Psychotherapie in einer Fremdsprache -Erfahrungen?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Mia Wallace
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Psychotherapie in einer Fremdsprache -Erfahrungen?

Beitrag Mo., 02.11.2015, 20:51

Nach dem Abschluss meiner Psychotherapie nehme ich als Selbstzahlerin weiter regelmäßige (wenn auch niederfrequente) Termine bei einer Psychotherapeutin in Anspruch.
Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, dass es mir ein reflektierender Blick von Außen in vielen Lebenslagen sehr weiter hilft und möchte das nicht missen.


In Kürze werden mein Mann und ich nun für noch unbestimmte, auf jeden Fall längere Zeit -eventuell auch für immer- ins (außereuropäische) Ausland gehen.

Ich hatte mir fest vorgenommen, mir vor Ort eine Psychotherapeutin oder einen Psychotherapeuten zu suchen. Einmal, weil zwar meine Probleme in der früheren Form keine Rolle mehr spielen, und ich inzwischen ein völlig normales Leben führen kann. Ich spüre aber, dass heil sein anders ist und noch ein langer Weg vor mir liegt. Außerdem werde ich auch ganz konkret einiges zu bewältigen haben: Heimweh, das Zurücklassen von geliebten Freunden und Familie, die Strapazen des neu Anfangens usw.
Bisher hatte ich mir gar keine Gedanken zum Thema Psychotherapie in einer Fremdsprache gemacht, da ich die Landessprache fließend spreche.

Nun habe ich mich aber vorige Woche mit einer Freundin, die als nicht-Muttersprachlerin schon seit vielen Jahren in Deutschland lebt über dieses Thema ausgetauscht.
Meine Freundin spricht perfektes, sehr differenziertes Deutsch.
Akzentfrei.
Nur am kreativen Gebrauch einiger weniger Wendungen und einigen winzigen sprachlichen Feinheiten kann man überhaupt merken, dass Deutsch nicht ihre Muttersprache ist.
Sie spricht auf jeden Fall bei weitem besser Deutsch als ich die Sprache des Landes, in das wir jetzt gehen.

Und doch hat sie mir jetzt erzählt, dass es in Ihrer Psychotherapie ganz oft an ihre Grenzen geht, wenn es um den Ausdruck dessen, was sie emotional bewegt, geht.
Sie meinte, sie finde dann sehr oft nicht die richtigen Worte für das , was sie eigentlich sagen wolle.
Diesen Zustand erlebe sie als sehr quälend und denke sogar darüber nach, ihre Therapie aus diesem Grund jetzt abzubrechen.

Ich bin nicht sicher, ob das etwas mit ihrer Geschichte zu tun hat (zu der dieses quälende Erleben, des sich nicht Mitteilen Könnens und des nicht Verstandenwerdens passen würden), oder ob das ein allgemeines Problem einer Therapie in einer anderen als der Muttersprache ist.

Deshalb würde mich folgendes interessieren:
Gibt es im Forum Menschen, die eine Psychotherapie in einer anderen als ihrer Muttersprache machen?
Was sind eure Erfahrungen?
Zuletzt geändert von Mia Wallace am Mo., 02.11.2015, 20:56, insgesamt 1-mal geändert.

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candle.
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Beitrag Mo., 02.11.2015, 20:56

Mia: Beherrscht du denn die Sprache, die du benötigst?

VG candle
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Mia Wallace
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Beitrag Mo., 02.11.2015, 20:57

candle. hat geschrieben:Mia: Beherrscht du denn die Sprache, die du benötigst?

Hi liebe Candle,
ja, fließend.
Aber natürlich weit von Muttersprachlichkeit entfernt.

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candle.
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Beitrag Mo., 02.11.2015, 21:01

Ich habe mich nur gefragt, ob es nicht generell schwer ist Gefühle zu beschreiben. Vielleicht liegt es ja nicht unbedingt an der Sprache?

Ansonsten kann ich leider nichts zum Thema beitragen.

candle
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Widow
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Beitrag Mo., 02.11.2015, 21:06

Liebe Mia,

darf ich - ohne mit Deiner eigentlichen Frage gemeint zu sein - eine Grundsatzfrage stellen? Wenn nicht, überlies das Forlgende.

