Meine Geschichte-meine Therapie und der Erfolg

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Meine Geschichte-meine Therapie und der Erfolg

Beitrag Fr., 31.10.2008, 22:49

Ich hab im Chat versprochen etwas zu meiner Therapie zu schreiben und das versuche ich jetzt.
Ich fange einfach mal an.
Ich bin zu meinem Therapeuten gekommen weil mein Sohn ein Schulproblem hatte.
Was ich mit dieser Aktion für mich lostreten sollte…darüber kann ich heute nur noch staunen und schmunzeln.
Eins war klar…bevor dieser Mensch mein Kind in die Hände bekommen sollte, wollte ich mir den Typen erst einmal anschauen.
Also habe ich einen Termin für mich selbst ausgemacht.Mir ist nichts Besseres eingefallen um an diesen Fuzzy dranzukommen.Ich bin dann im Juli 2006 das erste Mal hin und habe mich dort einer ADHS-Diagnostik unterzogen.Ich fand das interessant.Das Ergebnis der Tests war mir zu diesem Zeitpunkt noch herzlich egal
Beim Abschlussgespräch, bin ich allerdings mit einem harten Aufprall in der Realität gelandet. Diagnose:
Aufmerksamkeitsdefizitssyndrom mit Hyperaktivität und einer Hochbegabung bei einem IQ von ca.145
Damit hatte ich nicht gerechnet.
Im Anschluss daran, wurde mein Sohnemann ausgetestet und bei ihm kam so ziemlich das gleiche raus…nur das sein IQ noch höher ist als meiner.
Jetzt wollte ich eine Therapie für meinen Sohn. Da hatte ich aber die Rechnung ohne den Therapeuten gemacht. Der sagte nur: „Ihr Sohn braucht keine Therapie, aber Sie!“ Ich hätte ihn am liebsten erwürgt.

Ich habe mich dann erst einmal darum gekümmert die Medikamente für mich zu bekommen, die normalerweise Kindern mit ADS verordnet werden. Von da ab ging’s rapide bergab.
Mit den Medikamenten, wurde mir schnell klar wie frustrierend, mein Leben bis dahin gelaufen war und ich konnte, auf einmal sehr genau erkennen was schief läuft. Also habe ich bei ihm eine Verhaltenstherapie begonnen.
Ich mochte den Therapeuten, aber es fiel mir so wahnsinnig schwer zu reden. Ich wusste aber nicht,warum ich so eine Wahnsinnsangst vor ihm hatte. Jede Stunde aufs Neue….mir wurde schon schlecht wenn ich an die nächste Stunde gedacht habe.Ab da ging mein Gewicht in einem Höllentempo runter.
In den ersten Stunden ist uns dann aufgefallen, dass mir ca. 15 Jahre Erinnerung fehlen. Das meiste aus meiner Kindheit war einfach weg
Jetzt stellte er mir die Frage: „Wollen sie wissen was damals war?“
Klar wollte ich,wer würde das nicht wollen?Das erschrockene Gesicht des Therapeuten und die Warnungen die er daraufhin ausgesprochen hat, hätten mir eigentlich zu denken geben sollen
Taten sie aber nicht
Ich habe es nicht einmal ernst genommen, als er meinte das das vielleicht nur stationär gehen würde.
Es hat nicht mehr lange gedauert, dann wurde klar warum mir diese Jahre gefehlt hatten. Ich hatte meine Kindheit komplett verdrängt und zwar aus gutem Grund.
Ihr wisst warum manche Menschen ihr halbes Leben verdrängen und sich nicht mehr erinnern wollen. Ich wurde als kleines Mädchen massiv sexuell missbraucht. Und später, in der Pubertät bin ich immer wieder selbst in solche Situationen rein gestolpert…ich kannte es nicht anders. Für mich war Sexualtät nur ein Aushalten mehr nicht…
Diese Erinnerungen, kamen dann von einem Tag auf den anderen hoch und haben mich überrollt wie ein Bulldozer. 6 Monate habe ich gekämpft alle Bausteine zusammenzusetzen. In dieser Zeit habe ich 35 Kilo abgenommen und mein Leben lag nur noch in Trümmern da. Alles was bis dahin selbstverständlich gewesen war, war jetzt von dem Schrecken der Vergangenheit behaftet. Meine Eltern, mein Bruder…alles eben…auch mein Mann blieb davon nicht verschont.

