Therapieerfolg selbst gefährden...

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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jolly32
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Therapieerfolg selbst gefährden...

Beitrag Mo., 20.02.2012, 10:38

Nach mehr als 2-jähriger Therapie wurde in den letzten Wochen endlich der "Schlüssel" zu meinen Leiden bzw. zur Lösung gefunden. Es ging um Erlebnisse in der Kindheit (vermutlich auch einhergehend mit leichter Depression in der Kindheit) die sich auf bestimmte Verhaltensmuster als junger Erwachsener ausgewirkt haben. Ich konnte alles genau nachfühlen, der rote Faden der sich plötzlich durch mein Leben zog und einen Sinn ergab. Herrlich. Habe mich danach echt gut gefühlt und diese destruktiven Selbstvorwürfe waren mit einen Schlag verschwunden, weil ich mein Verhalten endlich verstand und ich mir gar nicht mehr böse sein konnte.. (es ist übrigens NIE jemand zu Schaden gekommen)

So, jetzt bin ich zufällig, weil Amzaon es mir vorgeschlagen hat, auf ein Buch von Rolf Degen vorgschlagen, in dem er die Psychotherapie und eigentlich alles andere auch zerreißt. Bei dem Satz, dass sich Erlebnisse und Erfahrungen in der Kindheit NICHT auf das später Verhalten auswirken... und diese Erklärungen lediglich einen Versuch der Psychologen darstellen, die Schuld abzuwälzen, damit es den Menschen besser geht....

Das hat leider gesessen bei mir. Bin selbst Wissenschafter und weiß natürlich, dass man einer einzelnen Meinung nicht gleich glauben schenken darf und es legitim ist, Methoden in Frage zu stellen bzw. sie zu falsifizieren.

Nur leider habe ich jetzt gerade nichts davon, weil mir gehts einfach grad nicht gut. Den Selbstzweifel wurden wieder Tür und Tor geöffnet. HILFE...

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carö
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Beitrag Mo., 20.02.2012, 10:52

hallo jolly,


ich frage mich/dich, welches gewicht du deiner persönlichen erfahrung, deinem guten gefühl und deiner persönlichen erkenntnis im vergleich zu einer sicht eines aussenstehenden geben kannst...

oder anders gefragt: warum ist es wichtiger, warum wiegt schwerer für dich, was ein anderer meint, als dein gefühl?

LG
carö
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)

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ENA
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Beitrag Mo., 20.02.2012, 10:55

Hm, beim Lesen des ersten Teils Deines Beitrags habe ich genau das gedacht, was Du am Ende schriebst, eben dass es EINE Meinung von vielen ist!!!...und wenn Du in Deiner Therapie für Dich doch sowas Passendes rausgefunden hast, warum denn nicht eher dem folgen, wo Du schon mal einen roten Faden, etwas für Dich passendes gespürt hast? ...oder war das auch in der Therapie so, dass Du dachtest, es sei so, weil der Therapeut das gemeint hast? Was meinst Du denn, was für DICH stimmig ist? Denn letztendlich kannst ja nur Du für Dich rausfinden und nachspüren, was passend ist. Der Therapeut bei Dir in der Sitzung kannte Dich darüber hinaus immerhin, der Buchautor nicht... .
Im Übrigen denke ich, dass so die Grundlagen unseres Denkens, Fühlens, Handels,...schon von klein auf geprägt werden. Manches läuft dann später bewusst ab, manches eher unbewusst. ...und natürlich gibt es auch Verhaltensweisen, die man später noch erlernt, aber ich denke schon, dass das grundlegende Muster aus der Kindheit kommt, was man heute, zumindestens zum Teil noch bewusst machen und auch verändern kann, wenn man das für nötig hält.
...und so als Idee: Wie wäre es, wenn Du das nochmal in Deiner Therapie ansprichst, eben dass Dich dieser Satz verunsichert hat und Du das Erkannte der letzten Therapiewochen nun wieder in Frage stellst?

