Übertriebene Abstinenz!?

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Tristezza
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Übertriebene Abstinenz!?

Beitrag Di., 27.03.2012, 15:32

Ich rege mich mal wieder über meine Analytikerin auf. Falls einige ein Déjà-Vu-Erlebnis haben sollten: Vor Weihnachten hatte ich schon mal ein ähnliches Thema hier im Forum - da ging es darum, dass sie meine Weihnachtswünsche nicht erwidert hat. Es gab hier die verschiedensten Erklärungen dazu. Nun weiß ich warum: Sie ist auf "klassische" und für mich übertriebene Weise abstinent. Sie hat mir nämlich auch nicht zum Geburtstag gratuliert, obwohl ich an eben diesem auf ihrer Couch lag. Wohl ahnend, dass es zu einem Problem kommen könnte, habe ich erstmal nichts von dem Geburtstag erzählt, bis ich quasi dazu gezwungen war, um eine Frage ehrlich zu beantworten. Sie ging dann zwar auf das Thema ein, jedoch ohne Gratulation. Und ich war ziemlich verärgert und teilte ihr das auch mit. Von da ausgehend hatten wir eine ganz interessante Stunde, doch ich merke, dass ich immer noch ärgerlich bin. Vor allem darüber, dass sie meiner Meinung nach mit ihrer übersteigerten Abstinenz was Dummes macht. Ich habe ihr auch gesagt, dass ich diese Regel dumm finde.
Welche Erfahrungen habt ihr - besonders die Analysandinnen - mit (Geburtstags)Glückwünschen eurer Theras bzw. dem Ausbleiben dieser gemacht? Und wie steht ihr zu dem Thema?

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Miss_Understood
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Beitrag Di., 27.03.2012, 16:01

Liebe Tristezza, ich mache keine Analyse und meine Therapeutin ermunterte mich sogar in der allerersten Stunde sie etwas persönliches zu fragen - was mir auf der Zunge lag, ich aber nicht direkt fragte, sondern nur indirekt sagte ('Mir ist es wichtig, dass meine zukünftige Therapeutin polyamore Beziehungen zumindest nachvollziehen kann und weder gesellschaftlich noch moralisch ablehnt oder per se als Beziehungsstörung erklärt ...'), weil ich damit rechnete ohnehin keine konkret-persönliche Antwort darauf zu erhalten. 'Ist das eine Frage an mich?' fragte sie mich zurück. Ich: 'Äh - sozusagen. Jaha.' Sie: 'Ja, kann ich.' (Pause.) Ich: 'So. - äh. Schön. Gut.' Sie grinste: 'Möchten Sie, dass ich dazu noch mehr sage?' Ich (völlig überrascht): 'Ja, gern!' Und sie sagte kurz, dass sie einige Jahre auch ihre Ehe so geführt habe, dann aber zu klassischer Monogamie zurückgekehrt wäre mit ihrem Mann, weil es nicht mehr stimmig war. Das fand ich bemerkenswert, beruhigend und mehr wollte ich da auch gar nicht wissen. Es trug in jedem Fall zu meiner Entscheidungsfindung gerade für sie bei. (Gleichwohl ich inzwischen nur noch zu 60% überzeugt bin - wenn ich es mal in Zahlen fassen müsste.)

Geburtstag. Hatte ich kürzlich auch. Hatte ich ihr mehrfach erzählt. Sie gratulierte mir nicht. Es stellte sich dann aber heraus, dass sie dachte es sei eine Woche später. Als ich es dann erwähnte, weil es auch darum ging, gratulierte sie mir dann noch mündlich mit einem geäußerten Bedauern, dass sie es eben für nächste Woche auf dem Schirm gehabt habe. Damit war das Thema für mich erledigt. Mehr erwarte ich nicht. Allerdings schon eben eine höflich freundliche Kenntnisnahme. Vor allem, wenn man ja AM TAG bei einem Arzt zb auch ist, dann finde ich es schön, wenn das derselbige oder die Sprechstundenhilfe bemerken und kurz gratulieren. Ich gratuliere ja durchaus auch meinen Geschäftspartnern oder Kunden, wenn ich deren Geburtstag kenne, damit gibt man sich ja nichts. Frohe Weihnachten wünsche ich auch (meist sogar unabhängig der mir bekannten oder unbekannten Religionszugehörigkeit), frohe Ostern eher selten.

