Geeignete ambulante Therapieform für Borderliner?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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balla_balla
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Geeignete ambulante Therapieform für Borderliner?

Beitrag Di., 17.01.2012, 20:14

Grüß Gott zusammen,

ich mache seit Beginn 2010 eine ambulante tiefenpsychologische Therapie, davor war ich für drei Monate stationär, wobei bei mir dort auch zum ersten mal Borderline diagnosiziert wurde. Mein Therapeut von der amulanten Therapie kennt auch den Entlassungsbrief und meine Diagnose(n).

Nun gehe ich nach über 1,5 Jahren aus der amulanten tiefenpsychologischen Therapie mit nem zerschnittenen Arm und Schulter raus, und habe die Therapie ohne SVV begonnen. Mein Zustand hatte sich in der zweiten Hälfte 2011 massiv verschlechtert. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass mein (Ex)-Therapeut überhaupt nicht wusste, wie er solch eine Erkrankung behandeln soll. Häufig sind wir thematisch auf Frauen und Sex gekommen, wobei diese Probleme bei mir an letzter Stelle anstehen. Bei Selbstverletzung ist er mir gegenüber wütend geworden, Therapieziele wurden nicht definiert, sein Behandlungskonzept (falls es eins gibt) kenne ich auch nicht. Ich habe ihn mal gefragt, wie die Mechanismen der tiefenpsychologischen Therapie eigentlich wirken, wozu er meinte, dass man über Probleme spricht und dadruch sich langsam andere bessere Gedankengänge etc. entwickeln sollen. Aber er hat nie Anstalten gemacht, ehrlich zu sagen, dass es für jemanden mit meiner Erkrankung vielleicht nicht die beste Therapieform ist und das wir überhaupt nicht weitergekommen sind.

Nun meine eigentlich Frage, welche ambulante Therapieform haltet ihr bei einer Borderline-Störung für richtig? Nen stationäres DBT-Programm ist für mich momentan net das richtig, weil ich erst mein Studium beenden will. Tiefenpsychologische hat bei mir nur ne Verschlechterung meiner ganzen Symptomatik gebracht (Impulsivität, Autoaggression, Suchttendenzen). Ist da Verhaltenstherapie oder Gruppentherapie besser? Kann ich das auch gleichzeitig machen?

Was wird denn in ner Verhaltenstherapie anders gemacht? Wie unterscheidet die sich
im wesentlichen von ner Psychoanalyse oder Tiefenpsychologischen?

Vielen Dank schon mal für eure Antworten!

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Lilly111
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Beitrag Di., 17.01.2012, 20:28

Hallo balla_balla,

ich kenne mich mit den einzelnen Methoden nicht wirklich aus, denke aber, dass du nicht so sehr auf die Methode, sondern zuerst auf den Therapeuten schauen solltest. Nicht jeder kann und will Borderliner therapieren. Eine ungute Erfahrung hast du schon hinter dir, eine zweite wäre ganz schlecht.

Vielleicht kann dir deine Klinik eine Empfehlung geben. Oder möglicherweise kommst du über eine Selbsthilfegruppe an einen "Geheimtipp" für einen guten Therapeuten.

Lilly
... as stubborn as a mule.

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Schattenmädchen
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Beitrag Di., 17.01.2012, 20:36

