Praktikantin in Therapiestunde

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

leberblümchen
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Beitrag Fr., 25.05.2012, 23:57

Wandelröschen, ich bin nicht dafür verantwortlich, was andere Leute hier triggert. Das sage ich ganz deutlich, und diesen Schuh ziehe ich mir gewiss nicht an.

Es gibt Dinge, die SIND allgemeingültig, für den einen mehr, für den anderen weniger. Und es ist für jeden Patienten schwer, sich zu öffnen. Manche bekommen das besser hin, andere weniger gut.

Wenn es dir nichts ausmachen würde, dich so zu öffnen, dann hättest du diesen Thread sicher nicht eröffnet... Was deine persönlichen heißen Eisen sind, ist ja dein Ding. Darum geht es ja nicht, kann es ja hier nicht gehen, wenn du andere User fragst, wie sie mit dieser Situation umgehen würden.

Klar ist es gut, wenn du sozusagen aus deinem 'Pool' diverse Themen auspacken kannst, je nachdem, ob da nun ein Gast sitzt oder nicht. Also, für dich ist das dann gut so. Für mich wäre das undenkbar, aber vielleicht ist das wieder so ein Analyse-Ding? Ich könnte nicht in die Stunden gehen und dann denken: "Ach, morgen kommt Frau Meier, dann reden wir mal lieber nicht über mein Trauma" (oder so ähnlich). Ich will das loswerden, was mich beschäftigt, und dabei will ich um Himmels willen nicht daran denken müssen, dass der Praktikant anwesend sein wird. Mit 'freier' Assoziation hat das dann ja gar nichts mehr zu tun, und da gilt dann wieder, was ich vorher gesagt habe: So was IST schwierig. Und es wird nicht einfacher, wenn ein Dritter dabei sitzt. Wenn es für dich so O.K. ist, dann ist ja alles in Ordnung - ich will dir meine Gefühle nicht aufschwatzen. Aber es ging ja wohl um die Empfindungen der anderen User, oder?

Ganz ehrlich: Ich vermute (!!!), dass dein Therapeut dich nicht wirklich mit der "Ungewissheit im Leben eines Erwachsenen konfrontieren will"! Eigentlich funktioniert Therapie so, dass man da das genaue Gegenteil erfährt, nämlich, dass man da die Gewissheit hat, dass der Therapeut so da ist, wie man das von ihm erwartet. Ein Therapeut, der Ungewissheit vermitteln will...? Ich weiß ja nicht... Kommt mir eher so vor wie eine Rationalisierung deinerseits.

Ich frag mich halt auch, welchen Wert so eine Kaffeeklatsch-Stunde für den angehenden Therapeuten hat. Lernt er das analytische Arbeiten, spürt er die Übertragungs-Gegenübertragungs-Geschichten? Erkennt er die Widerstände? All so was halt, was wichtig und spannend ist in diesem Job - lernt er das, wenn er nur Stunden sieht, in denen man über unverfängliche Themen spricht? Natürlich sind Stunden, in denen man über gute Dinge redet, AUCH wichtig! Ich will also nicht kleinreden, wenn du über deine Kinder usw. sprichst. Darum geht es nicht. Aber welchen Nutzen hätte das für den Praktikanten, wenn man ihm die brutalen, schmerzhaften, emotionalen Stunden vorenthält und ihm nur sorgfältig ausgewähltes Material präsentiert? Frag ich jetzt mal so.

Also noch mal: Wenn es für dich O.K. ist, ist ja alles in Butter. Wenn nicht - Bauchgefühl!!! - würde ich das auch nicht rationalisieren wollen ("eigentlich will mein Therapeut mir damit nur helfen"). Klar, eine Stunde, in der man sich automatisch anders verhält und evtl. Material zurückhält, wird jeder verkraften können. Aber wie oft wäre denn der Gast anwesend? Einmal? Zehnmal? Du musst halt aufpassen, dass der Prozess nicht gestoppt wird.

edit: Ich sehe gerade, dass du eine VT machst. Vielleicht laufen die Dinge da einfach ganz anders. Vielleicht geht es da wirklich mehr um Konfrontation als um Beziehung? Ich dachte, du bist tiefenpsychologisch unterwegs (weil wir neulich über das Liegen gesprochen haben). Also, wenn du willst: Vergiss einfach, was ich geschrieben hab. Aber ich mag es nicht löschen; vielleicht hilft es ja dem einen oder anderen.

