Therapeutischer Humor: Lachen in der Therapie?

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Fundevogel
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Therapeutischer Humor: Lachen in der Therapie?

Beitrag Fr., 01.02.2013, 22:01

Psychodroge Humor:
Wie Lachen im Kampf gegen Burnout-Zustände, Depressionen und Angststörungen eingesetzt wird.


Das ist die Titelgeschichte der dieswöchigen Ausgabe
des österreichischen Nachrichtenmagazins "Profil".

Nach Studien hilft Lachen nachweislich und zwar auch in Psychotherapien.
Über das folgende Beispiel habe ich gelacht:
"Eine systematische Untersuchung von Patienten mit Spinnenphobie ergab,
dass das Betrachten von Stimuli wie Spinnen im Ballettröckchen [sic! Herv.Fundevogel]
die Angst genauso effizient reduzierte wie eine klassische Desensibilisierung."
(profil, S. 76):

Humor wird zu therapeutischen Zwecken eingesetzt: Er verbessert die Beziehung zwischen Patient und Therapeut, erleichtert die Beschwerden, verbessert unmittelbar den affektiven Zustand des Patienten [und wohl auch des Therapeuten] und die spielerische Leichtigkeit erhöht die Lernfähigkeit.

In meiner eigenen Therapie (und in meinem Leben)
ist mir Humor sehr wichtig.

Aber manchmal frage ich mich auch:
Hilft Humor wirklich -
oder läuft man damit vielleicht auch Gefahr,
Dinge schönzureden oder zu ignorieren?

Humor als Verdrängungsmechanismus -
Blödsinn oder sinnvoll?
Wie seht Ihr das?
Fundevogel

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Widow
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Beitrag Fr., 01.02.2013, 22:17

Fundevogel hat geschrieben:Humor als Verdrängungsmechanismus -
Blödsinn oder sinnvoll?
Wie seht Ihr das?
Wie immer: Ambivalent. Bild

Mit gebotenem Ernst und leichtem Lächeln: Es gibt einige ernstzunehmende Definitionsbemühungsdebatten über "Humor". Und natürlich die Abgrenzung desselben zum "Witz", zur "Komik" und zu diversen anderen Begriffen aus diesem Feld.
Ich bin schon mächtig auf die Schnauze gefallen, wenn ich meinen (aus bestimmten Quellen sich speisenden, also nicht auf meinem Mist gewachsenen) Humorbegriff einfach angewendet habe, ohne ihn zu erläutern.

Gleichwohl: Ich wage das erneut. Eine Therapie ohne Humor und vor allem ohne humoristische Selbst-Ironie? Wie soll das gehen? Wie soll man ohne dies den manchmal nötigen Abstand von sich kriegen, jenen "Punkt im (therapeutischen) Raum", von dem aus man sich (überhaupt erstmal) ansehen, dann aus anderen Augen betrachten und schließlich in eine neue Perspektive stellen kann?
Meine simplen Gleichungen lauten also: Therapie ohne Humor =
Rinderbraten in Bratschlauch ohne Löcher;
Sandkorn in toter Muschel;
Porträtmaler mit 18 Dioptrin und ohne Sehhilfe.

Aber auch für den Humor gilt das Gleiche wie für den Ernst - in Leben und Therapie: In Maßen, am richtigen Ort und, wenn möglich, mit Blick aufs anwesende Gegenüber.

(Ich habe gerade das Gefühl, mich jetzt mit meinen Gleichungen für diesen Thread wirklich disqualifiziert zu haben - )
Zuletzt geändert von Widow am Fr., 01.02.2013, 22:20, insgesamt 1-mal geändert.

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Traurige Seele
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Beitrag Fr., 01.02.2013, 22:20

Also ich finde Humor auch in der therapeutischen Beziehung sehr wichtig.

Also ich finde manchmal kann es die Situation einfach auflockern. Weil immer nur über negative Sachen zu reden ist ja auch nicht gerade förderlich für die Therapie.

Ich sagte beim letzten Termin auch zu meiner Therapeutin "Also mein erster Sohn ist wenn man es genau nimmt ja auch nur ein Dreimonatskind" Sie hat auch schön über diesen Satz geschmunzelt. Wir hatten es über meine Ursprungsfamilie und uneheliche Kinder und so was. Da fiel mir ein dass mein Sohn ja auch fast unehelich geboren worden wäre, deshalb Dreimonatskind.

Also wie gesagt ich finde es sollte natürlich nicht übertrieben werden mit dem Humor aber hin und wieder mal so zur Auflockerung der doch ernsten Themen ein kleiner lustiger Spruch ist doch gut.

