Arbeit mit dem Genogramm

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abendrot79
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Arbeit mit dem Genogramm

Beitrag Do., 12.06.2014, 21:07

Hallo,

ich wollte mal fragen wer schonmal mit einem Genogramm (Stammbaum) in der Therapie gearbeitet hat?

(http://de.wikipedia.org/wiki/Genogramm und wer wissen möchte wie sowas aussieht https://www.google.de/search?q=genogram ... 80&bih=673)

Meine Thera hat mir in der letzten Stunde angeboten dies auszuprobieren, da ich mehr über ein bestimmtes Familienmitglied erfahren möchte. Mithilfe eines Genogramms soll man wohl einfacher Beziehungen, Konflikte etc. zwischen den einzelnen Personen / Generationen erkennen und somit Zusammehänge verstehen können.

Ich bin mir noch nicht sicher ob ich es ausprobieren möchte oder nicht, daher die Frage wer schonmal damit gearbeitet hat und wie eure Erfahrungen sind.

Viele Grüsse,
abendrot
Weil Kakao an Bäumen wächst, ist Schokolade irgendwie auch Obst! (gelesen auf einem Frühstücksbrettchen)

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ENA
[nicht mehr wegzudenken]
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Beitrag Do., 12.06.2014, 22:30

Hi,

richtig gearbeitet habe ich damit noch nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass man dadurch Klarheiten gewinnen kann, wenn man mal "alles so vor sich sieht". Ich denke, man sollte vorsichtig sein und nicht zuviel da hinein interpretieren, zumindestens nicht als Außenstehende. Das heißt für mich, dass die jenige, die da deutet, die Klientin ist. Ich in der Therapeutenrolle, wenn ich denn in dieser wäre, wäre höchstens die Ideengeberin, die, die sagt, was ihr auffällt, die Fragen stellt. Diejenige, die aber die Zusammenhänge schafft und für sich deutet, ist die Klientin.
Ich denke, manches kann man da im Zusammenhang und mit etwas Abstand sehen, eben weil man es da vor sich liegen hat. ...aber wie die Beziehung von Onkel Erwin und Tante Frieda, die seit 30 Jahren schon tot sind, wirklich so war, wie ich nun vermute, dass erkenne ich dadurch nicht. ...und warum Tante Elsa nur Jungs zur Welt gebracht hat...nun, das kann unterschiedliche Gründe haben und muss nichts mit der Familie zu tun haben, oder weil nur Männer es in der Situation, in der sie damals lebte, es ausgehalten hätten, etc. .
Also vorsichtig mit Deutungen, aber es kann schon mal ganz hilfreich sein, einfach die Personen und Daten mal so auf einem Blatt zu sehen, ein paar Infos dazuschreiben und sich somit das ganze mal anzusehen.

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LottaLi
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Beiträge: 23

Beitrag Fr., 13.06.2014, 00:04

Hi Abendrot,

ich hab nicht in der Therapie mit einem Geogramm gearbeitet aber für ein Seminar im Studium habe ich eine Genogramm-Analyse meiner eigenen Familie mit familiengeschichtlichen Gesprächen durchgeführt und ich empfand es als unerwartet heftig, vor allem die Gespräche aber auch dann die Analyse mit Professorin und Kommilitonen hat mich mehr getroffen als ich es mir vorstellen konnte, da war nichts mehr mit wissenschaftlicher Neutralität..^^ Vor allem zu erkennen wie sich bestimmte (Entscheidungs-)Muster durch die Generationen ziehen war gleichzeitig faszinierend und beängstigend. Aber es hat mir tatsächlich geholfen manche Zusammenhänge nun besser zu verstehen, auch wenn ich es in so einem Rahmen, in einem Uniseminar nicht mehr machen würde...
Ich denke da ist so ein doch ja geschützter Rahmen wie bei dir besser. Und klar kann man an einem Genogramm nicht Motive und Hintergründe der einzelnen Personen ablesen, aber wenn es dir um Zusammenhänge und latente Sinnstrukturen geht dann kann es schon neuen Input liefern wenn du dich drauf einlässt. Mich hat beeindruckt wie viel Informationen solche paar Daten liefern können wenn man sich näher damit beschäftigt. Was du dann daraus machst bleibt ja alleine dir überlassen. Und nicht zu Letzt kannst du etwas über dich lernen, sagen die Hypothesen die du zu den Personen und einzelnen Daten aufstellst ja mindestens genau so viel über dich und deine Denkmuster aus wie über das zu interpretierende.

