Schweigepflicht/Therapeut über anderen Thera erzählen

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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WhoCares
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Schweigepflicht/Therapeut über anderen Thera erzählen

Beitrag Mi., 19.09.2012, 20:10

Hallo zusammen,

Wie sieht es mit der Schweigepflicht aus der Sicht von mir als Patient aus? Gibt es das ueberhaupt in irgend einer Form? Also ich meine, in wieweit darf ich anderen alles aus den Therapiestunden erzaehlen, auch ueber meinen Therapeuten und seine Arbeitsweise? Ich denke, ohne mir 100% sicher zu sein, dass es da aus legaler Sicht keine Schweigepflicht fuer mich gibt, zumindest steht davon nichts in dem Vertrag, den ich unterschrieben habe.

Die Frage beschaeftigt mich trozdem, da meine aktuelle Therapeutin ab und an fragt, was der Therapeut, den ich fuer kurze Zeit vor ihr hatte und von dem sie weiss, dass ich sehr gut mit ihm arbeiten konnte, in gewissen Situationen gemacht hat. Und was von dem, was er gemacht hat, mir geholfen hat.
Ich finde das gar nicht schlimm, sondern eher gut, dass sie das fragt, aber ich habe dann rueckwirkend meistens Zweifel daran, ob ich ihr so genau von der Arbeitsweise des anderen Therapeuten erzaehlen sollte. Immerhin koennten sie sich ja auch kennen, da sie in der gleichen, nicht sehr grossen Stadt praktizieren. Keine Ahnung in wie weit sich Therapeuten innerhalb einer Stadt kennen.
Klar, sie wird sicher nicht zu ihm hin gehen und sagen, "ach eine deiner Klientinnen, die jetzt bei mir ist, hat erzaehlt, dass du ihr zu diesem oder jenem geraten hast."

Also auch wenn ich denke, dass ich ihr aus legaler Sicht alles ueber ihn erzaehlen koennte, ist das fuer mich trotzdem komisch mit dem Hintergedanken, dass sie sich kennen koenten. Kenn ihr das und wie seid ihr damit umgegangen?

Wenn ich sie direkt frage, weiss ich nicht, ob sie mir das ehrlich sagen wuerde. Nicht, dass sie durch die Frage einen falschen Eindruck bekommt und denkt, dass ich die Therapie abbrechen wuerde, wenn die beiden sich kennen. Ich denke aber schon, dass ich nicht so offen ueber ihn und seine Arbeitsweise erzaehlen wuerde, wenn ich von ihr sicher wusste, dass sie sich kennen. Also ich kann nicht behaupten, dass das nichts aendern wuerde...

Vielen Dank!
WhoCares

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saffiatou
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Beitrag Mi., 19.09.2012, 20:15

Liebe WhoCares,

Du darfst alles und jedem aus Deiner Therapie erzählen. Es ist so, daß die Schweigepflicht ja ein Schutz für Dich sein soll, der
Deiner Thera es untersagt, etwas über Dich zu erzählen, es sei denn in der Supervision. Wenn Du nicht sicher sein könntest,
daß sich Deine Thera an die Schweigepflicht Dir gegenüber hält, wäre ein vertrauensvolles Arbeiten nicht möglich.

Liebe Grüße, Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan

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Thread-EröffnerIn
WhoCares
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Beitrag Mi., 19.09.2012, 20:48

Hi Saffia,

danke fuer Deine Antwort. Also bin ich mir jetzt sicher, dass ich aus legaler Sicht erzaehlen kann, was ich will. Ich dachte mir das schon, aber es bestaetigt zu bekommen ist gut. Danke dafuer!

Bleibt allerdings noch, dass ich mich so fuehle als ob ich aus "moralischer" Sicht (mir faellt kein passenderer Ausdruck ein) ihr nicht alles erzaehlen sollte. Eben da sie sich eventuell kennen. Mein Verstand sagt mir, dass das nicht mein Problem ist und dass das sicher oefter mal vorkommt, dass sich zwei Therapeuten, die mit der gleichen Person arbeiten bzw. gearbeitet haben, kennen. Und sie duerfen ja nichts ueber mich reden. Was mich verunsichert ist eben der Fall, dass sie dann weiss, wie er arbeitet, was er gesagt hat (in manchen Sachen sind sie auch sehr gegensaetzlich) und sie das im Hinterkopf hat, wenn sie ihn sieht. Mein Verstand sagt mir wie gesagt dazu, dass das nicht mein Problem ist und ich mir da gar keine Gedanken drueber machen soll, aber mein Verstand und meine Gefuehlen in/ueber gewisse Situationen haben da oefter mal ein kleine Kommunikationsproblem.
Kennt jemand diese Verunsicherung und hat sich das gelegt, nachdem ihr es eurer Therapeutin erzaehlt habt?

