Erfahrungen mit Übertragungsfokussierter Therapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Schattenmädchen
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Erfahrungen mit Übertragungsfokussierter Therapie

Beitrag Sa., 17.12.2011, 13:29

Liebes Forum,

kann mir jemand von Euch über seine Erfahrungen mit der Übertragungsfokussierten Psychotherapie (TFP) berichten? Ich habe einen Therapeuten gefunden, der offensichtlich diese Form der analytischen Therapie anwendet. Er klärte mich im Erstgespräch darüber auf, dass er nach Otto Kernbergs Methode arbeite - was ja, wenn ich das richtig verstanden habe, diese TFP ist. Ich sollte mich mal damit befassen...

Nun habe ich schon einiges Theroretisches darüber gelesen, und es klingt, hm, ziemlich speziell. Mein Freund war gleich total entsetzt darüber, er fand das alles sehr bedenklich, und ich habe schon mitbekommen, dass Kernberg wohl auch in der Fachwelt sehr umstritten ist.

Mich würde jetzt mal die praktische Seite interessieren, also ob hier schon jemand nach dieser Methode Therapie gemacht hat. Vor allem, wie man sich die speziellen Eigenheiten dieser Therapie vorstellen kann und wie man damit klarkommt. Ich denke da z. B. an die ausgeprägte emotionale Zurücknahme des Therapeuten, das Setzen striktester Regeln, den Umgang mit den extremen negativen Gefühlen gegenüber dem Therapeuten, die ja wohl, wenn ich das richtig verstanden habe, angestrebt werden, das Aufzeichnen der Stunden. Überhaupt scheint mir das eine Therapie zu sein, die sich hauptsächlich auf die intellektuelle Ebene abzielt.

Nun soll ja Therapie generell kein Spaziergang sein, aber diese Methode scheint mir doch eine ziemliche Rosskur.

Wäre schön, wenn sich jemand findet, der darüber etwas aus seiner persönlichen Perspektive erzählen kann!

Liebe Grüße und schönen vierten Advent
Schattenmädchen

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(e)
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Beitrag So., 01.01.2012, 09:59

Hallo Schattenmädchen

Ich kann Dir leider nichts dazu sagen, aber vielleicht hast du anderweitig mehr darüber erfahren. Wirst Du diese Therapie nun machen, wie hast Du Dich entschieden?

Ein gutes Neues!
Lieben Gruß
elana

inaktiv, siehe Link in meinem Profil

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Elena
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Beitrag So., 01.01.2012, 12:00

Liebes Schattenmädchen,

ich kann Dir berichten, da ich damit Erfahrungen habe. Meine Therapie ist eine Tiefenpsychologsich fundierte, also abgeleitet von der PA.
Meine Therapeutin arbeitet intensiv mit der Übertragung, also die sogenannte Objektbeziehungstheorie, nach der auch Otto Kernberg, sowei viele andere PA arbeiten. Ursprünglich hat dies eine Melanie Klein entwickelt.
Bei dem Ansatz geht es darum, dass die frühe Mutter-Kind-Beziehung prägend für die weiteren Beziehungen ist. Der Therapeut stellt sich als Vater/Mutter zur Verfügung, und kann so Deine Muster sehr gut erkennen und daran mit Dir arbeiten.
Ich empfand diese Methode als sehr heilsam, war völligst in der Übertragung drin, was aber überhaupt kein Problem war, da ich mich immer mehr getraut habe, ihr alles zu sagen, was ich an Emotionen ihr gegenüber habe, positive sowie auch negative.
Und irgendwann habe ich kapiert, dass ich ein richtiggehendes Muster verfolge . Die Ursachen wurden mir bewusst und ich meine Beziehungen sind nicht mehr so stark von subtilen kleinkindlichen Wünschen/Sehnsüchten geprägt.
Also, ich kann es nur empfehlen, dies zu machen!


leberblümchen
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Beitrag So., 01.01.2012, 12:24

Ich hoffe, das ist nicht allzu sehr off topic, aber ist es denn so üblich, dass die Therapeuten den Patienten vorher erklären, nach welcher Methode sie genau arbeiten? Oder ist es eher so, dass es 'normal' ist, dass man sich als Patient selbst in die vielen Schulen einliest und dann erkennt, was eigentlich passiert? Oder woher wisst ihr so genau, was man mit euch 'anstellt'?