Viele Grüße
Lotta

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Thread-EröffnerIn
abendrot79
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Beiträge: 596

Beitrag Fr., 13.06.2014, 19:59

Hallo Lotta,

vielen Dank für deinen Erfahrungsbericht! Hast du das Genogramm damals erstellt um dir eine bestimmte Frage zu beantworten oder hast du dich in dem Seminar nur "zur Verfügung gestellt" aber ohne ein festes Ziel zu verfolgen?

Was du schreibst finde ich höchst spannend, denn meine Skepsis dem Genogramm gegenüber rührt daher, dass ich ein absoluter Kopfmensch bin und mir gerade praktisch nicht vorstellen kann "was das bringen soll". Also theoretisch habe ich schon verstanden wie es funktioniert (auch nochmal dank deiner Erzählungen) aber mir fehlt die Phantasie "was bei meiner Familie" da schon rauskommen soll Aber ich glaube gerade deswegen werde ich es ausprobieren, ich denke ich kann nur gewinnen (an Erkenntnissen) und oft bringen einen ja die Dinge weiter, an die man am wenigsten geglaubt hat.
ENA hat geschrieben:...aber wie die Beziehung von Onkel Erwin und Tante Frieda, die seit 30 Jahren schon tot sind, wirklich so war, wie ich nun vermute, dass erkenne ich dadurch nicht.
Die Frage ist, ob mich die Beziehung von Tante Frieda und Onkel Erwin interessiert Ich denke es kommt nicht auf einzelne Beziehungen an, sondern wie Lotta sagt um Muster die sich durch mehrere Generationen ziehen - sowas kann ja durchaus eine Erklärung für bestimmte Verhaltensweisen etc. sein. Und vielleicht spielen Tante Frieda und Onkel Erwin plötzlich doch eine wchtige Rolle, aber eben nicht als einzelnes Paar, sondern als Teil eines Gesamtbildes. Vielleicht haben ausgerechnet die Beiden ein Muster unterbrochen und damit ganz andere Dinge bewirkt?

Ich merke gerade, je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, desto spannender finde ich es ....

@Lotta: Sind dabei eigentlich nur die Personen wichtig die man "kennt" oder bringt es Sinn dass ich mich vorher informiere ob es vielleicht gerade bei meinen Eltern Tanten oder Onkel gibt von denen ich bisher nichts wusste? Wobei ich dann ja auch nur die groben Eckdaten habe und nichts Persönliches ....

DANKE euch Beiden!
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abendrot79
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Beitrag Sa., 05.07.2014, 14:12

Jetzt antworte ich mir mal selber bzw. für Alle, die sich für das Thema Genogramm interessieren. Mittlerweile "habe ich es hinter mir" und bin echt baff (im positiven Sinne!). Ich hatte erst Zweifel ob es überhaupt machbar ist denn meine Familie ist recht klein und ich weiss kaum etwas über frühere Generationen. Wir haben dann aber einfach begonnen und erstmal ging es gar nicht um bestimmte Fragen oder Details, sondern nur um eine "Sammlung" der Personen. Ich habe erzählt wen es alles gibt und meine Thera hat gemalt und beschriftet und Fragen gestellt. Und langsam und ganz von alleine entdeckten wir "spannende Dinge", Muster die sich wiederholen, Verbindungen die mir nicht bewusst waren und - ich kann es nur schwer in Worte fassen - eine für mich ganz wichtige Erkenntnis zum Thema "Beziehungen". Daran knabbere ich auch gerade noch etwas, denn mich hat es erschreckt (dieses Mal baff im negativen Sinne), die sehr sich doch eine ausgeprägte Beziehungsunfähigkeit durch diese Familie zieht (da wundert mich nix mehr ).

Für mich hat es sich auf alle Fälle gelohnt - obwohl wir bestimmte Zweige der Familie gar nicht angeschaut haben. Aber ansich fehlen die gar nicht, denn dass was ich gesehen habe reicht mir. Ich weiss genau dass sich bestimmte Dinge auch durch die, nicht ins Genogramm integrierten Familienmitglieder ziehen. Und ich weiss, dass ich die Wurzel bestimmter Eigenarten nicht bei mir suchen brauche, weil sie eher in die Schublade "Erbe" fallen.

So ganz weiss ich noch nicht was ich mit meinem neuen Wissen mache, ob ich es schaffe dadurch ein bischen "Schuld" von meinen Schulter auf die gesamte Familie zu verteilen. Aber ich glaube es ist auf alle Fälle der Anfang gemacht um zu verstehen, dass diese Familie teilweise einfach nicht anders konnte und kann. Das soll und wird sie nicht entlasten, aber mir vielleicht langfristig ein bischen "Frieden" bringen ..... UND, mir die Möglichkeit geben diese Muster zu durchbrechen und sie NICHT an meine Kinder weiter zu geben (wenn nicht schon zu spät ).
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