Diese Erinnerungen haben ausgesehen, wie wenn das alles heute im Hier und Jetzt passieren würde. Sie waren begleitet von Panikattacken, Unterleibsschmerzen, Übelkeit und immer wieder von massiver Angst und Nervosität. Und vor allem waren sie begleitet von dem extremen Druck, zu schweigen. Ich stand am Rande des Wahnsinns…mit solchen seelischen und körperlichen Schmerzen war ein Überleben kaum noch möglich.

Jetzt steht der Abschied von der Therapie an und das fällt uns beiden nicht leicht. Wir sind zusammen durch die Hölle gegangen und das loslassen fällt uns beiden schwer.
Ich sehe das alles inzwischen so: Ich fühle mich wie nach einer rasanten Achterbahnfahrt mit 1000 Höhen und Tiefen, vielen Loopings und jeder Menge Stürze im freien Fall. Kein Mensch würde jetzt auf die verrückte Idee kommen, von mir zu erwarten, das ich jetzt gefälligst sofort ins Bett zu gehen habe, das ich mich sofort entspannen soll und auf der Stelle einschlafen können muss.Außer mir selbst natürlich....grmpf.
Jeder andere würde sagen ...sieh erst mal zu das dein Adrenalinpegel wieder auf ein normales Level kommt,trink nen Kaffee oder iss ein Eis und komm erst mal runter........und nicht..............geh schlafen.

Ok wir arbeiten dran und jetzt stehen Entspannungsübungen an. Dann werden wir weitersehen.

LG Conny

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Beitrag Fr., 31.10.2008, 22:58

Der Erfolg?
Ich hab glaub ich schon fast alle Ziele erreicht die ich mir gesetzt hab. Alles was noch offen ist seh ich positiv und ich werds schaffen.
Da höre ich meinen Therapeuten vor nem Halben Jahr:"Sie haben noch Stoff für noch 100 Stunden" Ok es waren 25 (insgesamt natürlich mehr)aber ich bin zufrieden und mir gehts gut.Besser wie je zuvor. Ich frag mich nur wie ich für uns beide das Ende der Therapie hinbringen kann ohne einem von uns wehzutun.

Das Ende ist unsere größte Baustelle und da die voll in meiner Hand liegt mach ich mir da natürlich nen Kopf.

Aber wir packen das. Mein Bauch wir mir sagen wann es gut ist und solange muss er mich noch ertragen

LG Conny

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kamikatze
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Beitrag Sa., 01.11.2008, 22:58

wie jetzt hat geschrieben:und solange muss er mich noch ertragen
das wird er bestimmt!

alles gute! kk
Ich rotiere höchstens,
wenn ich Opfer des Rotationsprinzips werde...

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littlebuddha
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Beitrag So., 02.11.2008, 00:22

Hi Conny!
Erst mal ein "Lob", du hast das wirklich sehr spannend geschrieben, ich bin äußerst faszinierd von deiner Art zu erzählen. (auch wenn natürlich deine Geschichte gar nicht freudig ist)

na ja, ich finde es aber interessant, dass du in einer Therapie so viel aufarbeitest. Wie habt ihr das gemacht? Welche Technik bzw. wie kamst du an deine Erinnerungen? Ich habe auch das Gefühl, dass mich vieles aus meiner Kindheit/Puertät krass belastet, vor allem die verkacke Beziehung meiner Eltern und Erlebnisse mit meiner Muter, und dass meine Bedürfnisse nie beachtet wurden; von keinem Familenmitglied. Habe aber absolut keinen emotionalen Zugang dazu - ich bin ein Mensch, der Wissenschaft betreiben wil, weil ich darin die Rolle des kalten Beobachters üben darf. Auch in meiner Psychoanalyse war ich nie emotional dabei - immer alles rein kognitiv-rational.