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jolly32
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Beitrag Mo., 20.02.2012, 11:35

@ carö: ja, da ist was dran. anscheinden ist mein selbstwert bzw. selbstsicherheit nachwievor so angeschlagen, dass ich meinen Gefühlen nicht traue und daher unsicher durch leben tapse. es könnte ja jemand schlecht von mir denken..

@ ENA: Nein, in der Therapie habe ich das überhaupt nicht gedacht, weil ich mit Hilfe des Therapeut mir das selbst erabeitet habe. Je mehr ich jetzt über die ganze Sache nachdenke, umso konfuser wird alles. Schlicht habe ich Angst, dass nun alles wieder zusammenbricht, was ich mir erarbeitet habe, weil ich denke, wenn die Basis = Psyochanalyse nicht richtig ist wie Dengen schreibt, dann ich auch vielleicht die Lösung falsch und wenn die Lösung falsch ist, habe ich wieder ein Problem und es geht mehr schlecht. Es ist mir bewusst, dass ich mich da auf sehr hohen theoretischen Niveau bewege, aber was soll ich machen?
Ich werde dies bei der nächsten Sitzung ganz sicher zum Thema machen. Allerdings ist die nächste Sitzung erst am Mittwoch, also übermorgen, aber irgendwie geht es in mir drunter und drüber. Es ist einfach schwer auszuhalten im Moment.

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Osa
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Beitrag Mo., 20.02.2012, 11:38

Hallo Jolly,

ich kenne die Gedanken, die du beschreibst, nur zu gut von mir selber...

Vielleicht hilft es dir, daran zu denken, dass es bei der Veröffentlichung von populär- bzw. pseudowissenschaftlichen Büchern dieser Art nicht so sehr um das Infragestellen von Theorien/Methoden geht, sondern primär um das Polarisieren, das wiederum hohe Verkaufszahlen fördert. Ähnliches findet man ja auch im Bereich (gesunde) Ernährung, wo z.B. die Einzelmeinung eines Udo Pollmer dem derzeitigen wissenschaftlichen (!) Erkenntnisstand gegenübersteht und dem Verlag einen guten Umsatz beschert.

Vielleicht klingelt es auch bei dir als Wissenschaftler, wenn du den zitierten Satz von Degen nochmal durchliest: "... die Schuld abzuwälzen" - mit so einer Aussage diskreditiert sich der Autor meiner Meinung nach selbst, denn der Schuldbegriff hat bei psychischen Schwierigkeiten grundsätzlich nichts zu suchen, völlig egal, ob man Erlebnisse in der Kindheit analysiert oder sich nur auf das Hier und Jetzt bezieht. Würde man Degen ernst nehmen, würde das ja heißen, dass man als Erwachsener an allem "selbst schuld" sei. Aber genausowenig, wie man bei einer Grippe nachforscht, inwiefern man "Schuld" an der Infektion ist, betreibt man ja auch nicht bei psychischer (Un-)gesundheit solche Überlegungen.

Eine dritte Überlegung: Mir geht es z.Z. oft so, sobald es mir besser geht, habe ich Angst davor, dass das ja nicht "echt" sein kann und dass die Schwarzmalerei bestimmt hinter jeder Ecke lauert und mich unangekündigt wieder überfallen wird. Vielleicht steckt hinter deinen Zweifeln auch einfach eine Art Angst, dass dir irgendwas/irgendwer deine neue Selbsterkenntnis "madig" machen könnte und bevor du das dem Zufall überlässt, sicherst du dich vorher schon mal ab (warum hast du dir denn dieses Buch bei Amazon überhaupt näher angeschaut? Buchempfehlungen von Amazon bekommt man ja ständig und du schaust dir sicher nicht immer alle gleich an, oder?) und das führte jetzt für dich zu einer vermeintlichen "self-fulfilling prophecy"? So ein bisschen wie wenn man sich in jemanden verliebt und eigentlich alles toll ist, bis man anfängt, beim anderen auf "Fehlersuche" zu gehen, um aus vermeintlicher Vorsicht sich vor potenziell negative Überraschungen abzusichern (was so natürlich nicht funktioniert).

