Verhalten vom Psychologen normal?

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Kirchenmaus
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Beitrag Mi., 06.04.2016, 09:21

Wandelröschen hat geschrieben:
Kirchenmaus schrieb: „Du brauchst in der nächsten Zeit bestimmt liebevollere Zuwendung, als du sie von ihm bekommen kannst.
Das stimmt schon, aber: für diese liebevolle Zuwendung sind andere zuständig, nicht unbedingt ein Therapeut, der dich von deinen depressiven Verstimmungen wegbringen („heilen“/therapieren) soll. Deswegen musst du dich nicht zwangsläufig nach einen neuen Therapeuten umsehen, wenn du die Zuständigkeiten anders aufteilst.

Seine Vorgehensweise (Finger in die Wunde legen, sogar noch nachbohren) ist nicht ungewöhnlich. Spiegel vorhalten, dich zu etwas zwingen hinzusehen, wo du am liebsten wegsehen würdest. Provozieren, damit du ins Nachdenken kommst, vielleicht dann langfristig zu einem Umdenken. Wenn der Therapeut dir nur nach den Mund redet und all deine Wünsche/Bedürfnisse erfüllt und deinen Erwartungen entsprechend redet/handelt, wirst du ewig in dienen Fahrspuren bleiben.

Also jetzt das Handtuch werfen? hm …
Die Stunden, die mich am meisten aufwühlten, wo ich als erstes dachte, der Thera ist ja voll daneben, schieß den Thera auf den Mond, hat er sie noch alle ... haben mich am meisten vorangebracht.
Mein Vater ist Ende vergangenen Jahres an Krebs verstorben, recht kurz nach seiner Diagnose. (Was bei der TE natürlich nicht so sein muss und ich ihr und ihrer Mutter nicht wünsche!!!) Die liebevolle und einfühlsame Zuwendung meiner Therapeutin war ein extrem wichtiger Aspekt, damit ich die Situation einigermaßen gut überstehen konnte.
Natürlich wäre es ideal, wenn sich die "Zuständigkeiten" auf privat und therapeutisch so aufteilen ließen, dass für jedes Bedürfnis jemand da ist. Aber das ist erstens nicht oft der Fall. Und zweitens bleibe ich bei meiner Meinung, dass sensibles Verhalten förderlich und wichtig ist – zumindest für mich. Man muss nicht in jeder Situation den Finger in die Wunde legen und provozieren – und schon gleich gar nicht in der fünften Stunde. Das kann der Therapeut dann machen, wenn er den Patienten schon länger kennt.

Natürlich kann ich nur für mich sprechen.

Glühbirne, wie geht es dir denn jetzt?
Es ist in Ordnung, mich zu akzeptieren.

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Lockenkopf
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Beitrag Mi., 06.04.2016, 15:25

Ich finde das Finger in die Wunde legen eigentlich vollkommen richtig, aber nicht 1 Tag nachdem man von der tödlichen Erkrankung der Mutter erfahren hat.

Dazu besteht in einer gerade begonnen Psychotherapie noch Zeit satt.
Liebe Grüße
Lockenkopf

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Lockenkopf
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Beitrag Mi., 06.04.2016, 15:53

Gluehbirne90 hat geschrieben:
Es ist so gestartet, dass der Psychologe mich gefragt hat, was es bei mir so neues gibt. Ich habe ihm direkt gesagt, dass es mir schwer fällt, über das Thema zu reden und dass diese Diagnose bei meiner Mutter gestellt wurde. Ich sollte ihm von meinem worst case szenario erzählen. Ich habe ihm davon erzählt, dass ich Angst habe, dass sie das nicht schaffen wird. Seine erste Reaktion war dann „Reicht die Liebe etwa nicht, die Sie als Kind von ihrer Mutter bekommen haben? Brauchen Sie davon unbedingt noch mehr?“ Als ich ihm gesagt habe, dass ich die Frage sehr provokativ finde, hat er nicht locker gelassen und meinte, dass ich doch jetzt erwachsen bin und die Zeit der elterlichen Unterstützung doch jetzt vorbei sei. Dann noch, dass ich offensichtlich nicht alleine klar komme und meine Eltern bestimmt auch erleichtert wären, wenn sie wüssten, dass ich und meine Geschwister auch ohne sie im Leben klar kämen. Naja, ich bin ein Familienmensch und diese bedeutet mir alles. Ich hatte richtig das Gefühl, dass ich mich dafür rechtfertigen muss. Also habe ich ihm offen gesagt, dass ich nicht seiner Meinung bin. Meine Geschwister haben alle Studiert und sehr gute Abschlüsse erreicht. Er dann: Der akademische Abschluss sagt nichts über die Lebenstüchtigkeit aus. Es gibt auch Doktoren, die ihr Leben nicht auf die Reihe bekommen. Quasi Fachidioten. Er war der Meinung, dass ich mir eine eigene Familie aufbauen soll, Freund und Kinder und so weiter. Als ich ihm gesagt habe, dass ich daran grade kein Interesse habe, war seine Antwort nur „das sollten Sie aber!“.