Ich weiss nicht ob meine Beziehung zu meinem Extherapeuten was damit zu tun hat, dass ich mir darueber so viele gedanken mache. Es wirkt auf mich so als ob ich irgendwie noch beschuetzend/verteidigend ueber ihn bin. So ganz geloesst habe ich mich laut meiner aktuellen Therapeutin noch nicht von ihm.

Danke
Quengel-WhoCares
"Could be worse ... could be raining" (aus Young Frankenstein, 1974)

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candle.
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Beitrag Mi., 19.09.2012, 22:08

Hallo WhoCares!

Ich wollte mal nachfragen was du unter "Arbeitsweise" verstehst. Ich kenne keine bzw. habe da nie einen Therapeuten nach gefragt. Zielst du da auf bestimmte Methoden so wie "Methode xyz nach dem und dem"? Oder wie meinst du deine Frage?

Viele Grüße!
candle
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saffiatou
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Beitrag Mi., 19.09.2012, 22:43

Liebe WhoCares,

ich finde es moralisch nicht verwerflich, wenn Du Dich mit Deiner Thera über Deinen Ex-Thera austauscht. Du erzählst dabei ja
Dinge, die für Dein Fortkommen in dieser Therapie entscheidend sein können. Es geht ja nicht darum Deinen ehemaligen Thra
schlecht darstehen zu lassen. Ich kann mir auch gut vorstellen, daß sie einfach wissen will, warum er welche Ansätze vertreten
hat.

Ich bin bei einem Therapeuten und noch bei einer Psychiaterin (die eigentlich keine "richtige" Therapie macht, aber
die Gespräche sind dort ebenfalls sehr intensiv und dauern manchmal über eine Stunde) in Behandlung. Da fragt sie mich auch
immer nach der Therapie, was vorgefallen ist, was wir besprochen haben etc. Wenn ich mal einen Konflikt mit meinem Thera habe,
dann erzähle ich ihr davon, einfach um eine andere Meinung zu hören. Auch da geht es nicht darum, meinen Thera schlecht zu
machen, sondern sie zeigt mir dann eben auch ab und zu auf, wo meine Problematik liegt, wo ich so erstarrt bin, daß ich nicht
mehr klar denken kann. Genauso erfährt sie alles was positiv in der Therapie läuft. Auch meinem Therapeuten erzähle ich von den
Sprechstunden meiner Ärztin. Denke das ist eben wichtig, daß sie erkennen, daß nichts verschwiegen wird, daß sie mir ebenso
vertrauen können.

Du mußt Dir also keine Gedanken machen, wenn Du von Deinem ehemaligen Thera erzählst. Es kann doch auch sein, wenn sie
Dir etwas vorschlägt, was Du ablehnst, weil Dein ehemaliger Thera das Gegenteil geasgt hat, dann wäre es doch gut, wenn sie
erfährt, warum Du das ablehnst.

Liebe Grüße, Saffia
never know better than the natives. Kofi Annan

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Wandelröschen
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Beitrag Mi., 19.09.2012, 22:51

Hallo WhoCares,

würde es eine Schweigepflicht des Patienten in Bezug auf einen ehemaligen Therapeuten geben, könnte er doch gar nicht in einer neuen Therapie aufarbeiten, wenn die Vortherapie negativ gelaufen ist.

Die negativen Erfahrungen, die ich bei meiner EX-Thera gemacht habe, da gab es einige Verletzungen, bevor ich erkannte, dass sie nicht die richtige ist für mich und ich dann gewechselt habe, standen eine ganze Weile zwischen meinem Thera und mir.
Allein schon der Aufbau der Vertrauensbasis gestaltete sich deshalb schwierig, weil ich immer auf der Hut war und aufpasste, dass ja nicht das gliche passiert. Auch habe ich lange nicht gesagt, bei wem ich vorher war, weil mir klar war, dass er sie kannte. (die Stadt, in der er wohnt, ist nicht so sehr groß, sie wohnen im gleichen Stadtteil. Sie gibt an einem Fortbildungsinstitut Kurse und ist eine angesehene Kapazität. An dem Ausbildungsinstitut hat auch er Kurse belegt, …) Auf meiner Therasuche war es kontraproduktiv zu sagen, wo ich vorher war (wenn die Ex schon nicht mit mir klar kommt, muss ich ja ein besonders schwieriger Fall sein, den man sich nicht freiwillig antut, also gab es da immer eine negative Reaktion, deswegen sagte ich es bald nicht mehr).
Aber irgendwann musste sie auf dem Tisch, um die Verletzungen zu bearbeiten. Und meine Vermutung war richtig, er kannte sie tatsächlich.
Gruß
Wandelröschen

Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn nicht ich.