Alles Gute,
Osa

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Justus
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Beitrag Mo., 20.02.2012, 11:56

@ jolly32

Man hast du merkwürdige und abgefahrene Konzepte in deinem Kopf...

...ich hoffe, du verwechselst nicht die Landkarte mit der Landschaft...

Also ich meine damit, identifizierst du dich mit den Konzepten in deinem Kopf? Hälst du sie für die Wirklichkeit?

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jolly32
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Beitrag Mo., 20.02.2012, 12:07

Hallo Osa,

vielen Dank für deine fundierte Antwort. Ich finde mich, bzw. ich kann mit allen 3 Punkten etwas anfangen. Vor allem mit deiner 3. Überlegung. Ja, das bin leider genau ich. Darf ich fragen, wie du dagegen ankämpfst? Dieser Punkt ist zur Zeit auch Thema meiner Therapie.
Zur Buchempfehlung - ich war auf der Suche nach leichter "Gute Nacht Lektüre" und diese "Lexika der....." bei Amazon sind meistens eben genau das. Diesmal gings leider kräftig ins Auge...

Noch eine Anmerkung zur deiner zweiten Überlegung, bei mir hat sich das im Gehirn kurz gesagt so abgespielt: Wenn die Psycholgie falsch liegt, dann gibts vielleicht doch eine Schuld... und schon war ich drinnen in dieser Angstspirale.

Grundsätzlich lehne ich Schuld ab, leider tue ich mich aufgrund meiner Erziehung nicht so leicht damit. Deshalb falle ich immer darauf rein.

LG Jolly

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jolly32
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Beitrag Mo., 20.02.2012, 12:15

@ Justus...

ich verstehe nicht ganz genau was du meinst, aber nein, ich halte nur die Realität für Wirklichkeit. Nur leider befinde ich mich im Hier und Jetzt nur selten. Meine Gedanken sind in der Vergangeheit und Zukunft. Beides ist nicht gut, ich weiß, aber ich kann es kaum abstellen.
Wenn ich dann auf irgendetwas stoße, was neu ist und nicht ins Konzept passt, drehen sich meine Gedanke im Kreis und versuchen eine Lösung zu finden. Das geht aber natürlich nicht, weil die Vergangenheit vorbei ist und die Zukunft niemand vorhersagen kann...

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Corumbra Myosotis
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Beitrag Mo., 20.02.2012, 12:17

Vielleicht ist es auch einfacher, krank zu bleiben, das ist man ja schließlich über Jahre gewohnt, wie soll man denn auf einmal damit umgehen, wenn es plötzlich nicht mehr so ist und die Unklarheiten, die einen ewig begleiteten, auf einmal einen Sinn ergeben? Und dieser blöde Satz diente eben als Behuf dazu, um die neue Situation nicht aushalten zu müssen. Da greifen die alten Muster wieder, die man selbst kaum beeinflussen kann und die nur ausgeräumt werden können, in dem man immer und immer wieder das Gegenteil hört ...

Die destruktiven Anteile verschwinden ja nicht pötzlich, sie können eher schrumpfen und das die sich im Moment bei Dir wieder aufbäumen, ist normal denke ich. Aber gib den Säcken eins auf den Schädel.
-
"It is not nor it cannot come to good:
But break, my heart; for I must hold my tongue.“

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ENA
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Beitrag Mo., 20.02.2012, 12:29

Vielleicht liest Du Dir bis Mittwoch einfach mal diesen Foren-Bereich durch. Vielleicht hilft es ja zu lesen, was anderen Therapie gebracht hat (kann also doch nicht so schlimm oder falsch sein! ):

http://www.psychotherapiepraxis.at/pt-f ... 11ea141881

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Justus
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Beitrag Mo., 20.02.2012, 12:31

Wenn ich dann auf irgendetwas stoße, was neu ist und nicht ins Konzept passt, drehen sich meine Gedanke im Kreis und versuchen eine Lösung zu finden. Das geht aber natürlich nicht, weil die Vergangenheit vorbei ist und die Zukunft niemand vorhersagen kann...

