Therapie = Double Bind?

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lamedia
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Therapie = Double Bind?

Beitrag So., 17.04.2011, 11:07

Liebe MitstreiterInnen auf dem therapeutischen Weg....

Irgendwie ist es doch so, dass viele von uns sich über die Therapie, den Therapeuten, das dort Geschehene regelrecht den Kopf verknoten und in Gefühle verstricken.

Mir stellt sich die Frage, ob das auch daran liegt, dass Therapie ein institutionalisiertes Double-Bind ist. (Double Bind=gegensäztliche, sich widersprechende Botschaften innerhalb einer Kommunikationseinheit)

Also:
Therapeut ist für mich da, und ist nicht für mich da.
Hat eine Bindung zu mir und keine Bindung zu mir.
Gibt mir Feedback und kein Feedback
Erklärt sich selbst an Stellen und verbirgt sich gleichzeitig.
Hat Interesse an mir und kein Interesse an mir.
Will mir näherkommen und nicht näherkommen.

Keine der beiden Seiten stimmt allein für sich, aber zusammen ergeben sie auch keinen richtigen Sinn.

Das ganze Setting ist vollkommen unnatürlich (was ich ja gewußt hatte, als ich anfing...)
Würde man nicht, wäre das eine "natürliche Beziehung" lieber Reißaus nehmen?
Bzw. geht Therapie auch ohne Doppelbindung? Gibt es einen Weg, das zu verstehen?

Was meint Ihr dazu?

lamedia

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~confianza~
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Beitrag So., 17.04.2011, 11:24

Hallo lamedia,

das finde ich eine unglaublich spannende Frage und/oder Feststellung von Dir!!

Vielleicht ist es genau dieses double bind, was einen so verwirrt werden lässt??
So fühle ich mich auch oft!
Dann wäre Therapie aber ja ziemlich ungesund und wenig förderlich für Besserung.

Ich bin ganz baff von Deinen Überlegungen, das muss ich erstmal sacken lassen.
Wahrlich, keiner ist weise, der nicht das Dunkel kennt. Hermann Hesse

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metropolis
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Beitrag So., 17.04.2011, 11:44

lamedia hat geschrieben:Bzw. geht Therapie auch ohne Doppelbindung? Gibt es einen Weg, das zu verstehen?
Es fällt mir schwer das zu begründen, aber mein Gefühl sagt mir, dass dieses Doppelgesicht eine Therapie ausmacht, damit sie therapeutisch wirken kann. Nähe und Distanz, Bindung und Unabhängigkeit, ermöglicht erst die therapeutische Arbeit.

LG
metro
"Ja und dann? Weißt du nicht mehr? Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!"

Theodor Storm

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estelle
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Beitrag So., 17.04.2011, 11:50

http://de.wikipedia.org/wiki/Doppelbindungstheorie

Eine Doppelbindung soll zu schizophrenen Erkrankungen führen.

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Anne1997
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Beitrag So., 17.04.2011, 12:35

Hallo lamedia,

eine gute und wichtige Frage!

Nur: die Botschaften des Therapeuten sollten i.d.R. nicht "paradox" sein (Wikipedia: Die Doppelbindungstheorie beschreibt die lähmende, weil doppelte, Bindung eines Menschen an paradoxe Botschaften oder Signale und deren Auswirkungen.)
Die Botschaften in Deinem Eingangspost widersprechen sich (allerdings nur scheinbar/äußerlich) und widersprechen sich (deshalb) nicht.

