Ablöseprozess vom Therapeuten bewältigen

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lia17
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Ablöseprozess vom Therapeuten bewältigen

Beitrag Do., 04.09.2014, 08:57

Ein liebes Hallo an Euch alle,

auch wenn dieses Thema schon öfters diskutiert wurde, so ist es doch so neu für mich. Es geht mir nicht vordergründig um die Angst vor dem Therapieende, sondern eher um diesen emotionalen Abschied.
Ich bin nun mittlerweile über 2 Jahre in VT bei einem für mich ganz tollen Therapeut. Er hat mich geknackt und ich konnte unter seiner Begleitung ganz viel an mir arbeiten, habe viel bewirkt und ändern können. Mir geht es auch schon viel besser, aber...

Ich frage mich öfters, ob ich die Therapie noch brauche. Und dann merke ich, dass ich ihn so sehr gerne hab und auch das was er mir gibt.
Ich habe im Laufe der Therapie wirklich sehr viele Freunde verloren, die mit mir nichts mehr anfangen konnten und Berührungsängste hatten, auch meine Familie ist weg, tun mir nicht gut und haben kein Einsehen in meine Problematik. Jedenfalls ist da noch eine riesen Wunde, die klafft. Nämlich das ständige Gefühl vom Alleine sein, immer so stark sein zu müssen, um alles zu schaffen. Dieses Gefühl hab ich in der Therapie nicht. Mein Thera ist sehr aufmerksam, gibt mir das Gefühl, Interesse an meiner Person zu haben, fragt nach usw. - sicher das ist sein Job, aber die Atmosphäre ist so toll. Da gibt es jemanden, der lächelt, wenn er mich sieht, bestärkt mich in Dingen, etwas zu tun und schenkt auch mir Vertrauen.

Das ist so cool. Ich hab das in der realen Welt selten bis gar nicht. Und ich wünsche es mir so sehr.

Bsp.: Ich hatte einen Unfall vor ein paar Wochen. Am Tag danach hätte ich einen Termin bei ihm gehabt. Ich rief ihn völlig aufgelöst an, um den Termin zu verschieben. Es war voll die Fürsorge und Sorge rauszuhören. Jedenfalls verschob ich meinen Termin. 2 Tage später rief er an, um sich zu erkundigen, wie es mir geht. Das fand ich total toll, aber riss gleichzeitig die Sehnsucht nach solchen Dingen im realen Leben auf. Mir ging es so schlecht, weil meine sogn. Freunde, dass nicht getan haben, aber mein Therapeut. Das ist doch wieder total blöd und tut weh.
Ach Menno... Wie soll ich diesen Ablöseprozess nur schaffen???

Habt ihr Tipps?
Danke schon mal im Voraus.

Wie soll ich mich von ihm lösen, wenn das so wertvoll ist? Ach menno

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Tristezza
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Beitrag Do., 04.09.2014, 15:50

Hallo lia,
lia17 hat geschrieben:Ich habe im Laufe der Therapie wirklich sehr viele Freunde verloren, die mit mir nichts mehr anfangen konnten und Berührungsängste hatten, auch meine Familie ist weg, tun mir nicht gut und haben kein Einsehen in meine Problematik. Jedenfalls ist da noch eine riesen Wunde, die klafft.
Wieso konnten deine Freunde mit dir nichts mehr anfangen? Wieso ist das Verhältnis - offenbar durch die Therapie - zu deiner Familie so schlecht geworden, dass sie "weg ist"? Eigentlich sollte es am Ende einer Therapie eher umgekehrt sein - dass man bessere, vielleicht mehr Beziehungen hat als vorher. Kann es sein, dass da irgendwas schief gelaufen ist? Dass du dich zu sehr auf deinen Therapeuten konzentriert hast und auch deshalb den anderen den Laufpass gegeben hast? - "Eine riesen Wunde, die klafft", klingt nicht so, als könntest du schon gut ohne Therapie auskommen. Wenn ihr keine Stunden mehr übrig habt, könntest du ja eine andere Therapieform wählen, die dann wieder von der Kasse finanziert wird. Auch dort könntest du bekommen, ohne das du momentan schwer auskommen zu können glaubst. Und vielleicht wird es dir mit Hilfe einer anderen Therapie und eines anderen Therapeuten gelingen, dir ein befriedigendes soziales Umfeld aufzubauen.

