Abschied vom Therapeuten

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Seashell
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Abschied vom Therapeuten

Beitrag Fr., 13.01.2012, 15:06

Hallo,
es würde mich mal interessieren, ob es jemanden hier im Forum gibt, der ähnliche Erfahrungen gemacht hat?
Habe vor einigen Monaten eine Reha in einer psychosomatischen Klinik gemacht. Hatte einen Therapeuten, mit dem ich anfänglich zwar einige Anlaufschwierigkeiten hatte, der mir dann aber sehr geholfen hat. Ich war aufgrund von Burnout und Depressionen wg. Mobbing am Arbeitsplatz, Trennung vom Partner in der Reha. Worauf ich eigetnlich hinaus will, ist dass wir uns gut verstanden haben, menschlich. Ich habe in ihm nicht den Therapeuten gesehen, eben weil er sich nicht wie einer verhalten hat, sondern wie ein ganz normaler Mensch mit dem man sich über seine Probleme unterhält. Wir haben uns oft einfach lange nur angesehen und ich habe bemerkt, dass es ihm, sobald es ihm bewusst wurde unangenehm war und er unsicher wurde. Als der Abschied kam, habe ich gemerkt, dass es auch ihm schwer fiel. Wir haben es beide irgendwie hinausgezögert, er hat es mir nicht, wie es seine Therapeutenpflicht gewesen wäre, leicht gemacht. Ich habe gemerkt, dass es ihm schwer fiel, mich loszulassen, weil er sich wohl auch Sorgen gemacht hat. Langer Rede kurzer Sinn: ich sollte ihm schreiben. Jetzt habe ich zuhause eine neue Therapie als Nachsorge begonnen und mein jetziger Therapeut sagte, ich müsse nun von meinem alten Therapeuten Abschied nehmen. Ich habe ihm dann schweren Herzens einen Brief geschrieben und auch gesagt, wie schwer es mir fällt und dass ich ihn gerne nochmal sehen möchte. Er hat mir geantwortet, wie sehr er sich über den Brief gefreut hat und dass er sich freuen würde, wenn ich ihn nochmal in der Klinik besuche. Er hat auch Fragen gestellt, die nun wieder einen neuen Brief erforderlich machen. Eigentlich hatte ich irgendwie gehofft, er würde mir jetzt einen Abschied ermöglichen, indem er vielleicht schreibt, ich müsse Abschied nehmen und mich auf die neue Therapie konzentrieren. Aber er lässt auch irgendwie nicht los.
Hat eine von Euch ähnliches erlebt? Mich würde auch einfach nur eure Meinung interessieren.
Liebe Grüße

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Eos
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Beitrag Fr., 13.01.2012, 15:24

Das wäre noch mal die Frage, ob Deine Bindung an Deinen Kliniktherapeuten tatsächlich den Aufbau einer neuen therapeutischen Beziehung "gefährdet" oder ob es nicht einfach beides geben kann. Aber das kannst nur Du beantworten.

Auf jeden Fall ist es schön, dass Du so eine positive Erfahrung machen durftest in der Klinik!

Ich kann mir aber auch vorstellen, dass es schwierig für Dich ist, wenn Du das Gefühl hast, der alte Therapeut läßt nicht so richtig los. Vielleicht kannst Du die Grenze auch "in Dir" ziehen und genau gucken, was Du möchtest und entsprechend handeln.

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Geheimgeheim
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Beiträge: 237

Beitrag Fr., 13.01.2012, 15:27

Ich zieh schon mal jetzt den Kopf ein, aua, nicht so doll hauen....

Ich habe mit einem Therapeuten eine Freundschaft / gute Bekanntschaft nach einer stationären Therapie da war ich 18 Jahre alt) aufgebaut. Momentan habe ich keinen Kontakt mehr, der ruht, ich hab soviel anderes um die Ohren. Aber ich hatte über fünfzehn Jahre mal mehr mal weniger regelmäßigen Kontakt. Der bestand aus Treffen, Telefonaten, Kneipenbummel mit Übernachten, Einladungen zu Feiern. Eine Liebschaft war es nicht. Mein jetziger Thera weiß davon, hat sich aber nicht negativ dazu geäußert.
Das Glück besteht darin, zu leben wie alle Welt und doch wie kein anderer zu sein.
Simone de Beauvoir

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Hamna
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Beitrag Fr., 13.01.2012, 15:30

Liebe Seashell,

bei solchen Geschichten bin ich immer sehr ambivalent. Wenn ich z. B. Sätze lese wie:
Ich habe in ihm nicht den Therapeuten gesehen, eben weil er sich nicht wie einer verhalten hat
könnte ich schon die Wut kriegen, denn ein Therapeut hat sich wie ein Therapeut zu verhalten, sehe ich zumindest so! Verhält er sich anders, bringt er mitunter seine Patientinnen in Situationen, wie du sie gerade hast.

