Ängste - psychoanalytischer Ansatz

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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lisbeth
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Beitrag Di., 28.06.2016, 12:49

Matzero hat geschrieben:Ich möchte mit meinen Beiträgen keine selbst gestrickten eklektizistischen Baukastentherapien bezahlen, die bekanntlich nichts bringen (außer einer narzisstisch bestätigenden Verschmelzung zwischen Therapeut und Patient), weshalb Verfahrenskombinationen (mit Ausnahme PTBS-Behandlung) in Deutschland im Kassensystem explizit ausgeschlossen sind (s. z.B. Psychotherapie-Richtlinie).
Läuft alles bei mir total richtlinienkonform: katathym imaginative Psychotherapie kann nach G-BA-Richtlinie im Rahmen einer TfP Anwendung finden.
Von narzisstischer Verschmelzung kann keine Rede sein und davon habe ich auch nie geredet, da hast du Dinge reingelesen, die so überhaupt nicht gesagt wurden.

Ich würde eher den begrenzten Horizont kritisieren, der durch die enge Definition der Richtlinien-Verfahren entsteht. Dass etwas festgelegt werden muss, darüber müssen wir nicht diskutieren, schon allein auch zum Schutz der Patienten. Aber wenn du dir die sog. "Dritte Welle" der VT-Verfahren anschaust und das mit neueren TfP-Ansätzen vergleichst (wo es inzwischen auch nicht mehr allein um das Unbewusste geht sondern auch um konkrete Veränderungsschritte), dann liegt das alles gar nicht sooo furchtbar weit auseinander. Und systemische Ansätze, die bewiesenermaßen wirksam sind, bleiben außen vor, weil kein Richtlinien-Verfahren.

Nur weil etwas nicht RL-Verfahren ist, heißt das nicht, dass es nicht wirksam ist. Die Definition "RL-Verfahren" wurde irgendwann so getroffen und ist damit auch ein Stückweit "willkürlich" bzw. spiegelt die Erkenntnisse und Interessen wider, die zu diesem Zeitpunkt vorherrschend waren. Aber das führt nun definitiv ins OT.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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Lockenkopf
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Beitrag Di., 28.06.2016, 21:59

Matzero hat geschrieben:Man sollte vorsichtshalber noch erwähnen, dass unter tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie leider so alles Mögliche (und Unmögliche) "angeboten" wird.

Wer wirklich eine psychodynamische Psychotherapie (in der Regel tiefenpsychologisch fundiert mit Chancen, bei Bedarf auch analytisch weiterzuarbeiten) in Anspruch nehmen möchte,sollte zu einen Analytiker aufsuchen. Da hat man eine recht sichere Wahrscheinlichkeit, dass das man auch das bekommt, was draufsteht.
Es gibt recht viele Analytiker, die in Laufe ihres Berufsleben sich eine ganze Menge weitere Methoden angeeignet haben und somit keine Psychotherapien reiner Lehre durchführen.
Ich bin aktuell bei so einem Exemplar. Er macht alles mögliche, nur keine Psychoanalyse mit mir.
Aber, ich kann mich nicht beschweren.
Ich kann meinen Kram sinnvoll bearbeiten und er ergänzt das ganze.
Liebe Grüße
Lockenkopf

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Lockenkopf
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Beitrag Di., 28.06.2016, 22:12

Matzero hat geschrieben:
Genau diese Mentalität und Praxis vieler Therapeuten hat übrigens zum Erhalt und Ausbau dieses unsäglichen Gutachtersystems geführt (was natürlich gezielt mit Seminaren, Schreibhilfen ausgetrickst wird). Man darf sich dann aber auch nicht wundern, dass dann eines Tages die Psychotherapie wegen solcher schwarzer Schafe aus dem Kassensystem wieder rausfliegt (oder bestenfalls - was immer wieder ernsthaft diskutiert wird - nur Verhaltenstherapie bezahlt wird - und die Verhaltesntherapeuten halten sich an ihr Verfahren).
Wenn jemand nur einen Hammer zur Verfügung hat, sieht jedes Problem aus wie ein Nagel.

Es gibt ungefähr 6oo verschiedene Psychotherapeutische Verfahren. Viele mit Wirksamkeitsnachweis. Und in deutschen Kliniken wird sich auf der gesammten Bandbereite all dieser Methoden bedient.
Das diese In Deutschland keine Kassenzulassung für Therapien beim niedergelassenen Psychotherapeuten haben hat politische Gründe. In Österreich sind sehr sehr viel mehr Verfahren zugelassen.

Und auch unter den Verhaltenstherapeuten gibt es sehr viele welche alles mögliche, nur keine Reine Schule durchführen. Und das sogar bereits in den Ausbildungsinstituten.
Ich habe 80 Sitzungen kassenfinanzierter Verhaltenstherapie in einem Ausbildungsinstitut durch eine PIA hinter mir und habe nur 2 mal Hausaufgaben bekommen, habe nie diese Kette von Gedanken, Gefühlen und Verhalten kennen gelernt. Diese PIA hat bei mir unter Supervision sehr viele Methoden ausprobiert, klas. Verhaltenstherapie war nicht dabei.