Hey,

also erstmal: eine DBT kannst du auch ambulant machen.
zweitens: Ich denke nicht, dass man sagen kann, dass diese oder jene Therapie für diese oder jene Diagnose das Mittel der Wahl ist. Ich kenne mindestens 2 Borderliner, denen eine tiefenpsychologische Therapie sehr gut geholfen hat. Natürlich muss der Therapieweg danach noch nicht zu Ende sein, ist er bei einem der beiden auch noch nicht, aber es war ein Anfang. Es kommt auch immer darauf an, wie sehr die Störung ausgeprägt ist bzw. wie sehr man darunter leidet. Und vor allem: Was du mit der Therapie erreichen willst.
Gerade bei Persönlichkeitsstörungen wie BPS o.ä. gibt es auch einfach eine Menge Therapeuten, die mit dem Patienten und seinem Störungsbild schlicht überfordert sind. Die nicht die nötige Erfahrung haben, aber auch nicht den "Ehrgeiz", sich auf die sehr spezielle Borderline-Welt einzulassen. Die einfach nur ihre Schemata sehen und nicht verstehen, was dahinter steckt. Die können dann meinetwegen sehr gut Depressive und Zwangserkrankte behandeln, aber man kann ja auch von keinem Therapeuten erwarten, dass er alles gleich gut kann.
Also wäre mein Vorschlag, such dir einen Therapeuten, der sich auf BPS spezialisiert hat. Die Therapierichtung ist dann fast schon egal, außer dass du bei einer Analyse das größte Stundenkontingent hast. Selbst die Analyse, die von einigen als kontrainidiziert angegesehen wird bei BPS, kann in modifizierter Form geeignet sein.

Gruß Schattenmädchen

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balla_balla
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Beitrag Di., 17.01.2012, 20:42

Hallo Lilly,

eigentlich war mein Verhältnis zu meinem Therapeuten oft gar nicht schlecht, wir haben uns meistens sehr gut verstanden und waren auch auf einer Wellenlänge. Aber ich hatte wirklich das Gefühl, dass er mit den kritischen Themen nicht umgehen konnte oder nicht professionell reagieren konnte, z.B. das er wütend wurde wegen meinem SVV, wodurch er mich total verletzt hatte. Jetzt bin ich richtig wütend auf ihn, dass er nicht mal früher was gesagt hat, aber schließlich bin ich ja ein finanziell lukratiever Patentient, bei dem ja eine längere Therapie nötig ist.
eine DBT kannst du auch ambulant machen.
Das wusste ich nicht, aber danke für den Hinweis. dann werde ich auch danach mal suchen. Das sich Therapeuten auf bestimmte Krankheitsbilder spezialisieren, hatte ich auch noch net gewusst, dachte immer nur das das die Psychiatrien machen.

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Sausewind
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 19:43

Hallo balla-balla,
mir tut es sehr Leid, dass du solche Erfahrungen machen musstet. Reine Psychoanalysen gelten heute bei BL als schädlich, da BL nicht mit der Unstrukturiertheit, den vielen Deutungen und der technischen Neutralität des Therapeuten zurechtkommen.
Selbst modifizierte tiefenpsychologische Verfahren können unter Umständen mehr schaden als nützen, aber ich will das hier niemandem in Abrede stellen, wenn er/sie damit gute Erfahrungen gemacht hat,es kommt vielleicht auch ein bisschen drauf an, in welchem Therapiestadium man sich gerade befindet.

Dass die therapeutische Beziehung allein ausreicht zur Verbesserung glaube ich nicht, ich denke, im Idealfall ist es eine gute Kombi aus guter Beziehung und guter Methodik.
Therapie der Wahl ist eigentlich zur Stabilisierung die DBT, und wie Schattenmädchen auch schreibt, du musst das nicht stationär machen, es gibt mittlerweile viele gute ambulante DBT-Therapeuten.
Du kannst mal den DBT-Dachverband kontaktieren (einfach googeln), oder bei VT-Theras rumfragen, ob sie sich damit auskennen, viele sind auch dort nicht registriert, beherrschen die Methode aber trotzdem.
Falls du in der Nähe einer größeren Klinik wohnst, kannst du auch Glück haben, falls die das DBT-Programm stationär haben, haben sie manchmal auch ambulante Therapien dazu.

Viel Glück bei der Suche. So was aber auch, dass Therapeuten heute immer noch so drauf sind . .

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balla_balla
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 21:00

Hallo Sausewind,

erstmal vielen Dank für deine Antwort und deinen Tipp für den DBT-Verband.
Reine Psychoanalysen gelten heute bei BL als schädlich, da BL nicht mit der Unstrukturiertheit, den vielen Deutungen und der technischen Neutralität des Therapeuten zurechtkommen.
Ja, diese Traumdeutungen haben wir auch viel gemacht in der Therapie, aber es hilft mir für meine alltäglichen Probleme (z.B. Umgang mit Kritik oder Kritik an anderen äußern können) einfach nicht weiter.

