Selbstübertragung - gibt es sowas?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
Antworten
Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Geheimgeheim
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 40
Beiträge: 237

Selbstübertragung - gibt es sowas?

Beitrag Sa., 10.12.2011, 23:15

Ich habe mich hier angemeldet, um die Frage stellen zu können, ob mein Therapeut durch meine Schilderung über die sexuelle Gewalt, die ich erlebt habe, belastet wird. Seither habe ich mich hier intensiv ausgetauscht und viel neues gehört. Im Allgemeinen ist mir aufgefallen, dass ich meinen Therapeuten eher schonen will, alles, was mich belastet möchte ich ihm nicht zumuten. Um meine Kindheit und Jugend überstehen zu können, habe ich mich selbst als Erwachsene erschaffen und dieser Anteil hat versucht mich zu beschützen, mir zu helfen und mir in meiner Einsamkeit beiseite zu stehen. Dieser Anteil ist frei von traumatischen Erfahrungen. Ich frage mich, ob ich diesen Anteil, sprich also mich selbst auf den Therapeuten übertrage.

Gibt es das überhaupt, kann man sich selbst übertragen?
Das Glück besteht darin, zu leben wie alle Welt und doch wie kein anderer zu sein.
Simone de Beauvoir

Werbung

Benutzeravatar

Elena
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 40
Beiträge: 1378

Beitrag Sa., 10.12.2011, 23:37

Liebe Geheimgeheim,
Geheimgeheim hat geschrieben:Gibt es das überhaupt, kann man sich selbst übertragen?
Das hört sich lustig an, sich selbst zu übertragen.
Ja, es ist tatsächlich so, dass es bei einer Übertragung darum geht, wie wir beim Gegenüber rüberkommen.
Sicher wird er spüren, dass Du was zurückhälst, Dein innerstes Kind nicht zeigst, sondern mehr auf der Erwachsenenebene agierst.
Ist dies denn schon mal zum Thema gemacht worden?

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Geheimgeheim
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 40
Beiträge: 237

Beitrag Sa., 10.12.2011, 23:44

Hm, eigentlich halt ich nichts zurück, glaube ich jedenfalls. Ich habe alles erzählt, ich hab nur immerzu Sorgen um sein seelisches Wohlbefinden gehabt. Dabei hat ich immer den Gedanken, um Himmelswillen, der arme Mann, wenn mir das jemand erzählen würde, könnt ich es gar nicht ertragen.

Geht es bei der Übertragung, darum wie ich mich zeige oder wie ich ihn sehe?
Das Glück besteht darin, zu leben wie alle Welt und doch wie kein anderer zu sein.
Simone de Beauvoir

Benutzeravatar

Elena
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 40
Beiträge: 1378

Beitrag Sa., 10.12.2011, 23:58

Geheimgeheim hat geschrieben:Geht es bei der Übertragung, darum wie ich mich zeige oder wie ich ihn sehe?
Es geht darum, was bei ihm ankommt. Das ist eine reine Gefühlssache.
Ein Beispiel:
Sehe es so, es gibt manchmal Menschen, die sind immer sehr freundlich und hilfsberiet, aber irgendwie hat man ein komisches Gefühl, das man nicht direkt in Worte fassen kann, sondern fühlt z.B. nur, von dem/der muss ich Abstand halten.
Kennst Du doch sicher auch. Dann gibt es wieder Menschen, bei denen hat man das Bedürfnis ihnen was Gutes tun zu wollen, bei anderen wiederum hat man das Gefühl, sich immer rechtfertigen zu müssen. Dann gibt es Zeitgenossen, in deren Beisein kann man vollkommen entspannen, bei anderen wieder wird man nervös usw.
Dies ist alles die Übertragung von sich auf sein Gegenüber.

Werbung

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Geheimgeheim
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 40
Beiträge: 237

Beitrag So., 11.12.2011, 00:06

Wenn ich so an die Sache herangehen, bin ich jetzt erstmal verwirrt. Also ich vertraue ihm sehr. Er ist ruhig und stets souverän. Ich versuche ihn von jeglicher Beschädigung frei zu halten. So in etwa ...
Das Glück besteht darin, zu leben wie alle Welt und doch wie kein anderer zu sein.
Simone de Beauvoir

