Frage zu Therapie-'Hausaufgaben'

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Birgit2.
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Frage zu Therapie-'Hausaufgaben'

Beitrag Mi., 13.01.2010, 17:19

Hallo, ich brauche mal Euren Rat. Meine Thera hat mir Bögen zum Ausfüllen mitgegeben mit dem Titel "Selbstbeobachtungstraining". Ich soll sozusagen jeden Tag zeitlich gegliedert aufschreiben: die Stituation, wie ich sie bewerte, was ich dabei spüre, was ich dabei fühle, was ich denke und was ich dann mache.
Das fällt mir unheimlich schwer auszufüllen. Habt ihr Tipps für mich, wie ich es lerne mich selbst besser zu beobachten. Ich kann nicht sagen was ich spüre oder fühle.

LG Birgit

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Keksin
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Beitrag Mi., 13.01.2010, 18:15

Hallo !

Eine gute Idee von deiner Therapeutin, finde ich.

Das ist bestimmt auch als Übung gedacht.

Vielleicht hilft es dir, wenn du dir vorstellst, du beobachtest dich von außen ?
Also wenn du dir vorstellst, du siehst dich selbst als Fremder ?
Als erster Schritt. Und dann gehst du weiter und fühlst in dich hinein.
Das kann man ja Schritt für Schritt machen.
Man kann ja auch zum Üben anfangs für sich ein und dieselbe Situation immer wieder nehmen, wo du dir unklar bist, was du da gefühlt und gedacht hast.
Also sich im Nachhinein einfühlen.

Helfen kann glaube ich auch, wenn du das, was du denkst in dem Moment aufschreibst oder sagst und wenn man das dann betrachtet in der Gesamtsituation in der du dich befunden hast. So kann man vielleicht ein bisschen Spurensuche betreiben.

Lg, Keksin

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Anne1997
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Beitrag Mi., 13.01.2010, 18:21

[quote="Birgit2."]Das fällt mir unheimlich schwer auszufüllen. Habt ihr Tipps für mich, wie ich es lerne mich selbst besser zu beobachten. Ich kann nicht sagen was ich spüre oder fühle. [/quote]

Hallo Birgit,

Du bist wahrscheinlich bei einem Verhaltenstherapeuten gelandet und da ist eine solche Aufgabe nicht ungewöhnlich, sondern oft üblich. Tipps zu geben, wie Du Dich besser spürst oder etwas fühlst, können Dir nicht pauschal gegeben werden: innehalten, langsamer zu werden, für Minuten nur den Atem spüren, Gedanken kommen und gehen zu lassen, kann z.B. hilfreich und auch absolut kontraproduktiv sein.

Du kannst ja evtl. ganz langsam anfangen, indem Du Dir immer eine bestimmte Zeit nimmst bzw. gibst (z.B. am Abend oder wann es für Dich einfach stimmig ist), und Situationen notierst, die Dir etwas bedeutet haben, die in Dir etwas ausgelöst haben und wie Du diese Situation persönlich siehst (=Bewertung). So kannst Du die Situation auch aus einer Distanz zu Dir selbst (von außen) betrachten.
Oder Du notierst bestimmte Situationen direkt nach dem Eintreten - ganz so wie es kommt.

Wenn Gefühle da sind oder durch das Aufschreiben ausgelöst werden, dann notiere sie dazu.
Wenn Du glaubst, nichts fühlen, fühlst Du ja nicht nichts, sondern Du fühlst, dass Du nichts fühlst .
Vielleicht fällt Dir dann auch noch ein, wie Du auf die Situation am liebsten reagieren würdest bzw. wie Du reagiert hast (egal ob Du meinst dabei etwas zu fühlen oder nicht).
Und genauso würde ich das Deinem Therapeuten mitteilen.
Auch dass es Dir schwer fällt oder (noch) kaum möglich ist zu fühlen / etwas zu spüren.
Das Wichtigste ist, dass Du dies so ehrlich wie möglich, mit dem besten Willen angehst und auf jeden Fall machst (soweit möglich).
Wenn Du dann wenig notieren kannst, ist auch dies eine wichtige Grundlage für Deinen Therapeuten!

