Grenzen beim Therapeuten austesten...

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Elena
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Grenzen beim Therapeuten austesten...

Beitrag So., 16.05.2010, 21:35

Hallo Ihr LIeben,

mir kam es grad so in den Sinn, mal zu erfragen, ob es jemanden unter Euch gab, der schon mal heftig in seine Grenzen vom Therapeuten/in verwiesen wurde, wenn ja, wie seid ihr damit umgegangen?
Mich interessiert das Thema daher, da meine Therapeutin zu mir meinte, ich würde bei ihr die Grenzen nicht richtig austesten, ich soll mich mehr trauen, z.B. auch mal am Wochenende anrufen, wenn es mir danach wäre. Sie sei dies so von ihren anderen Patienten gewohnt.....
Ich habe es aber noch nie gemacht, erstens, war es bei mir niemals so akut, dass ich sie dringend gebraucht hätte, zweitens wäre es mir saupeinlich, wenn ich merken würde, dass sie genervt wäre.
Was habt ihr diesbezüglich für Erfahrungen gemacht?
Freu mich auf Eure Antworten!

LG Elena

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SamuelZ.
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Beitrag So., 16.05.2010, 21:44

Hallo Elena,
spannendes Thema. Ich denke, fast jeder klopft unbewusst irgendwie die Grenzen des Gegenüber ab, manche zaghafter, andere vehementer.
Ich erinnere mich, dass ich eine Phase hatte, in der ich mit Flüchen und Schimpfwörtern nur so um mich schmiss. U.a. fiel das Wort "F otze", was meinen Thera verstummen ließ. Ich ordne diese Phase in dieses Thema des Grenzen abcheckens ein.
Gibt es denn bei dir bestimmte Wünsche, Phantasien, in denen du dir Dinge mit deiner Thera vorstellst, die neu bzw grenzwertig wären, deiner Meinung nach? Vllt: Dass sie dich mal in den Arm nimmt, z.B.?

Oh Mann, wenn mein Thera mir so einen Freibrief ausstellen würde.....ich könnte mich glaube ich nicht mehr im Zaume halten.

Ach so, er meinte mal, er sei von meinem "ständigen Kritisieren" genervt. Habe ich als eine Art Grenzziehung von seiner Seite aus wahrgenommen.

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Elena
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Beitrag So., 16.05.2010, 21:54

SandyZ. hat geschrieben:Gibt es denn bei dir bestimmte Wünsche, Phantasien, in denen du dir Dinge mit deiner Thera vorstellst, die neu bzw grenzwertig wären, deiner Meinung nach?
SandyZ. hat geschrieben:Oh Mann, wenn mein Thera mir so einen Freibrief ausstellen würde.....ich könnte mich glaube ich nicht mehr im Zaume halten.
Genau so sieht´s mal aus, wenn ich richtig loslegen würde......
Also, ich denke schon, dass ich absolut die Grenzen überschreiten würde, ich würd mit ihr Kaffetrinken wollen,sie zu mir einladen, sie immer dann anrufen, wenn ich ihr was zu erzählen hätte, würde sie besuchen gehen, mit ihr spazieren gehen. Eigentlich alles, was mit Therapie nicht mehr soviel zu tun hätte, aber irgendwie doch, weil es mir einfach gut tut, wie sie mit mir umgeht, alleine das ist für mich schon heilend. Sie gibt das Mütterliche, was mir immer gefehlt hat, und daher hätte ich es auch gerne im Alltag.
Ansatzweise bin ich mal rausgerückt, aber wie gesagt, nur ansatzweise......Hab viel zu viel Sch***die Grenzen gezeigt zu kriegen, weil ich mir dann irgendwie infantil vorkomme....

LG ELena

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Dunkle
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Beitrag So., 16.05.2010, 22:00

Liebe Elena,

hach, ich bin auch so ne Schüchterne...vielleicht wie Du...?
Jetzt denke ich auch manchmal, ich hätte schon ruhig mehr "testen" sollen, mal nachts um drei anrufen oder auf der Treppe vor seiner Wohnung sitzen... seiner Frau auflauern und die ansprechen oder nicht immer brav kommen und gehen, sondern mal ein wenig action in die steife Analyse-Veranstaltung bringen?
Nix, ich blieb zurückhaltend, höflich, in meinen Grenzen. Kein Anruf, kein Eindringen in die Privatsphäre, nix.
Wenn ich ihn dann -liegend : brav in meiner Position - verbal angegangen bin, ihm erzählte, dass ich nach der vergangenen Stunde gern die Tankstelle vor seinem Haus in die Luft gejagt hätte, dann blieb er einfach cool. Wenn ich im Urlaub in sein Heimatland gereist war und die Sprache dort mit anderen Ohren als "seine" und somit irgendwie auch "Meine" gehört hatte, dann kam er mir genervt vor, wenn er dann ganz ruhig fragte, woher ich denn wüsste, dass er etwas mit diesem Land zu tun hätte. Als ich ihn auf dem Höhepunkt der Ü-Liebe fragte, ob wir denn nicht erwachsen genug seien, unsere eigenen Regeln zu machen, statt uns an die abstinenzlerischen zu halten, war er immerhin unruhig und brauchte länger, um zu antworten.
Heute glaube ich, dass ich Genervtsein und Abwehr nur hörte, weil ich es erwartete.
Und somit habe ich mir auch verbaut, mich in den schwierigeren Zeiten außerhalb meiner Stunden an ihn zu wenden. Weil ich immer schon vorwegnahm, wie er sich verhalten würde. Das ist aber kein wirklicher Test seiner Grenzen, das war nur mein eigenes Gebäude.
Verbal hat er mich auch oft ermuntert, meine "perfekt beherrschte Freundlichkeit" außer acht zu lassen.