Insgesamt kann ich sagen, dass ich deine Frage im Titel mit einem: 'Ja, ich empfinde das als Übertrieben', beantworten müsste.

Liebe Grüße von der Miss
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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carö
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Beitrag Di., 27.03.2012, 16:12

hallo tristezza,

schwierig, weil ich an geburtstagen oft sehr empfindlich/verletzlich bin/war hinsichtlich meines willkommen-seins auf dieser welt.

das hat für mich ne andere bedeutung als weihnachten- und ostern-blabla...
mein analytiker hat mir in all den jahren (es waren viele) ein einziges mal gratuliert.
das war spontan von ihm aus und für mich total schön.
ich hatte an vielen dieser geburtstage auch eine stunde. beim zweiten mal bin ich mit einer totalen erwartungshaltung hingegangen, die er vermutlich sofort "gerochen" hat und es wurde echt ne katasrophe... ... ich gezetert und gequengelt und böse abgestürzt, zum schluss mich total verweigert, er geschwiegen... zum schluss sagte er, wir hätten zusammen eine schöne geburtstagstunden haben können.. boa.. hab ich als den gipfel an sadismus empfunden.

naja... später hab ich dann mehr verstanden von dem, was es bedeutet, erwartungen zu haben, die der andere spürt, und was es bedeutet eine analyse zu machen, die ihren wert und bedeutung nicht daher hat, dass sie konventionen erfüllt oder wünsche und erwartungen befriedigt, sondern versucht diese zu verstehen.
leider konnte ich damals dieses spontane auf mich zugehen, was ja echt passiert ist - mein analytiker war noch ziemlich .. ähm... jung , gar nicht annehmen (doch, sicher in dem moment, aber nicht in mir integrieren) dieser spontane ausdruck und das "schön, dass du an deinem geburtstag hier bist" hab ich verwandelt in eine erwartung.. und deswegen.. deswegen wurde es dann anders. ich denke, dass er sich später viel stärker dessen bewusst wurde, dass es eben wichtig ist, diese erwartungen nicht zu bedienen. wir haben immer darüber gesprochen, wie es sich für mich anfühlt. irgendwie passte dann ein "übrigens alles gute" nicht so richtig hinein.

wir haben im laufe der zeit viele wirklich innige erlebnisse zusammen gehabt. auch stunden an meinem geburtstag. ich dachte dann zwar auch, er könnte es doch auch sagen jetzt, aber er hat es nie mehr gesagt.. und dennoch wusste ich immer mehr, dass er wusste und ich wusste und dass wir eine geburtstagsstunde zusammen hatten.

aber ich finde auch gut und wichtig, dass es spontanität immer wieder gibt... also in diesem sinne ein agierender analytiker ich glaub das ist wichtig für die entwicklung. warst du das mit dem now-moment ? ja, glaube auch, dass das total wichtig ist! aber die analyse lebt eben von der balance zwischen spontanität (im sinne von agieren) und reflektion, denk ich.

LG
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)


Widow
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Beitrag Di., 27.03.2012, 16:15

Liebe Tristezza,

erstmal meinen herzlichen Glückwunsch nachträglich!

Zu Deiner Frage: Du weißt, was jetzt hier vor allem (nicht ausschließlich!) kommen wird ... Die einen werden wieder mal sagen: "Die spinnen, die Analytiker!", die andern werden sagen, dass auch der Verzicht auf Glückwünsche eine sinnvolle Regelung für das Gedeihen der speziellen analytischen Beziehung sei, und die dritten werden Frust auslösen (und Neid), weil sie von den vielen Glückwünschen schwärmen werden, die sie von ihren HintercouchlerInnen schon erhalten hätten.