Wie jetzt, wie geht es deinem Sohn mit seiner Hyperaktivität? Ich meine, wenn du dich änderst ändert sich er dann auch? Weil du Vorbild bist bzw. Rollenvorbild?
Ich habe aufgehört, für mich alleine zu leben und angefangen, für uns alle zu leben.
Nennt mich Little!

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Beitrag So., 02.11.2008, 01:16

Hi littlebuddha,

zwar bin ich nicht Conny, aber ich antworte trotzdem

Auch mir wurde gesagt "nicht ihr Sohn, sondern Sie selbst benötigen eine Therapie" - und ja, nachdem ich diese Tatsache akzeptierte, und einen Therapie begann, änderte sich sehr schnell etwas. Das Überraschende war, dass ich zunächst gar nichts "aktiv" verändert hatte, sondern dass die Beziehung zu meinem Sohn sich allein dadurch veränderte, dass ich ihn und mich aus einem anderen Blickwinkel betrachtete und eine Art Synchronizität entstand - das war sehr verblüffend, so ob mein Sohn durch eine Art Geheimcode mit bekommen hätte, dass ich vorhabe, die Qualität unserer Beziehung zu verändern. Er verhielt sich plötzlich "wunschgemäß" ohne dass ich irgend etwas "getan" hätte - ich glaube allein mein Vorhaben, bestimmte Verhaltensweisen verändern zu wollen, hat schon unbewusst Veränderungen in Gang gesetzt.

Alles Gute für dich littelebuddha, auf dass du Zugang zu deinen Gefühlen findest, es ist ein absolut überwältigendes Erlebnis, wenn man plötzlich Dinge, über die man nur rational sprechen konnte, plötzlich FÜHLt
Auf der anderen Seite macht es einen traurig, weil man auf einmal spürt, es gibt so viele schöne Dinge, deren Definition man eventuell kennt, aber von denen man letztlich gar nichts weiss, weil man sie noch nie gefühlt hat!

Entschuldigung Cconny, wenn ich mich hier dazwischen gedrängt habe, ich wünsche dir alles Gute für dich und deinen Sohn und die Aufarbeitung deiner Geschichte. Ich bewundere, wie du beschreibst, dass du fast alle Ziele erreicht hast und das, was noch offen ist, positiv siehst!


Nächtliche Grüße
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Beitrag Di., 04.11.2008, 02:42