Therapie ist so etwa wie ein (hochdosiertes) "Konzentrat" von u.a. Beziehungen:
  • mein Partner / meine Freunde sind für mich da, manchmal (oft) sind sie nicht für mich da; ein Therapeut hat im Rahmen der Zeit, die er mir zur Verfügung steht, eine Bindung zu mir, die normalerweise nicht lähmt, vielleicht mal herausfordert, schmerzt, klar, sie aber dennoch "klar" und in vielerlei Hinsicht begrenzt ist. Von "keiner" Bindung kann man für den Zeitraum des therapeutischen Prozesses kaum reden (auch wenn er natürlich außerhalb der Zeiten weniger oder gar nicht an mich denkt). In der Therapie kann ich diese zwei Seiten von Bindung in meinem Tempo besprechen, spüren, im Alltagsleben nehme ich sie oft nicht wahr bzw. leide darunter.
  • Menschen geben sich Feedback untereinander und auch nicht, ein ganz normaler Prozess, mehr oder minder bewusst - hinsichtlich des Gegenüber.
    Ein Therapeut macht das bewusster - im Hinblick auf die zunehmende Eigenständigkeit des Klienten und die daraus resultierende Fähigkeit, zu sich selbst eine bessere Bindung (Wahrnehmung) aufbauen zu können, sich selbst besser Feedback geben zu können (um unabhängiger von den oft so vielfältigen, sich widersprechenden Rückmeldungen der Umwelt zu werden, um sich seiner selbst sicherer zu werden).
  • Er hat (wirkliches) Interesse an mir - hat meine Verkäuferin um die Ecke auch (in dem Zeitraum, wo ich einkaufe; vielleicht denkt sie auch mal außerhalb unserer Treffen an mich, weil sie meine Vorlieben kennt, vielleicht auch nicht). Außerhalb der Zeit wird sie (er) sich normalerweise trotzdem kaum/weniger für mich interessieren, ein vollkommen normaler Prozess (PT als Dienstleistung).
  • Ein Therapeut will mir in dem Sinne näher kommen, dass ich mir näher komme. Seine "Nähe" ist ein oft wichtiges Bindeglied, um dem Klienten die Fähigkeit zu vermitteln, eine Brücke zu sich selbst zu bauen / zu begehen (und damit auch unverfälschter, klarer zu anderen. Ist diese Nähe zu mir selbst einigermaßen stabil, kann ich die Nähe zum Therapeuten viel besser wahrnehmen und - so paradox es erscheint - es aushalten bzw. leichter annehmen, dass er mich nicht für sein Leben braucht. Das tut gut (!) - nicht für ihn verantwortlich zu sein, sondern "nur" für mich. Die meisten von uns haben ja die Erfahrung gemacht, immer für andere da gewesen oder von anderen gebraucht worden zu sein, so dass bezüglich der eigenen Entwicklung "Defizite" auftraten, dass man die Grenzen zwischen sich und anderen kaum oder nur unklar spürte.
Alle Seiten stimmen so gesehen (auch wenn es manchmal schmerzt) für sich allein und ergeben auch (polar gedacht) einen Sinn (natürlich mit dem Wissen um eine auch konstruierte, künstliche Therapiesituation; gute Therapeuten wissen darum und lassen den Therapierahmen (mit seinen notwendigen Begrenzungen - die es im gesamten Alltagsleben gibt) nicht "künstlich" erscheinen).

Das, was metropolis geschrieben hat, unterstreicht dies eigentlich. Alle diese Gegensätze ermöglichen überhaupt erst Beziehung und Leben (Nähe-Distanz, Geboren werden-sterben, Jung-Alt etc.) generell.
Ein weites Thema, zu dem man noch viel schreiben könnte...

Soweit meine ersten ungeordneten Gedanken zu Deiner interessanten Ausgangsfrage!
Liebe Grüße,
Anne
Zuletzt geändert von Anne1997 am So., 17.04.2011, 15:29, insgesamt 1-mal geändert.

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neko
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Beitrag So., 17.04.2011, 13:07