Vielleicht kann man das Thema mal ein wenig grundsätzlicher angehen?
Geburtstagsglückwünsche sind ja zunächst einmal eine bloße Konvention (also etwas, das zu tun sich die Menschen [eines bestimmten Kulturkreises] verabredet haben). Und eine in der Sache ziemlich unsinnige obendrein: Warum wird mir zu etwas gratuliert bzw. warum beglückwünscht man mich zu etwas, zu dem ich nun am allerwenigsten beigetragen habe, - ja, bei dessen es verwirklichenden Voraussetzungen ich noch nicht einmal vorhanden war, geschweige denn meine Zustimmung (oder mein Veto!) äußern konnte.
Theoretisch also müsste der Glückwunsch an die Eltern gehen.
Nun artikuliert man aber anlässlich von Geburtstagen nicht nur einen Glückwunsch, sondern auch Glückswünsche: Wünsche, die Glückliches für das Geburtstagskind beinhalten. Das kommt jedoch wohl nur von denen "von Herzen", die einen etwas näher kennen,einen mögen und die sich eben wirklich über den Sachverhalt freuen, dass man auf der Welt ist (und einen dann dazu beglückwünschen, obwohl es rein logisch nicht so ganz passt). Verwandte, Freunde, vielleicht auch der eine oder andere Arbeitskollege, die Chefin.
Der entfernte Bekannte oder der Nachbar, den man grüßt, werden also eher die konventionelle Seite des Geburtstagsglückwunsches bedienen, Menschen, die einem näherstehen, die authentischere des GlückSwunsches.

Ein Analytiker, der beides verweigert, die "bloß" konventionelle Äußerung und die den Freunden/Verwandten zustehende persönlichere, ist mir eigentlich lieber als einer, der Geburtstagsglückwünsche ausspricht, denn um letztere kann es sich nicht handeln und eine konventionelle Beziehung ist eine Analyse ja nun wirklich nicht, also sollte vielleicht auch weitgehend auf konventionelle Rituale verzichtet werden.

Allen hier noch einen schönen Abend,
Widow

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montagne
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Beitrag Di., 27.03.2012, 16:24

bei mir ist es so, dass ich, durch den Rythmus oft wenige Tage nach meinem Geburtstag Therapie habe und sie das auch sehen müsste, da sie dann immer die KK-Karte durchzieht und mir das 10-Euro Ding ausdruckt, wo das Geburtsdatum ja drauf steht. Ich habe mich echt oft geärgert. Wusste nicht, checkt sie das echt nicht, will sie nicht? Warum nicht?
Mir gings da auch etwas wie carö.. es hatte sowas damit zu tun, wie willkommen bin ich hier.. auf der Welt? oft sind Glückwünsche nur eine Floskel, aber von der Therapeutin hätte ich mir echt gewünscht, dass sie mich wirklich beglückwünscht, dazu, dass ich da bin... auf dieser Welt.

Vor einiger Zeit, da ging es um etwas ganz anderes, ich sagte sinngemäß: "Und dann hatte ich an dem tag ja auch noch Geburtstag..." und Therapeutin sagt ganz trocken: "Ja eben, klar." Da habe ich gemerkt, klar sie weiß es.
Dieses Jahr habe ich gemerkt, ich brauchte das nicht mehr so, dass sie mir gratuliert. Weil ICH mir sicher bin, dass es gut und okay ist, dass ich auf er Welt bin, weil ich mich willkommen fühle. Klar wäre es immer noch eine nette geste, aber ich brauche es nicht mehr so. Auch weil ich icher fühle, natürlich bin ich willkommen,auch bei ihr und natürlich findet sie es gut, dass ich da bin, wie ich bin.
Und ich denke auch, solange man es so braucht und erwartet, kann man es eh nicht so fühlen. Weil ich glaube dieses fühlen ist ja das wichtige, das aber nur aus einem selbst kommen kann. Die Therapeutin mag mithelfen, dass es wächs, aber man muss es selbst wachsen lassen, denke ich.. das sichere, gute Gefühl.
amor fati


pandas
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Beitrag Di., 27.03.2012, 16:58

Liebe Tristezza,

ich habe ja auch nach 2 anderen Therapien eine Analyse angefangen, d.h. ich gehe gerade auf die 20. Stunde zu.

