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Mi., 08.06.2016, 14:16
stern:
Über dieses Problem denke ich auch oft nach: dass für jeden Wunsch, für jeden Plan und für jede angestrebte Veränderung immer weniger Zeit bleibt. Heute schon weniger als gestern. Nur habe ich mich, vielleicht ironischerweise, dann bewusst entschieden, mich NICHT davon irritieren zu lassen, was aber auch mit meinen persönlichen Erfahrungen zu tun hat. Ich hatte früher nie die Ruhe bekommen, die ich gerne gehabt hätte und wohl auch gebraucht hätte. Jetzt nehme ich sie mir. Das bezieht sich ja nicht nur auf eine Psychotherapie, sondern auf alles, was man tut.
Ich hatte mal einen Job, den ich so anfing, dass ich dachte, ich müsste besonders schnell lernen und besonders viel am Arbeitstag schaffen, was auch mit meiner Unsicherheit zusammenhing über meinen "Wert" als Arbeitskraft. Glücklicherweise war das Erste, was ich dort überhaupt gelernt habe: "Fangen Sie hier gar nicht erst an, alles schaffen zu wollen und sich zu stressen. Da kommen Sie sonst nie raus". Das hat mir geholfen, zu meinem eigenen Tempo zu stehen, das meinem Wesen entspricht. Es mag sein, dass andere Menschen schneller laufen, schneller lernen, schneller ihre Therapie beendet haben, aber mir ist wichtiger, mein Tempo zu finden. Schließlich weiß niemand, wie viel Lebenszeit ihm bleibt. Man kann heute sterben oder in fünf Jahren oder in fünfzig Jahren. Da macht die Frage, ob man nun drei Jahre Therapie hatte oder sechs Jahre, keinen großen Unterschied. Vor allem nicht, wenn man diese Zeit für sich gewinnbringend nutzt, und sei es nur in kleinen Schritten.