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Anne1997
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Beitrag So., 01.01.2012, 13:34

Hallo "titus2",

das kommt auf den Therapeuten und auf den Klienten/Patienten an.
Manche Therapeuten erklären, fragen, stellen sich und ihre Methode genau vor bzw. fragen nach dem, was der Klient wissen möchte, was ihn interessiert bezüglich
Vorgehen, Methode, Person etc.
Manche Klienten kommen höchst belesen, lesen immer weiter, andere interessiert das alles überhaupt nicht und dazwischen gibt es unendlich viele Schattierungen und Möglichkeiten,
da jede Therapiekonstellation höchstindividuell ist (was nicht gegen empirische Forschung spricht, im Gegenteil).
Es gibt auch Therapeuten, die viel lesen und manche, die dies wesentlich weniger tun ...

Mir persönlich ist das damals alles "egal" gewesen, habe weder gelesen (das hat sich im Laufe der Zeit gründlich geändert, nicht immer nur zum Vorteil), noch Fragen zu Methode etc. gestellt, mir ging's einfach nur schlecht
und ich habe wohl nur einen guten Zuhörer gebraucht, bei dem ich das Gefühl hatte, nicht ganz fehl am Platze zu sein.
Therapiemethode und alles andere waren mir vollkommen egal.
Heute würde anders suchen, klar. War aber gut und sinnwoll wie es war.

Zur TFP:
sicherlich eine gute Methode, die partiell in einigen Therapiemethoden integriert ist. Elena beschreibt das sehr gut!

Entscheidend ist, dass diese Übertragungen im Hier-und-Jetzt auch besprochen werden und es dann gelingen kann, bestimmte Verhaltensmuster nach einiger Zeit besser
wahrzunehmen, anzunehmen und dann in sich zu integrieren. "Gar net so einfach" ....
Sowohl Kernberg als auch Melanie Klein sind wichtige Theoretiker, auch wenn einige wenige ihrer Theorien heute nicht mehr haltbar sind.
Das weiß auch ein Kernberg.... Trotzdem hat er enorm wichtige Grundlagenarbeit für alle Therapieschulen geschaffen.

@Schattenmädchen: gut durchgeführt, ist diese Methode keine "Rosskur", sicherlich mal anstrengend und eben auch hilfreich, wenn es "passt".
Vielleicht helfen Dir ja die Links hier in diesem Beitrag ein wenig weiter.

Frohes Jahr 2012 und alles Gute! ,
Anne

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Schattenmädchen
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Beitrag So., 01.01.2012, 18:03

Hallo Ihr alle und ein gutes neues Jahr allerseits ,

vielen DAnk für Eure Beiträge, ich hätte nicht gedacht, dass überhaupt noch jemand darauf antwortet.

@elana: Ich habe mich noch nicht entschieden. Ich habe aber bald ein zweites Gespräch mit dem Therapeuten und werde dann wohl auch von ihm hören, ob er mich überhaupt nehmen würde.

@Elena: Danke für Deinen Bericht. Wusstest Du denn vorher, wie Deine Therapeutin arbeitet? Der Therapeut sagte zu mir, dass man sich bewusst dafür entscheiden sollte - das klang fast schon wie eine Warnung. Hat Deine Therapeutin denn die Stunden auch auf Video aufgezeichnet?

@titus2: Der Therapeut hat mir jedenfalls seine Methode sehr bewusst schon in der ersten Sitzung mitgeteilt mit der Bitte, mich damit auseinanderzusetzen. Ich weiß auch nicht so recht, er war der erste, der das so getan hat. Vielleicht denke ich auch deshalb nur, dass die Therapieform irgendetwas Spezielles oder sogar Unübliches ist? Mir erscheint das Ganze ziemlich dogmatisch, ich habe auch viele negative Sachen über Kernberg gelesen. Ich bin da ziemlich verunsichert, mir kommt es so vor, als sollte ich mich bewusst für diese Therapieform entscheiden.

@Anne1997: Danke für die Links. Theoretisch habe ich mich etwas eingelesen in die Materie (was man halt im Netz so findet), aber es bleiben sehr viele Fragen. Ich kann es mir schwer vorstellen, weil es doch von dem abweicht, was ich mir bislang unter einer Therapie vorgestellt habe. Google mal Kernberg, gleich der zweite Link ist die Hass-Seite eines Psychologen, der ihn als empathie-unfähigen Patientenschänder darstellt. Ich weiß, dass man sowas mit Vorsicht genießen soll, aber ich habe bislang einfach nichts Positives - aus Klientensicht - finden können.

Liebe Grüße vom
Schattenmädchen

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Mary-Lou
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Beitrag So., 01.01.2012, 18:17

Hallo Schattenmädchen,

hat dir denn schonmal irgendein Arzt oder Therapeut zu einer bestimmten Therapieform geraten? Es ist ja schließlich wichtig, dass die Therapieform zu deinem Störungsbild passt.

Ich war bei drei Therapeuten und alle haben mir zur Psychoanalyse geraten, egal ob sie dies selbst auch angeboten haben oder nicht.