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mitsuko
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Beitrag Sa., 26.05.2012, 05:48

Mir kam der Gedanke, dass es für manche Patienten richtig positiv sein könnte, wenn eine Praktikantin dabei sitzt. Diese Furcht davor kann ich sehr gut verstehen, aber entspringt sie nicht irgendwie auch der Idee, dass die eigene Gefühlswelt mit Sicherheit irgendwie peinlich ist, versteckt werden muss?
Wenn da noch wer bei hockt, kann ich nicht mehr frei sprechen .... ja warum eigentlich nicht? Warum gebe ich meine Freiheit wegen anderer Menschen einfach auf....

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Mia Wallace
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Beitrag Sa., 26.05.2012, 07:07

titus2 hat geschrieben: Ich frag mich halt auch, welchen Wert so eine Kaffeeklatsch-Stunde für den angehenden Therapeuten hat. Lernt er das analytische Arbeiten, spürt er die Übertragungs-Gegenübertragungs-Geschichten? Erkennt er die Widerstände? All so was halt, was wichtig und spannend ist in diesem Job - lernt er das, wenn er nur Stunden sieht, in denen man über unverfängliche Themen spricht? Natürlich sind Stunden, in denen man über gute Dinge redet, AUCH wichtig! Ich will also nicht kleinreden, wenn du über deine Kinder usw. sprichst. Darum geht es nicht. Aber welchen Nutzen hätte das für den Praktikanten, wenn man ihm die brutalen, schmerzhaften, emotionalen Stunden vorenthält und ihm nur sorgfältig ausgewähltes Material präsentiert? Frag ich jetzt mal so.

Bei mir war es so, daß diese Praktikanten-Stunden alles andere als Kaffeeklatsch waren. Ich konnte in diesen Stunden ganz normal tief gehen und mich öffnen, weil ich wusste, dass auch die Praktikantin der Schweigepflicht unterliegt und ich den Eindruck hatte, dass sie mir wohlwollend und wertschätzend gegenübersteht. Ich habe mich nicht "automatisch" anders verhalten....im gegenteil: im Gespräch habe ich sie dann richtiggehend "vergessen", weil ich ganz bei mir war.

Mein Kliniktherapeut war auch VTler, dennoch ging es auch....nein! nicht nur auch, sondern vor allem um Beziehung (zu ihm, zu anderen). Die Methoden haben ja heutzutage viele Überscheidungen.
Die Beziehung war nur einfach so vertrauensvoll, tief und "sicher" , daß sie durch die Anwesenheit des Praktikanten für mich in dem Moment nicht gestört wurde.

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Wandelröschen
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Beitrag Sa., 26.05.2012, 07:58

Hallo alle,

ja, Mia Wallace, das ist auch noch ein interessanter Aspekt, Beziehung. Mein Thera (VT´ler) ist ja auch ein Schema-Therapeut und in der Schematherapie hat die Beziehung nochmal eine viel intensivere Art, ist sehr, sehr wichtig. Und gerade die ist inzwischen sehr sicher bei ihm, dass ich mich schon trauen würde, wenn mein Bauch ja sagt, es zu wagen. Ich muss halt wirklich Acht geben, auch auf alle in mir zu hören, keins zu übergehen, ist halt nicht immer so leicht bei unsereiner.

Und Mitsuki, ja, dein Aspekt ist auch interessant, mich sieht dann ja noch jemand, wo ich mich ja am liebsten mit meinem Aliengefühl verstecken würde, Angst davor, gesehen und erkannt zu werden. Also wäre die Therastunde auch ein (sicheres) Übungsfeld, sich diesem Gefühl zu stellen.

Und Titus, in der VT macht man durchaus auch Konfrontationstraining
Gruß
Wandelröschen

Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn nicht ich.