lamedia, auch mich haben die von dir wunderbar auf den punkt gebrachten paradoxa so manches mal auf die barrikaden und in die wut getrieben. mittlerweile sehe ich das ganze ewas gelassener und z.T. auch positiver. ich glaube, die beiden seiten des vermeintlichen widerspruchs spielen in unterschiedlichen phasen je eine ganz wichtige rolle:
- die sich im besten fall einstellende nähe zum therapeuten, die ich schon für echt, wenn auch begrenzt halte, hat mir in der ersten phase geholfen, gefühle, die mich in ihrer wucht lange erschlagen haben und die ich deshalb tunlichst zu deckeln trachtete, zuzulassen - gewissermaßen in dem gefühlten wissen, ich bin damit nicht allein da ist jemand an meiner seite, der sie im zweifelsfall auch mal für mich hält. da habe ich sehr, sehr lange für gebraucht. ich hab mir oft vorgebetet, dass das alles humburg ist, gekauft, gemietet, unecht. heute glaube ich, es hatte auch was mit dem nicht-aushalten der tatsächlich manchmal ganz intensiven nähe zu tun. ich hab dann auch mal gemerkt, das zulassen von nähe führt ziemlich zuverlässig zum auftachen von verdrängtem und gedeckelten, also von zemlich unschönen erinerungen und gefühlen. mein zweifeln an und trümmern auf der therapeutischen beziehung hatte sicher auch damit zu tun, dass ich zumindest unbewusst wusste, wenn ich das weite suche, dann halte ich auch die eklige sachen auf distanz.
- in einer zweiten phase, in der ich einen viel besseren zugang zu mir hatte, hab ich mich oft bemüht, bestätigung für die richtigkeit oder wahrhaftigkeit meiner gefühle von meiner therapeutin zu bekommen. ich brauchte und wollte sie als zeugen und manchmal auch als container für zu heftige gefühle. das hat sie manchmal gemacht - aus meiner damaligen sicht oft viel zu wenig. darüber habe ich micht oft und heftig aufgeregt. und manchmal konnte ich sie zwingen, stärker in diese funktion hereinzugehen. mittlerweil bin ich ihr aber dankbar, dass sie das nur sehr dosiert getan hat denn es gibt keine alternative dazu, dass ich das irgendwann einmal selber trage. und dafür rauche ich auch ihre zuversicht, DASS ich das schaffe.
in einer ditten phase habe ich - wieder durch viel von mir vom zaun gebrochenen streit - mühsam gelernt, dass nähe nicht heißen muss, dass sie mich wortlos versteht oder alles genau so sieht wie ich. der teil tut auch noch einmal weh, der sprung raus aus dem wunsch nach einer symbiose. das ist für mich ganz wichtig, weil ich in katastrophalen uraltbeziehungen aus der indeit verinnerlicht hatte, ich bin nur sicher, wenn es mir gelingt, mich an die wünsche, bedürfnisse von anderen anzupasen. der teil fällt mir auch heute noch schwer. aber ganz manchmal empfand ich es auch als schön, akzeptiert zu werden, wo ich anders bin, wo sie mich auch mal nicht versteht, also zu merken, die bezehung stibrt dadurch nicht, sie kippt dadurch nicht in wut und beschädigung.

an guten tagen denke ich deshalb, therapie ist nicht so sehr paradox oder double-bind, sie ist, wenn sie gelingt so eine art von menuett, wo sich annäherung und entfernung ablösen. bei all dem spüre ich aber heute so was wie ein band, das mich hält, auch wenn ich weiter weg bin. an schlechten tagen kann ich mich über die zumutugen der paradoxie immer noch aufregen.

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Woman
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Beitrag So., 17.04.2011, 13:14

Hallo lamedia,
Würde man nicht, wäre das eine "natürliche Beziehung" lieber Reißaus nehmen?
Kommunizieren wir nicht auch in 'natürlichen' Beziehungen auf verschiedenen Ebenen durch Gestik, Betonung, Körpersprache etc.? Nichts anderes bedeutet m.E. nach " Double Bind". Wir senden und empfangen Botschaften auf unterschiedlichen Ebenen und diese doppelten Aussagen führen zu Doppelbotschaften.

Als Empfänger dieser Doppelbotschaften in einer Therapie fühle ich mich eher dadurch verunsichert. Durch die Abweichungen stellt sich mir die Frage, welcher Botschaft ich Glauben schenken soll.

Das war erst einmal ein spontaner Gedanke von mir, bin gespannt auf andere Meinungen!
Und seit jeher war es so, daß die Liebe erst in der Stunde der Trennung ihre eigene Tiefe erkennt.

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Dannie
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Beitrag So., 17.04.2011, 13:24

Hallo lamedia.
lamedia hat geschrieben:
Irgendwie ist es doch so, dass viele von uns sich über die Therapie, den Therapeuten, das dort Geschehene regelrecht den Kopf verknoten und in Gefühle verstricken.
Ich kenne das so nicht.

lamedia hat geschrieben:Therapeut ist für mich da, und ist nicht für mich da.
Hat eine Bindung zu mir und keine Bindung zu mir.
Gibt mir Feedback und kein Feedback
Erklärt sich selbst an Stellen und verbirgt sich gleichzeitig.
Hat Interesse an mir und kein Interesse an mir.
Will mir näherkommen und nicht näherkommen.
Ich glaube, dass du etwas vermischt.

Das ist kein wiedersprüchliches Handeln, es gehört dazu, dass der Therapeut dir nicht alles abnimmt, zwischen Nähe und Distanz wechselt.

Meine Therapeutin hat zB für kurze Zeit die Rolle einer Mutter übernommen um mir die Bestätigung zu geben, welche ich von meiner Mutter nicht erhalten habe.
Als ich dann, "groß" war, war sie nicht mehr meine "Mutter". Weil ich dann die Dinge auch ohne meine kurzfristige Mutter selbständig konnte. Das ist kein Wiederspruch, es ist lediglich ein Stück an die Hand nehmen und dann wieder loslassen hin in die Selbstständigkeit.