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lia17
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Beitrag Do., 04.09.2014, 16:18

Hallo Tristezza,

vielen Dank für Deine Antwort.
Meine Familie, also Eltern, Großeltern, sind das eigentliche Problem. Ich wurde als Kind und Jugendliche durch meine Familie misshandelt und sex. missbraucht. Ich hab das all die Jahre gut verdrängen können, bis es mit meiner eigenen Mutterschaft aufgebrochen ist. Meine sämtliche Familie verdrängt dies alles, stellt mich als Lügner dar, obwohl ich Beweise habe. Sie sind blind, verdrängen selbst. Jedenfalls habe ich hier den Kontakt vor 2 Jahren abgebrochen! Und das ist auch gut so!
Ja und meine Freunde, speziell eine richtig gute Freundin, was ich jedenfalls dachte, konnte nichts mit meiner Agoraphobie und Panikattacken anfangen. Ich solle doch mal schaun, was ich alles habe, nämlich einen tollen Mann, ein Kind, Haus, Job und außerdem würde alles nur im Kopf stattfinden. Ich solle mich nicht so anstellen und immer noch zum Therapeuten rennen. Und vor allem solle ich aufpassen, dass mir da nicht der Kopf verdreht wird und am Ende meine Ehe noch drauf geht. Ich dachte, nach 15 Jahren Freundschaft würde eine gewisse Nähe bestehen und sie mich unterstützen und an meiner Seite stehen. Aber falsch gedacht. Das hat weh getan. Andere Freunde haben einfach Berührungsängste. In einer Zeit als es mir sehr schlecht ging, sprich es mir total egal war, ob ich vom Auto überfahren werde (Depression, hat sich keiner für mich interessiert. Sie hatten alle Angst, wussten nicht, wie sie mit mir umgehen sollten. Jetzt, wo es mir besser geht, kommen sie wieder an. Aber ich mag das nicht mehr. Ich möchte mich nicht mehr verstellen müssen und die Starke spielen. Nur damit die anderen gut mit mir umgehen können.

Ich versteh das auch nicht. Aber vllt. hab ich einfach ne andere Vorstellung von Freundschaft. Jedenfalls hab ich mich von einigen Leuten verabschiedet und es sind zwei wenige geblieben, die so wertvoll sind. Allerdings ist die räumliche Distanz zwischen uns sooooo groß. Das ist schade.

Auf jeden Fall macht das Ganze es mir nicht leicht, Abschied zu nehmen, weil dass was mein Therapeut mir gibt, so toll ist.

Ich weiß, Du hast Recht. Ich sollte neue Leute kennenlernen, was unternehmen. Mach ich zum Teil auch. Aber ich fühle mich immer noch durch diese Angst ausgebremst. Und habe auch Angst mich so zu geben wie ich wirklich bin.

Ich glaub, ich muss das doch mal zum Thema machen...

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Tristezza
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Beitrag Do., 04.09.2014, 16:42

Oh, das tut mir Leid und ich verstehe - unter solchen Umständen hätte ich mich wohl auch von meiner Familie und den "Freunden" verabschiedet. Es ist natürlich nicht leicht, sich einen ganz neuen Freundeskreis aufzubauen, da hilft auch die beste Therapie nicht unbedingt.
lia17 hat geschrieben:Aber ich fühle mich immer noch durch diese Angst ausgebremst. Und habe auch Angst mich so zu geben wie ich wirklich bin.
Darüber zu sprechen wäre tatsächlich noch wichtig. Wie viele Stunden habt ihr denn noch? Gibt es keine Möglichkeit der privaten Weiterfinanzierung oder wenigstens von Quartalsstunden?

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abendrot79
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Beitrag Do., 04.09.2014, 18:20

Hallo Lia,

ich kann dir leider keinen guten Rat geben, wollte dir aber sagen dass ich dich zu 100% verstehen kann . Ich bin "fast" in der gleichen Situation, denn meine Therapie neigt sich jetzt nach 3 Jahren auch fast dem Ende zu.
lia17 hat geschrieben:Ich habe im Laufe der Therapie wirklich sehr viele Freunde verloren ....
Mir geht es genauso. Ich hatte noch nie einen sehr großen Freundeskreis, aber je besser es mir geht, je mehr ich in der Therapie zu mir gefunden habe, desto mehr hatte ich den Drang mich nur noch mit Menschen zu beschäftigen die mir gut tun. Meistens ging es von mir aus dass Kontakte nicht aufrecht erhalten oder gepflegt wurden, aber diese Kontakte brachten mir nicht mehr viel, waren einseitig und / oder ich fühlte mich benutzt. Ich habe aussortiert und bin eigentlich selber schuld dass mein Freundeskreis noch kleiner geworden ist. Irgendwie geht es mir damit besser und dennoch ist da ein Gefühl von Einsamkeit. Deswegen kann ich das hier auch so gut verstehen:
Mein Thera ist sehr aufmerksam, gibt mir das Gefühl, Interesse an meiner Person zu haben, fragt nach usw. - sicher das ist sein Job, aber die Atmosphäre ist so toll. Da gibt es jemanden, der lächelt, wenn er mich sieht, bestärkt mich in Dingen, etwas zu tun und schenkt auch mir Vertrauen. Das ist so cool. Ich hab das in der realen Welt selten bis gar nicht. Und ich wünsche es mir so sehr.

Ich weiß zu 100% was du meinst .... es wäre sooo schön wenn es dieses Interesse auch im Alltag gäbe
Es war voll die Fürsorge und Sorge rauszuhören. Jedenfalls verschob ich meinen Termin. 2 Tage später rief er an, um sich zu erkundigen, wie es mir geht. Das fand ich total toll, aber riss gleichzeitig die Sehnsucht nach solchen Dingen im realen Leben auf. Mir ging es so schlecht, weil meine sogn. Freunde, dass nicht getan haben, aber mein Therapeut.