Gruß
Dunkle

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Dunkle
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Beitrag So., 16.05.2010, 22:02

Elena hat geschrieben:weil ich mir dann irgendwie infantil vorkomme....
That's the point....!

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Lumpi
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Beitrag So., 16.05.2010, 22:12

hallo elena,

halte den hinweis deiner therapeutin für unprofessionell, weil das wie eine einladung rüberkommt.
warum sollte ein erwachsener sich so benehmen.
natürlich verhält es sich bei vielen anders.

ich finde der hinweis spricht eher für dich.

lg, lumpi

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SamuelZ.
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Beitrag So., 16.05.2010, 22:13

Hat dann wohl auch etwas damit zu tun, ob man die Regression zulassen will/kann.

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Elena
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Beitrag So., 16.05.2010, 22:21

Dunkle hat geschrieben:Weil ich immer schon vorwegnahm, wie er sich verhalten würde.
Genau das mache ich auch! Sie meinte zu mir, davon wäre sie genervt, weil sie es eine Unterstellung von mir an ihre Person wäre. Ich wüsste garnicht, wie sei reagieren würde in bestimmten Situationen, da ich es nicht austesten würde...
WOW, das waren klare Worte!
Dunkle hat geschrieben:hach, ich bin auch so ne Schüchterne...vielleicht wie Du...?
Naja, eigentlich garnicht, aber bei meiner Therapeutin ist es was ganz anderes.....
Stell Dir doch mal vor, ich lade sie zum Kaffee ein, obwohl ich weiß, dass sie eigentlich garnicht kommen darf, da wir uns in einem therapeutischen Verhältnis befinden, und sie sagt mir ab....
Ich kann mit sowas schlecht umgehen, da ich finde, es würde von mir irgendwie so "dummdreist" wirken, sie tatsächlich zu fragen....
Genauso blöd käme ich mir vor, sie nachts anzurufen, wenn ich mal wieder Paranoia wegen eines Stalkers (den ich wirklich an der Backe hatte) hätte. Meine erster Weg wäre es, die Polizei anzurufen, mein zweiter, mir ein Glas Rotwein einzuschenken, um wieder zur Ruhe zu kommen. Klar würde ich dann gerne mit meiner Therapeutin reden und fragen, ob sie kommt und mich beruhigt, aber ich würde dies nie, nie machen....
Vielleicht sollte ich es einfach doch mal ausprobieren? Aber nein, ich finde es nicht gut, sowas zu machen. Mit fünfzehn hab ich so Dinge gebracht, später auch noch, natürlich im Freundeskreis, aber da wusste ich auch, bei wem ich es mir erlauben konnte, hat dann auf Gegenseitigkeit beruht....

LG ELena

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Elena
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Beitrag So., 16.05.2010, 22:23

Lumpi hat geschrieben:ich finde der hinweis spricht eher für dich.
Welchen Hinweis meinst Du?
SandyZ. hat geschrieben:Hat dann wohl auch etwas damit zu tun, ob man die Regression zulassen will/kann.
Also, ich tu mir da extrem schwer, da setzt doch ganz schnell mein Kopf ein....

LG Elena

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SamuelZ.
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Beitrag So., 16.05.2010, 22:25

Vllt könntest du sie mal fragen, was du tun könntest, damit dein Kopf nicht immer gleich strafend dazwischen funkt, du etwas unbefangener an die Sache herangehen könntest, ohne diese Angst vor Zurückweisung? Nur so ein Gedanke.

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Elena
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Beitrag So., 16.05.2010, 22:32

SandyZ. hat geschrieben:du etwas unbefangener an die Sache herangehen könntest, ohne diese Angst vor Zurückweisung?
Ich habe von ihr wirklich noch nie eine Zurückweisung bekommen, selbst bei Dingen, bei denen ich nicht damit gerechnet hätte (Du weißt, was ich meine).
Eigentlich kann ich mich schon trauen, und vielleicht mache ich es einfach, wenn es in die Situation passt.
Es gab halt auch noch keine passende.....
Aber mich interessiert trotzdem weiterhin, wer schon mal so ´ne richtige Abfuhr erteilt bekommen hat, wenn er nachts, Wochenende angerufen hat, zum Kaffeee eingeladen etc.?

