Therapien immer nur nach Schema F?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Ausi
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Therapien immer nur nach Schema F?

Beitrag Mi., 03.09.2014, 10:02

Ich habe schon diverse Therapieerfahrungen hinter mir (eine tiefenpsychologische wegen der Ehe, die Scheidung habe ich aber trotzdem durchgezogen und später ein Jahr lang Psychoanalyse, die ich wegen Umzug abbrechen musste). Langsam glaube ich zu wissen, was die Ursachen meiner verschiedenen (verschieden heißt hierbei mehrere Probleme und zugleich verschiedene Ursachen für die einzelnen Probleme) Probleme sind. Jetzt bin ich auf der Suche nach einer Therapie, die zumindest ein konkretes Problem beheben soll (genauer: mir den Umgang damit ermöglichen soll), welches mich stark vom Vorwärtskommen abhält und weshalb ich aktuell an Depressionen leide (ich habe Psychopharmaka) und mir die Motivation für den Alltag fehlt.

Auf der Suche nach einem geeigneten Therapeuten hatte ich schon Gespäche mit verschiedenen Therapeuten, auch in einem Institut, das Therapieplätze vermittelt. Ich erzähle von meiner Vergangenheit und wie ein konkretes Problem aus meiner Sicht aussieht. Dann erzähle ich aber auch, dass ich seit meiner Scheidung vor einigen Jahren keine dauerhafte Beziehung führe UND dass ich das bewusst so festgelegt habe. Ich studiere neben meinem Beruf im Fernstudium, was sich noch ein einige Jahre hinziehen wird. An diesem Studium hänge ich sehr, denn damit will ich endlich etwas anderes arbeiten, weil mir mein jetziger Job nicht gefällt. Die wenigen Beziehungen nach meiner Scheidung waren allesamt recht schlecht, weil Frauen in meinem Alter, die ich dabei kennengelernt habe, (a) einen Versorger (Frau mit Nachwuchs) oder (b) einen Vater für die noch nicht vorhandenen Kinder (kinderlose Frau) oder (c) einen Partner für Dauerfreizeitvertreib (Frau ohne Kinder und ohne Kinderwunsch) suchen. Keinesfalls aber einen Mann, der an fünf Tagen pro Woche abends daheim am Schreibtisch sitzt und fürs Studium büffelt und der sich sich die restlichen zwei Tage pro Woche um die Kinder aus der geschiedenen Ehe kümmert. Jedes Mal, wenn ich eine Frau kennengelernt habe, hat mich diese über lang oder kurz darauf gedrängt mein Studium zu beenden, ich habe ja schließlich schon einen Beruf. Einige wollten sogar, dass ich meine Kinder weniger sehe. Deshalb habe ich für mich festgelegt, dass ich keine Beziehung suche, solang das Studium noch läuft.

Bei Therapeuten scheint das eine Art Trigger auszulösen und schon beim ersten Termin höre ich durch die Blume, dass (1) ich mit meinem jetzigen Leben doch recht zufrieden sein kann (andere hätten das schließlich nicht erreicht), (2) eine Beziehung das Wichtigste für mich sei und (3) ich mich übernehme (mit dem Studium neben dem Job).

Man sollte noch wissen, dass ich sehr intelligent und hochbegabt bin, mir meine Eltern in jungen Jahren aber verweigert haben, meine Begabungen, Wünsche und Fähigkeiten in einem Studium auszuleben. Studieren wollte ich schon immer, aber ich wurde von ihnen gezwungen etwas bodenständiges zu lernen, weshalb ich erst jetzt studiere. In gewisser Art und Weise bin ich mit meinen Fähigkeiten und Begabungen ein Außenseiter. Gegen die Außenseiterposition habe ich in der zweiten Hälfte meines Lebens angekämpft und habe versucht normal zu leben, aber vieles aus dieser Zeit ist schiefgelaufen, ich denke vor allem deshalb, weil ich mit dem Versuch des (erzwungenen) Normalseins nicht ich selbst gewesen bin.

Zur Zeit bin ich völlig angenervt, weil es bei den bisher besuchten Therapeuten permanent nach diesem Schema F abläuft. Mir wird ständig erklärt, dass ein kleinbürgerliches NORMALES Leben doch ach so erstrebenswert sei und dass ich dafür auch kein Studium benötigen würde, wohl aber eine Partnerin. Und überhaupt, in meinem Alter lernt man viel langsamer als wenn man noch 20 wäre, deshalb hätte ich mir mit dem Studium neben dem Beruf viel zu viel vorgenommen, ich solle doch lieber jetzt damit aufhören und mich um eine Partnerschaft kümmern. Gerade weil ich mich für die nächste Zeit dagegen ausspreche redet man wie beklopft auf mich ein, so als wäre ich beziehungsunfähig und man drängt mich dahin, dass das bei mir therapiert werden müsse. Dass ich einen anderen Beruf (eben keinen von meinen Eltern mir aufgedrängten "bodenständigen Beruf, den man bis an sein Lebensende ausüben kann") machen will und dass ich die Schanuze vom Normalsein voll habe wird dabei immer ignoriert.

Kurzum: Ich bin "etwas" anders, nicht normal. Viele Jahre lang habe ich versucht das zu verbergen, weil "nicht normal" in unserer Gesellschaft eher negativ besetzt ist. Jetzt glaube ich aber erkannt zu haben, dass es gerade die Abweichung ist, die mir besondere Fähigkeiten gibt und ich mich dafür nicht schämen muss. Die Therapeuten wollen mich aber als erstes normalisieren (normieren) und mir dann beibringen, dass das Normalsein sooo schön sein kann und dass es deshalb erstrebenswert sei.

Ich möchte hier von euch wissen, inwieweit ihr sowas auch schon in einer Therapie erlebt habt. Wie geht ihr damit um? Wie gehen die Therapeuten damit um, wenn ihr sie darauf ansprecht?

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Arthur
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Beitrag Mi., 03.09.2014, 10:14

Also ich kann leider keine praktische Erfahrung anbieten, aber mein Eindruck ist, dass die wirklich großen Therapeuten der letzten 100 Jahre eher der Meinung waren, dass der Zwang "normal" (=genormt) sein zu müssen, krank macht. Weil wir Menschen eben unterschiedlich sind. Und damit ja ins selbe Horn pusten wie viele großen Philosophen und Weisheitslehrer aus aller Welt.

Also ich glaub da hast du einfach Pech gehabt, mit den Therapeuten die dir begegnet sind. Beim Lesen musste ich an die Akzeptanz- und Commitment Therapie (ACT) denken, denn bei dieser Therapieform ist das Erarbeiten und Leben der eigenen(!) Werte ein wesentlicher Bestandteil. Oder du suchst dir einen Therapeuten der eher den humanistischen Verfahren zuneigt.

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