Benutzeravatar

lamedia
Forums-Gruftie
Forums-Gruftie
weiblich/female, 80
Beiträge: 717

Beitrag So., 11.12.2011, 00:57

Ich finde das total "nett" und kann mir wirklich vorstellen, dass Du nicht nur ihn mit Deinem Verhalten beschützen willst, sondern auch Dich. Und zwar schützt Du Dich vor einer Konfrontation mit dem Trauma, indem Du auch ihn davor schützt. Du schützt eigentlich die Therapiesituation und scheinst nicht zu wollen, dass in sie etwas "Dunkles", "Belastendes" hineinkommt. Offenbar soll die Therapie eine "heile Welt" bleiben - und Du wendest dafür eben die Dir bekannte Methode an. Ich glaube, wenn Du genau hinschaust, geht es vielleicht doch weniger darum, den Therapeuten zu verschonen, als tatsächlich um Dich und Dein Sicherheitsgefühl. Ich finde es daher auch total spannend, dass Du in dem Zusammenhang auf "Selbstübertragung" gekommen bist -

Benutzeravatar

intheair
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 25
Beiträge: 44

Beitrag So., 11.12.2011, 10:40

Geheimgeheim hat geschrieben:Ich frage mich, ob ich diesen Anteil, sprich also mich selbst auf den Therapeuten übertrage.
Liebe Geheimgeheim

die Übertragung ist nach meinem Verständnis so etwas wie das vorgefertigte Bild, in das wir Jemanden zu integrieren versuchen. Dies geschieht durch Äusserlichkeiten, durch das Verhalten des anderen, aber auch durch die eigenen Erfahrungen, Wünsche und Bedürfnisse. Es ist wahrscheinlicher, dass man seine Eltern eher auf einen Therapeuten überträgt, der in einem ähnlichen Alter ist, wie die eigenen Eltern. Und es wird nochmals wahrscheinlicher, wenn die eigene Beziehung zu den Eltern in irgendeiner Form eine grosse Wichtigkeit hatte, ob nun positiv, oder negativ.
Da es bei Dir so klingt, als hättest Du niemanden von den Erwachsenen an Deiner Seite gehabt, der auf Dich aufpasst und Dich beschützt, musstest Du diesen Part selbst übernehmen. Du hast in Dir einen eigenen Beschützer erschaffen, den Du, bitte korrigiere mich, wenn ich Dich falsch verstehe, als nicht komplett zu Dir gehörig empfindest, weil er, im Gegensatz zu Dir, frei ist von traumatischen Erfahrungen. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass Du diesen Teil von Dir als präsent und wahrhaftig erlebt hast, den Du lieb gewonnen hast und der für Dich sehr wichtig wurde. Ich halte es daher durchaus für möglich auch diesen eigenen Anteil, diese Idee eines Beschützers, die Du in diesem Zusammenhang erfahren hast, auf einen Therapeuten zu übertragen. Interessant wäre nun, ob sich Dein Therapeut tatsächlich in eine Beschützerrolle von Dir transferiert sieht. Seine Wahrnehmung davon, was Du auf ihn projizierst, kann ja wieder eine andere sein, als Deine.

Liebe Grüsse von einem Luftibus.

Benutzeravatar

sofa-held
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
männlich/male, 40
Beiträge: 2305

Beitrag So., 11.12.2011, 10:58

lamedia hat das schön formuliert...

@Geheimgeheim - ich fand den nick übrigens immer schon süß und den Av. auch, aber jetzt verstehe ich ihn besser

das ist keine Selbstübertragung, das ist eine ganz normale Übertragung. Du reagierst auf dein Gegenüber auf diese spezielle Weise..... jemand anderer würde ihn hassen, lieben, etc. Das ist die berühmte "Übertragung" und ich finde es cool, dass er cool bleibt, und sich nicht einen Haxen ausfreut, das du so schonst.

Er ahnt wahrscheinlich schon was, denke ich mal

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Geheimgeheim
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 40
Beiträge: 237

Beitrag So., 11.12.2011, 14:08

Hallo!
Vielen Dank an Euch für Eure Antworten.

