nun habe ich nachgedacht und fürchte, dass das auch nix mehr bringt. Meine "Denkergebnisse" sind allenfalls ein Bündel von ziemlich unwesentlichen Fragen und bescheuerten, weil selbstbezogenen Kontrasten.
Das wirst Du gleich sehen.
Du schreibst nachvollziehbar vom "auch", davon, dass diese Restriktionen auch an der Person Deines Menschen hinter der Couch lägen (es gibt für diese "Unabschließbarkeit der Analyse" ja noch viele andere Gründe).Rabe hat geschrieben: Es gibt Dinge, die ich in dieser meiner Analyse nicht erleben oder in Erfahrung bringen werde und das liegt auch an der Persönlichkeit des Analytikers. Die Art, die Konfiguration meines Gegenübers prägt die Situation ganz deutlich - manchmal finde ich diesen Gedanken erschreckend, obwohl mir klar ist, dass es gar nicht anders geht.
Mir rollt das im Bärenschädel herum. - Bisher dachte ich immer, dass mein "therapeutisches Versagen" (in jedem Sinne: Ich versage mich der Analyse und ich versage in ihr) ausschließlich in meiner Person begründet liegt. Mr. Gemini52 war da - trotz aller Kritik an ihm - über jeden Verdacht erhaben, denn, um es bildlich zu fassen: >Er hat das Ferkel auf seine Couch gestellt<.
Durch Deine Reflexion aber dämmert irgendwas im witwesken Hirn. Einstweilen bringe ich aber nicht mehr zustande als den Satz: "Ich habe mir Mr. Gemini52 ausgesucht." (Und damit meine ich, glaub ich, nicht, dass wir eine "Versagens"-Passförmigkeit aufweisen würden?)
Deine Zwischenbilanz-Schlussfolgerung, dass die Frage nach dem "Ausreichen" einer Therapie sich irgendwann stelle, die finde ich aber nicht so folgerichtig wie Du. Doch da kommt wohl ein Kontrast ins Spiel:
Also, entweder ich bin da total bockig und betriebsblind, oder wir machen in unseren Analysen sehr unterschiedliche Erfahrungen? Aber, dass Mr. Gemini52's Zweitblick mich "bereichern" würde, weil er mein Wissen/Denken über mich wie von Dir beschrieben anreicherte - das ist mir so noch nicht untergekommen / zuteilgeworden (wie immer man es nennen kann).Rabe hat geschrieben:Dieser zweite Blick, samt anderer Erfahrung und Fachwissen, ergänzt, modifiziert, hinterfragt, bestätigt, bereichert mein Wissen/Denken über mich.
Er hat manches vertieft, manches vergrößert (wie unterm Mikroskop), manches auch verkleinert (ferner gerückt), manches von Spinnweben und Taubenschiss gereinigt, aber er hat nichts hinzugefügt ("bereichert"). Das heißt: Doch, er hat versucht hinzuzufügen. Und bin ich vermutlich einfach gnadenlos bockig oder selbstbetriebsblind oder beides, jedenfalls waren diese "Hinzufügungen" mir so wesensfremd, dass ich sie schlicht nicht zugelassen habe. Man kann mir nichts ankleben oder anschweißen, das ging, seitdem ich denke, noch nie.
Rundum: Ja! Und ergänzend: Manchmal kann man das Selbst-Gehäuse auch durchlässig machen, wenn ein Buch das Gegenüber ist. Irgendwas gegenüber von einem selbst muss jedenfalls immer mal da sein, ja!Rabe hat geschrieben:Mit meiner Denk-, sogar Analysefähigkeit bin ich eigentlich ganz zufrieden, aber ein Gegenüber ermöglicht es mir, damit ein wenig über mich hinauszugehen. Das ist im Analysezimmer nicht anders als in anderen wesentlichen Gesprächen.
Rabe hat geschrieben:Wegen seines spezifischen Blickwinkels, der wohlwollenden Grundhaltung, des Nichtneurotischen und wegen der Fähigkeit, seine Gegenübertragung zu reflektieren, werde ich meinen Analytiker als Gesprächspartner vermissen, selbst wenn ich mich nach dem Ablauf der Stunden als geheilt betrachten sollte.
Ihr seid, ich schrieb es andernorts schon einmal, ein schönes Paar, und ich freue mich für Euch beide!
Rabe hat geschrieben:Ich glaube nicht, dass man alles alleine können muss.
Hm. (Mehr hab ich dazu im Moment nicht.)
Was Dein III. angeht: Nochmals ein rundes Ja! Wir haben halt einmal vom Baum der Erkenntnis gegessen, sind (evolutionär: nunmehr) mit einem selbst- und fremdreflexionsfähigen Gehirn ausgestattet. Wer vorwirft: "Du denkst zuviel!", begeht einen performativen Selbstwiderspruch minderer Qualität ("minderer Qualität", weil zu diesem Vorwurf zwar ein bisschen, aber nicht viel Denken gehört). Und auch zu dem, was Du über jene Selbsterfahrungs- und -entwicklungsschulungsseminar-Adepten schriebst, mein rundes Ja (also ein dezidiertes "Nein!" meinerseits ). Aber jedes nach seiner facon (leider kann ich hier den Schnörkel nicht unter's c tuschen).
Rabe hat geschrieben:Süchtigen Gebrauch kann man, wie es mir vorkommt, von allem machen, von Therapie, Religion, Büchern, sogar vom Alleinsein.
Touché! Dass Letzteres auch sich zum Sucht-Faktor entwickeln kann, das war mir nie bewusst. Und ich rätsele noch, welche etwaigen Gesundheitsschäden damit einher gehen - von den Entzugserscheinungen zu schweigen.
Allen hier Lesenden mit oder ohne Therapie eine - mit und ohne Therapiestunden - gute Lebenszeit wünschend,
Widow