Ist nicht jeder irgendwann an seiner Sprachgrenze angelangt und weiß nichts mehr zu sagen, weiß das Wort nicht, das ES "lösen" könnte, der eine Psychotherapie macht?

Klar: Es gibt da natürlich Unterschiede. Doch jemand, der sich auf GER-Niveau C2 (Akademiker nach "graduation") sprachlich in einer Fremdsprache auszudrücken imstande ist wie offenbar Deine Freundin, der scheitert meines Erachtens an seinen fehlenden Worten nicht wegen der Sprachbarriere zwischen Mutter- und Fremdsprache (ich habe längere Zeit in den USA gelebt und den Sprung aufs C2-Niveau damals sehr bewusst mitbekommen) - der scheitert, soweit ich weiß, vielmehr daran, an dem wir alle, die wir sprachsensibel sind, irgendwann in einer Psychotherapie mal scheitern: An der Sprache selbst.
Wäre das möglich?

Alles Gute für die Umsiedlung! (Vielleicht geht es Dir ähnlich: Als ich, nach langen zähen Monaten, endlich das erste Mal auf Englisch träumte, ging alles Sprachliche spielend, unangestrengt und ganz von selbst.)
Und einen herzlichen Gruß
Widow (würde sich freuen, von Dir zu hören)

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Mia Wallace
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Beitrag Mo., 02.11.2015, 21:10

candle. hat geschrieben:Ich habe mich nur gefragt, ob es nicht generell schwer ist Gefühle zu beschreiben. Vielleicht liegt es ja nicht unbedingt an der Sprache?
Ich glaube auch, dass es, selbst wenn man das gut kann (also seine Gefühle gut und differenziert spürt und geübt ist, die Emotionen auch in Worte zu fassen) nie so ganz leicht ist.
Nie und für keinen.

Mir fällt auf, dass viele Menschen, wenn sie sehr emotional sind, in ihren Dialekt fallen- das ist wahrscheinlich auch kein Zufall?

Ich glaube, meine Freundin findet es nicht einfach schwer. Die entsprechenden Vokabeln sind ihr , wie sie sagt, alle geläufig.
Ich habe nicht ganz genau verstanden, worum es ihr geht, aber ich glaube, was sie meint, geht sehr tief.

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Miss_Understood
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Beitrag Mo., 02.11.2015, 21:32

Liebe Mia,

habe zwar selbst keine Erfahrung mit dem Thema /längere/ Therapie in einer Fremdsprache, aber bereits den ein oder anderen Workshop mit therapeutischen Anteilen in Englisch mitgemacht. Ich bin in einem starken Dialekt aufgewachsen und spreche mit meiner Familie NIE Hochdeutsch - und ja, schimpfe tatsächlich auch nach wie vor öfter mal im Dialekt - und in meiner Therapie habe ich häufig Gespräche wiedergegeben mit meinen Eltern oder auch 'an meinen Vater/Mutter' gesprochen und dann musste das im Dialekt sein. Den Dialekt deines telefonischen Gegenüber zu beherrschen erhöht auch nachweislich den Verkaufserfolg, vor allem am Telefon, das kann ich selbst bestätigen.

Eine Bekannte von mir ist Heilpraktikerin und arbeitet mit Hypnose, sie bestätigte auch in einem Gespräch ganz klar, dass gerade hypnotische Sprachmuster ganz stark auch vorsprachliche innere Teile ansprechen. Und wenn sie Klienten aus ihrer Gegend hat, sie dann auch immer das Thema mit berücksichtigt - wenn es positiv gewünscht ist. Das ist und bleibt näher. Es geht nicht um Vokabeln. Vielleicht mal um Redewendungen oder einzelne Wörter, auch schon im Dialekt so, die treffender, blumiger, anders sind. DAS kann man dann erklären. Und wird dabei oft nochmal eins klarer.

Dies schränkt womöglich ein. Am Anfang. Und ich finde es faszinierend, mir vorzustellen in einer Fremdsprache zu träumen - ja, ich glaube auf jeden Fall, DANN ist man angekommen.