Geburtstag hatte ich bisher noch nicht. Ich finde es aber erstaunlich, dass es gegen die Abstinenz seien sollte, zu gratulieren.
Wie hat sie es denn begründet?

Abstinenz ist doch eher, dass der Analytiker nichts persönliches von sich erzählt.
Das finde ich auch erst mal ganz gut, denn meine Ex-Verhaltenstherapeutin (50 Stdn.) war da eine richtige Plaudertasche und hat das auch nicht eingestellt bis zum Schluss, obwohl ich ihr mehrmals gesagt habe, dass ich das nicht will. In der letzten Stunde meinte sie dann noch: "Übrigens, als Verhaltenstherapeutin muss ich nicht abstinent sein."

Ansonsten ist Abstinenz das der Analytiker halt nicht körperlich etc. wird.
Z.b. Umarmung, was im Selbsterfahrungsbereich ja durchaus üblich wäre.
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mitsuko
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Beitrag Di., 27.03.2012, 17:10

biber hat geschrieben: Geburtstag hatte ich bisher noch nicht. Ich finde es aber erstaunlich, dass es gegen die Abstinenz seien sollte, zu gratulieren.

Das ist aber durchaus üblich, auch wenn es sicherlich, wie bei allem, nicht jeder einzelne so handhabt.

Mir wurde auch noch nie gratuliert oder einen schönen Urlaub gewünscht oder irgendetwas in die Richtung.
Wie schon gesagt wurde, es geht oft in der Analyse darum die eigenen Erwartungen und auch gerade all das, was man nicht bekommt, obwohl man es sich wünscht, zu erleben und damit wahrzunehmen.


pandas
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Beitrag Di., 27.03.2012, 17:12

mitsuko hat geschrieben: Wie schon gesagt wurde, es geht oft in der Analyse darum die eigenen Erwartungen und auch gerade all das, was man nicht bekommt, obwohl man es sich wünscht, zu erleben und damit wahrzunehmen.
Mh, so deutlich wurde mir das aber vorher nicht gesagt

Nun, da bin ich mal gespannt, wie sich das bei meiner Analyse entwickelt.
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mitsuko
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Beitrag Di., 27.03.2012, 17:16

biber hat geschrieben: Mh, so deutlich wurde mir das aber vorher nicht gesagt
Mir auch nicht.

Oder ich habs vergessen, bzw. habe ich es bestimmt vorher irgendwo gelesen. Damit habe ich aber zu dem Zeitpunkt glaube ich wenig anfangen können.

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carö
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Beitrag Di., 27.03.2012, 17:17

biber hat geschrieben:Mh, so deutlich wurde mir das aber vorher nicht gesagt
du meinst du hast die AGBs nicht so ausführlich gelesen und hättest jetzt vielleicht doch gerne noch eine ausstiegsklausel ?

aber die 14-tages-frist ist vorbei
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pandas
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Beitrag Di., 27.03.2012, 17:29

hi carö,

na, seriously

Er hat ein paar Punkte in den Probegesprächen zur Analyse gesagt, eigentlich finde ich schon, das hätte dazugehört.
Wobei ich mich wahrscheinlich auch dann dafür entschieden hätte.

Nuun ja, aber er ist gesprächsbereit, in der Hinsicht, wenn ich Fragen habe, weil mit etwas auffällt diesbezüglich, bespricht er dies sicher mit mir, auch aus der metabegründung der PA heraus.

Uuund: Wir haben keinen schriftlichen Th-Vertrag gemacht ... sogesehen muß keiner fristen ^^ Falls es tatsächlich zu sehr auseinandergeht mit den Vorstellungen.

Anderseits kann ich mir nicht vorstellen, in absehbarer Zeit ohne Therapie zu sein.