@ Elena: Ich denke immer noch über Deinen zweiten Post nach, der will mir nicht so passen. Also ich würde sagen, dass ich diese Situationen so nicht kenne. Mich machen manchmal Verhaltensweisen ärgerlich, da weiß ich, dass ich mich spiegel. Ich mag sichere Menschen, weil man unsichere schlechter einschätzen kann, aber dass mich jemand nervös macht oder ich mich rechtfertige, nee. Meinst Du vielleicht so etwas wie ein Schubladendenken? Hilf mir mal bitte auf die Sprünge.
intheair hat geschrieben: Da es bei Dir so klingt, als hättest Du niemanden von den Erwachsenen an Deiner Seite gehabt, der auf Dich aufpasst und Dich beschützt, musstest Du diesen Part selbst übernehmen. Du hast in Dir einen eigenen Beschützer erschaffen, den Du, bitte korrigiere mich, wenn ich Dich falsch verstehe, als nicht komplett zu Dir gehörig empfindest, weil er, im Gegensatz zu Dir, frei ist von traumatischen Erfahrungen. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass Du diesen Teil von Dir als präsent und wahrhaftig erlebt hast, den Du lieb gewonnen hast und der für Dich sehr wichtig wurde. Ich halte es daher durchaus für möglich auch diesen eigenen Anteil, diese Idee eines Beschützers, die Du in diesem Zusammenhang erfahren hast, auf einen Therapeuten zu übertragen. Interessant wäre nun, ob sich Dein Therapeut tatsächlich in eine Beschützerrolle von Dir transferiert sieht. Seine Wahrnehmung davon, was Du auf ihn projizierst, kann ja wieder eine andere sein, als Deine.
Ja, das ist richtig. Er gehört schon komplett dazu, agiert in meinem Inneren und von außen. Er tröstet, berät, macht auch mal Druck, hört zu, beschützt und ist sehr fürsorglich. Ich hoffe, jetzt lacht keiner. Ich weiß selber das klingt bescheuert und führte auch zu manch einer drolligen Situation, weil man ja nicht erwachsener sein kann als man ist. Da kam den auch beim "Führungspersonal" mal die kindliche Seite raus und es wurden eher Süßigkeiten gekauft, als Brot und Wurst.
Ich werde ihn das wohl wirklich morgen mal fragen, wir sind ja gerade bei Kindheit und Jugend, das passt denn.

@sofa-held: Danke, ja er sagt, es sei sehr nett von mir aber unnötig, er bekommt das hin. Das ist auch glaubwürdig, will mir aber trotzdem Sorgen machen. Ich werde ihn fragen.

@ lamedia: Also, das mit der heilen Welt ist nicht zutreffend. Ich hasse alles, was künstlich "harmonisch" gestaltet wird. Das liegt an meiner Mutter, die es ja gab, die aber immer nur in einer harmonischen Welt lebte und dabei ihre Kinder nur wahrnahm, wenn sie in diese Welt passten oder die Probleme, die sie wie Dreck an den Schuhen in diese Welt trugen das Niveau von Kindergartenproblemchen nicht überstiegen.
Ich habe viele traumatische Situationen erlebt und alles erzählt, mein Therapeut kennt alle Details, die auch ich kenne. Es war immer wichtig für mich, es so erzählen zu können, erst dann war ich in der Lage es in den Tresor zu packen.
Dein Gefühl, dass es aber tatsächlich um mich geht, teile ich. Es ist schon eine Art Schutz, für mich ist es nicht so zu fassen, es verwirrt mich derzeit sehr.
Das Glück besteht darin, zu leben wie alle Welt und doch wie kein anderer zu sein.
Simone de Beauvoir

Benutzeravatar

intheair
Helferlein
Helferlein
weiblich/female, 25
Beiträge: 44

Beitrag So., 11.12.2011, 17:04

Geheimgeheim hat geschrieben: Er gehört schon komplett dazu, agiert in meinem Inneren und von außen. Er tröstet, berät, macht auch mal Druck, hört zu, beschützt und ist sehr fürsorglich.
Ich finde das sehr schön, dass Du einen so fürsorglichen und engagierten Beschützer in Dir trägst. Das ist eine wertvolle Fähigkeit, die Du Dir leider sehr hart erarbeiten musstest, Dir aber im Gegensatz zu einem Beschützer von aussen, also wenn sich eine andere Person so liebevoll um Dich kümmern würde, niemand nehmen kann.


montagne
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
weiblich/female, 99
Beiträge: 4600

Beitrag So., 11.12.2011, 17:46

Gibt es das überhaupt, kann man sich selbst übertragen?
Anteile von sich ja, und das nennt sich Projektion. Gerade Aggresionen, aber auch Ängste (z.B. vor Beschädigung durch traumatische Inhalte) gehören zu Inhalten, Anteilen, die häufiger projeziert werden.
Vllt. hilft dir das weiter.
amor fati