Fast hätte ich beim Lesen geglaubt, dass er sich wohl ganz schön in dich verknallt hat. Aber nur fast, denn
dass er sich freuen würde, wenn ich ihn nochmal in der Klinik besuche
lässt nicht gerade darauf schließen, dass er ein privates Interesse an dir hat, sonst würde er sich wohl woanders mit dir treffen wollen.

Wie hat er dir denn eigentlich geholfen? Durch seine fachliche Qualifikation, oder indem er dir ein gutes Gefühl gab?

Vom Runterbeten der Abstinenzregeln halte ich mal Abstand, da ich nicht weiß, wie sich das bei Kliniktherapeuten verhält, da können dir andere sicher bessere Antworten geben.

Du solltest auf deinen jetzigen Therapeuten hören. Wenn es für den Abschied nötig ist, ihn nochmal in der Klinik aufzusuchen, dann mach das doch ruhig. Wichtig finde ich vor allem, dass du zu deinem jetzigen Thera ehrlich bist, also verschweige ihm weder die Briefe noch den Besuch, solltest du ihn wirklich in Erwägung ziehen.

Komisch, die Geschichte kommt mir so bekannt vor, als hätte ich sie genau so schon mal gelesen.

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candle.
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Beitrag Fr., 13.01.2012, 15:31

Hallo Seashell!

Wie ist es denn für dich, wenn er nicht "losläßt"? So ganz theoretisch könntest du ihn ja auch loslassen, du bist ihm ja kenerlei Rechenschaft schuldig.

Hoffst du denn auf mehr?

PS: Bin gerade durch deine alten Beiträge durch und habe bemerkt, dass diese Geschichte ja schon fast ein Jahr alt ist. Und seit dem läuft die Briefbeziehung kontinuierlich weiter?

Viele Grüße!
candle
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Seashell
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Beitrag Do., 19.01.2012, 14:51

hallo candle,

ja, ich war vor fast einem jahr in der Klinik, habe ihm aber erst vor kurzem geschrieben. Ich war unsicher, was ich ihm schreiben sollte. Hatte auch Angst davor, ihn dann ganz zu "verlieren", hört sich jetzt sicher komisch an, ich weiß...aber indem ich wußte, ich kann ihm nochmal schreibenkann war die Beziehung zwischen uns noch irgendwie offen und nicht endgültig abgeschlossen. Und das ist ja auch das eigenartige an dieser "Beziehung", immer wenn es daran geht, dass man sich eigentlich verabschieden müsste, sorgen beide dafür, dass es noch weiter geht, auch er.
Ich habe mit meinem neuen Therapeuten über seinen Brief gesprochen, seiner Meinung nach ist es ein reiner "Therapeutenbrief" und nicht persönlich. Aber er sagt auch, dass er es komisch findet, dass er Fragen stellt, die ja nun wieder meinerseits eine Antwort erforderlich machen usw.
Ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn ich ihn tatsächlich besuche. Ich habe einerseits Angst davor, dass er sehr abweisend reagiert, um mir den endgültigen Abschied zu erleichtern, andererseits befürchte ich, dass es uns wieder nicht gelingt uns richtig zu verabschieden...Gott, ist das kompliziert, ich hoffe ihr versteht das

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Thread-EröffnerIn
Seashell
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Beitrag Do., 19.01.2012, 14:57

Hallo Rilke,
ja, er hat mir sehr geholfen, aber eher als Mensch. Ich fühlte mich ihm so verbunden, es war so, als würde er gerade ähnliches durchleben wie ich. Ich merke jetzt mit meinem neuen Therapeuten deutlich den Unterschied. Dieser ist "nur" Therapeut für mich, aber er versteht mich oft nicht.

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