Herzliche Grüße und alles Gute in der Therapie
wünscht Dir
Anne

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JMH
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Beitrag Mi., 13.01.2010, 18:30

Hallo Birgit,

ich wäre zunächst ganz ehrlich in den Bögen.
Wenn Du nichts empfindest oder dir eine Situation gleichgültig ist, würde ich das zunächst auch genauso eintragen, auch auf die Gefahr hin, das du vielleicht erst nur die Gedanken, die dir durch den Kopf gehen aufschreibst. Und auch wenn vielleicht anfangs nur wenig auf dem Bogen steht.
So ist ja deine jetzige Gefühlswelt. Und das sagt ja auch schon etwas aus.

Ich bin kein Experte, kann mir aber gut vorstellen, wenn du das einige Tage die Bögen führst, werden sich vom Tagesablauf alleine her, schon ein paar "Aufreger" oder "freudige Highlights" einschleichen, zu denen Du dann mehr schreibst.
Ansonsten würde ich mir für den Anfang noch gezielt Punkte im Tagesablauf suchen, an denen ich einen Moment innehalte und mal in mich reinhöre.
Z.B. beim aufstehen: Bin ich gerade entspannt aufgewacht oder fühle ich mich nicht erholt?
Was schießt mir als erste durch den Kopf (Tagesplan, Erledigung, Tabletten nehmen...)
Frühstück: Pflicht, Hast, Streß oder genieße ich es?
Sowas halt.

Ich tue mich aber auch mit sowas schwer.
Meine Thera hat mich in der letzten Sitzung gefragt, was ich mir spontan wünschen würde, wenn ich drei Wünsche frei hätte. Boah, ich saß da wie der Ochse vorm Berg. Habe mit Mühe einen Wunsch rausgestammelt und kam mir ja sowas von blöd vor...
Im längeren Gespräch sind wir dann gemeinsam noch auf 2 Wünsche gekommen, hüstel....

Oh, und meine "Hausaufgabe" für diese Woche lautet: Ich soll mir überlegen, welche "Kleinigkeit" ich an meinem täglichen Tagesablauf ändern kann.
Darüber zermartere ich mir jetzt schon seit Tagen das Hirn.
Auf der einen Seite will ich ja nicht nur was unwichtiges, nichtsagendes ändern, aber andererseits fällt es mir auch sehr schwer etwas in Angriff zu nehmen, für das ich am Ende über meinen "Depressions-Schatten" springen muß....und es am Ende dann doch nicht tue....

LG, Janny
Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

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Zwackel
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Beitrag Do., 14.01.2010, 20:47

Genau sowas musste ich in meiner Verhaltenstherapie auch schon als Hausaufgabe machen.
Meine Therapeutin nennt das "die 4 Ebenen durchchecken" (Denken, Fühlen, Handeln, Körperreaktion).
Es fiel mir anfangs furchtbar schwer z.B. Fühlen und Körperreaktion auseinander zu halten. Für mich war der Unterschied nicht klar. Ausserdem wollte sie das Gefühl immer gaaanz genau benannt haben, also nicht bloss "gut, schlecht, traurig" oder sowas, sondern differenziertere Beschreibungen z.B. "gedemütigt".

Dann wollte sie auch noch wissen, wo genau ich dieses Gefühl im Körper empfinde (in der Magengegend, am Hals, im Herzbereich).
Puh, das war für mich total fremd und schwierig. So als müsste ich den Geschmack eines teureren Weines beschreiben, obwohl ich sonst nur Limo trinke !