Irgendwie habe ich mich richtig in die Ecke gedrängt gefühlt, als Fachidiot, der sein Leben nicht auf die Rehe bekommt. Er hat meine Argumente nicht gelten lassen, dass ich bereits einen Nebenjob habe, mit dem ich Geld verdiene und schon wohl lebensfähig bin. Er erzählt mir dann immer von Leuten, die er behandelt hat und wie sich das bei denen entwickelt hat. Das gibt mir allerdings (da er mich ja erst diese 2 Gesprächsstunden kennen lernen konnte) das Gefühl, dass er mich einfach in Schubladen steckt. Wenn ich ihm sage, dass ich anderer Meinung bin, ist sein Totschlagargument, dass man das ja nicht bewusst macht, dass man sich nicht von den Eltern lösen möchte. Er sagt mir also etwas über meine angeblichen tiefen inneren Konflikte, dabei kann ich nicht sagen, dass ich mich ihm überhaupt richtig geöffnet habe.

Dieses Verhalten kann doch nicht normal sein, oder? Ich habe dann irgendwann nichts mehr gesagt, weil er meine Aussagen nicht gelten lassen wollte. Nach dem Gespräch war ich am Boden zerstört und es ging mir extrem viel schlechter als vorher. Darf ein Psychologe einem sagen, dass man eine eigene Familie aufbauen „muss“ bzw. was für ein Lebenskonzept man da haben darf und was nicht? Ich weiß nicht, ob ich diesem Mann jetzt noch vertrauen kann und von meinem tiefen inneren Unsicherheiten berichten kann, nachdem er mich dafür so fertig gemacht hat, dass ich an meiner Familie hänge und ich traurig darüber bin, dass Meine Mutter diese schlimme Krebsdiagnose bekommen hat. Grade in so einer Situation, wo man sowieso schon extrem angespannt ist. Nach der Stunde wollte ich am liebsten alles hinschmeißen. Aber ich wollte mir hier noch ein Mal eine Meinung einholen, ob so ein Verhalten wirklich normal sein kann?
Der einzige Grund den ich mir denken kann, wann das Verhalten des Psychotherapeuten Sinn macht ist, das dein geschildertes worst case Szenario darin bestand, das Du dich durch den Tod deiner Mutter verlassen, nicht lebensfähig fühlen würdest, oder dein Lebensinhalt verloren gehen würde und du dich da hineingesteigert hast. Wenn Du ihm das gesagt oder angedeutest hast, dann ist die Reaktion den Psychotherapeuten vollkommen angebracht gewesen.
Er hat dich dann nämlich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.
Und auch klargestellt woran gearbeitet werden muss.

... und meine Eltern bestimmt auch erleichtert wären, wenn sie wüssten, dass ich und meine Geschwister auch ohne sie im Leben klar kämen.
Das ist mit Sicherheit so. Und wenn Du tatsächlich nicht in der Lage bist ohne deine Eltern klar zu kommen, ist das gerade in der Situation in der Deine Mutter steckt eine immens große Belastung für sie.

Wenn dein Problem aber "nur" darin besteht ,den geliebten Menschen, der dich groß gezogen hat und dem Du viel zu verdanken hast, zu verlieren, dann hat dein Psychotherapeut unrecht. Denn das ist ein ganz normales Problem das jeder Menschen hat/haben sollte und das nur Mitgefühl erfordert.
Liebe Grüße
Lockenkopf

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charlotta
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Beitrag Mi., 06.04.2016, 21:54