Natürlich solltest auch du dich zu einer Form entscheiden, aber du bist Neuling auf dem Gebiet (wenn ich es richtig verstanden habe?), also sollte er als Experte dich beraten. Und im Internet liest man viel, auch immer viel Negatives. Das wirst du aber zu jeder Therapieform finden.
Frühling: „Eine echte Auferstehung, ein Stück Unsterblichkeit.” (Henry David Thoreau)

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Elena
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Beitrag So., 01.01.2012, 18:20

Schattenmädchen hat geschrieben:Wusstest Du denn vorher, wie Deine Therapeutin arbeitet?
Ja, ich wusste das, weil bei meinem Problem diese Form die beste ist.
Schattenmädchen hat geschrieben:Der Therapeut sagte zu mir, dass man sich bewusst dafür entscheiden sollte
Richtig!
Schattenmädchen hat geschrieben:das klang fast schon wie eine Warnung.
So würde ich es nicht sehen. Es ist dabei einfach sehr wichtig, vorher mit der Einstellung in die Therapie zu gehen, dass man weiß, dass der Therapeut sich als Beziehungsobjekt zur Verfügung stellt, und dabei nicht falsch interpretiert, dass man jetzt tatsächlich ihn im Reallife als Ersatzvater/Mutter hat. Also, man ist sich der Übertragung vorher bewusst, und ich finde, dadurch kann man dann auch besser mit der Übertragung umgehen.
Schattenmädchen hat geschrieben:Hat Deine Therapeutin denn die Stunden auch auf Video aufgezeichnet?
Nein, dies würde ich auch nicht wollen!

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Beitrag So., 01.01.2012, 20:22

Mary-Lou hat geschrieben:hat dir denn schonmal irgendein Arzt oder Therapeut zu einer bestimmten Therapieform geraten?
Ja, mir wurde fast immer eine Analyse empfohlen. Insofern bin ich dort schon richtig, da es ja eine modifizierte Form der Analyse ist.
Mary-Lou hat geschrieben:Natürlich solltest auch du dich zu einer Form entscheiden, aber du bist Neuling auf dem Gebiet (wenn ich es richtig verstanden habe?)
Ja, relativ (eine abgebrochene Therapie von 15 Stunden, einiges angelesen).
Mary-Lou hat geschrieben:also sollte er als Experte dich beraten.
Naja, dass mir einer von etwas abrät, was er selbst anbietet, ist mir nur ein einziges Mal passiert. Darauf verlasse ich mich nicht unbedingt... Gerade Analytiker sind ja wohl oft ziemlich von ihrer Methode überzeugt. Meist war eher die Frage: Wollen Sie, was ich Ihnen anbiete?
Elena hat geschrieben: Schattenmädchen schrieb:
Hat Deine Therapeutin denn die Stunden auch auf Video aufgezeichnet?

Nein, dies würde ich auch nicht wollen!
Hm, soweit ich gelesen habe, soll das zur TFP dazugehören. Plus die gemeinsame Auswertung mit anderen Kollegen in der Supervision. Hast Du das bei Deiner Therapeutin abgelehnt, oder war das gar nicht erst Thema?
Elena hat geschrieben: Schattenmädchen schrieb:
Wusstest Du denn vorher, wie Deine Therapeutin arbeitet?

Ja, ich wusste das, weil bei meinem Problem diese Form die beste ist.
Ich will Dir nicht zu nahe treten und Dich jetzt nach Deinem Problem fragen, wenn ich es doch tue, sag es mir bitte. Hm, schwer zu formulieren... woher wusstest Du das? Hattest Du schon eine bestimmte Diagnose oder hat dir jemand zu dieser Therapieform geraten?

Liebe Grüße und danke
Schattenmädchen

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Beitrag Mi., 11.01.2012, 21:05

Wollte mich nur noch mal kurz zurückmelden. Also, ich werde die Therapie wohl beginnen, einfach weil mir der Therapeut sehr kompetent erscheint, mir schon relativ bald einen Platz anbieten kann und ich hoffe, dass ich diesmal mit meiner Wahl richtig liege. Er kennt meine Therapie-Vorgeschichte und ist trotzdem noch nicht abgeschreckt. Das mit dem Aufzeichnen der Stunden hat sich auch geklärt: Ich muss dem nicht zustimmen (obgleich er es mir empfiehlt), und wenn ich zustimme, kann ich immer noch zwischen Video- und Tonmitschnitt wählen. Und am Ende der Therapie werden die Mitschnitte natürlich gelöscht bzw. mir ausgehändigt.
der Therapeut hat mir wirklich, und das habe ich so vorher noch nicht erlebt, sehr genau erklärt, was er an der Methode genau schätzt und was mich in etwa erwarten wird.

LG und danke nochmal an alle, die geantwortet haben
Schattenmädchen

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