*blind-unterschreib* (habe das auch erlebt als ich letzten Herbst richtig schwer krank war und gleich nochmal, als ich mir dieses Jahr zwei Zehen gebrochen habe)
Wie soll ich diesen Ablöseprozess nur schaffen???
Weiß dein Therapeut von deinen Gedanken? Ich habe das Glück dass meine Thera genau dieses Thema von alleine angesprochen hat und ich mich (hoffentlich) auch bei diesem Prozess auf sie verlassen kann. (ist allerdings vertagt bzw. nicht weiter verfolgt worden, weil ich wegen diesem Thema hier viewtopic.php?f=40&t=32330 nochmal "voll in die Therapie eingestiegen bin").
Wie soll ich mich von ihm lösen, wenn das so wertvoll ist? Ach menno
Ich glaube das Wichtigste ist, diesen Prozess nicht alleine bewältigen zu wollen, sondern zum Thema der letzten Stunden zu machen. Meine Thera sagte, manchmal wäre der Ablöseprozess (= Ende der Beziehung) "nur" ein kleiner Teil im Gesamtpaket der Beendigungsphase, manchmal sei es aber nötig daraus nochmal ein ganz eigenes Thema zu machen. Das komme ganz auf den Patienten an und wieso er in Therapie ist. Patienten die nie Liebe, Nähe, Zuneigung und vertrauensvolle Beziehungen erlebt hätten, dürfe man nicht "einfach so" aus der therapeutischen Beziehung rausschhubsen. Damit könne man im Zweifelsfall ganze Therapieerfolge zerstören. Da wir das Thema aber dann selber erstmal vertagt haben, kann ich dir darüber im Moment nicht mehr berichten ....

Liebe Grüsse,
abendrot
Weil Kakao an Bäumen wächst, ist Schokolade irgendwie auch Obst! (gelesen auf einem Frühstücksbrettchen)

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lia17
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Beitrag Do., 04.09.2014, 20:51

Hallo ihr Beiden,

danke für Eure Antworten und Denkanstöße.
Ich bin bereits als Selbstzahler in der Thera, die Stunden sind schon seit März aufgebraucht, Verlängerung alles ausgereizt. Und die Therapieform hätte ich wechseln können, hätte dann aber den Therapeuten wechseln müssen, da meiner ein reiner VT-ler ist. Und das wollte ich nicht. Es ist finanziell aber okay, weil ich die Kosten über das OEG zurück bekomme.
Trotzdem war es mir wichtig ein Kontingent zu vereinbaren. Also legten wir gemeinsam nochmal eine Std-zahl fest. Und davon sind noch 10 Std. übrig. Nicht mehr viel. Sicher, ich kann mit ihm reden, aber irgendwann möchte ich auch wieder allein klar kommen. Ich merke, wie weh es mir tut, jedesmal auf die nächste Std. zu warten, dann 50 min dort zu sitzen, die viel zu schnell vorbei gehen und dann fängt das Vermissen wieder an. Ich weiß - dicke fette Abhängigkeit. Aber noch fühlt es sich gut an. Dadurch schaffe ich so viel. Ich nehme das gute Gefühl mit in den Alltag, kann arbeiten gehen, schaffe es auch alleine was zu unternehmen und bin dann immer mächtig stolz auf mich.

Was Du schreibst abendrot, kann ich 1 zu 1 übernehmen. Auch ich habe sonst Kontakte auslaufen lassen oder beendet. Das waren alles Kontakte, die mir nix mehr brachten. Ich brauche Menschen um mich rum, die mir gut tun, und nicht wo ich hinterher rennen muss, um Anerkennung zu bekommen. Ich will das nicht mehr!

Es war ja auch ein hartes Stück Arbeit, mir erstmal sowas wie Selbstfürsorge etc. selbst zu geben. Schaffe ich heute auch noch nicht immer, aber schon viiiiel besser.
Trotzdem bleibt immer so ein starkes Gefühl vom Alleine sein, nicht wertvoll genug zu sein. Und das ist so schwer auszuhalten. Und dann ist da halt mein Therapeut, der plötzlich mir all das gibt, was ich so vermisse und mir immer wieder sagt, dass es auch jede Menge solcher Menschen gibt. Wo sind die, frage ich mich ständig?

Jedes mal, wenn ich mich einlasse, also eine Freundschaft zu lasse, hat hinterher immer in erneute Verletzungen geendet, wo ich den Kontakt wieder löste. Deshalb ist er wichtig für mich. Und das ist doch nicht gut.

Abendrot, ich wird mich in Deinem Thread sicher einbringen können. Es ist wirklich wichtig, dass Du auf Dich aufpasst, damit es Dir gut geht! Dazu musst Du Dich abgrenzen. Es ist verdammt hart und war für mich nicht leicht, aber ich musste auch erkennen, dass das Reden mit meinen Eltern nichts brachte. Sie sind in Ihrem Denken so starr und stur. Aber dazu in Deinem Thread.

Habt noch einen schönen Abend!

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