Liebe Glühbirne,

du fragst, ob das Verhalten deines Therapeuten normal ist, ich würde es bejahen, denn es ist deren Job zu analysieren, um den Patienten weiter zu helfen. Jetzt kommt aber mein ganz grosses ABER, ich finde, dass er sehr unsensibel mit dir umgegangen ist, denn wenn du so eine Diagnose von deiner Mutter erfährst, dann ist es absolut nachvollziehbar, dass du grosse Angst hast, sie zu verlieren, und in meinen Augen hat dies erstmal den allergrössten Stellenwert, es ist für mich nicht der richtige Zeitpunkt, dir so schnell zu sagen, dass du selber eine Familie gründen sollst, damit du dein eigenes Leben hast und nicht mehr abhängig von der mütterlichen LIebe bist! Zumal ich persönlich finde, dass seine Theorie so nicht stimmt, denn der Schmerz über einen Verlust wäre genauso gross, auch wenn du einen Mann und Kinder hättest! Es geht doch garnicht um elterliche Unterstützung, wie er sich ausdrückt, sondern um Emotionen! Ausserdem finde ich es volllkommen normal, dass dir deine Familie sehr wichtig ist, und du dir gerade grosse Sorgen machst. Durch seinen Umgang mit deinem Problem würde ich ganz klar sagen, dass er nicht der richtige Therapeut für dich ist, denn es geht bei dir nicht um das Thema der Lebenstüchtigkeit, wenn du ihm erzählst, dass du schockiert bist über die Diagnose deiner Mutter. Ich denke, du hast es schon richtig erkannt, er lässt deine Argumente nicht gelten und steckt dich in eine Schublade, damit er einen Ansatzpunkt hat, an dem er bei dir arbeiten kann. Ist mir zu sachlich und zu kühl für einen Therapeuten, daher könnte ich da nicht mehr weitermachen! Wünsche auf jeden Fall, dass es deiner Mutter bald besser geht und du sie noch sehr lange haben wirst! LIebe Grüsse

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Räbin
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Beiträge: 163

Beitrag Mi., 06.04.2016, 22:23

Lass Dir nichts erzählen. Natürlich ist das Verhalten nicht normal für einen Psychologen. Weiß nicht, wie entfremdet manche ihrer eigenen Gefühle sind.

Du darfst zu recht Empathie erwarten, in so einer schwierigen Situation erst recht.

Halte Dich nicht auf bei dem, es könnte noch schlimmer kommen. Gehe davon aus, dass er weiß, was solche Äußerungen beim Gegenüber bewirken...


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Gluehbirne90
neu an Bo(a)rd!
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Beiträge: 2

Beitrag Do., 07.04.2016, 11:43

Liebe Forumsmitglieder!

Vielen Dank für die schnellen und herzlichen Antworten!! Es ist ein tolles Gefühl zu wissen, dass ich mit meiner Empörung nicht alleine bin. Leider wurde mir dieser Tiefenpsychologe bei der psychosozialen Beratungsstelle vom Studentenwerk als sehr feinfühlig empfohlen, weshalb ich auch so überrascht war. Ich erkläre es mir auch so, dass er versucht hat, mein worst case-szenario so zu relativieren. In dieser Situation hätte ich einfach Unterstützung und Zuspruch anstatt Provokation gebraucht. Ich weiß nicht, ob es irgendwie doof klingt, aber ich merke, dass ich durch diese Art der Therapie immer mehr den Kontakt zu meinen Emotionen verliere, was eines meiner Probleme ist, und mich dann frage, welches Verhalten von mir noch "erlaubt" und "normal" ist und was nicht. Auch welche Emotionen man haben darf, was de Konventionen sind und was die Konsequenzen sind. Das war in dieser Zeit mit der Psychologin von der Beratungsstelle ganz anders.

Zur Erklärung: Ich hatte zum Jahreswechsel ein einziges Vorgespräch und wurde dann auf die Warteliste gesetzt. Nach ca. 3 Monaten warten wurde dann ein Platz für mich frei. Dooferweise habe ich dann direkt in der zweiten Stunde den Antrag unterschrieben. Da mir dieser Psychologe als so feinfühlig empfohlen wurde und es meine erste Therapie ist, bin ich da wohl einfach sehr blauäugig an die Sache heran gegangen und hatte einfach gehofft, dass diese Einschätzung zutrifft.

Ich habe auch eine Therapiezusage von der Krankenkasse für 25 Sitzungen bekommen. Ich hatte bisher immer gehört, dass die genehmigten Stunden dann Therapeutengebunden sind. Aber der Hinweis, dass man sich diese auf einen anderen Psychologen überschreiben lassen kann, erleichtert mich total! Ich werde da telefonisch bei meiner Krankenkasse anrufen und nach der weiteren Vorgehensweise fragen.

Und auch ein sehr großes Danke für die Genesungswünsche für meine Mutter. Es ist keine einfache Zeit, aber sie ist sehr tapfer und stark. Wir halten alle sehr stark zusammen und hoffen, dass wir sie so stark unterstützen. Ihre OP ist erst ein mal gut verlaufen, jetzt folgt die weitere Therapie mit Bestrahlung usw. Ich hoffe so sehr, dass sie wieder richtig gesund wird.

Sehr liebe Grüße
Glühbirne

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