Einfluss Weltgeschehen auf Psychotherapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Schneerose
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Einfluss Weltgeschehen auf Psychotherapie

Beitrag Mi., 15.03.2017, 11:08

Hallo Leute,

ich habe da ein Anliegen was mich immer wieder sehr beschäftigt, ich muss dazu sagen, dass meine schon früher gekannte Angststörung derzeit sehr aktuell ist, und natürlich mehrere Bausteine hat, die auch therapeutisch angegangen werden, ich bin in ärztlicher, wie auch in therapeutischen Händen,

trotzdem beeinflusst das aktuelle Weltgeschehen, und die Sorgen darüber, die Unsicherheiten, von rumorenden Ländern, polternden Politikern ect. meinen Verlauf der Psychotherapie, hart erarbeitete schon gut gewesene Ergebnisse, hauen mich wieder um Meilen zurück,
kennt Ihr das auch?

Und wenn ja, wie könnt Ihr damit umgehen, welchen Rat, Tipps... hättet Ihr dazu, dass die Arbeit der Psychotherapie von der Außenlage nicht so massiv beeinflusst wird.

Danke schon mal, freu mich über (viele) Antworten.

Schneerose
"Der Einzige, der sich wirklich vernünftig benimmt ist mein Schneider, er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich sieht" :->

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R.L.Fellner
Psychotherapeut
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Beitrag Mi., 15.03.2017, 11:51

Liebe Schneerose,
welchen Rat, Tipps... hättet Ihr dazu (..)
etwas mehr Medien- und Social-Media-Abstinenz beispielsweise?

Erstere führen, in einer gewissen Intensität konsumiert, laut Studien zu höheren Angstleveln,
zweitere zu geringerer Lebenszufriedenheit.

Es wäre mir offen gesagt ein wenig zu aufwändig, nun die betr. Quellen rauszusuchen, aber die Ergebnisse scheinen mir stimmig und decken sich mit Beobachtungen in diversen sozialen Umfeldern und Berichten vieler Klienten.

Herzliche Grüße,
R.L.Fellner


Jenny Doe
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Beitrag Mi., 15.03.2017, 11:55

Hallo Schneerose,

Du sprichst ein Thema an, das auch mich seit einer Weile beschäftigt, aber eher umgekehrt. Also nicht in dem Sinne, dass die aktuellen Ereignisse zu viel meiner Therapiezeit in Anspruch nimmt, sondern eher umgekehrt, nämlich, dass aktuelle Ereignisse, oder kurz gesagt, die Zeit in der man aufwächst und lebt, zu wenig Berücksichtigung in einer Psychotherapie findet. Ich bin in der Zeit des kalten Krieges, der nukelaren Bedrohung, mit Filmen wie "The Day after" aufgewachsen. Meine Tagebücher waren voll von "No hope, no sense, no future" Sprüchen. Ein Großteil meiner negativen Gesinnung entsprang der Zeit in der ich lebte und aufwuchs. Doch die Zeit, in der ich aufgewachsen war und in der ich lebte, spielte in meiner Therapie keine Rolle. Danach wurde nie gefragt. Aber die politische Situation hatte auf mich einen größeren Einfluss als meine Kindheit. Doch sie fand keine Berücksichtigung in der Therapie.

Jetzt leben wir wieder in so einer Zeit, deren Ereignisse einen Angst und Bange werden lassen können. Ich habe mich die letzten Tage auch schon öfters gefragt, wie mich die heutige politische Situation beeinflusst, auch in Bezug auf meine Angstproblematik. Ich gebe zwar gerne so Sprüche von mir wie "ich kann morgen auch von einem Auto überfahren werden, ich lasse mich doch von dem Terror nicht beeinflussen und mir nicht das Leben versauen", aber in mir sieht es durchaus anders aus. Wenn ich z.B. in einem Zug sitze, dann kommen mir durchaus Gedanken wie "Was hat der da Vorne im Koffer? Der Typ sieht komisch aus. Der Zug wäre eine perfekter Anschlagsort, keiner kontrolliert die Fahrgäste und ein Bombenanschlag würde mehrere hundert Menschen mit in de Tod reißen, ..." Ich habe das Thema noch nicht in meiner Therapie thematisiert, aber ich weiß, dass es mir mehr Angst macht, als ich mir bewusst mache und wahrhaben will.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Nico
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Beitrag Mi., 15.03.2017, 12:07

Ob Augen und Ohren zu, da echt die vielversprechendste Lösung ist, bezweifle ich.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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Schneerose
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Beitrag Mi., 15.03.2017, 12:10

Danke Herr Fellner,

ja, das befolge ich intutiv schon seit einiger Zeit, ich ziehe mir hautpsächlich nur mehr "gutes TV" rein, höre CD´s, statt Radio...

nur springe ich sofort auf was an, z.B. wenn man sein gmx Postfach aufmacht, springen einem die Horrormeldungen an, oder wenn ich an der Kasse beim Einkaufen stehe, schreit sofort die Tagsezeitung...

aber, ich spüre selbst, dass da auf jeden Fall eine Erleichterung drin liegt.