Ich finde es nur auch komisch, dass die Krankenkassen gar nicht mal Empfehlungen geben. Mein Therapeut für die Psychoanalyse musste doch auch einen Antrag bei der Krankenkasse stellen und dazu hat er auch meinen Arztbrief und Diagnose eingereicht.

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Schattenmädchen
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 21:29

balla_balla hat geschrieben: Ich finde es nur auch komisch, dass die Krankenkassen gar nicht mal Empfehlungen geben. Mein Therapeut für die Psychoanalyse musste doch auch einen Antrag bei der Krankenkasse stellen und dazu hat er auch meinen Arztbrief und Diagnose eingereicht.
Eben weil man das nicht pauschal sagen kann. Und weil keine Krankenkasse weiß, wie jetzt der Therapeut genau arbeitet. Selbst die PA ist ein weites Feld mit vielen Ausprägungen. Es kommt eben nicht nur auf deine Diagnose (die hunderttausend verschiedene Namen haben kann, je nach Sichtwinkel, hab ich selbst erlebt), sondern auch auf dich, den Therapeuten (z. B. hat er noch andere Therapieverfahren "drauf"), deine Lebensumstände usw. an.

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Sausewind
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Beitrag Mi., 18.01.2012, 22:05

balla_balla hat geschrieben: Ich finde es nur auch komisch, dass die Krankenkassen gar nicht mal Empfehlungen geben. Mein Therapeut für die Psychoanalyse musste doch auch einen Antrag bei der Krankenkasse stellen und dazu hat er auch meinen Arztbrief und Diagnose eingereicht.
Ebenfalls hierzu:
Das Problem ist, dass die Gutachten, die bei Langzeittherapien gemacht werden müssen, nicht schulenübergreifend gemacht werden.
Sprich: Wenn ein tiefenpsychologischer Therapeut einen Antrag einreicht mit der Diagnose "BL", wird der Antrag von einem tiefenpsychologischen Gutachter begutachtet, nicht von einem neutralen, der entscheidet, ob VT oder Tiefenpsychologie besser wäre. Dass ein anderer Analytiker an der eigenen Methode keine Zweifel hat, ist ja klar.

Es ist eine Katastrophe m. E. im Gesundheitssystem, die hier vorliegt.
Es gibt ja mittlerweile bei BL sogenannte "evidenzbasierte Verfahren", also Verfahren, bei denen in kontrolliert-randomisierten Studien Wirksamkeitsnachweise erbracht wurden.
Hier ist die DBT bei weitem am besten erforscht, hat die meisten Nachweise gebracht, ebenfalls "evidence-based" sind noch andere Verfahren (z. B. Schematherapie, TFT und MBT), aber da sind z. T. nur vereinzelte Studien da.

Die Psychoanalyse hingegen (!!) hat solche Wirksamkeitsnachweise nie erbracht, da sie sich dafür wohl zu "edel" hält.
In einem Direktvergleich von DBT und einem tiefenpsychologischen Verfahren (ich weiß leider nicht mehr genau welches, glaube es war TFT) hat die DBT deutlich besser abgeschnitten.

Es ist jedenfalls noch nie erwiesen worden, dass jahrelanges Rumdeuten an irgendwas irgendjemandem irgendwas gebracht hat.
Ich finde, es ist eine Schande, dass so etwas überhaupt noch von der Kasse bezahlt wird, ZUMAL eben heute Methoden zur Verfügung stehen, Therapiewirksamkeit auch nachzuweisen, aber wie gesagt, die PA scheint da heilig zu sein.
Ich versteh's nicht, denn bei körperlichen Krankheiten würden die Kassen ja auch verlangen, dass es Nachweise gibt, dass das was wirkt.
Und trotz sogar der Gefahr der Schädlichkeit bei BL und Komplextrauma wird die klassische PA weiter "verschrieben" und bezahlt . .

