher, vor der Analyse war schreiben oft ein heroischer Akt, 14 Stunden und mehr am Schreibtisch, möglich weil ich mich und meine. Edürfnisse gut abschalten könnte. Es war als ginge eine Tür in der Wand auf und ich verschwände im Text. Hat mir oft geholfen, die Analyse zu überstehen, dieser Fluchtweg. Das ging dann erst mal nicht mehr, ich stand im Kontakt mit mir, könnte mich nicht mehr abschalten. Eine Zeit ging nichts, auch weil ich beschäftigt war, mich kennenzulernen. Jetzt ist es anders, kürzer, lustvoller, wie ein Hutes essen und persönlicher. Ich bin bei jedem Wort dabei. Ganz manchmal vermisse ich kurz das heroische. Aber die Texte von heute gefallen mir besser
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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ephraima
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Beitrag Di., 22.08.2017, 16:35

Philosophia hat geschrieben: Mo., 21.08.2017, 06:28 Also, ich würde sagen - ich kann jetzt besser schreiben, allerdings schreibe ich andere wissenschaftliche Dinge. In Ihnen ist aber mehr Herz, mehr Seele und mehr Sicherheit.
So hab ich es ja auch gesehen. Ich denke auch, dass die Themen sich überlebt haben und ich manches heute sensibler betrachte.
Artikel zu schreiben, ist ja auch eher einfacher geworden und vermutlich bin ich da auch einfühlsamer geworden.

Aber ich leide eben schon darunter, dass es so eine ungerichtete Kreativität bei mir kaum noch gibt. Dabei sind manchmal ganz tolle Sachen raus gekommen.

Wenn man Dinge für sich selbst anfängt, muss man sie ja auch nicht gleich auf die Goldwaage legen - im gegenteil. Das wäre ja eine Selbstzensur und nicht nur in der Kreativität Gift.

In der Kunst liegt ja immer eine Sublimierung vor und vielleicht ist es ja auch das Problem, wenn man immer erst alles dreht und wendet, dass es dann nichts mehr zu malen gibt. Deshalb sind da aber ja trotzdem noch Konflikte.

Ich hab manchmal das Gefühl, dass ich innerlich nicht aufhöre, in die Therapie zu gehen und dabei das Spielerische verloren gegangen ist. Bzw., dass das Spielerische da in der Zeit ohnehin zu wenig Platz hatte.

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ephraima
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Beitrag Di., 22.08.2017, 16:44

ziegenkind hat geschrieben: Mo., 21.08.2017, 09:33 Bei mir war das nicht schreiben können Ausdruck, - eines nicht nicht-mehr und noch-nicht, eine Phase. Früher, vor der Analyse war schreiben oft ein heroischer Akt, 14 Stunden und mehr am Schreibtisch, möglich weil ich mich und meine. Edürfnisse gut abschalten könnte. Es war als ginge eine Tür in der Wand auf und ich verschwände im Text. Hat mir oft geholfen, die Analyse zu überstehen, dieser Fluchtweg. Das ging dann erst mal nicht mehr, ich stand im Kontakt mit mir, könnte mich nicht mehr abschalten. Eine Zeit ging nichts, auch weil ich beschäftigt war, mich kennenzulernen. Jetzt ist es anders, kürzer, lustvoller, wie ein Hutes essen und persönlicher. Ich bin bei jedem Wort dabei. Ganz manchmal vermisse ich kurz das heroische. Aber die Texte von heute gefallen mir besser
Das kenne ich mit dem "Heroischen". Und das kann ein toller Rausch sein. Ich hatte das aber vor der Analyse. Und das hat mir sicher so eine Art Geborgenheit gegeben. Es war nur immer wichtig, dass es einen Adressaten gab. Beim Blog gibt es den ja. Manchmal war es auch mein früherer Freund, mit dem ich Texte tauschte oder manchmal Publikum bei kleinen Lesungen.
Das hörte nach circa zwei Jahren Analyse auf.

Seitdem kann ich mich gar nicht mehr so heroisch und ernst nehmen.

Aber kürzere kleine Sachen würde ich ja gerne machen. Die kleinen gelungenen Artikel finde ich ja heute auch besser. Nur: es kommt nichts. Keine Ideen. Ich brauche Aufträge und dann geht es auch mit Ideen los.... Aber kein Startschuss von mir.

Ich bin auch immer noch wie so ein Brummkreisel nach Innen gewendet.
Meine Ideen kamen ja daher, dass ich permanent interessiert an meiner Umwelt war. Und auch an komplizierten Büchern. und das hab ich oft auch zusammen führen können. Bruno Latour und Müll auf einer Insel, etc...

