Containing in der Psychoanalyse/Psychotherapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Tristezza
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Containing in der Psychoanalyse/Psychotherapie

Beitrag Mo., 09.07.2012, 12:45

Meine Analytikerin spricht öfter mal vom Verdauen oder Entgiften der Gefühle. Heute sagte sie wieder: Sie können sich nicht vorstellen, dass Ihre Gefühle ausgehalten, verstanden, verdaut und verarbeitet werden können. Es ging darum, dass ich, wenn ich alleine bin, oft von unerträglichen Gefühlen heimgesucht werde, die ich dann zu betäuben versuche.
Bei meinen Recherchen habe ich herausgefunden, dass meine Analytikerin offenbar eine "Anhängerin" der Containing-Theorie ist: Der Analytiker/die Analytikerin nimmt wie eine gute Mutter die unerträglichen Gefühle des Patienten/der Patientin auf, "verdaut" sie und gibt sie ihm/ihr in einem erträglichen Zustand wieder zurück. Was haltet ihr von dieser Theorie? Und habt ihr das in euren Analysen/Therapien erlebt, funktioniert das wirklich?

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carö
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Beitrag Mo., 09.07.2012, 12:54

hallo tristezza,

was glaubst du denn ? du klingst sehr skeptisch. warum ?

ich denke, dass es funktionieren KANN. ja.

kurzes lesefutter noch http://de.wikipedia.org/wiki/Mentalisierung

(bions container-modell taucht da bei den verwandten modellen auf)
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)

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Tristezza
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Beitrag Mo., 09.07.2012, 13:03

carö hat geschrieben: du klingst sehr skeptisch. warum ?
Ach, das kommt mir fast ein wenig esoterisch vor. Nicht so sehr wie z.B. der Ödipus-Komplex, aber irgendwie konstruiert. Und ich bin mir sehr unsicher, ob das bei mir funktioniert. Ich habe schon so viel Therapie gemacht, allmählich müsste ich entgiftet sein... (aber vielleicht waren es ja nicht die richtigen ).
Danke für den Link, den werde ich später noch lesen.

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Mary-Lou
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Beitrag Mo., 09.07.2012, 13:05

Was genau bedeutet es, dass die Gefühle verdaut werden? Und wie können sie dann in einem erträglichen Zustand zurückgegeben werden?

Das habe ich jetzt nicht ganz verstanden
Frühling: „Eine echte Auferstehung, ein Stück Unsterblichkeit.” (Henry David Thoreau)

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Widow
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Beitrag Mo., 09.07.2012, 13:12

Habe ich auch nicht verstanden ...
Für mein Empfinden und Verständnis stößt hier die Metaphorik (und nichts anderes ist dieses Modell in meinen Augen) an eine Grenze: Die der Umsetzbarkeit sprachlicher Bilder in Faktizität.
Das heißt aber keineswegs, dass es nicht anderen gelingt, über diese Grenze hinauszugehen oder das Containing-Modell von vornherein weniger metaphorisch als ich zu "be-greifen".

Einen lieben Gruß vom entnervten Eisbären (hat einstweilen keine Lust mehr auf psychoanalytische Konstrukte ...)

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münchnerkindl
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Beitrag Mo., 09.07.2012, 13:33

Tristezza hat geschrieben: Bei meinen Recherchen habe ich herausgefunden, dass meine Analytikerin offenbar eine "Anhängerin" der Containing-Theorie ist: Der Analytiker/die Analytikerin nimmt wie eine gute Mutter die unerträglichen Gefühle des Patienten/der Patientin auf, "verdaut" sie und gibt sie ihm/ihr in einem erträglichen Zustand wieder zurück. Was haltet ihr von dieser Theorie?
Also so wie du das vorschlägst halte ich es für Humbug, es ist deine Emotion und nur du kannst sie bearbeiten. Eine Emotion ist doch kein Auto, das man beim Mechaniker zum Reparieren gibt und dann funktionsfähig zurückbekommt.


leberblümchen
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Beitrag Mo., 09.07.2012, 13:54

Also, ich finde das schon plausibel (wenn ich das richtig verstanden habe): Eltern sind ja dafür da, die Ängste und andere negativen Dinge im Kind an- und aufzunehmen, um ihnen den Schrecken zu nehmen. Und die werden dann so wieder 'zurückgegeben', dass das Kind sie aushalten kann, wie man einem Baby einen Brei gibt, anstatt ihm das Rinderfilet als Scheibe in die Hand zu drücken. Es geht ja nicht darum, negative Gefühle zu ignorieren, sondern man muss sie ernst nehmen, ohne sich davon - wie das ohne Eltern der Fall wäre - 'umhauen' zu lassen. Und das Kind lernt dann: "Meine Angst ist gar nicht so schlimm, dass die Mutter daran zerbricht". So verstehe ich das.


