seelische Nacktheit

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

Jenny Doe
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weiblich/female, 56
Beiträge: 5037

Beitrag So., 07.06.2015, 20:11

Hi Schneerose,

ich versuche mal ob es mir nach einem laaaaaangen wunderschönen Tag noch gelingt ein paar Worte in die Tasten zu kriegen.

Ich bin seit dem 13.11.07 in diesem Forum, und damit mit der "älteste" User hier.
Ich habe hier schon viel erlebt, von massiven Angriffen, die teils echt unter die Gürtellinie gingen bis hin zu Menschen, die ich schätzen gelernt habe.
Ich habe hier von Anfang an erzählt, dass ich sowohl postive Therapeieerfahrungen gemacht habe, als auch negative. Die positiven Erfahrungen waren hier herzlich willkommen bei den Usern, bei den negativen Erfahrungen habe ich hier Beleidigungen erlebt, die zum Teil unter die Gürtellinie gingen. Dennoch bin ich geblieben. Ich habe mich oft gefragt, warum ich blieb, warum ich mir dieses Forum hier freiwillig antue.
Ja, warum: Zum einen habe ich hier Menschen kennengelernt, die ich bis heute sehr schätze. Zum anderen habe ich bei mir eine Entwicklung beobachten können. Zu Beginn meiner Forumszeit hier hat es mich zeitweise sehr verletzt, wie respektlos hier manche User mit ihren Mitmenschen umgehen. Als würde es nicht reichen, dass man schon in der Therapie völlig traumatisiert wurde, wird man auch hier noch von Leuten dafür beschimpft, dass man die Frechheit besitzt über negative Therapieerfahrungen zu reden. Aber ich wollte reden, und so blieb ich und lernte hier Leute kennen, deren wohltuende Worte mir sehr gut taten.
Mir war klar: Ich muss einen weg finden, mit meiner Verletzlichkeit umzugehen. Und so erstarrte ich zu Stein, ließ alles Verletzungen von mir abprallen und ging zur Gegenwehr über.
Mit der Zeit und mit den Übungen hier veränderte sich auch dieses abwehrende und zurückschlagende Verhalten bei mir. Ich lernte zunehmend mehr, dass ich zum einen nicht alles lesen muss. Ich begriff, dass ich das Recht habe mir auch im Internet Leute zu suchen, die mir gut tun. Ich muss nicht privat mit jedem befreundet sein und reden. Und ich muss es auch im Internet nicht. Zum anderen veränderte sich mein Umgang mit Angriffen. Ich lernte locker und ruhig mit Angriffen umzugehen. Ich habe hier mit der Zeit gelernt selbstsicher, sachlich und argumentativ zu reagieren.
Ich bin einen langen Weg gegangen von anfänglicher Verletzlichkeit und dem Gefühl der Retraumatisierung über zu stein erstarren, hart zu werden und auf Gegenwehr vorbereitet zu sein bis hin zur Ruhe, Lockerheit, Selbstsicherheit, Gelassenheit, Sachlichkeit und Argumentationsfähigkeit.
Das Forum hier war eine gute Übung, wenn auch zeitweise ein sehr schmerzhafte und verletzendes Übungsfeld. Aber es hat mir auch dabei geholfen, heute besser mit schädigenden Psychotherapeuten umgehen zu können, die einen echt in den Boden quatschen können mit ihren "guten Argumenten", Besserwisserei, mit ihrer rechthaberischen und dem Klienten die Schuld zuschreibenden und zuweilen verletzenden Art, Fehlinerpretationen usw. Ich fühle mich heute in der Lage selbstsicher, bei mir bleibend, sachlich, hinterfragend, argumentativ, ... mit Therapeuten umzugehen. Das konnte ich hier gut lernen.
Ich hätte das nie lernen können, wenn ich nur von lieben, netten und freundliche Menschen umgeben gewesen wäre. Die Welt da draußen ist auch nicht nur lieb und nett. Und auch nicht alle Psychotherapeuten sind lieb und nett. Deshalb bin ich, so verletzend es hier auch zeitweise war, froh darüber, dass ich lernen konnte mit Verletzungen umzugehen.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Solage
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weiblich/female, 48
Beiträge: 2887

Beitrag So., 07.06.2015, 21:42

Liebe Schneerose,

finde gut, dass Du Dich offen und verletzlich zeigst.
Und, dass Du Dich nicht wirklich hier vertreiben lässt.

