Therapieabbruch wegen Stillstand

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Nektarine
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Therapieabbruch wegen Stillstand

Beitrag So., 25.01.2015, 22:45

Hallo!
Ich bin seit fast 3 Jahren in Therapie.
Grund: Ich wurde als Kind/Jugendliche sexuell missbraucht und einmal vergewaltigt, war/bin essgestört, bin depressiv (aber gut medikamentös eingestellt).

Seit einigen Wochen habe ich immer mehr das Gefühl, dass gar nichts weitergeht, ich kann kaum über erlebte Dinge sprechen, will nicht zur Stunde gehen, habe "Fluchtgedanken", bin froh, wenn ich wieder draußen bin.

Im alltäglichen Leben komme ich sehr gut zurecht, habe eine Familie (mit 2 kleinen Kindern), gehe arbeiten und habe gute Freunde. Nur die Sache mit dem Körperkontakt klappt einfach nicht, bzw. macht mir extrem große Angst. ich hatte seit Jahren keinen Sex mehr, mag gar nicht, dass mein Mann mich angreift. Ich schlafe außerdem immer wieder sehr schlecht, träume von dem Missbrauch, habe in den Träumen große Angst und auch Schmerzen.

Momentan gehe ich eher unregelmäßig zur Therapie, weil es sich arbeitsmäßig nicht anders ausgeht, macht mir aber nichts aus, weil ich das Gefühl habe, es gibt mir die Möglichkeit einmal über alles nach zu denken.

Ich weiß einfach nicht mehr, was ich tun soll, ich will das Trauma bewältigen und irgendwann "normal" leben können, aber ich komme einfach nicht weiter.
Am liebsten würde ich das alles vergessen, weiß aber, dass das nur eine Zeit lange möglich ist und mich dann alles wieder einholt.

Mein Therapeut ist eigentlich ein wirklich toller Mensch, er hat mir schon in sehr vielen Bereichen geholfen und mich aus Löchern herausgeholt, aber im Moment steht er glaube ich auch an, er will mich zu nichts drängen, meint aber, dass es gut wäre über alles zu reden, was ich nicht kann.

Was würdet ihr machen? Ich bin schon so verzweifelt, will das alles endlich hinter mir lassen......

Liebe Grüße,
Nektarine

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Teekesselchen
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Beitrag Mo., 26.01.2015, 07:40

Hallo Nektarine,
vielleicht ist deine Seele noch nicht bereit, genau hinzuschauen, darüber zu reden? Und sie braucht noch mehr Stabilität und Sicherheit (auch in der Therapie)!?
Dann könntest du mit dem Therapeuten erst mal darüber sprechen und zusammen mit ihm daran arbeiten.
Ansonsten besteht vielleicht auch die Möglichkeit über Bilder (selbstgemalte oder andere....) einen Einstieg zu finden, die dich ansprechen, wenn du an das Erlebte denkst...
Oder mithilfe der "Bildschirmtechnik" von deinen Träumen erzählen...
Überfordere dich aber bitte nicht! Manches braucht einfach viel viel Zeit und viel viel Vertrauen.
Sei lieb gegrüßt!

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Schneerose
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Beitrag Mo., 26.01.2015, 10:35

Hallo Nektarine,

für mich hört es sich einwenig so an,
als ob du schon mittendrin steckst in der Missbrausaufarbeitung,
und zwar wird es eher, meiner Meinung nach, für dich ungesund!!!
von daher - aus meiner Erfahrung kann ich dir sagen, um auf deine Titelfrage zu antworten: JA

mir hat es einer ähnlichen Situation sehr geholfen den Schritt zu vollziehen, denn ich monatelang mit mir herumgetragen habe,
nämlich gegen das Wollen des Theras die Therapie abzubrechen...
jedoch bin ich fast anschließend in eine neue Therapie gegangen...
habe mir diese aber ganz bewusst ausgesucht zur Traumaufarbeitung...
wichtig für mich war dann,
dass ich auch von anfangs einem männl.Thera zu einer Frau wechselte,
und ich suchte nach welcher Aufarbeitungsmethode sie arbeitet...
Traumatherapie OHNE es weiter durchleben zu müssen = somatic experiencing
zudem war für mich sehr wichtig auch schamanisch meine Seelenanteile zurück zu holen,
und zusätzlich MIT DEM SCHREIBEN DER EIGENEN BIOGRAPHIE zu beginnen...
wirkt enorm befreiend.

Du musst unbedingt aus deinem erneutem Traumagefühl heraus, das du schon hast...indem du träumst, es spürst ect.

Ich schlafe mit meinem Mann auch noch nicht,
er weiß warum und er akzeptiert es,
ich arbeite erst daran, dass ich meinen Körper wieder mag,
dann kann das andere wieder entstehen.

von meiner Seite aus,
nochmals, JA ich würde eventuell den Abbruch mit Folge einer anderen Hilfe empfehlen.

LG Schneerose
"Der Einzige, der sich wirklich vernünftig benimmt ist mein Schneider, er nimmt jedesmal neu Maß, wenn er mich sieht" :->

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Teekesselchen
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Beiträge: 23

Beitrag Mo., 26.01.2015, 13:26

Zur Missbrauchsaufarbeitung gehört es wahrscheinlich dazu, dass während einer Therapie schwierige Gefühle auftauchen und man Fluchtimpulse hat...
Die Frage ist , ob du, liebe Nektarine, das zusammen mit deinem Therapeuten offen besprechen, durchstehen und durcharbeiten kannst, magst??
Wie tragfähig ist eure therapeutische Beziehung?
"Sieht" er/ weiß er, wie es dir zur Zeit geht?
Was brauchst du vielleicht an konkreter Hilfestellung von deinem Therapeuten?
Kannst du ihn darum bitten?
LG!

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Schnuckmuck
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Beitrag Mo., 26.01.2015, 13:37

Ich kann verstehen, dass nach drei Jahren auch mal das Bedürfnis nach einer Pause kommt. Aber die Argumentation wäre anders.

Wenn du eher unregelmäßig zur Therapie gehst, kann ja auch keine Bewegung entstehen. Dann entsteht Stillstand.

Dein Leidensdruck ist ja schon vorhanden. Also wäre Therapie ja grundsätzlich sinnvoll. Oder soll dein Leben bis zum Tag X so weitergehen?

Aber vielleicht gönnst du dir einmal eine richtige Pause für ein paar Monate und gehst es dann wieder mit Energie regelmäßig an. Dann wirst du ja auch wieder Erfolge spüren, zumindest gehe ich als Optimist davon aus.


chaosfee
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Beiträge: 887

Beitrag Mo., 26.01.2015, 14:59

Ich habe mit meinem Therapeuten in solchen Momemten darüber gesprochen, warum es mir so schwer fällt über bestimmte Dinge zu reden. Das ging aber eher von ihm aus, d.h. er hat sich inhaltlich erst einmal von dem schwierigen Thema entfernt und den Fokus auf das gelegt, was bei mir gerade innerlich los war, während ich da bei ihm saß. So sind wir zu den Hürden gekommen, die das Sprechen darüber schwer machten (Scham, Angst etc.). Das anzuerkennen war für mich schon mal eine große Erleichterung und auch zu sehen, dass er das anerkennt. Wichtig war für mich dabei, dass die Gesprächsführung da bei ihm lag, von alleine hätte ich diese ganze "Drumherum" nicht einmal angesprochen. Außerdem war wichtig, dass er trotz dass die Gesprächsführung bei ihm lag, sehr flexibel auf mich reagiert hat. So sind wir dann aber über mehrere Stunden immer näher in Minischritten an das eigentlich schwierige Thema herangerückt. Es war. bildlich gesprochen, ein sehr langsames Stein-um-Stein-Abtragen einer dicken Mauer.
"Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen." Adorno

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Zofiya
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Beitrag Mo., 26.01.2015, 15:34

Hallo Nektarine,

darf ich Dir zu dem Thema ‘keine Sexualitaet mit meinem Mann’ ein paar Fragen stellen? Wenn Du hier im Forum nicht anworten moechtest, kann ich gern eine PN schicken.

Danke!
Zofiya
Wenn einer deiner Sinne das Verborgene erfasst, wird die unsichtbare Welt dem Ganzen offenbar.
Rumi

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Wandelröschen
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Beitrag Mo., 26.01.2015, 15:43

Hallo Nektarine,

was machst du eigentlich z.Zt. für eine Therapie?
Ist dein Thera Trauma-Therapeut? (ist nicht zwingend notwendig, meiner ist es auch nicht)
Habt ihr überhaupt schon angefangen mit der Baustelle sex. Missbrauch?

Vielleicht ist es bei dir auch unbewusst ein ganz „banaler“ Zeiteffekt, der in dir den Wunsch nach Abbruch („Fluchtgedanken“ vor der Therapie), stehenbleiben, nicht reden können, hervorruft.
Wenn bei mir in der zurückliegenden Therapie bei meiner Ex-Therapeutin die von der KK bewilligten Stunden zur Neige gingen und nicht definitiv klar war, dass zum einen sie die Verlängerung beantragt und zum anderen sie auch zuversichtlich war, dass die durchgeht, ging in den verbleibenden ca. 5 Stunden rein gar nichts. Denn keiner begibt sich freiwillig auf dünnes Eis, wenn nicht klar ist, dass Hilfe da ist, falls es brechen sollte!
Du schreibst nämlich, dass du seit fast 3 Jahren in Therapie bist (ambulant). Bei max. 80 Std VT müsste dieses Stundenkontingent doch fast aufgebraucht sein.
Auch wenn du noch ca. 10-15 Std hättest, und dein Thera die ideale Besetzung für deine Baustelle sein sollte, reicht das beileibe nicht für die Bearbeitung des Traumas sM. Und dann?
Du öffnest die Dose und wenn gerade alles nach Bearbeitung schreit, du offen auf dem Präsentierteller liegst, geht es ambulant nicht weiter. Dann hast du nur die Wahl, Stationär zu gehen (mach das mal mit zwei kleinen Kindern), das Verfahren zu ändern -> Therapeutenwechsel, zwei Jahre zu warten, bis die KK gewillt ist, weiter zu zahlen, oder selber privat zu zahlen.
Insofern kann ich mir vorstellen, dass da jetzt tief in dir etwas bremst, diese Baustelle anzugehen, obwohl du es auf der anderen Seite vor allem vom Kopf her es schon irgendwie möchtest.

Noch etwas:
Nektarine hat geschrieben: er hat mir schon in sehr vielen Bereichen geholfen und mich aus Löchern herausgeholt,
Inwieweit hast DU gelernt, selber aus Löchern wieder heraus zu kommen, bzw. gelernt zu erkennen, wo Löcher lauern, um erst gar nicht mehr hineinzufallen?
Da solltest du Skills an der Hand haben, dich im gewissen Rahmen selber zu stabilisieren und zu distanzieren, ehe du ins Trauma einsteigst. Dann kann das darüber Reden, sich alles genau angucken … sehr hilfreich und heilsam sein. Aber das alles braucht Zeit.
Gruß
Wandelröschen

Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn nicht ich.

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Nektarine
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Beitrag Di., 27.01.2015, 06:23

Hallo!
Danke für die vielen Antworten!
Habe heute wieder Stunde und werde mich überwinden mal alles an zu sprechen!
Ich antworte heute Abend allen, habe im Moment nicht genug Zeit, meine Kinder müssen geweckt werden.

Liebe Grüße,
Nektarine

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