LG TS
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Fast Forward
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Beitrag Fr., 01.02.2013, 22:22

Hmm, erst dachte ich impulsiv "So ein Blödsinn, als könne mich eine Spinne im Ballettrock davon überzeugen, dass ich Spinnen nicht fürchte muss", doch dann fiel mir ein, dass meine Angst dadurch gemindert wurde, dass ich in der Tat die Viecher bei ungeschickten Taten (etwa vom Netz baumeln oder so) beobachtet habe und mir immer wieder einredete, wie unbeholfen die Tierchen mir gegenüber sind und wie leicht ich sie zerquetschen kann. Das ist nicht direkt Humor, aber Humor kann schon ein Teil davon sein. (und ich habe immer noch Angst vor Spinnen)

Ich denke nicht, dass Humor der Verdrängung oder Beschönigung dient, sondern die Problematik in ein anderes Licht bringt, andere Verknüpfungen herstellt und auch wesentlich dazu beiträgt, die Dinge aus einer Distanz zu betrachten. Denn; wir wollen nicht ausgelacht werden und wenn wir über uns und unsere Ängste und Trauer lachen, dann kann dies nur dann aufrichtig humorvolles Lachen sein (und nicht etwa Sarkasmus), wenn wir genügend "Objektivität", Abstand von uns selbst, aufbringen können, um etwas Lustiges daran zu finden. Ich hoffe, ich drücke mich nicht zu konfus aus.
Auf jeden Fall: Lachen über sich selbst indem man sich eigentlich wieder klein macht kann kaum der Weg sein. Lachen über die eigene Sichtweise, die einen einschränkt und die ja auch ganz anders sein könnte hingegen kann tatsächlich den Verstand für andere Wege schärfen. Und ich denke dass Humor so in Therapien genutzt werden kann.

Und ja, ich bin sicher, dass ich deswegen so viel in meiner Therapie gelernt habe und meine depressive Episode plötzlich so schnell hinter mir hatte, weil ich ab der zweiten oder dritten Sitzung schon herzlich mit meinem Thera lachen konnte. Lachen ist auch so viel leichter als Weinen und dennoch löst es Spannungen doch doppelt und dreifach so gut (was nicht bedeutet, dass man Weinen unterdrücken sollte).

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kaja
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Beitrag Fr., 01.02.2013, 22:23

Wenn die Grinsekatze unterhaltsame und amüsante Dinge macht (wie z.B das Eislaufen, viewtopic.php?f=20&t=663&hilit=eure+lustigsten+therapieerlebnisse&start=615) trägt das ungemein zu meiner Entspannung bei.
Die Momente nachdem er sowas gemacht hat, oder über irgendetwas gelacht hat, sind einige der wenigen in denen ich mich auch mal zu Wort melde.
Wenn wir da beide mit Leichenbittermiene rumlaufen würden, wäre meine Therapie wohl endgültig gelaufen.
Humor und Lachen bedeutet ja nicht das man die Themen nicht mehr ernst nimmt.
Zuletzt geändert von kaja am Fr., 01.02.2013, 22:30, insgesamt 1-mal geändert.
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peppermint patty
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Beitrag Fr., 01.02.2013, 22:26

Hi Fundevogel,
Humor ist sehr wichtig und sicherlich kein Verdrängungsmechanismus. Ich sehe ihn vielmehr als "andere" Seite der Medaille von Traurigkeit, Schmerz oder ähnlich.
Und da Lachen alle Beziehungen bereichert, warum nicht auch die Therapeutische? Meine Beraterin (Verhaltenstherapeutin) macht gelegentlich ironische Sprüche, z. B. wenn ich was nicht sehen will, dass finde ich auch sehr gut. So zeigt sie mir meine Uneinsichtigkeit viel besser als durch lange Erklärungen die in ein Ohr rein....

Ich war mal in einer Reha und dort wurde viel geweint (jede musste mal durch so ein Tränental), aber auch wahnsinnig viel gelacht. Diese Lebensfreude, die Lachen für mich verkörpert, gehört zu meinen schönsten Erinnerungen bezüglich der Reha. Ich denke das war sehr heilend für viele von uns.

LG
pp

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Dampfnudel
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Beitrag Fr., 01.02.2013, 22:32

Liebe Fundevogel,

meine Thera1 hatte in ihrem Wartezimmer ein Zitat hängen (ich weiß leider nicht mehr, von wem):
"Psychotherapie ohne Humor ist wie eine Operation ohne Narkose."

Mir hat dieser Spruch immer sehr gut gefallen. Thera2 macht die Therapie ernster als Thera1; ich bezweifle mittlerweile echt, dass ich bei ihr jemals passende Situationen für den Lustigste-Therapiesituationen-Thread erleben werde, aber ich merke jetzt, dass auch das nicht weh tut Eigentlich sogar weniger, sie geht sehr sorgsam und vorsichtig mit mir um, und ich bin seitdem viel weniger nervös vor den Therapiesitzungen und fühle mich irgendwie noch sicherer als bei ihr.

Ob das nun mit dem Humor zu tun hat oder nicht, sei natürlich
dahingestellt...