Danke nochmal
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Schneerose
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Beitrag Mi., 15.03.2017, 12:14

Hallo Jenny D.

bei mir ist es so, dass ich ja ein behindertes Kind habe, und es ist vorallem "was würde aus meinem Kind, wenn...",

ich sage mir dann immer, dass wir das Glück haben, immerhin in Österreich zu leben, und ja, dass man nie eine 100 % Gewissheit haben kann, aber oft denke ich mir, man radelt und radelt da in der Therapie, Jahre, baut sich das hart auf, und dann kommen so wahnsinnige Besserwisser, und ich weiß nicht mehr, ob da Therapie wirklich noch Sinn macht...
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Nico
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Beitrag Mi., 15.03.2017, 12:17

Wird dich das nicht ziemlich einsam machen ?
Ein Leben ohne Medien nimmt einem abgesehen von der Information und dem Überblick, ja auch sehr viel Gesprächsstoff.
Eigentlich dürftest du dann ja auch kaum mehr mit anderen Menschen reden denn die könnten dir ja was erzählen.
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stern
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Beitrag Mi., 15.03.2017, 12:19

ich habe in der Therapie auch schon mal die das Weltgeschehen aufgegriffen. War ein Novum für mich und würde es jederzeit wieder tun, wenn etwas aktuell ist. Man muss sagen: Hierbei handelt es sich ja nicht nur um eine pure (irrationale) Angst (oder schwerwiegender: sogar Angststörung). Manche Entwicklung ist ja auch tatsächlich beunruhigend. Die Psychologin hatte das (bei mir) nicht pathologisiert. Ich hörte mal einen Psychologen im Radio, der sich ähnlich äußerte. Anstelle des gänzlichen Verzichts, hilft vielleicht sogar schon, wenn man den Konsum etwas zurückfährt oder sich auf Medien oder Kanälen fokussiert, die weniger auf Effekthascherei oder Panikmache aus sind. Oder wenn man sensibler auf Bilder reagiert, dann vielleicht eher Printmedien wählen. Ich denke, es spielt heutzutage auch eine Rolle, dass man gefühlt näher dran ist... denn es gibt ja so gut wie kein Vorkommnis, das irgendjemand mit dem Smartphone gefilmt hat. Eine Zeile in einem Printmedium (wie es in der Zeit vor Handykameras war) "toucht" vielleicht nicht so sehr. Und manche wollen (zu Manipulationszwecken oder um Leser einzufangen) auch Angst schüren... das war schon immer ein probates Mittel. Wenn tatsächlich bereits eine Angststörung vorliegt, wäre Aufgabe der Therapie vermutlich, dass man lernt allgemein mit seinen Ängsten umzugehen (sorgsamer Medienkonsum dürfte hier sicherlich hilfreich sein, aber ich schätze, das ist dann nicht mehr ausreichend als Selbsthilfeversuch).
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
«

(alte Weisheit)


mio
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Beitrag Mi., 15.03.2017, 12:29

Es gibt diesen "wunderbar wahren" Satz: Das Leben hat kein Geländer!

Mir hilft der oft, weil er mir klar macht, dass es "egal" ist, wie die "Welt" gerade funktioniert. Ob gefährlich oder ungefährlich, einfach weil das Leben so oder so "Lebensgefährlich" ist.

Ich kann nachvollziehen, dass Dir das in Bezug auf Dein Kind Sorgen macht. Aber ganz ehrlich: Eine "Bedrohung" gibt es immer und Du wirst immer auf "das Leben" vertrauen müssen, so Du Dir das vor Augen führst. Sonst kannst Du gleich aufhören überhaupt zu leben.

Mehr als Dich vernünftig zu kümmern und eventuell Vorsorge zu treffen kannst Du nicht tun. Das ist leider so.

"Trennen" lässt es sich (die Ängste) für meine Begriffe nicht, denn es hat ja einen "gemeinsamen" Ursprung, Du kannst es allenfalls "abmildern" indem Du Dich nicht so damit konfrontierst, wie ja bereits gesagt wurde. Ich weiss allerdings nicht, ob ich das tun würde, ich würde es wohl vielmehr für mich in der Therapie "nutzen" um die Ängste anzusehen und so zu Bearbeiten. Angst ist nichts "grundverkehrtes", sie wird nur dann dazu, wenn sie zuviel Raum einnimmt und einen darüber lähmt.

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Schneerose
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Beitrag Mi., 15.03.2017, 12:48

ja, die Angststörung an sich, ist derzeit auch oberste Priorität, und muss ich auch auf jeden Fall angehen, das erkenne ich selbst ernsthaft.

