Problem mich fallen zu lassen

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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scarred
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Problem mich fallen zu lassen

Beitrag Fr., 12.08.2011, 15:20

Hallo zusammen,

wie so viele lese auch ich seit einiger Zeit mit. Nun habe ich beschlossen, mich mit meinem Problem ebenfalls an das Forum zu wenden.

Ich habe mich mit dem Verdacht auf Depressionen in Therapie begeben. Als sich nach und nach herausstellte, dass mein Befinden eng mit Ereignissen in meiner Vergangenheit verknüpft ist, habe ich beschlossen, eine Analyse zu beginnen. Mittlerweile hat sich viel getan, ich erkenne viele Zusammenhänge und habe Worte für Dinge gefunden, die vorher unaussprechlich waren. Die hohe Frequenz der Analyse, die Geduld des Theras und mein wachsendes Vertrauen haben mir geholfen, anzufangen über die Misshandlungen in meiner Kindheit zu sprechen.

Was mich nur sehr verwirrt und auch schmerzt, ist der Umstand, dass ich zwar langsam über die jeweiligen Situationen reden kann, sie beschreiben kann, aber kaum etwas fühle. Ich verspanne mich, bekomme Kopfschmerzen, fühle mich wie nach einem Marathon und zerbeiße mir die Mundhöhle, aber die Gefühle sind wie hinter einer Glasscheibe. In mir brodelt es, wenn ich dann allein bin, weine ich mittlerweile auch meist. Aber wenn ich in der Thera bin, kann ich nicht zeigen, dass ich mich angesichts der Dinge die passiert sind, einsam fühle oder auch einfach sehr traurig bin. Mein Thera weiß darum, aber ich finde keinen Weg, diese Gefühle mit ihm zu teilen, sie ihm zu zeigen . Ich traue mich einfach nicht, mich fallen zu lassen. Ich finde den Weg nicht. Ich weiß, alles hat seine Zeit, aber gerade bin ich verzweifelt.
Mein Thera und ich haben auch schon darüber geredet, was ich brauchen könnte, was mir mehr Sicherheit geben würde. Er macht so viel, aber irgendwann ist einfach der Punkt an dem ich springen muss, ihm einfach vertrauen muss und auch will, aber ich weiß nicht wie. Ich würde so gerne frei über alles reden können, meine Gefühle spüren und mitteilen können, vor allem möchte ich trauern können. Um das was nicht war und nie wieder sein wird.
Was habt ihr damit für Erfahrungen gemacht und was hat euch dabei geholfen?
Danke für eure Antworten!

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münchnerkindl
[nicht mehr wegzudenken]
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Beitrag Fr., 12.08.2011, 15:36

Vieleicht liegt es daran daß du dich zu sehr unter Druck setzt darüber reden zu müssen/zu sollen? Ich meine, manchmal ist weniger einfach mehr. Es muss der Moment passend sein, der Zuhörer, man muss in der passenden "über olle Kamellen Rede Laune" sein. Es braucht das positive Gegengewicht.

Einfach irgendwelche Vorkommnisse stereotyp hochzuholen und verbal auszudrücken alleine hat keine hiflreiche Wirkung. Da einen "alles muss hochgeholt werden" Marathon zu machen wird nix helfen sondern ggf sogar eine retraumatisierende Wirkung haben.

Es geht darum, das Angenommensein im Rekapitulieren dieser alten Dinge zu erleben. Das gemeinsame Erleben und aushalten von schmerzhaften Erlebnissen. Die Erfahrung dabei, daß es heute Empathie gibt, die es damals nicht gab. Sprich nur so viel aus wie du kannst ohne aus der Nähe zu fallen. Und manchmal ist auch einfach gemeinsam schweigen das was passend und angemessen ist.

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Thread-EröffnerIn
scarred
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Beitrag Sa., 13.08.2011, 09:12

Guten morgen münchnerkindl,

danke erst mal für deine Antwort.

Ja, ich denke, ein großer Teil des Problems ist wirklich selbstgemachter Druck. Manchmal passt es einfach und manchmal eben nicht. Versuche auch darauf zu achten und mich nicht zu überfordern. Die richtige Balance zu finden scheint ja für viele schwierig zu sein, zumindest habe ich oft schon ähnliche Threads gelesen.
Dein Gedanke, dabei nicht aus der Nähe zu fallen, hilft mir ein wenig. Es gab eine Situation wo genau dies passiert ist und schon hatte ich das komische Gefühl einfachnicht mehr gesehen zu werden. Hinterher war mir dann klar, dass ich das selbst konstruiert habe, weil ich mich überfordert hatte.
Mein Thera sieht das Ganze auch viel geduldiger, mahnt mich immer auf mich zu achten. Ich denke, meine Angst ist es einfach so viel zu sagen zu haben und es vielleicht nicht hart genug zu versuchen. Aber genau da scheint das Problem zu sein, du hast recht.
Dir erst mal einen schönen Samstag

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atb2000
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Beiträge: 7

Beitrag Sa., 13.08.2011, 15:33

Hi scarred,

"weniger ist mehr" ist sicher ein guter Leitspruch, wenn es darum geht schmerzhafte Dinge aus der Vergangenheit ins Bewußtsein zu holen. Sich selbst den Anspruch zu stellen, dass es schnell gehen muss und, dass man den Schmerz voll mitkriegen sollte, um zügig voran zu kommen, geht oft genug nach hinten los. Sei froh über die Glasscheibe! Das Ziel eine Therapie sollte es ja nicht sein diese Scheibe, d.h. deinen inneren Schutzwall, einzureißen und Dich dann mit unaushaltbaren Gefühlen zu fluten. Im Moment scheinst du an viele Dinge heran zu kommen, die lange in einer gut verschlossenen Box in deinem Unbewußten geschlummert haben - das ist sicher gut, damit man diese bearbeiten kann, die Box voll aufzureißen und dann nicht mehr zuzukriegen hilft Dir aber auch nicht.

Also, mein Rat: Du scheinst das alles gut zu machen! Geduld! Achte auf Dich und lass so viel zu, wie geht. Stabilisierende Techniken (Tresor, innerer Wächter, innerer Garten, Gedankenstopp usw.) sind genauso wichtig wie das Aufdecken. Wenn sich die Dinge hinter Scheibe dann mit der Zeit bearbeiten und annehmen lassen wird auch die Scheibe dünner werden oder gar verschwinden.

Gruß!

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