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Beitrag Do., 20.09.2012, 01:58

Hi zusammen,

vielen Dank fuer Eure Antwortn!!
candle. hat geschrieben: Ich wollte mal nachfragen was du unter "Arbeitsweise" verstehst. Ich kenne keine bzw. habe da nie einen Therapeuten nach gefragt. Zielst du da auf bestimmte Methoden so wie "Methode xyz nach dem und dem"? Oder wie meinst du deine Frage?
Arbeitsweisen ist vermutlich nicht das richtige Wort auf Deutsch (vermutlich auch nicht auf Englisch, mir war aber nichts besseres eingefallen ). Gut, dass Du nachfragst, dann kann ich das ein wenig besser erklaeren, was ich meine, vielleicht am einfachsten an Hand von Beispielen. Sie fragte z.B.
-ob er mich aktiv auf frische Spuren einer Selbstverletzung angesprochen hat oder nicht
-was er gemacht hat, wenn er sah, dass ich Druck hatte mich zu verletzten und wie er reagiert hat, wenn ich es gesagt habe (wobei ich z.B. selber mal ganz verwirrt war als er sagte, ich soll mich ruhig verletzen, wenn der Druck zu viel wird. Das ist etwas, was sie denke ich nie sagen wuerde und so ein Punkt, der z.B. komisch sein koennte, wenn sie sich kennen. Immerhin habe ich ihr das mal im Troz an den Kopf geworfen, dass er das gesgat haette, woraufhin sie erstmal nichts mehr gesagt hat. Ich bin dann zwar auch etwas zurueck gerudert und sagte, dass er es vielleicht in einer extremeren Situation gesagt hatte, aber komisch war es schon.)
-wie unser Erstgespraech war, auch im Vergleich zu dem mit ihr
-ob er auf Situationen anders reagiert als sie und ob ich das besser finde (so allgemein hat sie das formuliert, worauf ich spontan gar nicht wusste, was ich antworten sollte)
-ob er mich, wenn es mal zum Schweigen gekommen war, einfach hat schweigen lassen oder nicht
-ob er mir angeboten hat, dass ich ihn weiterhin kontaktieren kann. Sie meinte, dass sie es gut findet so 1/2 bis 1 Jahr nach Ende der Therapie noch mal von den Patienten zu hoeren, wie es ihnen inzwischen geht. Und ob er mir so etwas auch gesagt haette.
-viele ihrer Fragen zielen darauf ab, wie aktiv er mich draengte etwas zu sagen bzw. wie viel er durchgehen liess, ohne dass er aktiv wurde und nachfragte
-neben natuerlich Sachen, wie ob und welche Entspannungsuebungen, Skills etc. ich bei ihm gelernt habe, was ja Fragen sind, die total logisch sind, da sie so weiss, auf welchem "Level" ich in dem Bezug bin



Jetzt, wo ich das aufschreibe, weiss ich gar nicht, ob das ganz "normale" Fragen sind oder ob meine Therapeutin vielleicht unsicher ist wie sie mit mir umgehen soll. Sie ist noch recht jung und noch nicht so lange mit der Ausbildung (+Praktika, die man machen muss, keine Ahnung, was es da so gibt) fertig. Und ich habe in unserem ersten Gespraech gesagt, dass ich mich bei ihm wohl fuehlte und er mir in den wenigen Stunden, die wir hatten schon sehr geholfen hat. Und seitdem ich bei ihr bin haengt es ein wenig...



Jetzt habe ich auf candles Kommentar viel mehr geschrieben als ich wollte. Ich muss jetzt weg, gehe auf die anderen aber spaeter noch ein!

Liebe Gruesse,
WhoCares
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Beitrag Do., 20.09.2012, 03:45

Hi WhoCares

Also ich erzähle meinem Thera schon, was beim Thera davor so gelaufen ist. Er fragt auch danach, das ist schon okay. Außerdem hat er sowieso auch alle Arztberichte und das Gutachten, ein anderer Thera hat sogar mit meinem Einverständnis mit den anderen telefoniert. Du selbst darfst immer darüber reden, nur die Ärzte/Theras nicht ohne Dein Einverständnis.
Lieben Gruß
elana

inaktiv, siehe Link in meinem Profil

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Beitrag Do., 20.09.2012, 04:48

Hallo!

Vielen Dank fuer eure Antworten!
ich sollte anscheinend wirklich stark daran arbeiten, dass ich mir nicht so viele Gedanken um alles mache . Legal wuerde es ja gar keinen Sinn machen, wenn ich nicht alles erzaehlen duerfte, das ist logisch und haette mir einleuchten sollen.
Und eure Argumente/Meinungen dazu, dass ich auch moralisch keine "Schweigepflicht" habe, ich mich also meinem alten Therapeuten gegenueber nicht schlecht fuehelen sollte, wenn ich etwas aus der ersten Therapie bzw. von ihm erzaehle, helfen mir auf jeden Fall dabei das ein wenig weniger zu tun. Ich lasse das mal noch ein wenig einwirken und dann werde ich das hoffentlich auch hinter mir lassen.

-WhoCares

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