Danke für eure Antworten.
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Beitrag Mi., 15.03.2017, 12:51

Im Grunde schafft man es wohl nur mit Urvertrauen, weil ja wie gesagt, das Leben ist lebensgefährlich, nur mit Kindern ist diese Angst oft der Hammer... weil einfach auch real, es ist ja keine Einbildung in dem Sinne, Angst die man verlernt, wenn man sich stellt...

oft hilft wohl tatsächlich nur beten, egal in welcher Form und zu wem...
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mio
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Beitrag Mi., 15.03.2017, 13:08

Schneerose hat geschrieben: Mi., 15.03.2017, 12:51 weil einfach auch real, es ist ja keine Einbildung
Ja, und genau da ist auch der "Unterschied" - nicht jede Angst ist eine neurotische. Es gibt auch Realängste.

Das eine vom anderen zu "unterscheiden" fällt einem als Angstpatient wohl meist gar nicht so leicht, kenne ich auch. Aber es ist eben schon ein Unterschied. Alles lässt sich nicht wieder vollständig "in den Griff" kriegen, weshalb auch der Versuch zum Scheitern verurteilt ist.

Oft hilft die Frage nach der "Wahrscheinlichkeit" (was Du ja schon tust, wenn Du Dich mit "Österreich" tröstest) und auch danach, was sich "real" wirklich tun lässt?

Der Rest ist wohl tatsächlich vertrauen und glauben (können), auch wenn ich da nicht so bei "Gott" bin. Hoffen, dass es schon "gut gehen" wird, wenn alles getan wurde, was sich tun lässt.

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candle.
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Beitrag Mi., 15.03.2017, 13:10

Hallo!

Hier sind ja nun doch einige Antworten eingetrudelt. Und wenn es darum geht: Ja, wie Herr Fellner schrieb- wegbleiben von solcher Art Meldungen, allein ja schon auch um dein Kind zu schützen.

Manche sind ja wahre Terrorjunkies und Dramatiker.

Was ich dich eigentlich fragen wollte schneerose: Stammst du ehemals aus einem Krisen- bzw. Kriegsgebiet? Dann könnte ich deine Ängste nachvollziehen.

Als ich meine schlimme Phase hatte, da war es vor allem Gewalt in Krimis, die ich dann definitiv ausgesetzt hatte und gegen seichte Sachen wie Rosamunde Pilcher oder diese herrlichen alten Filme aus der Nachkriegszeit um mich "sicherer" zu machen. Das heißt für mich, dass es da mehr um Trigger ging, nicht um so eine Weltangst.

Viele Grüsse!
candle
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Schneerose
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Beitrag Mi., 15.03.2017, 13:22

@candle,

ich denke, das ist komplexr bei mir, im wahrsten Sinne, ich selbst stamme aus keinem Kriegsgebiet, sehr wohl aber meine Schweigermutter - Balkan, zudem gibt es in meiner Herkunfstlinie mit Sicherheit das Trauma über Gerationen - meine Eltern erlebten den 2. Weltkrieg als Volksschulkind bzw. Jugendlich.

Ich selbst bin ja "komplex" traumatisiert - von daher springe ich wohl äußerst sensibel auf solche Themen an.

Ja, das was du schreibst, dass tu ich auch intutiv schon seit Jahren, ich fahre auch lieber mit dem Traumschiff auf Urlaub, und schmelze bei Rosamunde Pilcher dahin, als dass ich wie soviele andere am Sonntag Abend Tatort brauche - ich habe selber Tatort genug erlebt...

mir war lange nicht bewusst, warum man sich intuitiv wirklich auch das TV Programm ändert, wenn man in Triggergefahr ist.
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Schneerose
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Beitrag Mi., 15.03.2017, 13:26

Ich habe mich die vergangenen Wochen mehr mit Selbsthilfe auch zustätzlich befasst, bei generalisierter Angst; da wird oft davon geschrieben, man solle das ganze Szenario bis zum äüßersten druchspielen im Kopf - also, ich merkte, dass das alles nur schlimmer macht... weil man als generalisierter Angstpatient ja nach einr Lösung grübelt und ringt...

früher hatte ich Panikattacken, die konnte ich sehr rasch überwinden, mit wenigen therap. Gesprächen, sogar ohne Medikamente, ich war jahrelang "ohne Angst"... DACHTE ICH...
heute ist mir vieles klarer, das hat sich durch jahrezehntelange Überforderung - eben behindertes KInd - Burn Out als pflegender Angehöriger, extrem hochgeschaukelt...

es kam einen Bienenallergie hinzu, dann Magen Darm Störungen... und man doktert jahrelang dahin...

nun ist sie da, so markant wie nie zuvor,
ja und ich werde mit ihr arbeiten, mit dieser Angst, denn sie will mir wohl auch was sagen.
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