Gute Therapeuten, ganz gleich welcher Schule, wenden das aus ihrem gesammten Therapiemethodenfundus an, von dem sie glauben das es ihrem Pat. am meisten nützt.


Hier ein sehr interessanter Beitrag zur Wirksamkeit von unterschiedlichsten Psychotherapien:
Liebe Grüße
Lockenkopf


montagne
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Beitrag Mi., 29.06.2016, 14:15

Ich möchte mit meinen Beiträgen keine selbst gestrickten eklektizistischen Baukastentherapien bezahlen, die bekanntlich nichts bringen -- Quelle: viewtopic.php?f=20&t=15754
Über 800 Seiten Metaanalyse sagen etwas anderes:

GRAWE et al. (1994): "Eklektische und richtungsübergreifende Therapien führten fast immer zu einer signifikanten Besserung der Hauptsymptomatik. Auch in anderen Bereichen wurden, wenn entsprechende Messungen erhoben wurden, ganz überwiegend bedeutsame positive Veränderungen festgestellt. Im an und für sich strengeren Kontrollgruppenvergleich ist dieses positive Ergebnisbild sogar noch deutlicher als im Prae-Post-Vergleich. Besonders für die ausdrücklich eklektischen Therapien sieht die Wirkungsbilanz im Kontrollgruppenvergleich recht eindrucksvoll aus." (S. 649).


Da das ganze inszwischen eben gut bekannt und belegt ist, arbeiten viele Therapeuten methodenintegrativ und auch die Theoriebildung geht da hin. Wurde ja hier schon erwähnt, wie sich VT und TPF einander annähern. Aus gutem Grund! Weil man eben evidenzbasiert arbeiten will und sowohl gegenüber den Klienten, als auch klar dem Kostenträger, eine Verpflichtung hat.
amor fati

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stern
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Beitrag Mi., 29.06.2016, 14:48

Auch speziell für Ängste scheint ähnliches zu gelten:
Erste Erfahrungen mit kombinierten psychodynamisch-verhaltenstherapeutischen
Therapieansätzen sind ermutigend, da sie neben den angstkonfrontierenden Techniken
auch konfliktdynamische Aspekte berücksicht
igen (vgl. Nickel et al. 1999). Ergänzend
einzubeziehen ist hierbei oft auch eine pharmakotherapeutische Begleitbehandlung,
wenn auf andere Weise keine Compliance bzw. Ansatzpunkte für nur psychologische
Behandlungsmaßnahmen erreicht werden kann (vgl. Bassler, 1999, Dengler &
Selbmann, 2000). (...)

Es sprechen zunehmend mehr Befunde dafür, dass eine sinnvolle Kombination
aktiver angstkonfrontierender Technik in Verbindung mit einsichtsfördernder
psychodynamischer Psychotherapie einen besseren Therapieerfolg als
psychodynamische oder behaviorale Therapie allein zu erreichen vermag. In
diesem Zusammenhang sollte noch erwähnt werden, dass Therapieerfolg hier
mehr als nur die erreichte Symptomreduktion (z.B. des Vermeidungsverhaltens)
meint. Viele Angstpatienten empfinden durchaus eine Art innere Evidenz dafür,
dass das plötzliche Auftreten ihrer Angsterkrankung nicht „zufällig“ oder
„unmotiviert“ geschah. Sie möchten einerseits zwar rasch etwas an die Hand
bekommen, was ihnen hilft, mit ihren Ängsten besser zurecht zu kommen.
Andererseits haben viele auch ein großes Interesse daran, die tieferliegenden
Hintergründe ihrer Ängste näher kennen zu lernen.
http://www.lptw.de/archiv/vortrag/2002/bassler.pdf
Der Artikel geht auch auf manche psychodynamischen Sichtweisen bzw. praktischen Behandlungsempfehlungen ein. Wichtig erscheint mir, dass Angst nicht Angst ist... bzw. besser gesagt: Die Art der Störung einen Unterschied machen kann bzw. ob zusätzlich eine Persönlichkeits- bzw. strukturelle Problematik besteht. Je reifer der Patient, desto mehr nähern sich die beiden Ansätze wohl auch an, sprich: Dass dann auch in psychodynamischen Verfahren konfrontativer und aufdeckender gearbeitet werden kann... und (in der verhaltenstherapeutisch arbeitenden Klinik war das so): Wenn im Zuge einer Exposition manches hochgekommen ist, dass dann auch das bearbeitet wurde. Hier muss man wohl aufpassen, dass man nicht Äpfel mit Birnen gleicht... wenn man mit einem Patienten z.B. zuerst Ressourcen aufgebaut werden, hat das vllt. weniger mit dem Verfahren zu tun, sondern vllt. dass gar keine ausreichenden Ressourcen vorhanden wären, eine Exposition zu bewältigen (und dann wäre diese fragwürdig, vllt. sogar schädlich, wenn sie einfach nur überwältigend wäre).
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
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(alte Weisheit)

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