Kleiner Tipp: schau mal in ein Wörterbuch oder im Duden, was es überhaupt so für Adjektive gibt, um Gefühle ganz genau zu bezeichnen. Manchmal fällt einem nämlich einfach kein passendes Wort ein.
Life is what happens to you while you're busy making other plans.
(John Lennon)


montagne
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Beitrag Do., 14.01.2010, 21:01

Hi Birgit, ich glaube der Bogen, den du zum Ausfüllen hast, IST die Übung.
es gibt unterschiedliche Übersichten und Zusammenstellungen zu Emotionen, wie diese:
http://www.blv-sport.de/laufteam/news/2 ... tchik2.gif
Das ist ein guter Startpunkt. Wenn man erstmal anfängt sich zu beobachten, merkt man, was man doch alles von sich wahrnehmen kann, auch wenn man glaubt es wäre kaum etwas. Und dort wo es wirklich Lücken gibt, wo man nichts wusste, sind es gute Ansatzpunkte für die Therapie, d.h. für eigene Überlegungen. Warum konnte man in den Situationen nicht sagen wie man es fand, wie man sich fühlte? Was war da los in der Situation, mit mir usw.
amor fati


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Beitrag Do., 14.01.2010, 22:20

Hallo Birgit

ich nenne es (nix gegen dich liebe Keksin)
aussteigen aus der Aussensituation und Innenschau betreiben. Ich guck also nicht von aussen auf mich, sondern von innen. (brrrr)

Mein T. (VT) hat mir das gesagt. Es war zunächst gedacht, für die nächste, für mich schwierige Situation.
Nur kurz: ich gehe einfach nicht, auch wenn ich mich total schlecht fühle...

So, ich hatte den Vorschlag meines T. mal zu gucken, ob ich herausfinden kann, wie ich mich fühle.

Da war erst nix. Gaaaar nix. Ich bin aber innen geblieben, hab mein Gegenüber 'labern' lassen.
Da war dann irgendwann ein Gefühl.

So mache ich es jetzt jedes Mal, wenn ich merke, ich verhalte mich und finde mein Verhalten sch*** (weil ich mich so nicht kenne)

Ich habe meinem T. auch ganz ehrlich gesagt, dass ich manchmal wie blöde dasitze und nix kann. Nicht fühlen, denken und schon gar nicht machen

Er sagt: sie tun nur, was geht. Alles andere geht nicht.

Deshalb würde ich an deiner Stelle schreiben, dass dir das ausfüllen schwer fällt.

Rosenrot

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hungryheart
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Beitrag Fr., 15.01.2010, 10:43

vallée hat geschrieben:Hi Birgit, ich glaube der Bogen, den du zum Ausfüllen hast, IST die Übung..

yep, sicher sogar.

ich hatte damit auch extreme schwierigkeiten, aber je öfter ich "in mich hineingespürt" habe, desto besser konnte ich sagen, was für gefühle da waren.

ich fand das damals extrem hilfreich.
oft bin ich über dieses mich-fragen was für ein gefühl da ist, verbunden mit dem verknüpfen mit den situationen überhaupt erst auf wichitge zusammenhänge gestoßen.

z.b. hatte ich "zufällig" immer dann ein ungutes gefühl, wenn ich kontakt zu einer ganz bestimmten freundin hatte, die mir nicht gut getan hat.
Nimm was du willst und zahl dafür.


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Beitrag Fr., 15.01.2010, 14:33

Hallo Hungrygeart
hatte ich "zufällig" immer dann ein ungutes gefühl, wenn ich kontakt zu einer ganz bestimmten freundin hatte, die mir nicht gut getan hat.
Huch, so etwas habe ich auch gerade erlebt durch die Innenschau.

Hast du Konsequenzen gezogen? Ziehen können?

Ich 'musste' gar nicht, die 'Freundin' hat, wohl weil ich nicht mehr getan habe, wie sie erwartete. Ich war ja 'draussen'.