LG Elena

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metropolis
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Beitrag So., 16.05.2010, 22:40

Die deutlichste Absage, die ich bekam, war folgende (auf mein Drängen nach einer Umarmung):

"In dem Moment, wo ich sie umarme, ist die Therapie vorbei. Eine Umarmung ist Ihrem Fall nicht angebracht"

Einmal hatte ich mit der Patientin, die vor mir dran ist, ausgekaspert, dass wir eine Stunde tauschen. Sie war einverstanden damit. Als ich meinem Thera die frohe Botschaft überbrachte, ganz stolz darauf, dass ich ihm Arbeit abgenommen hatte, war er not amused und sagte: "Wir lassen es so wie es ist."

Aber wir haben jedesmal ausführlich darüber gesprochen.
"Ja und dann? Weißt du nicht mehr? Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!"

Theodor Storm

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kiyoko
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Beitrag Mo., 17.05.2010, 08:14

Beim Thera sind doch viele gesellschaftlichen Regeln außer Kraft gesetzt. Würde sich ein Rechtsanwalt oder ein Arzt darüber beschweren, wenn zwei Patienten Termine tauschen? Oder wäre es ein Problem wenn zwei Menschen, die sich näher kennen, sich umarmen? Wer siezt sich außerdem nach einigen Jahren der näheren Bekanntschaft noch?

Hier gelten andere Regeln. "Du darfst mir alles erzählen, aber ich erzähle dir nichts. Du bist für mich ein offenes Buch, ich hingegen ein leeres Blatt für dich" Eine solch einseitige Beziehung gibt es nur beim Therapeuten oder beim Frauenarzt Und deswegen darf man, finde ich, ruhig Grenzen austesten. Auch richtig. Bei meiner Thera hab ich das Problem, dass ich mir nicht sicher bin ob es überhaupt Grenzen gibt. Aus therapeutischen Zwecken hat sie mir früher oft vorgeschlagen mit ihr spazieren zu gehen oder einen Kaffee trinken zu gehen. Das wollte ich allerdings nie. Was ich hingegen gerne mache, ist, sie zu reizen. Ich bin motzig und versuche sie aus der Reserve zu locken. So eine richtige Grenze habe ich da noch nie gespürt und auch auf meine Frage nach dem "du" hat sie gemeint, es wäre möglich. Eine richtige Grenze habe ich nur beim Analytiker aufgezeigt bekommen und da sehr deutlich. Wobei ich diese Art der strengen Zurückhaltung als sehr übertrieben empfinde und irgendwie auch unmenschlich, nicht von dieser Welt.
We fight.........or we die

Aufgeben ist manchmal
nicht nur ein Fehler
sondern endgültig.

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SamuelZ.
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Beitrag Mo., 17.05.2010, 09:52

Morgen Elena,

sicherlich, eine Zurückweisung tut weh, da kommen die ganzen kindlichen Gefühle wieder hoch, inkl. Scham, Tränen, Wut....
(vllt sollte man da einmal noch durch)
Wie könntest du anschließend als Erwachsene mit einer Zurückweisung umgehen, wenn sich deine Gefühle wieder beruhigt haben?

lg Sandy

PS: Ich erinnere mich an eine Bitte, die ich an meinen Thera formulierte (weiß nicht mehr genau, um was es ging). Er wies sie ab. Ich antwortete mit "Schade!", und dann mussten wir beide schmunzeln.

Vllt geht es auch darum, zu erfahren, dass zwar deine Wünsche an den anderen abgelehnt werden könnten, aber dass das nicht heißt, dass man dich als ganze Person ablehnt.

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Offy
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Beiträge: 470

Beitrag Mo., 17.05.2010, 10:36

Hallo,

es gibt einen An-(Teil) von mir, der unheimlich gern die Belastbarkeit und Toleranz anderer austestet. Ganz extrem trifft das auf Menschen zu, bei denen wir das Gefühl haben, wir könnten es mit dem Vertrauen ja mal vorsichtig probieren. Zum ersten Mal so richtig bewusst wurde es mir, als ich für ein verlängertes WE in der Klinik war.
Die Thera dort musste einige Tests bestehen. Ich habe zum Beispiel ganz bewusst dort geraucht, wo ich es nicht durfte, nur um herauszufinden, wie die Thera mit einer für sie schwierigen Situation umgeht und ob sie mich dafür "bestraft". Ganz tief in mir drin habe ich erwartet, dass ich "weggeschickt" und abgelehnt werde. So war es aber nicht. Und dann hat dieser Anteil entschieden, dass sie unser Vertrauen (vorerst) verdient hat.
Heute weinte ich –
aber keine Träne benetzte eine Blume.
Still, leise und nutzlos!
Werde ich auch so von der Welt gehen?

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