Meine Therapeutin erklärt sich auch selbst, aber ihre Privatperson kommt nicht durch, denn diese hat in der Therapie definitiv nichts verloren. Das ist auch kein Wiederspruch.

Das Wort Bindung, stört mich zB ein wenig. Meine Thera und ich wir haben ganz bestimmt keine Bindung zueinander. Es ist eine Dienstleistung. Ja, doch innerhalb dieser Dienstleistung, besteht großes gegenseitiges Vertrauen und Respekt. Innerhalb dieser Dienstleistung kann und darf alles besprochen werden, ich kann mich bis auf mein Innerstes "ausziehen" mich so zeigen, wie mich sonst niemand sieht. Aber würde dadurch eine Bindung entstehen, dann wäre ich nicht selbständig, sondern abhängig, und das Therapieziel wäre damit verfehlt.

Auch das mit dem Näherkommen, auch hier muss ein Wechsel zwischen Nähe und Distanz gegeben sein.
So wie bei allen zwischenmenschlichen Beziehungen auch.

Man könnte bei dir den Eindruck gewinnen, du würdest etwas hineininterpretieren und vermischen, was nicht Inhalt des therapeutischen Handwerks ist.

Mixed Messages sind das mit Sicherheit nicht. Das sollte in einer Therapie auch auf keinen Fall statfinden.

Dannie


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Beitrag So., 17.04.2011, 15:42

Hallo Lamedia

Als quasi Überschrift: wie ambivalent sind wir generell?

Therapeut ist für mich da, und ist nicht für mich da=
es gilt herauszufinden, wieviel da sein ich brauche in echten Beziehungen und wieviel gesund für mich ist


Hat eine Bindung zu mir und keine Bindung zu mir.

Wieviel Bindung brauche ich und wie frei will ich sein, wie Bindungsfähig war ich( bin ich, warum ist das so? (un: Therapie ist keine wirkliche Bindung, ist eine Illusion von Bindung= Geschäftsbeziehung)


Gibt mir Feedback und kein Feedback

Was kommt aus/ von mir und was brauche ich vom anderen?


Erklärt sich selbst an Stellen und verbirgt sich gleichzeitig.

Welche Informationen brauche ich um Nähe-Distanz wahren zu können?



Hat Interesse an mir und kein Interesse an mir.

Wie sehr brauche ich feedback von anderen? Welche feedback kommen mir zu nah?



Will mir näherkommen und nicht näherkommen.

Wieviel Nähe kann ich haben, wieviel Freiheit brauch e ich?

Durch diese Double Bind Extrem Situation kann man überhaupt erst an sich arbeiten lernen. Nur diese Extreme ermöglichen ein genaues hinsehen



Rosenrot

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sofa-held
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Beitrag So., 17.04.2011, 16:02

Würde man nicht, wäre das eine "natürliche Beziehung" lieber Reißaus nehmen?
Nein, wieso? In Laufe der therapeutischen Situation sollte eigentlich langsam der Zweifel ausgeräumt werden, dass man selbst nicht gemocht werden kann und umgekehrt sollte man sich selbst dem Thera annähern und ihm einiges nachsehn

Ich verstehe das ganze Double-Bind-Ding hier nicht. Der Therapheut ist ja da für mich, nur eben in der vereinbarten Zeit, nicht vorher, nicht nachher, nicht um die rund um die Uhr. Durch diese Regeln soll eine fixe Struktur entstehen auf die sich jeder Teilnehmer verlassen kann. Und das ist heilsame an der therapheutischen Beziehung. Das man sich auf die vereinbarten Termine verlassen kann, im Gegensatz zu "realen" Leben, wo schon mal ein Partner oder Mitmensch eigene Wege geht.

Interesse muss der Therapheut sowieso haben. Wenn er das nicht hat und man spürt das als Klient, dann ist das sowie das Ende der Theraphie. Das es auf Bezahlung beruht, naja, da müsste man alle Beziehungen hinterfragen, zu jedem Menschen. Der Lehrer in der Schule hat mich nur unterrichtet, weil es sein Job war. Usw.

Kann es sein, dass du grundsätzlich alle Reaktionen deinen Mitmenschen hinterfrägst, also nicht nach einem ersten Impuls handelst? Hast du eine sehr komplexe Wahrnehmung? Also, wenn dich z. b. jemand Fremder grüßt, denkst du da lange nach, was das bedeuten könnte?
LG Sofa

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Justus
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Beitrag So., 17.04.2011, 16:15

Also ich hab meinen Therapeuten immer klipp und klar gesagt, wenn sie mit Double-Bind kamen...