Rosenrot

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Birgit2.
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Beitrag Fr., 15.01.2010, 14:54

Hallo - Ihr seit echt klasse,
vielen lieben Dank für die Tipps u. Eure Sichtweisen.
Ja - ich dachte mir schon, dass das Ausfüllen selbst die AHA-Effekte bringen soll. Aber meine Seiten könnten fast nur aus "Gänsefüßchen" bestehen - ich meine es wiederholt sich eben immer.
Was mir inzwischen etwas leichter fällt, sind die Körperwahrnehmungen. Z. B. habe ich öfter Magenschmerzen; das führe ich schon lange auf stressige Momente zurück. Aber wo ist mein Gefühl???
Ich bin ein sehr perfektionistischer, strukturierter Mensch. Solange alles nach Plan läuft ist es gut. Mittlerweile ist meine Angst, dass etwas passiert größer als díe realen Unplanmäßigkeiten.
Aber echt ein Kompliment an Euch. Ich habe selten Menschen erlebt, die so gut ihre eigenen Erfahrungen u. Lernprozesse beschreiben u. zudem noch bemühlt sind, es anderen zu erklären.
Ich bleibe am Ball; sitze hier vor meinem PC und suche gerade mein Gefühl

LG

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Birgit2.
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Beitrag Fr., 15.01.2010, 15:18

@vallèe,
kannst Du den Link mit der "Gefühlsblume" etwas erklären?
Sind außen die Stimmungen, die sich dann nach innen hin steigern?


montagne
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Beitrag Fr., 15.01.2010, 21:18

@Birgit:
Ja also viel mehr gibt es dazu auch nicht zu sagen, denke ich. Die emotionalen Zustände werden von außen nach innen intensiver und auf jedem Blütenblatt ist ein bestimmtes Spektrum abgetragen. Find schön, dass du es als "GefühlsBLUME" siehst. War mir gar nicht aufgefallen. Aber ich finde es auch passend, denn Gefühle sind ja wie Blumen: bunt.. und sie können gedeihen oder verkümmern.

Ich wollte dir eigentlich nur eine beispielhafte Anregung geben. Du hast auf mich einen recht strukturierten und verkopften Eindruck gemacht. Da ich selbst recht verkopft bin und mir solche Darstellungen anfangs halfen, wollte ich das einfach nur als Anregung reingeben. Vielleicht googelst du auch nochmal selbst. Es gibt unterschiedliche solcher Zusammenstellungen und auch Schemata zum erkennen von Gefühlen UND der Gedanken, die sie auslösen. Man kann ja eine raussuchen, die man stimmig findet. Ich hatte mir damals die ein oder andere Zusammenstellung modifiziert, war sicher auch eine gute Übung dem Thema Gefühle überhaupt näher zu kommen
Das allein macht sicher nicht seelig, aber ich fand es einen für mich praktikabeln Einstieg, der mir bis heute als solides Gerüst dient im Alltag mit mir umzugehen, mich zu steuern, letzendlich meine Gedanken und Gefühle zu einem gewissen Grad zu beeinflussen.

Und Birgit.. sei nicht enttäuscht, wenn du erstmal kein Aha-Effekt spührst. Denn DEN muss frau ja auch erstmal spüren können. Und vielleicht sind es auch weniger die Aha-Effekte als die Selbstkongruenz, die kommt und einen zufriedener und ruhiger macht.

Viel Freude mit deinem Innenleben!
amor fati

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hungryheart
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Beitrag So., 17.01.2010, 12:49

Rosenrot hat geschrieben:Hallo Hungrygeart



Hast du Konsequenzen gezogen? Ziehen können?

Ich 'musste' gar nicht, die 'Freundin' hat, wohl weil ich nicht mehr getan habe, wie sie erwartete. Ich war ja 'draussen'.
hi rosenrot....
ich habe mit ihr geredet und gesagt, was mich stört, woraufhin sie den kontakt abgebrochen hat.
Nimm was du willst und zahl dafür.

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