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Waldschratin
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Beitrag Sa., 26.05.2012, 09:31

titus hat geschrieben:edit: Ich sehe gerade, dass du eine VT machst. Vielleicht laufen die Dinge da einfach ganz anders. Vielleicht geht es da wirklich mehr um Konfrontation als um Beziehung?
Nicht "entweder-oder",liebe titus,sondern sowohl-als auch!
Bei meiner Traumatherapie war die Beziehung an sich eher im Hintergrund,weil ich damit zu tun hatte,aus dem (schon monate-jahrelangem) Wiedererleben rauszukommen,und damit mein Leben zu retten.Die Beziehung zum Thera erarbeitete ich mir gerade "bindend" genug,um das angehen zu können.
In meiner VT ging es definitiv in erster Linie um die Beziehung und das Vertrauen zwischen meiner Thera und mir,v.a. um Verlässlichkeit und eben die bedingungslose Loyalität ihrerseits zu mir.
Und dann ist es ja so,daß in ner VT,oder auch TFP,es sich nicht wie in der Analyse um so ne "mystifizierte" Beziehung handelt und auf Abhängigkeit und "Verliebtsein" ausgerichtet ist,wie es in der Analyse ja sehr im Mittelpunkt steht und es dort ja beiweitem weniger "lösungsorientiert" zugeht,wie in anderen Therapiearten.
Mia Wallace hat geschrieben:In meinen Kliniktherapeuten war ich aber auch nicht verliebt

Bei meiner Therapeutin hätte ich nicht gewollt, dass jemand dabei ist, weil ich die Beziehung "exklusiv" haben wollte. Dass da dann nach der Stunde jemand bei ihr bleiben darf, während ich den Raum zu verlassen habe- puh....
Das kann ich gut nachvollziehen!
Ich glaube,um so nen "zusätzlichen" Praktikanten wirklich für sich nutzen zu können,braucht es ne gewisse Entwicklung,die man sich schon erarbeitet hat - und dann natürlich,daß man die therapeutische Beziehung auch als "Arbeitsbeziehung" sehen kann.Sonst würd ich da auch lieber die Finger von lassen.Ist ja eh kein Muß.

Übrigens,Wandelröschen : Nein,ich kann nicht Gedanken lesen.
Ich bin halt nur kein Entweder-oder-Mensch,der`s Polarisieren braucht,sondern jemand,der in mehrere Richtungen gleichzeitig denken und reflektieren kann.

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Wandelröschen
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Beitrag Mo., 04.06.2012, 08:23

Hallo zusammen,

Inzwischen ist diese Stunde mit der Praktikantin/Studentin gewesen.
Da wollte ich euch noch eine Rückmeldung geben.
Ich fühlte mich an dem Tag recht gut. Als mein Thera mir die Praktikantin vorstellte, gab es von unserer Seite keine Einwände, eher so ein ‚man könnte es probieren‘. Er betonte aber noch mal, dass ich es nicht müsse und dass ich sie auch jederzeit rausschicken könnte. Zwischendurch, an passenden Stellen, fragte er mich noch zweimal, ob es auch immer noch passend für mich sei.
Mein mitgebrachtes Thema war passend für mich, wollte ich eh schon besprechen (und Titus, das war kein Kaffeeklatsch). Ich war mit dem Thema und den Augen bei meinem Thera, jemand anders hielt immer wieder die andere Person im Blick und musste feststellen, trotz einer zusätzlichen Unsicherheit, es passierte nichts zusätzliches, die Welt ging nicht unter, obwohl ich von noch einer Person gesehen wurde, wir konnten das aushalten, war ein gutes Übungsfeld. Außerdem hatte ich es geschafft, im Vorfeld und während dieser Stunde auch gut für mich und für die Kleinen zu sorgen.
Mit meinem Thera im Rücken hatte ich mich wieder gewagt, was auszuprobieren, einen kleinen Schritt zu gehen, eine neue Erfahrung zu machen. Hinterher haben wir noch kurz unter vier Augen gesprochen. Die Stunde war für mich gewinnbringend und ich bin gestärkt daraus gegangen.
Gruß
Wandelröschen

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Mary-Lou
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Beitrag Mo., 04.06.2012, 08:42

Wandelröschen hat geschrieben:Die Stunde war für mich gewinnbringend und ich bin gestärkt daraus gegangen.
Prima, Glückwunsch!
Frühling: „Eine echte Auferstehung, ein Stück Unsterblichkeit.” (Henry David Thoreau)

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