...das war auch keine Absicht, aber unsere Gesellschaft ist nun mal mit Double-Binds durchzogen aufgrund der hierarchischen Struktur...

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lamedia
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Beitrag So., 17.04.2011, 16:16

Hallo,

schön, dass so viele Gedanken dazu kommen!

@ ~confianza~
Tja, ich war auch eine Mischung aus zufrieden über die Zusammenfassung meiner Gedanken und unzufrieden über das Dilemma, was sie ausdrücken, und daher sehr neugierig auf andere Meinungen. Mal sehen, vielleicht löst sich ja was!

@violetta
Violetta 2009 hat geschrieben: Eine Doppelbindung soll zu schizophrenen Erkrankungen führen.
Das waren Watzlawick, Beavin und Jackson, die das in ihrem bahnbrechenden Werk über "Menschliche Kommunikation" so geäußert haben. Und daran mußte ich auch denken.
Vielleicht ist ein Unterschied zu wirklich schlimmen, krankmachenden Fällen der, dass Therapeuten ja keine böse Absichten verfolgen (sollten.) Aber mein Gefühl ist trotzdem, dass ich häufig schon an der Grenze zum Wahnsinn stehe.

@metropolis und @anne
Danke für die Sichtweise. Besonders der Aspekt, dass es ja (was ich vielleicht häufig vergesse) um mich geht und die Bindung/ Nicht-Bindung zum Therapeuten sozusagen nur eine Brücke zu mir sein soll, relativiert das Dilemma ein wenig.
Andererseits ist dieser Absprung zu mir selbst wahnsinnig schwierig, wenn man zwischen "Er ist für mich da und er ist gleichzeitig nicht für mich da." // "Er hilft mir und hilft mir gleichzeitig nicht." //
"Er ist mir nahe und er ist mir gleichzeitig nicht nahe" so heruminterpretiert, dass einem der Kopf raucht... Denn das erzeugt ja auch widersprüchliche Gefühle in mir selbst zwischen "Juchu, da ist jemand" und "O mein Gott, wieder jemand, der mich verläßt." Beide Pole stimmen nicht einzeln für sich. Und sie zusammenzubringen geht irgendwie nicht. (Bei mir jedenfalls, aber vielleicht ist das eine fortgeschrittene Zen-Übung.)

@neko
Schön, wie Du die Phasen Deiner Therapie beschreibst, es zeichnet sich eine richtige Entwicklung darin ab. Ich verstehe es so, dass Du die beiden Pole je nach Stadium eben auch nacheinander und nicht immer gleichzeitig erlebt hast. Das ist eine Lösung. Paradox ist ja immer nur das, was gleichzeitig einen Widerspruch auslöst.
Im Grunde mache ich das auch, nur sind die Wechsel von einer Betrachtung zur nächsten, die ja beide nicht stimmen, wahnsinnig hochfrequent, was mich eben so verrückt macht. D.h. ich kann nach einer Sitzung mehrere Stunden lang die Nähe spüren. Bis es dann irgendwann kippt und ich merke, dass die Nähe eben "Nähe und keine Nähe" ist. Was mir (vereinfacht) als "Liebe" erscheint , erscheint mir später als "keine Liebe", aber "keine Liebe" stimmt dann spätestens in der nächsten Begegnung auch nicht mehr.

@woman
Ich weiß nicht, ob es allein das therapeutische Setting ist, das Doppelbildungen auslöst oder ob die Therapeuten (manche) auch selbst beteiligt sind daran. Wenn sie zum Beispiel Gefühle entwickeln, die nicht in die Therapiesituation gehören, dann könnte es doch sein, dass sie verbal für Abstinenz stehen, nonverbal aber eine Nähe jenseits der Abstinenz kommunizieren. Also eine Bereitschaft zu noch mehr Nähe in Konkurrenz zu dem Gebot, Grenzen zu setzen.