Und so lange scheint mir, wenn dir danach ist, ist doch besser überhaupt eine therapeutische Begleitung zu haben als gar keine zu haben, oder? Auch wenn dann wohl zunächst das ein oder andere wegfällt oder auf jeden Fall anders ist?

Oder vielleicht hast du die Chance auf eine deutsche TherapeutIn zu treffen? Wie wahrscheinlich wäre DAS?

Hach, ich beneide Menschen ein wenig, die diese Gelegenheit haben - was eine spannende Zeit!

Liebe Grüße
Miss Understood
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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Tristezza
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Beitrag Mo., 02.11.2015, 21:43

Mia, vielleicht ist deine Freundin wegen ihres Perfektionismus in Therapie? Ich habe mal im Ausland (ca. ein halbes Jahr) Therapie gemacht, obwohl ich die Sprache nicht mal fließend gesprochen habe, und hatte trotzdem den Eindruck, das rüberzubringen, was ich rüberbringen wollte. Das dürfte dir also auf jeden Fall gelingen!

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lisbeth
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Beitrag Di., 03.11.2015, 08:10

Hallo Mia,

ich habe längere Zeit in GB gelebt und dort auch therapeutische Hilfe gesucht, als mir eine Zeitlang nicht gut ging.
Es war meine erste "Therapie-Erfahrung" und die Probleme die es im Prozess gab, waren Probleme, die ich auch auf Deutsch habe/hatte: Schwierigkeiten, Vertrauen zu fassen und mich zu öffnen usw.
Ich denke, auch hier kommt es darauf an, dass die Chemie stimmt. Und das der/die Therapeut/in auf dem Schirm hat, dass du nicht in Deiner Muttersprache kommunizierst und dann vielleicht manchmal lieber zweimal nachfragt, wenn etwas unklar bleibt.

Für mich war es auf Englisch seltsamerweise so, dass ich viel besseren Zugang zu meinen Gefühlen fand als auf Deutsch. Bestimmte Hemmschwellen, die da sind, wenn ich im "deutschen Kontext" funktioniere, waren einfach nicht vorhanden.
Nach meinem Empfinden kann es also auch ein Vorteil sein, in einer anderen Sprache zu kommunizieren, weil es nicht das gewohnte Terrain ist, und bestimmte lebenslange Verhaltensmuster nicht so "funktionieren" wie sonst.

Wünsche Dir alles Gute!

lisbeth.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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R.L.Fellner
Psychotherapeut
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Beitrag Di., 03.11.2015, 14:11

Liebe Mia,

als Therapeut, der z.T. im Ausland tätig war und bis heute z.T. englischsprachig arbeitet, ein paar Gedanken hierzu.

Nicht in der Muttersprache kommunizieren zu können, ist meiner Wahrnehmung nach selbst bei nahezu perfekter Sprachbeherrschung für beide Teile - Therapeut und Klient - mit Abstrichen verbunden, weil man sich einfach nicht so subtil und "exakt" ausdrücken kann wie in der Muttersprache. Zudem wird im Therapiekontext z.T. ja auch eine Art "Spezialvokabular" verwendet: die Beschreibung emotionaler Gefühle und Zustände, metaphorische Inhalte und Redewendungen/Phrasen. Es ist nicht trivial, plötzlich eine knappe Stunde lang nur über Gefühle zu sprechen, wenn man die Sprache gerade mal so beherrscht, dass man im Restaurant Essen bestellen oder kleinere Plaudereien führen kann. Will sagen: Therapie in einer Fremdsprache ist fordernd.

Das kann aber auch ein Vorteil sein. So muß man Worte viel genauer abwägen, und die Kommunikation wird, so mein Eindruck, allgemein "verlangsamt", d.h., sie erlaubt ein noch genaueres Hinsehen und erzwingt geradezu ein noch genaueres Hinhören, manchmal ein Nachfragen, ob man das wirklich so wie intendiert verstanden hat (oder ob das, was man gesagt hat, so verstanden wurde wie beabsichtigt). Regelrechte Extremerfahrungen in diese Richtungen waren für mich Therapien im Ausland, bei denen die Klienten deutlich schlechter Englisch sprachen als ich selbst. Es verlief "dennoch" gut und befriedigend für beide Seiten, wohlgemerkt z.T. sogar deutlich besser als die Therapieerfahrungen dieser Leute in ihren eigenen Heimatländern! Das wird nicht nur alles auf die Sprache zurückzuführen sein, sondern hat natürlich auch da mit dem Vertrauensverhältnis, therapeutischer Erfahrung, der aktuellen Lebensphase und Lebensbedingungen usw. zu tun, illustriert aber doch, dass sprachliche Hürden ultimativ nicht "therapieverhindernd" wirken müssen.