Als ich das erste Mal im Forum schrieb hatte ich richtig Angst. Darf ich hier überhaupt einen Therapeuten kritisieren, wird mir geglaubt usw. Ich war vorher noch nie in einem Forum und es war absolutes Neuland für mich.
Die erste Zeit fühlte ich mich als Nestbeschmutzer. Ich fühlte mich schuldig, dass ich den Missbrauch meines Therapeuten öffentlich, wenn auch anonym, benannte. Ich hatte das Gefühl, dass andere User sich dadurch bedroht fühlten. Kann doch nicht sein, was nicht sein darf. War nicht leicht für mich.
Zog mich dann auch immer wieder zurück.

Letztlich wollte ich mir aber nicht den Mund verbieten lassen und mich auch nicht mehr rechtfertigen.

Ich habe persönlichen Kontakt zu Frauen bekommen, die auch Missbrauch in der Therapie erlebt hatten und einen guten Austausch.

Ich habe auch verwirrenden Erfahrungen in persönlichem Kontakt gemacht, aber daraus auch gelernt.
War zu vertrauensselig.
Ich spüre aber auch, wenn mir jemand was reindrücken möchte. Da gehe ich dann auf Abstand.

Es hat sich auch eine schon lang andauernde freundschaftliche Beziehung mit einer Person aus dem Forum entwickelt.

Ich habe FreundInnen im realen Leben und Familie. Ich bin nicht auf das Forum angewiesen. Aber für mich ist der Austausch hier wichtig, weil ich glaube, dass mein Umfeld (therapieunerfahren wie es ist) mich nicht so gut verstehen kann oder auch überfordert damit ist.

Andererseits bilde ich mir ein, Usern vielleicht hilfreich zu sein, die auch in einer destruktiven Therapie stecken. Aufpassen muss ich allerdings, dass ich nicht die Flöhe husten höre. Passt jetzt da wirklich der Therapeut nicht oder vermute ich aufgrund meiner Erfahrung dies. Da muss ich mir dann immer wieder an die eigene Nase fassen.

Ich fühle mich nicht mehr so leicht verletzt und kann mich besser abgrenzen. Dazu hat mir die Folgetherapie verholfen. Gleichzeitig verschließe ich mich nicht und bin nach wie vor ein offener und mitfühlender Mensch, auch wenn ich damit immer wieder mal auf die Schnauze falle. Letztlich aber gar nicht so oft. Der Gewinn ist größer.

Ich möchte weiterhin meinen Mund aufmachen und glaube, dass es einige Psychotherapeuten gibt, die nicht geeignet sind ihren Beruf auszuüben.

Meine jetzige Therapie ist bis jetzt hilfreich und ich erkenne dadurch den großen Unterschied zu der destruktiven Therapie davor.

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mitplauderin
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weiblich/female, 80
Beiträge: 691

Beitrag Mo., 08.06.2015, 13:09

Waldschratin hat geschrieben: Braucht natürlich zuallererst von mir selber her genau das : Daß ich selber es auch nicht mehr nötig habe,den Anderen in seinem So-Sein (oder seinem Mir-nahe-kommen) abwehren zu müssen.Von daher : Es klappt erst viel besser,seit ich in mir selber besser "aufgeräumt" hab und ne neue "Stufe" meiner eigenen Entwicklung und "Reife" mir erarbeitet hab.
Kann ich nur unterstreichen.
Meine Verletzbarkeit (nicht: Verletzlichkeit) hat sich im Laufe der Therapie verändert, als ich erkannt habe, wie leicht kränkbar ich bin und dass ich von anderen verlange, wozu ich selber für mich nicht fähig bin, wie z.B. der andere solle mich nicht verletzen und ich verletze mich ständig selber - durch meine abwertenden und verurteilenden Gedanken mir selber gegenüber, durch ungesunde Lebensweise, durch meinen Selbsthass, meine Suizidgedanken . . .
Oder wie schutzlos ich in manche Situationen im realen Leben gegangen bin und mich hinterher aufgeregt habe, dass ich verletzt wurde. Meine Therapeutin schüttelte manchmal entsetzt den Kopf. Ich habe sozusagen für meinem Schutz überhaupt nicht gesorgt; dass ich das tun sollte überstieg meine Gedankenwelt. Die Thera fragte anfangs jede Stunde: Wie schützen sie sich, Fr. XY?

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mitplauderin
Forums-Gruftie
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weiblich/female, 80
Beiträge: 691

Beitrag Mo., 08.06.2015, 15:40

Off-topic
da das System keine automatische Info mehr verschickt, mache ich es hier selber:
@schneerose, habe dir eine PN geschickt

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