Liebe Grüße
Dampfnudel
Alles hat seine Zeit.


kaja
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Beitrag Fr., 01.02.2013, 22:37

Dampfnudel hat geschrieben: meine Thera1 hatte in ihrem Wartezimmer ein Zitat hängen (ich weiß leider nicht mehr, von wem):
"Psychotherapie ohne Humor ist wie eine Operation ohne Narkose."
Davon habe ich eine Postkarte. Der Spruch ist von Dr. Michael Bohne
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Fundevogel
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Beitrag Fr., 01.02.2013, 23:11

Widow hat geschrieben:
Fundevogel hat geschrieben:Humor als Verdrängungsmechanismus -
Blödsinn oder sinnvoll?
Wie seht Ihr das?
Wie immer: Ambivalent. Bild

Widow hat geschrieben:Meine simplen Gleichungen lauten also: Therapie ohne Humor =
Rinderbraten in Bratschlauch ohne Löcher;
Sandkorn in toter Muschel;
Porträtmaler mit 18 Dioptrin und ohne Sehhilfe.

Widow hat geschrieben:(Ich habe gerade das Gefühl, mich jetzt mit meinen Gleichungen für diesen Thread wirklich disqualifiziert zu haben - )
Neiein - dein Gefühl trügt dich. So leicht kommst du hier nicht raus.
Ich hab mich grad gebogen vor Lachen bei deinen Vergleichen.

Und natürlich hast Du Recht damit - Humor und Ernst sollten beides in Maßen eingesetzt und genossen werden. Ja. Und das Gegenüber im Blick behalten. Ja.
Aber ist das manchmal nicht schlicht und einfach UNANGEMESSEN?
Weil es manchmal kein Maß gibt?
Fundevogel

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Beitrag Fr., 01.02.2013, 23:16

Fast Forward hat geschrieben:Hmm, erst dachte ich impulsiv "So ein Blödsinn, als könne mich eine Spinne im Ballettrock davon überzeugen, dass ich Spinnen nicht fürchte muss",
Weißt du, Fast Forward, ich stelle mir das dann immer so bildlich vor und dann lache ich mich scheckig...
Fast Forward hat geschrieben: Lachen über sich selbst indem man sich eigentlich wieder klein macht kann kaum der Weg sein. Lachen über die eigene Sichtweise, die einen einschränkt und die ja auch ganz anders sein könnte hingegen kann tatsächlich den Verstand für andere Wege schärfen.


Das hast du schön gesagt, danke!
Fundevogel


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Beitrag Fr., 01.02.2013, 23:18

Fundevogel hat geschrieben:Aber ist das manchmal nicht schlicht und einfach UNANGEMESSEN?
Weil es manchmal kein Maß gibt?
Ja.

(Mehr nicht.)

Manchmal ist das einfach unangemessen, unpassend, deplaziert, daneben, nicht förderlich, nicht konstruktiv, nicht hilfreich, nicht "therapeutisch" - und zwar beides: Der Ernst und der Humor.

Ja.
Is so.
Kommt vor.
Im Leben, überall, auch in treatment.
(Manchmal gibt's übrigens auch einfach kein Maß mehr, um nochmal ein bissele deutlicher zu werden.)

Und?

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Beitrag Fr., 01.02.2013, 23:24

Hallo kaja,

dein post in dem anderen Thread habe ich gelesen,
ich hab auch sehr gelacht drüber (und vor allem mich gefreut, es von dir dort zu lesen.)

Ich glaube auch - wenn der Therapeut lacht, dann fühlt man sich sicherer.
Oder wenn er so Sachen macht, wie du sie beschrieben hast.
Leute die solche Sachen machen, können nicht gefährlich sein.
Die machen sich klein vor einem und lustig über sich selbst.
Das finde ich beruhigend.
Fundevogel

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Beitrag Fr., 01.02.2013, 23:26

Hi peppermint,

schön, dich wieder mal zu lesen.
Humor als andere Seite der Medaille von Weinen und Trauer?
Hm. Muß ich mal drüber nachdenken.
Heißt dann daß immer beides da ist. Zugleich?
Fundevogel

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Beitrag Fr., 01.02.2013, 23:32

Dampfnudel hat geschrieben: ich bin seitdem viel weniger nervös vor den Therapiesitzungen und fühle mich irgendwie noch sicherer als bei ihr.
Ob das nun mit dem Humor zu tun hat oder nicht, sei natürlich
dahingestellt...
Liebe Dampfnudel ,

Sicherheit ist ja immer so wichtig für mich, deshalb finde ich das interessant. Du fühlst dich sicherer bei deiner jetzigen Thera, obwohl (oder weil?) sie so viel ernster ist?
Da ließe sich jetzt spekulieren ob das ursächlich damit zusammenhängt oder nicht.
Freut mich, daß es dir bei ihr gut geht!
Fundevogel

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peppermint patty
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Beitrag Fr., 01.02.2013, 23:40

Fundevogel hat geschrieben:Hi peppermint,

schön, dich wieder mal zu lesen.
Vielen Dank und ebenso...
Fundevogel hat geschrieben:Humor als andere Seite der Medaille von Weinen und Trauer?
Hm.
Heißt dann daß immer beides da ist. Zugleich?
Zugleich wohl eher nicht, zumindest nicht immer. Aber ich denke es gibt mehr oder weniger zu jedem Gefühl ein Komplementärgefühl.

Und das wäre wohl Freude und Lachen zu Schmerz und Trauer. Tiefer Schmerz und Trauer sind ja auch oft nur aushaltbar mit dem "Wissen", dass es eben auch die Kehrseite gibt.

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