@dannie
Ich freue mich, dass Dir solche Verstrickungen erspart geblieben sind und Du und Deine Therapeutin so gut gegeneinander abgegrenzt wart! Deine Beschreibung geht auch in die Richtung, dass man die verschiedenen Aspekte von Nähe und Distanz nacheinander betrachtet.
Was den Begriff "Bindung" angeht, ist es bei mir schon so, dass es sich um eine bindungsorientierte Therapie handelt - mein Therapeut bringt sich dabei auch persönlich ziemlich (manchmal zu viel) ein. Auch das, was ich am Anfang als die dazugehörigen Widersprüche bezeichnet habe, wird vom Therapeuten so geteilt. Und wenn ich es dann äußere und problematisiere, auch so angenommen. Da hilft manchmal auch. (Die Meta-Ebene)

@all
Ich habe mir jetzt vorgenommen, den Therapeuten direkt auf Doppelbotschaften anzusprechen, wenn ich sie wahrnehme. Ein weiterer Aspekt ist, dass ich selbst natürlich auch Doppelbotschaften sende, denn das Empfangen von Nähe und mein Umgang mit Distanz ist bei mir selbst ja hoch-widersprüchlich..

Liebe Grüße!
lamedia

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Thread-EröffnerIn
lamedia
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Beitrag So., 17.04.2011, 16:27

Hi Rosenrot,

genau: das Thema ist Ambivalenz und vielleicht spiegelt meine Wahrnehmung des Therapeuten auch meine eigene Ambivalenz... Danke für die wirklich sehr passenden und konstruktiven Fragen, die ja auch wieder zu mir und zum "wirklichen Leben" zurückführen!

Das einzige aus Deinen und anderen Anmerkungen, womit Verstand und Gefühl sich noch nicht abgefunden haben, ist, dass es sich allein wegen des Fakts einer Geschäftsbeziehung nicht (auch) um eine reale Bindung handeln soll. Aber wahrscheinlich ist die Krux die, dass alles, was da auftaucht als Sprungbrett in die Meta-Kommunikation, Reflexion führen soll, so dass sich dadurch der unmittelbare Charakter wieder verliert.

Und damit gleich zu @sofaheld
Du fragst, ob ich alle Reaktionen meiner Mitmenschen hinterfrage: Nein. Ich bin so eine Mischung aus aus dem Bauch heraus und reflektiert. Aber wenn ich zum Beispiel aus dem Bauch heraus direkt und unhinterfragt als ersten Impuls empfinde, dass mein Therapeut (egal ob es real ist) ziemlich viel Nähe zu mir herstellt, mehr als in einer Geschäftsbeziehung erwartbar ist, brauche ich das Argument "Geschäftsbeziehung" hinterher, um wieder auf den Boden zurückzukommen. Die empfundene Nähe ist der eine Pol. Geschäftsbeziehung der andere. Welchem Fakt soll ich denn nun glauben? Passen beide zusammen?

LG,
lamedia


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Beitrag So., 17.04.2011, 17:01

Huhu Lamedia

ich schreib vielleicht noch mehr. Vorab nur
Bindung und Beziehung sind (für mich) unterschiedliche Dinge

Eine Beziehung habe ich natürlich zu einem Therapeuten, eine Bindung habe ich zu meiner Familie
Eine Beziehung entsteht zu jedem Menschen, dem ich kommunikativ begegne, eine Bindung resultiert daraus nicht.

In deiner Fragestellung:
double bind: Beziehung ja- Bindung nein


Rosenrot

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neko
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Beiträge: 599

Beitrag So., 17.04.2011, 17:17

rosenrot, kannst du vielleicht noch mal erklärn, was für dich eine bindung ist?

also, ich für meinen teil glaube, ich habe eine bindung an meine therapeutin. ich habe so viele gefühle mit ihr geteilt. klingt komisch, aberfür mich ist es so. sie hat für mich vieles, was ich nicht aushalten konnte, ganz vorsichtig transformiert, die komplexen, verknoteten sachen auseinandergedröselt, ermutigende und schöne sachen da gefunden, wo ich erst nur elend gesehen habe. und manchmal, da hab ich auch das gefühl gehabt, sie trägt an manchem schwer - nicht, dass sie es nicht aushält, nee, so nicht, aber, klingt wieder doof, so, dass ich sehe, sie hat es auch in sich aufgenommen.

lamedia, das mit dem nacheinander klappt bei mir auch nicht immer. manches ist auch ein sich retrosektiv zurecht legen. ich glaub aber mittlerweile nicht, dass das nur meine wahnehmungen sind. das verändert sich, in dem maße, in dem ich mich verändere. und da gibt es auch zick-zak. also, wenn ich mal wieder abstürze und es mir schlechter geht, dann IST meine therapeutin, glaube ich, auch wieder anders für mich da. und noch eine beobachtung: ich glaub, auch meine therapeutin hat sich verändert, gelernt....

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