@ jolly32

Das ist der springende Punkt...

...du bist nicht dein Verstand, er ist nur ein Werkzeug...

Deswegen ist es auch überhaupt nicht deine Aufgabe für alles Lösungen zu suchen...

...deine Heilung wäre die Lösung von der Lösung...

Ich würde mal die Energie aus meinem Kopf lenken und zwar in andere Wahrnehmungsbereiche!

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sandrin
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Beitrag Mo., 20.02.2012, 16:15

Hallo!

Zunächst einmal möchte ich mich den Worten Osas anschließen. Gerade bei Degen muss man da schon auch kritisch sein. Ich kenne das Buch und finde, dass es höchst polemisch geschrieben ist. Jeder, der mich aus dem Forum kennt, weiß, dass ich FÜR den kritischen Umgang gerade mit der PA bin und finde, dass man durchaus einmal Deutungen und Thesen in Frage stellen sollte, wenn man sich nicht mit ihnen identifizieren kann. Nur scheint es so zu sein, dass du das ja kannst.

Ich kenne diese Gefühle. Wenn man meint, man würde es sich selbst zu einfach machen, dass vielleicht alles (und auch man selbst) nur ein Fake ist. Schrecklich, weil dann alles, was man sich erarbeitet hat und worauf man seine Behandlung und Denkweise aufbaut, wackelt. Wichtig ist jedoch, dass es sich mit deiner Wahrnehmung deckt.

Weißt du, ich habe im Rahmen meiner PA irgendwann einmal gelernt, dass ich mir das, womit ich etwas anfangen kann, mir zu eigen mache, um damit dann weiter zu arbeiten. Das würde ich dir auch raten. Vertrau auf dich und deine Wahrnehmung. Nicht auf Herrn Degen, der mit der Aussage, PA sei Schwachsinn viel Geld verdienen will. Du hast dich doch auf den Weg gemacht, dich und deine Geschichte besser kennen zu lernen und bist auf was Wichtiges gestoßen. Es ist gut und legitim, hinzuschauen und sich näher damit zu beschäftigen.

Alles Gute für Dich!

Sandrin

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jolly32
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Beitrag Mo., 20.02.2012, 16:47

Hallo Sandrin,

herzlichen Dank für deine netten Worte. Es tut gut, wenn man weiß, dass diese Gefühle "normal" sind und diese Erfahrungen auch andere machen. Du schreibst auch davon, dass man sich die Dinge zu eigen machen sollte. Zwar weiß ich jetzt noch nicht genau, wie ich dies angehen soll, aber genau das spüre ich auch ganz stark. Vielleicht sollte ich dieses Gefühl sogar als hilfreich und konstruktiv sehen, das mir, zwar mit brachialer Gewalt, aber dennoch zeigen will, dass es nun an der Zeit ist, wieder selbst das Ruder in die Hand zu nehmen.
Vor allem, weil jetzt plötzlich alles klar erscheint und ich plötzlich zu einer Neubewertung der Dinge gezwungen bin. Also vielleicht weniger Bewertung, aber die Sicht auf gewisse Dinge und Situationen verändert sich.

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Justus
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Beitrag Mo., 20.02.2012, 17:17

jolly32 hat geschrieben: Es tut gut, wenn man weiß, dass diese Gefühle "normal" sind und diese Erfahrungen auch andere machen.
Normal heißt aber noch lange nicht gesund...

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sandrin
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Beitrag Mo., 20.02.2012, 17:19

Du, Justus. Gesund ist so manches nicht. Deshalb sind wir ja hier. Normal ist das, was sie fühlt, aber durchaus. Wie wär's mal mit etwas Ermutigung?

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