Insofern möchte ich Ihnen empfehlen, doch Ihren therapeutischen Weg fortzusetzen und sich halt jemanden zu suchen, dem/der sie fachlich und menschlich vertrauen. Die verbalen Hindernisse werden Sie dann immer seltener bewußt wahrnehmen... In jedem Fall halte ich es für eine gute Idee, eine Therapie fortzusetzen, wenn man das Heimatland für längere Zeit verläßt - es kann manchmal sein, dass es einem durch den Umzug und die neuen Lebensumstände deutlich besser geht (dann ist im Sinne einer Prophylaxe sehr lohnend, darüber zu reflektieren, was genau einem daran wirklich gut tat), es kann aber auch passieren, dass man in ein noch tieferes Loch rutscht als das, in dem man schon war, weil viele Sicherungsfaktoren wegfallen. Also dranbleiben, und lassen Sie sich überraschen!

Herzliche Grüße,
R.L.Fellner

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abendrot79
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Beitrag Di., 03.11.2015, 18:54

Ich bin mir ziemlich sicher einen ähnlichen Thread schonmal gesehen zu haben, leider finde ich ihn auf Anhieb nicht mehr. Da es damals (soweit ich mich erinnern kann) recht viele Antworten mit Erfahrungsberichten gab, lohnt es sich für dich vielleicht nochmal danach zu suchen .....

Auf alle viel Glück für die Umsiedlung!
Weil Kakao an Bäumen wächst, ist Schokolade irgendwie auch Obst! (gelesen auf einem Frühstücksbrettchen)

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Kastanienbaum
neu an Bo(a)rd!
neu an Bo(a)rd!
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Beiträge: 2

Beitrag Di., 03.11.2015, 19:01

viewtopic.php?t=26326

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Thread-EröffnerIn
Mia Wallace
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Beiträge: 1288

Beitrag Sa., 21.11.2015, 14:36

Liebe Widow, liebe Miss, lieber Herr Fellner, liebe Candle, Abendrot,

eure /Ihre Beiträge haben mir sehr geholfen und mir Mut gemacht, vor allem natürlich Deiner widow, und Ihrer, Herr Fellner .
Ich habe mich schon ein bisschen im WWW nach einem passenden Therapeuten/ einer passenden Therapeutin umgesehen

@widow,, das würde mich auch freuen-
In den nächsten Monaten werde ich allerdings zu beschäftigt sein, um hier vorbei zu schauen.
Und ich weiß auch noch nicht, ob ich überhaupt weiter Lust habe, hier zu lesen und v.a. zu schreiben.
Ich bin ja ohnehin nicht dauernd hier und jedes Mal wenn ich länger gar nicht hier lese und insbesondere, wenn ich nicht schreibe, oder mich auf Diskussionen einlasse merke ich, dass es mir damit (noch) besser geht und nur eine Handvoll User würden mir tatsächlich fehlen (Du würdest auf jeden Fall dazu gehören!).
Wahrscheinlich werde ich nicht mehr hier sein.
Ich wünsche Dir von Herzen alles Gute auf Deinem weiteren Weg und hoffe, irgendwann -bald- einen Deiner Romane auf den Bestsellerlisten vorzufinden

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Elfchen
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Beitrag Sa., 21.11.2015, 15:30

Thread auf Wunsch der TE geschlossen.


Mia, auch von mir die allerbesten Wünsche für deinen neuen Lebensabschnitt.
Wenn du magst und Zeit hast, schau gerne auch von "dort" mal vorbei.

Herzliche Grüsse
Elfchen
Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben. Epiktet

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