Da ist nicht mehr diese naive (?) Begeisterungsfähigkeit.

Aber vielleicht ist das ja auch eine Phase, die jetzt dran ist?


ziegenkind
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Beitrag Di., 22.08.2017, 16:53

vielleicht ist es ja auch an der zeit, anderes zu schreiben? mehr nach innen als nach außen gucken? ich hab für mich nach der analyse z.B. das politische an autobiographischen erzählungen endteckt. fand ich nicht nur spannend auf einmal, passte auch zu meinem mich selber entdecken.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Beitrag Di., 22.08.2017, 16:56

lisbeth hat geschrieben: Mo., 21.08.2017, 06:31 Der Gedanke, der mir beim Lesen deiner Zeilen kam: Ob du - durch Analyse - vielleicht deine "Unbekümmertheit" verloren hast im Hinblick auf Schreiben? Dass du nicht mehr einfach drauflos schreiben kannst und willst, weil du hinterfragst, weil du schnell/er die Meta-Ebene dahinter betrachtest, weil vielleicht ganz tief innen eine Angst ist, was andere jetzt daraus ableiten könnten oder wie dein Analytiker das betrachten würde, wenn er es denn läse?
Ja klar: Das fing schon in der Therapie an.
Und ich lese ja auch ganz anders heute. Ich lese unglaublich viele Dinge in Texten heute, die ich früher darin gar nicht bemerkt hätte.
Krass ist es bei KollegInnen
lisbeth hat geschrieben: Mo., 21.08.2017, 06:31 Und das ist wie Ebbe und Flut für mich, es kommt und geht.
. Wenn die sich mit ihren Texten so preisgeben und ich manchmal denke: "Oh Gott, das will ich über Dich gar nicht wissen!"

So sollte ich alter Fischkopf es vielleicht mal sehen lernen.
lisbeth hat geschrieben: Mo., 21.08.2017, 06:31 Und sich dann anderen schönen Dingen zuwenden. Oder andere Ausdrucksformen suchen. Oder mit dem leeren Blatt dann Origami machen
Das wäre ja eigentlich auch ein wahrlich kreativerer Akt als sich an dem wieder fest beißen zu wollen, was man vor 4 Jahren aufgehört hat. Ich will ja auch sonst nichts wieder haben, was ich vor vier Jahren aufgehört habe. Weniges zumindest. Guter Gedanke.

Neulich sah ich so eine Ausstellung. Da hat eine Künstlerin mit Buchstaben, Worten und Sätzen die sie ausgeschnitten hat unglaublich tolle Sachen gemacht. Ich war ganz elektrisiert.

Vielleicht mal das "weisse Papier" aushalten und schauen, was dann Neues kommt?

Menschen, mit denen ich mich über das Schreiben ausstauschen konnte, hatte ich nie so richtig. Ich bin leider etwas eigenbrödlerisch und bei uns im Büro sozial auch ein bissl ein Trottel. Gemocht werde ich und ich bin in der Zusammenarbeit glaube ich gerne gesehen. Aber darüber hinaus verlasse ich abends verschämt das Haus und vertiefe die Kontakte kaum. Konkurrenz, Parties etc. am Arbeitsplatz und Uni... das ist mir immer schon zu viel gewesen.

Aber vielleicht kann man sich das ja auch woanders suchen.

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ephraima
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Beitrag Di., 22.08.2017, 17:16

ziegenkind hat geschrieben: Di., 22.08.2017, 16:53 vielleicht ist es ja auch an der zeit, anderes zu schreiben? mehr nach innen als nach außen gucken? ich hab für mich nach der analyse z.B. das politische an autobiographischen erzählungen endteckt. fand ich nicht nur spannend auf einmal, passte auch zu meinem mich selber entdecken.
Ich hab ja vorher quasi alles miteinander verknüpft.
Aber am meisten Inspiration bekam ich immer von dem Betrachten der ganzen normalen Dinge um mich rum.
Und die berühren mich nur sehr selten seitdem.

Und das ist ein etwas trauriges Ergebnis einer Therapie.

Ich schätze, es ist wohl so, dass ich da einerseits Geduld haben muss und mal abwarten.
Und vielleicht ist es ja auch das Thema, das mich hier am Anfang im Forum beschäftigt hat, dass die Therapie für mich irgendwie mittendrin aufhörte und ich mir vielleicht noch etwas Arbeit alleine machen muss, die nicht unbedingt in Richtung Schreiben geht. Vielleicht einfach Sport machen und meine Finanzen sanieren :neutral:

Derweil ein paar Artikel schreiben.

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