Naja, wie ich an meine Erinnerungen gekommen bin?
Ich hab gegrübelt und studiert und dann kam eins zum anderen. Einige Teile konnte ich selbst zusammensetzen andere jedoch nicht.Irgendwann haben wir dann mal versucht mit EMDR daran zukommen und das ging voll in die Hose.Ab da ging alles nur noch drunter und drüber.Dieses EMDR tat mir gut vor allem weil es etwas ganz neues war das jemand anderer mich ernst nimmt...so wie es eben der Therapeut in dem Moment getan hat.Aber es hat auch massiv die Angst geschürt das danach alles "gut sein" muss.Ich bin daraufhin erst in ein richtig tiefes Loch geflogen.
Zum einen wollte ich wissen was damals war aber zum anderen hat mich nur noch die Angst im Griff. Ich hab das dann alles rigoros alleine durchgestanden, denn ich konnte einfach nicht mit dem Therapeuten und auch mit niemand anderem darüber sprechen.Das war wie "verboten" und es hat alles nur noch blockiert. Um was was es genau geht erspare ich Euch jetzt.
Das hat mich fast in den Wahnsinn getrieben. Und auch der Druck schweigen zu müssen war kaum noch zu ertragen.
Irgendwie hatte ich ab da allen Halt verloren.
Ab da blieb mir nicht mehr viel. Und eigentlich war nur noch eines wirklich eine Hilfe. Nämlich die Lieder von Reinhard Mey.Es blieben mir nur seine Lieder und seine Stimme. Auf die konnte ich mich verlassen. Alles andere hat gewackelt und nichts aber auch wirklich rein gar nichts, war noch so wie es mal war. Seine Stimme hat mich beruhigt, wenn die Angst wieder zu groß und zu übermächtig wurde. Immer wieder. Ich will jetzt nicht zu theatralisch werden, aber seine Stimme und Texte waren damals für mich, so wichtig, wie die Stimme eines Vaters, der mich hält und beschützt. Nur seine Lieder und die Meinung die er darin vertritt, haben es immer wieder geschafft, mich auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Ich will nicht übertreiben, aber ich weiß einfach, dass er damals an manchen Tagen für mich überlebensnotwendig geworden ist.
Wir haben dann sogar, das eine oder andere Mal, eines seiner Lieder mit in die Therapiestunden reingenommen. Es war so wichtig, das da jemand da war der auf mich aufpasst.

Wenn ich heute zurückschaue denke ich das der Therapeut bald noch mehr Angst hatte wie ich, denn ich war damals halb wahnsinnig vor Schmerz und kurz vorm Durchdrehen....und habe mich so ganz nebenbei auch noch massiv gewehrt in eine Klinik zu gehen.
Er hat sich dann strikt geweigert noch mehr hochzuholen und immer gesagt "wir müssen nicht über den Berg ...es gibt auch einen Weg drum herum".
Heute sehe ich das genauso....aber damals...das war echt übel.

Ich wollte mit dem Kopf durch die Wand und er war sich sicher das mich die Beulen, die ich mir da holen würde, umbringen würden.Ich weiß nicht wie oft ich diesen Typen verflucht habe.....aber er hatte recht.

Naja mir meinem Sohn klappt inzwischen alles super und heute weiß ich auch warum ich gerade wegen ihm immer so extrem reagiert habe. Er ist wie ich.Mein Sohn ist war zwar anders, aber mit Sicherheit nicht dumm. Er ist kein Ja-Sager, keiner der sich duckt, er passt in keine Schublade und er ist einfach nicht käuflich. Er ist ein Riese und versteckt das hinter Mauern und macht sich klein. Seine Freundschaft kann man nicht kaufen und er lässt sich nicht so einfach beugen. Er hat Mut ohne Ende, er kann träumen, er liebt die Freiheit und selbst wenn man ihn in ein Klassenzimmer sperrt, so weiß er doch wie er sich befreien kann. Er hat seine Flügel aus Gedanken und die lässt er sich nicht nehmen.
Ich wusste, er ist wie ich früher einmal war…aber ich hatte mir all diese Dinge schon längst nehmen lassen.
Heute kann ich ihn so nehmen wie er ist und über die Lehrer schmunzeln wir mittlerweile gemeinsam wenn sie wieder mal versuchen ihn in eine Schublade zu stecken.

Er hat jetzt das drauf was ich früher gebraucht hätte und er kann denen sagen das er einfach so ist wie er ist und das er ok ist so wie er ist. Er hat es echt jetzt schon drauf ,mit knapp 10 Jahren, mit den Schultern zu zucken um die abblitzen zu lassen. Dann kommt er zwar heim und weint aber das ist für uns ok und er wird daheim nicht für sein Weinen ausgelacht und er bekommt daheim auch kein "Stell dich nicht so an!"


Morgen schreib ich vielleicht mehr zu dem Thema.....aber heute hab ich Geburtstag und irgendwie nicht mehr so wirklich den Draht dafür.

LG Conny

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