Aber ein bisschen Bedenken gibt mir das schon, dass das doch so eng ist mit der Abstinenz, dass man nichts gutes wünscht.
Anderseits kann es sein, dass er daheraus bei manchen so reagiert hat, wie er hat.
Denn was mir jetzt einfällt:
Ich hatte mal eine Prüfung und hätte mir da eine Nachfrage a la "Wie war´s" gewünscht, und das ging wahrscheinlich wegen der Abstinenz nicht ...
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Miss_Understood
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Beitrag Di., 27.03.2012, 17:38

biber hat geschrieben:In der letzten Stunde meinte sie dann noch: "Übrigens, als Verhaltenstherapeutin muss ich nicht abstinent sein."
Wirklich so unterschiedlich je nach Richtung? Oder ist das eher die unausgesprochene Übereinkunft der jeweiligen Richtungen/Schulen?

Meine ist in der Tat Verhaltenstherapeutin. Und obwohl es bei mir schon auch um das Thema 'Was bzw. wie viel Nähe erwarte ich von anderen im Kontakt?' geht, hat sie da meiner Ansicht nach für mich völlig okay/normal sich verhalten. Jetzt wäre es natürlich interessant zu erfahren, ob sie das bei anderen Klienten anders machen würde. Ich hielt ihr - 'Oh - dann tut es mir leid, dass ich das für nächste Woche verortet habe - also: Herzlichen Glückwunsch nachträglich!' für sehr authentisch (sofern man das von einer Therapiestunde behaupten kann )

Ich nehme an, auch eine Analytikerin wird den hier erwähnten und im deutschsprachigen Raum vorherrschenden 'Höflichkeitskonventionen' Rechnung tragen und beim hereinkommen 'Guten Tag' sagen und die Hand geben, oder nicht? Und beim Abschied wohl auch und vielleicht sogar noch 'Einen schönen Tag.' wünschen.

Diese Art von Respekt vor einer gängigen Etikette gehört für mich zum sicheren Rahmen dazu. Die Frage ist: was an einem Geburtstagswunsch ist 'intimer', was angeblich 'Abstinenz' fordert? Ja, sicher, es ist die individuelle Bedeutung, die der Einzelne dem Thema beimisst. Es besteht allerdings aus mehreren Komponenten: Der Bedeutung des Geburtstages als Tag, als Anlass zu feiern (oder auch nicht). Ja, dafür kann man nix. Ja, es kann ein Tag sein Bilanz zu ziehen, was man im Jahr erreicht hat - für andere ist das Sylvester - oder gar nicht - oder mal so mal so ... UND - getrennt davon - die Geste des Gratulierens. Als Symbol des daran gedacht habens. Als Ehre, als - auch da verschiedene Interpretationsmöglichkeiten.

Mit demonstrativer 'Gewalt' verweigerte Grüße fände ich genau so unflexibel und starr, wenn ich nochmal darüber nachdenke, wie aufgedrücktes wildes Händeschütteln.
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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lamedia
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Beitrag Di., 27.03.2012, 17:45

Mir fällt zum Thema Höflichkeit und Konvention ein, dass ja die Höflichkeitsgebote im therapeutischen Rahmen beidseits irgendwie aufgehoben sind.
Z.B. bin ich als Klientin ja auch "unhöflich", bzw. verhalte mich nicht den Konventionen entsprechend, da ich ja ausschließlich über mich rede, mich in den Vordergrund stelle, mich nicht um Ausgewogenheit kümmere oder kümmern muß, nicht nachfrage, ob das alles genehm und erträglich ist.
Den Geburtstag der Therapeuten wissen wir meist auch nicht und es ist auch nicht vorgesehen, dass der thematisiert wird.
Insofern gelten vielleicht einfach einige Regeln, die "draußen" mehr oder weniger automatisch befolgt werden, im asymmetrischen analytischen Setting nicht, einfach, weil es um etwas anderes geht.


pandas
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Beitrag Di., 27.03.2012, 17:50

Miss_Understood hat geschrieben:
biber hat geschrieben:In der letzten Stunde meinte sie dann noch: "Übrigens, als Verhaltenstherapeutin muss ich nicht abstinent sein."
Wirklich so unterschiedlich je nach Richtung? Oder ist das eher die unausgesprochene Übereinkunft der jeweiligen Richtungen/Schulen?
Nein, das hatte in diesem Fall gar nichts mehr mit Verhaltenstherapie zu tuen, das war eindeutig ihre eigene Einstellung, und dieser letzte Satz war eher im Gesamtzusammenhang so gemeint: "Wenn ich das als Therapeutin so machen will, gönne ich mir das."