Widow
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Beitrag Mo., 09.07.2012, 14:04

Aber ist es nicht beim Kind (vom Erwachsenen in Therapie mal ganz zu schweigen) so, dass es, wenn es vor Angst und Unwohlsein z.B. brüllt, nicht etwa diese Gefühle abgenommen, fremdverdaut und dann quasi fermentiert (also in verträglicherer Gestalt) wieder zurückgefüttert bekommt, sondern schlicht und ergreifend - sofern die Bezugsperson "hinreichend funktioniert" - getröstet wird und damit von der Angst letztlich abgelenkt?
Es bleibt doch seine Angst, nur mag die sich im Laufe der Zeit abschwächen, weil es merkt, dass es doch nicht stirbt.


leberblümchen
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Beitrag Mo., 09.07.2012, 14:12

Hm, also ich lenke meine Kinder eigentlich nicht ab, wenn sie Angst haben, sondern ich versuche, die Angst anzunehmen, zu verstehen und dann gemeinsam zu gucken, ob und wo Gefahren lauern. Z.B. bei der Angst vor Gewitter oder so, da wäre es doch unzureichend, das Kind alleine abzulenken, aber man lässt es halt nicht emotional damit alleine. Und ich könnte mir vorstellen, dass viele 'Gestörte' eben diese Sicherheit nicht hatten, dass die Eltern die Angst ausgehalten haben, sondern dass sie entweder abgelenkt wurden (z.B. indem sie gefüttert wurden, obwohl sie gar keinen Hunger hatten, sondern nur verstanden werden wollten) oder dass man sie womöglich noch ausgeschimpft hat und ihnen gesagt hat, sie sollen sich nicht so anstellen.

Wenn dann also zum ersten Mal im Leben der Therapeut offen ist für diese Gefühle und sie aufnimmt wie ein Container, dann versteht und sich nicht abwendet, dann kann ich mir vorstellen, dass das heilend ist, weil man als Patient dann in dieser ruhigen Atmosphäre leichter diese Gefühle 'ansehen' kann, als wenn man damit alleine klarkommen muss.


Widow
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Beitrag Mo., 09.07.2012, 14:14

Sorry, ich dachte, in der kindlichen Entwicklungspsychologie würde das Containing-Modell deutlich früher angesetzt, nämlich in den ersten 6 Lebensmonaten (in denen es nicht darum geht, gemeinsam nach dem Monster unterm Bett zu suchen). Wenn ein Kind so "verständig" ist, dass man solchermaßen mit ihm über seine Ängste reden kann, dann ist doch - lt. Säuglingsforschung - das Entscheidende schon längst passiert.

Mein Hintercouchler bezieht sich auch immer auf die Säuglingsphase, wenn er mir mit diesem Modell zu kommen versucht (und ich spucke dann einfach auf seine Achsel, wie früher, wenn das mit dem Bäuerchen nicht so ganz perfekt klappte ...)

[Sorry, muss nun weg.]


leberblümchen
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Beitrag Mo., 09.07.2012, 14:18

War jetzt nur ein Beispiel - das heißt ja nicht, dass ältere Kinder nicht auch verstanden werden wollen

Auch ein Säugling spürt ja, dass die Eltern mit dem Leid des Kindes überfordert sind. Und ja, ich denke tatsächlich, dass man auch Säuglinge verstehen kann, dass das aber allzu oft vernachlässigt wird. Mich gruselt es immer, wenn einem brüllenden Säugling die Pulle in den Mund gestopft wird oder man es kitzeln will, obwohl es vielleicht tatsächlich 'nur' Angst hat.

Klar, wir reden auch immer über die Baby-Phase, aber es setzt sich ja im Kindesalter oft fort, was im Baby-Alter begonnen hat.