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Wandelröschen
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Beitrag Do., 19.01.2012, 11:59

Hallo Balla-Balla,
ich kann mich Sausewind nur anschließen. Ich hab zwar nicht die offizielle Diagnose BL, eher komplexe PTBS, aber es gibt da ja auch viele Überschneidungen, und von emotional sehr instabil hat bislang jeder gesprochen, bei dem ich war, nur so nebenbei. Inzwischen bin ich bei einem Schema-Therapeuten gelandet und mache ganz gute Fortschritte. Schematherapie ist eine Weiterentwicklung in der VT, die gerade auch für so „schwierige“ Patienten wie uns entwickelt wurde. Es gibt auch viele Studien dazu, die die Wirksamkeit untermauert, ist aber trotzdem von der KK noch nicht offiziell anerkannt. Aber wenns ein VTler anbietet, der darin geschult ist, zahlts auch die KK. Schematherapie wird an verschiedenen Kliniken angeboten, aber auch von niedergelassenen Psychotherapeuten ambulant. Bloß sind Schematherapeuten mit Kassenzulassung recht selten, private gibt es da leider mehr. Du könntest dich bei den Ausbildungsinstituten (google mal) erkundigen, die wissen ja, wer da Fortbildungen gemacht hat. Auf diese Weise habe ich letztendlich meinen gefunden, auch wenns mühsam war.
Gruß
Wandelröschen

Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn nicht ich.

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balla_balla
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Beitrag Do., 19.01.2012, 16:43

Es ist eine Katastrophe m. E. im Gesundheitssystem, die hier vorliegt.
Es gibt ja mittlerweile bei BL sogenannte "evidenzbasierte Verfahren", also Verfahren, bei denen in kontrolliert-randomisierten Studien Wirksamkeitsnachweise erbracht wurden.
Hier ist die DBT bei weitem am besten erforscht, hat die meisten Nachweise gebracht, ebenfalls "evidence-based" sind noch andere Verfahren (z. B. Schematherapie, TFT und MBT), aber da sind z. T. nur vereinzelte Studien da.

Die Psychoanalyse hingegen (!!) hat solche Wirksamkeitsnachweise nie erbracht, da sie sich dafür wohl zu "edel" hält.
In einem Direktvergleich von DBT und einem tiefenpsychologischen Verfahren (ich weiß leider nicht mehr genau welches, glaube es war TFT) hat die DBT deutlich besser abgeschnitten.
@Sausewind: Die Wirksamkeit von Psychotherapie ist ja generell ein schwieriges Thema, zudem ja oft die Qualitätskriterien (was ist überhaupt eine Verbesserung durch Therapie?) nicht einmal einheitlich definiert sind. Und wenn etwas "schief" läuft, kann man nicht mal was dagegen machen: Ist meine Symptomverschiebung innerhalb der 1,5 Jahre von Zwang, Essstörung auf SVV der Psychotherapie zu zuschreiben, oder liegt es an den meinen Lebensumständen? Das kann keiner nachvollziehen, eben weil sich die Wirkung der Therapie so schlecht von der Umwelt abgrenzen lässt.
Ich für meinen Teil denke, dass die Psychoanalyse nicht das richtig für mich ist/ war.
Schematherapie ist eine Weiterentwicklung in der VT, die gerade auch für so „schwierige“ Patienten wie uns entwickelt wurde. Es gibt auch viele Studien dazu, die die Wirksamkeit untermauert, ist aber trotzdem von der KK noch nicht offiziell anerkannt.
@Wandelröschen: Ich war wären meiner stationären Therapie mal in ner Schemagruppe. Das hat mir sehr viel geholfen, die dysfunktionalen Prozesse in meinem Alltag besser zu identifizieren. Leider mangelt es mir noch an der praktischen Umsetzung, die mir weit schwieriger als die Theorie fällt.

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