Also, ich fand ihren Therapiestil nicht gut, die übliche Sache: Nach hinten, so ab der 20. Stunde, hat sie eben immer mehr so agiert, wie sie ist, und bei den probatorischen Sitzunge wurde das nicht deutlich. Die Therapie hatte nur so 35 % gute Anteile für mich, aber, whatever, nun habe ich ja zum Ausgleich eine PA bekommen, allerdings nach vier Jahren Therapiepause.
Meinen Analytiker schätze ich als fachlich sehr kompetent ein, ich denke, da hätte ich keinen besseren finden können, zumal ich auch keinen älteren wollte.

Miss_Understood hat geschrieben: Ich nehme an, auch eine Analytikerin wird den hier erwähnten und im deutschsprachigen Raum vorherrschenden 'Höflichkeitskonventionen' Rechnung tragen und beim hereinkommen 'Guten Tag' sagen und die Hand geben, oder nicht? Und beim Abschied wohl auch und vielleicht sogar noch 'Einen schönen Tag.' wünschen.
Also, klar, meiner gibt mir zu Begrüßung und Abschied die Hand, halt so, wie man es bei der Arbeit tun würde.

Ich denke mal, beim Thema Geburtstag würde er fragen, wie es mir damit geht und wie es als Kind/Jugendliche in der Famile damit war etc.

Meistens wird das wahrscheinlich nicht angesprochen, weil Therapeuten nicht ständig nachschauen, wann denn überhaupt das Geburtstagsdatum ist.

Wobei, mit "einen schönen Tag" zum Abschied würde ich mich nicht ernst genommen fühlen, denn wenn ich zuvor von "schweren" Dingen erzählt habe, ist´s ja nicht so wahrscheinlich, dass ich anschließend einfach so einen schönen Tag haben werde ....
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

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carö
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Beitrag Di., 27.03.2012, 17:53

hi biber,
biber hat geschrieben:Er hat ein paar Punkte in den Probegesprächen zur Analyse gesagt, eigentlich finde ich schon, das hätte dazugehört.

versteh ich dich jetzt richtig ? du meinst, dass man dem patienten wegen der abstinenz nichts wünscht ?

ich denke, das wird sehr individuell gehandhabt. das wirst du sicher noch herausfinden im laufe der zeit, zu welcher "sorte" deiner gehört... ich kann der strikten "sorte" was abgewinnen, aber auch der weniger strikten. mir wäre v.a. wichtig, dass der analytiker so aufmerksam ist, dass er das, was hinter diesen wünschen oder erwartungen steckt, nicht aus den augen verliert und/oder einfach nur erfüllt, was oftmals viel leichter ist, weil es auch dem konflikt aus dem weg geht.
Uuund: Wir haben keinen schriftlichen Th-Vertrag gemacht ... sogesehen muß keiner fristen ^^
Aber ein bisschen Bedenken gibt mir das schon, dass das doch so eng ist mit der Abstinenz, dass man nichts gutes wünscht.
ich weiss, das kann sich sehr schmerzhaft anfühlen, sehr frustrierend... aber ... ich hab mich letztlich gefragt, was jmd. besseres für mich tun kann - und in diesem sinne mir nur das beste wünscht - als mir zu helfen, dass ich freier sein kann von den alten gespenstern, von inneren druck, unrealistischen erwartungen und wünschen, die enttäuschungen nach sich zogen, ohne dass ich früher die chance hatte, zu verstehen, warum und was ich v.a. hätte ändern können.

LG
carö

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Zuletzt geändert von carö am Di., 27.03.2012, 17:55, insgesamt 2-mal geändert.
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)

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