was kaja schrieb, waren auch meine ersten Gedanken, als ich Dein Eingangsposting gelesen habe:
Ich habe anfangs in meiner ersten Therapie auch gedacht, als Therapeutin müsse meine Thera doch erkennen, was hinter meinen Worten steckt. Erst mit der Zeit habe ich gemerkt, dass sie auch nur die üblichen Möglichkeiten eines normalen Menschen hat und nicht in meinen Kopf reinschauen kann. Und sie hat im Laufe der Zeit gemerkt, dass ich Dinge manchmal sehr subtil angedeutet habe und hat angefangen, sehr auf solche Andeutungen zu achten. Mir selbst kamen meine "Andeutungen" überhaupt nicht subtil vor. Ich war es so sehr gewohnt, die Starke nach außen zu kehren und bloß nicht zu jammern, dass schon eine kleine Andeutung in diese Richtung mir als Riesenoffenbarung vorkam. Wir beide (Thera und ich) haben eine ganze Weile gebraucht, bis wir uns gegenseitig richtig verstehen konnten: Ich, dass sie als Psychologin keinen "Röntgenblick" hat und nicht automatisch weiß, welche von 100 möglichen Implikationen eine Äußerung von mir haben könnte, und sie, dass ich Probleme, Unsicherheiten und Schwächen nicht leicht erkennbar äußer(t)e. So ähnlich kommt mir das, was Du geschrieben hast, auch vor. Könnte das sein?kaja hat geschrieben: ...auch ein Therapeut ist kein Hellseher und kann nur von dem ausgehen was ihm gesagt wird.
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Ehrlich gesagt stimme ich mit der Mehrheit hier nicht überein. Ich finde die Aussagen der Therapeutin lesen sich eher so als hätte sie dir rüberbringen wollen das du über Stärken verfügst.
Das sind für mich positive Sätze und nichts was dich niedermachen sollte.
Beim Lesen dessen, was die Therapeutin Dir zurückgemeldet hat, dachte ich, dass sie wohl sehr ressourcenorientiert arbeitet und Dir bewusst zu machen versucht, welche Ressourcen Du hast, um klarzukommen. Gleichzeitig kann ich mir gut vorstellen, dass Du Dich mit den Problemen, die Du hast, hinter diesen Ressourcen nicht "gesehen" gefühlt hast. Du hast ja einen Leidensdruck, sonst wärst Du nicht zu ihr gegangen.
Meine erste Therapeutin, von der ich hier geschrieben habe, war auch Verhaltenstherapeutin. Ein Stück weit habe ich es bei ihr manchmal auch so erlebt, dass ich mich nicht richtig gesehen gefühlt habe und den Eindruck hatte, dass da tief in mir drin noch Probleme sind, die mir das Leben schwer machen, die aber in der VT keinen Platz hatten (dafür sind dort andere Probleme gelöst worden). Inzwischen bin ich bei einer Therapeutin, die tiefenpsychologisch fundiert und personzentriert arbeitet, und da ist das anders. Sie geht auch eher und stärker auf Dinge ein, die ich nicht so deutlich sage, sie achtet darauf stärker (allerdings habe ich mich bei ihr auch schon viel eher getraut, zu zeigen, dass da noch einiges ist - hätte ich ohne die vorangegangene VT möglicherweise nicht geschafft). Ich glaube, sie arbeitet eher so, wie Du Dir das auch vorgestellt hast. Ich bin jetzt seit Mai bei ihr und habe den Eindruck, dass sich seitdem schon Wichtiges getan hat. Eine tiefenpsychologisch fundierte Therapie bedeutet also nicht unbedingt, dass es ewig dauert, bis sich Erfolge zeigen. Und ich kriege dort auch manchmal ganz praktische Hilfen, um bestimmte Situationen in meinem Alltag besser zu bewältigen oder in den Griff zu kriegen. Vielleicht wäre es ja doch mal einen Versuch wert?!?
Einen Zettel kannst Du Dir auf jeden Fall mitnehmen. Es ist doch kein Bewerbungsgespräch, in dem Du besonders souverän präsentieren musst, was Du zu sagen hast. Also, klar, es hat schon was davon, weil Du ja einen Therapieplatz bekommen willst, aber der hängt nicht davon ab, ob Du einen guten Eindruck machst, indem Du einen freien Vortrag über Deine Probleme hältst. Mir war sowas früher auch irgendwie peinlich, aber inzwischen mache ich das oft und sage dann gleich dazu, dass ich mir aufgeschrieben habe, was ich ansprechen wollte, damit ich nichts vergesse, weil ich in der Aufregung manchmal einen Teil vergesse oder weil ich mich gerade nicht so gut konzentrieren kann oder weil ich unsicher bin oder weil ich Schwierigkeiten habe, das frei zu formulieren oder was halt sonst gerade der Grund ist. Und es hat fast noch nie einer komisch reagiert, die meisten finden es sogar gut, wenn sie sehen, dass ich mich auf ein Gespräch vorbereitet habe (Ausnahmen gibt es immer...).