Benutzeravatar

Atara
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 46
Beiträge: 394

Beitrag Mo., 12.12.2011, 15:29

intheair hat geschrieben:
Geheimgeheim hat geschrieben:Ich frage mich, ob ich diesen Anteil, sprich also mich selbst auf den Therapeuten übertrage.
Liebe Geheimgeheim

die Übertragung ist nach meinem Verständnis so etwas wie das vorgefertigte Bild, in das wir Jemanden zu integrieren versuchen. Dies geschieht durch Äusserlichkeiten, durch das Verhalten des anderen, aber auch durch die eigenen Erfahrungen, Wünsche und Bedürfnisse. Es ist wahrscheinlicher, dass man seine Eltern eher auf einen Therapeuten überträgt, der in einem ähnlichen Alter ist, wie die eigenen Eltern. Und es wird nochmals wahrscheinlicher, wenn die eigene Beziehung zu den Eltern in irgendeiner Form eine grosse Wichtigkeit hatte, ob nun positiv, oder negativ.
Da es bei Dir so klingt, als hättest Du niemanden von den Erwachsenen an Deiner Seite gehabt, der auf Dich aufpasst und Dich beschützt, musstest Du diesen Part selbst übernehmen. Du hast in Dir einen eigenen Beschützer erschaffen, den Du, bitte korrigiere mich, wenn ich Dich falsch verstehe, als nicht komplett zu Dir gehörig empfindest, weil er, im Gegensatz zu Dir, frei ist von traumatischen Erfahrungen. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass Du diesen Teil von Dir als präsent und wahrhaftig erlebt hast, den Du lieb gewonnen hast und der für Dich sehr wichtig wurde. Ich halte es daher durchaus für möglich auch diesen eigenen Anteil, diese Idee eines Beschützers, die Du in diesem Zusammenhang erfahren hast, auf einen Therapeuten zu übertragen. Interessant wäre nun, ob sich Dein Therapeut tatsächlich in eine Beschützerrolle von Dir transferiert sieht. Seine Wahrnehmung davon, was Du auf ihn projizierst, kann ja wieder eine andere sein, als Deine.

Liebe Grüsse von einem Luftibus.
das klingt sehr klug!
"Wenn ihrs nicht fühlt, ihr werdets nicht erjagen"

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Geheimgeheim
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 40
Beiträge: 237

Beitrag Mo., 12.12.2011, 17:13

Ich habe mich getraut und dieses Thema heute angesprochen. Ich habe ihn gefragt, ob er glaubt, das ich etwas auf ihn projiziere oder übertrage. Er wollte erstmal wissen, was ich denke. Naja, den Teil hab ich glaub ich nicht so gut erzählen können. Er meinte, dass er nicht glaube, dass es sich um eine Projektion oder Übertragung handelt. Also zumindest nicht in einem problematischem Sinne. Wir haben uns darauf geeinigt, dass das gut ist.
Das Glück besteht darin, zu leben wie alle Welt und doch wie kein anderer zu sein.
Simone de Beauvoir

Benutzeravatar

sofa-held
[nicht mehr wegzudenken]
[nicht mehr wegzudenken]
männlich/male, 40
Beiträge: 2305

Beitrag Mo., 12.12.2011, 22:02

wie schön, dass es auch so harmoniesüchtige Theras & Patienten gibt wie euch bedie

Benutzeravatar

Thread-EröffnerIn
Geheimgeheim
Forums-Insider
Forums-Insider
weiblich/female, 40
Beiträge: 237

Beitrag Mo., 12.12.2011, 22:45

Ach, naja, meine Therapie ist momentan sehr vielschichtig, Trauer, Belastungen, Kindheit, ganz viele Themen eben. Ich denke, er wird nicht weitere Problemfelder eröffnen wollen. Ich habe in der letzten Zeit öfter seine Hilfe außerhalb der Termine in Anspruch nehmen müssen, ist nicht schön, gehört aber wohl dazu. Ich denke schon, dass ich den Wunsch auf ihn übertrage, mich zu schützen und fürsorglich zu sein. Da hat mir der Thread sehr geholfen, mir darüber klar zu werden. Das macht er ja auch zum Teil, begrenzt eben auch für eine gewisse Zeit. Er sieht keine Probleme, die daraus entstehen werden, glaube ich. Ich eigentlich auch nicht.
Sorry, bin gerade so traurig ... kann nicht mehr schreiben.
Das Glück besteht darin, zu leben wie alle Welt und doch wie kein anderer zu sein.
Simone de Beauvoir

Werbung

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag