Was kann ich (man) von Psychotherapie erwarten?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Miesel
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Beitrag Mi., 29.10.2014, 15:34

mondlicht hat geschrieben:
Ich möchte mit meiner Frage jetzt nicht darauf hinaus, dass Du Dich für diesen Wunsch nicht schämen müsstest oder so. Ausschlaggebend ist ja, dass Du da diese Bewertung vornimmst. Aber wo kommt sie her? Hast Du da eine Ahnung?
Ja, natürlich habe ich da eine Ahnung. Es ist einfach nicht "normal" als Erwachsener emotional so bedürftig aufzutreten. Man macht sich extrem verletzbar, wenn man offen zugibt, dass man sich da vernachlässigt fühlt und es einem so wichtig ist, sich da einfach nur mal geborgen zu fühlen.

Dazu kommt, dass meine Gefühle und Bedürfnisse in meiner Kindheit nie geachtet, sondern im Gegenteil sogar verspottet wurden. Ich durfte (konnte) schon sehr früh keine Bedürftigkeit (egal welche) mehr zeigen, weil das eh sinnlos war und nur zu Kränkungen geführt hat.

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mondlicht
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Beitrag Mi., 29.10.2014, 16:31

Der erste Teil Deiner Antwort ist ja wohl eher eine Rationalisierung Deines Gefühls. Weil, wer kann denn schon definieren, was in solchen Fragen "normal" ist und vor allem, wen interessieren solche Definitionen? Ich bin beispielsweise sehr durchschnittlich sozialisiert, mir ist es aber vollkommen fremd, was Du da als "normal" beschreibst.
Miesel hat geschrieben: Es ist einfach nicht "normal" als Erwachsener emotional so bedürftig aufzutreten. Man macht sich extrem verletzbar, wenn man offen zugibt, dass man sich da vernachlässigt fühlt und es einem so wichtig ist, sich da einfach nur mal geborgen zu fühlen.
Und (ich nehme an, mit "man" meinst Du Dich) - worin besteht jetzt genau das Verletzungspotential? Das verstehe ich ehrlich gesagt nicht.

Den zweiten Teil Deiner Antwort verstehe ich sehr gut. Das finde ich plausibel, diesen Zusammenhang mit Deiner Kindheit.

Aber Du kannst Deine Therapie jetzt nutzen, in dieser Hinsicht etwas weniger streng zu Dir zu sein?

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Thread-EröffnerIn
Miesel
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Beitrag Mi., 29.10.2014, 17:20

Ja, ich kann mich da der Therapeutin gegenüber öffnen.


Widow
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Beitrag Mi., 29.10.2014, 18:56

Nochmal @ Lisa99:
Es ist lustig, dass immer alle, die mich nicht gut bzw. gar nicht persönlich kennen, denken, dass ich eine Art Denkmaschine sei und ausschließlich eins könne, nämlich intellektualisieren. Im Gegensatz zu dieser Einschätzung empfinde ich Gefühle sehr rasch und relativ differenziert, nur versuche ich, sie jetzt in Leben Nr. 2 meistens wegzudrücken (Edit: bzw. abzuhaken, denn Neues ist da nicht mehr und wird auch nicht mehr kommen: Von Angst bis zu Zertrümmertheit, von Allesumarmenkönnen bis zu Zutrauen-in-Welt-und-Ich war da schon alles mögliche drunter) und vor allem, sie nicht in einer wie auch immer gearteten "Öffentlichkeit" (eine solche bildet auch schon der Analytiker; Edit: der insistiert da übrigens zunehmend mit ganz konkreten Fragen, die ich manchmal ebenfalls lustig finde - Stichwort "Gefühlskonserve") "auszuleben" - abgesehen vom Gehäus und der Lyrik andernorts (das geht übrigens für mich, jedenfalls solange ich in einem Gefühl nicht ersticken will, ab einem gewissen Punkt nur über Sprache). Aber das führt nun wirklich ins OT.

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pandas
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Beiträge: 4613

Beitrag Do., 30.10.2014, 16:11

Wenn in einer Analytischen Therapie Geborgenheit gesucht wird bzw. dies die Erwartung ist, so ergibt sich für den Behandler daraus, dass die Patientin in dem Sinne zur Veränderung geführt werden sollte, dass sie auch ausserhalb einer bezahlten Beziehung diese Geborgenheit finden kann. Dies erscheint mir durchaus ethisch.
Wie Geborgenheit gefunden kann, wenn ein Sprechen über Gefühle abgewehrt wird, ist sicherlich eine komplexe Situation für den Behandler.

Aber übrigens, auch Aggressionen gegen Andere sind Gefühle.
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard


Widow
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Beiträge: 2240

Beitrag Fr., 31.10.2014, 00:35

pandas, solltest Du mich meinen, muss ich leider feststellen, dass Du nichts verstanden hast: Weder das mit dem Geborgenheitswunsch damals in jener sehr spezifischen Situation (die ich hier kurz skizzierte, nachdem auch andere mich nach meiner ersten ganz knappen Aussage über jenen Wunsch missverstehen mussten) noch das mit den Gefühlen als 'Gegenstand' einer Therapie: Der Analytiker, den ich behellige, will mit mir nicht über Gefühle sprechen, sondern der will, dass ich im Gefühl spreche, wenn ich dort rumliege.
Aber das war jetzt wohl auch wieder mal ein überflüssiges posting - sei's drum: Alles schlucke ich immer noch nicht.
w


Igelkind
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Beiträge: 264

Beitrag So., 02.11.2014, 02:08

Hallo zusammen, das ist ein interessanter Austausch.

Ich bin jetzt in der vierten Therapie, und was sich hier für mich auftut, hätte ich in meinem Leben nie für möglich gehalten.
Das ist ein einziger Krimi, der ganze Mist meines Lebens fliegt endlich auf (und mir um die Ohren), aber das ist gut so.

Zum Thema Veränderung:
Widows Befürchtung vor Auslöschung und Verlust der Persönlichkeit oder des Lebens davor, kann ich, glaube ich nachfühlen, soweit das möglich ist aufgrund der ganz anders gelagerten Vorgeschichte. Vielleicht gerade deswegen verstehe ich es. Eine grosse Liebe erleben zu dürfen, ist etwas Einmaliges, Unwiederbringliches, und als ich in der Therapie "in die Veränderung" ging (sag's jetzt mal so), hatte ich zum Beispiel starke Befürchtungen, das könnte meine Ehe sprengen. Wenn ich mich verändere, bin ich ja nicht mehr die Frau, die mein Mann geheiratet hat, und vielleicht passt es dann nicht mehr? Die Frage stellte sich dann tatsächlich, aber ich / wir wollten da zusammen durch die Veränderung, und jetzt ist es klar, das hält. (Soweit das je klar sein kann...)

Zum Thema Abhängigkeit, die man ja nicht von niemandem haben darf, und der Geborgenheit, die man sich unter allen Umständen selber geben können muss... Diese Ansichten gehören für mich in diese Zeit mit ihrer Individualitäts- und Selbständigkeitsperversion. Liebe und Abhängigkeit gehören für mich zusammen, zumindest emotionale Abhängigkeit. Es muss für mich absolut nicht krankhaft sein, ist aber meine Ansicht.

(@Widow: ich wage zu behaupten, Pandas Post bezog sich auf eine Aussage der T- Eröffnerin, so habe ich das jedenfalls gelesen jetzt beim Durchlesen des ganzen Thread. Ich kann mich aber natürlich täuschen).

Mein Therapeut fragt immer am Anfang der Stunde:"und was möchten sie Heute verändern?" und ich entgegne meistens mürrisch, er solle mich lieber fragen, wie es mir geht.
Ich gehe dort hin und lasse mich ein auf neue Erfahrungen und Einsichten, die Veränderung kommt dann von selbst.
Und wenn ich immer so genau wüsste, was ich verändern will, dann würde ich es doch einfach tun. Manchmal weiss ich zwar was Konkretes, aber das geht dann ja nicht von Heute auf Morgen. Lernen braucht Zeit. Ich sehe die Therapie wie ein Studium.

Etwas noch zum Verändern, nur so ein Beispiel aus meiner persönlichen Erfahrung:
Aufgrund eines Ereignisses in meinem Leben benötigte ich Psychopharmaka, was meine Persönlichkeit ziemlich stark und für mich auf unheimliche Art und Weise veränderte.
Ein Ziel dieser Therapie, die ich jetzt mache, war dann natürlich, von diesen Medikamenten wieder runter zu kommen.
Das habe ich geschafft, ich musste mich ziemlich stark verändern und dann dieselbe Arbeit in abgewandelter Form (unter erschwerten Bedingungen) ohne die Medikamente dann nochmals wiederholen. Aber dadurch wurde ich wieder mehr zu mir selbst, erkannte und fühlte mich wieder, was für eine Erleichterung.
So hat mich die Veränderung nicht weg von mir, sondern näher zu mir gebracht.

Lg Igelkind

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