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carö
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Beitrag Mo., 09.07.2012, 14:41

ich find das gut erklärt titus. so in etwa denke ich auch, dass es zu verstehen ist. der patient kann erleben (sofern es gelingt), dass die angst oder andere noch nicht aushaltbaren gefühle vom gegenüber nicht als unerträglich empfunden werden, so dass er sich abwenden muss oder sie völlig ungefiltert wieder zurückgeben muss, sondern sie (aus-)halten und darüber nachdenken kann und auch passende, das verstehen fördernde und vielleicht auch tröstliche worte dazu finden kann..... so kann man die eigenen gefühle als versteh- und annehmbar hoffentlich besser in sich aufnehmen und damit weiterdenken und -fühlen. und so weiter.. bis man diese grundlegende selbst- und affektregulierungsfähigkeit - man könnte auch mentalisierungsfähigkeit sagen - in sich aufgebaut hat... und eben keine betäubungsmittel beispielsweise benötigt, um die eigenen gefühle (aus-)halten zu können.


aber schnöde ist jede theorie...
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)


leberblümchen
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Beitrag Mo., 09.07.2012, 14:51

Passenderweise haben wir in meiner heutigen Stunde gerade darüber geredet, dass ich als Kind meiner Mutter nie meine Ängste erzählen durfte. Sie wurde dann laut, nervös, überfordert, hat mit mir gemeckert usw. Und nun kann ich mir ja vorstellen, wie sie sich wohl gefühlt hat, wenn ich als Baby gebrüllt hab...

Vielleicht ist das für gesunde Menschen selbstverständlich, dass sie sich mit ihren Ängsten anderen Menschen anvertrauen können Ich musste das immer wegdrücken, um meine Eltern nicht noch mehr zu verunsichern. Und jetzt ist da jemand, der sich das mal so richtig ansieht. Keine Ahnung, ob das unter den Begriff des Containings fällt - ich hab es nicht so mit Theorien und Diagrammen.


pandas
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Beitrag Mo., 09.07.2012, 15:07

hi Tristezza,

bei dem meinen Pa´ler habe ich auch etwas den Verdacht, dass er diesem Containining-Modell in dem Sinne Wichtigkeit gibt und auch meint, dass dies so wie beschrieben funktionieren kann. De facto scheint das auch mit dem Schweigen zusammenzuhängen: Das Ausgesprochene steht im Raum und soll dann wohl metapsychisch verdaut werden, gemeinsam, angeleitet ... mir ist das aber auch zu esoterisch (-da könnte man ja genauso gut Reiki über die Krankenkasse finanzieren lassen, worüber aber die Gremien dort die Hände über den Kopf schlagen würden-).

Glücklicherweise habe ich es bisher geschafft, anstatt solcher luftigen Schweige-Containings Dialog etc. herauszukitzeln, sozusagen.
Kurz vor dem Urlaub haben wir auch über meine unangenehmen Gefühle bezüglich von Schweigeseancen gesprochen und er sagte : "Ich bin dann ganz bei Ihnen" - wobei mir da dann auch der Blick fehlt. Per se ist mir die Vorstellung eines nicht-sichtbaren Schweigers eher unheimlich.
Mit dem Durchsprechen der Gefühle und in dem Sinne verdauend ist auch noch work in progress, da da auch offenkundig noch einige biografische Fakten etc. fehlen.

Nun, so habe ich auf jeden Fall für die Rückkunft aus der "Sommerpause" (Ende nächster Woche ) genug Stoff für die Auseinandersetzung. Im Reflektieren nach der ersten Entzugswoche habe ich gemerkt, dass für mich die Auseinandersetzung wohl da auch wichtiger ist als Symbiose.

Ich bin da etwas skeptisch, dass das tatsächlich in dem Sinne nicht-agierend agierend als "heilend" auf Kindheitsdefizite wirken kann.
Dafür ist es wahrscheinlich doch zu wenig.
Einerseits soll die Patientin dann ganz erwachsen, dass für ein Kind doch sehr begrenzte Setting akzeptieren, anderseits soll sie sich wie ein Kind oder gar ein Baby exact 50 minuten fallen lassen und ganz dem nicht-sichtbaren Pa´ler vertrauen ... ne, das ist für mich ein Paradox.

Ich bleibe da lieber beim explorativen Dialog
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard


leberblümchen
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Beitrag Mo., 09.07.2012, 15:16

biber hat geschrieben: Einerseits soll die Patientin dann ganz erwachsen, dass für ein Kind doch sehr begrenzte Setting akzeptieren, anderseits soll sie sich wie ein Kind oder gar ein Baby exact 50 minuten fallen lassen und ganz dem nicht-sichtbaren Pa´ler vertrauen ... ne, das ist für mich ein Paradox.
Hm, aber genau das ist doch Psychoanalyse, oder? Sich einerseits fallen lassen und dann am Ende wieder aufstehen. Oder anders gesagt: Gleichzeitig Schauspieler, Kritker und Zuschauer der 'Inszenierung' zu sein.

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