Therapeutin = Ersatzmutter???

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forgiven
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Therapeutin = Ersatzmutter???

Beitrag Do., 21.02.2008, 10:29

Hallo an alle!

Ich bin nun nach langem Hadern bereit, euch mein Problem zu schildern. Seit einem guten halben Jahr bin ich nun schon in Therapie. Bereits bei meinem ersten Besuch bei meiner Therapeutin hat es "klick" gemacht. Es hat einfach gepasst. Nach etwa 10 Einzeltherapiesitzungen eröffnete mir meine Therapeutin, dass sie mir vorschlägt, in Gruppentherapie zu gehen, da sie "mich so einfach nicht zu fassen kriegt" (ihr Wortlaut). Ich muss dazu sagen, dass meine Therapeutin Psychoanalytikerin ist, welche ja normaler Weise nicht soooo gesprächig sind. Bei mir hat sie da wahrscheinlich eine Ausnahme gemacht, weil ich sehr sehr verschlossen bin und große Schierigkeiten habe Vertrauen zu fassen und meinen Mund auf zu bekommen. Ich wollte sie nicht enttäuschen und habe der Gruppentherapie eingewilligt... auch, weil mir die Leute dort schon nach ein paar Sitzungen ziemlich ans Herz gewachsen sind. Blöder Weise verbrachte ich die meisten Sitzungen mit Schweigen, weil ich große Angst hatte, dass mich jemand verurteilt. Da meine Thera gesehen hat, dass mir der Übergang zur Gruppenthera so schwer fiel, bekam ich zusätzlich Einzelsitzungen.

Und nun zum eigentlichen Problem ... Meine Therapeutin war der erste Mensch, bei dem ich das Gefühl hatte, dass ich nicht schlecht bin. Dass es okay ist, wie ich bin. Ich habe ihr von meiner Mutter erzählt und von deren Beziehung zu ihrer Mutter und wir kamen zu der Erkenntnis, dass ich nie wirklich erfahren habe, wie es ist, eine fürsorgende Mutter zu haben. Meine Mutter hat sich, so weit ich mich erinnern kann, immer um meine Großmutter gekümmert. Ich bin da so nebenher gelaufen... so ist zumindest mein Gefühl.

Bei meiner Therapeutin war das anders. Sie war einfach da. So, wie ich es mir von meiner Mutter gewünscht hätte, aber dadurch, dass sie mir die Gruppenthera nahe legte, hat sie meine Welt ins Schwanken gebracht. Ich habe mich gefühlt , wie ein kleines Kind, das abgeschoben wird. Es hat so unendlich weh getan . Für mich war es immer das schlimmste Gefühl verlassen zu werden, oder das Gefühl zu haben, verlassen zu sein. Und genau das Gefühl hat meine Thera bei mir auslöst. Es schwebt seit Wochen über unserer "Beziehung" und ich bekomme es einfach nicht weg. Schlimmer noch: Ich habe Angst vor ihr. Angst, dass mir das ganze nochmal wiederfährt.

Für mich hört sich das alles so bekloppt an. Ich kann nicht glauben, dass ich darauf so reagiere. Ich bin eine erwachsene Frau... aber trotzdem bekomme ich diese Gefühle nicht weg.
Ich weiß, ich sollte mit ihr darüber reden. Aber mir fällt das sehr schwer, zumal es mir überaus peinlich ist, solche Gefühle zu haben. Des Weiteren fehlt mir einfach die Möglichkeit das mit ihr zu besprechen. In der Gruppe möchte ich das nicht als Thema anbringen.

Könnt ihr mir bitte einen Rat geben, wie ich damit umgehen soll??
Jeder trägt in sich das Urbild der Schönheit, deren Abbild er in der großen Welt sucht.
Blaise Pascal

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elisa
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Beitrag Do., 21.02.2008, 11:12

hallo forgiven,

ich kann dich sehr sehr gut verstehen. Mir ist es mit meinem Vater so ergangen und mit meinem Thera - und es geht mir immer wieder so in der Therapie und vor allem dazwischen, zwischen den einzelnen Sitzungen.
wie ein kleines Kind, das abgeschoben wird
Für mich war es immer das schlimmste Gefühl verlassen zu werden, oder das Gefühl zu haben, verlassen zu sein. Und genau das Gefühl hat meine Thera bei mir auslöst.
Für mich auch. Genau so wie du es hier beschreibst.

Ich hatte auch Angst, es anzusprechen. Ich fand nicht die richtigen Worte. Ich hatte Angst, nicht die richtigen Worte zu finden. Also habe ich es aufgeschrieben. Und dann habe ich all meinen Mut zusammengenommen, und meinem Thera das Aufgeschriebene mitgebracht. Ihm gesagt, ich würde gerne etwas sagen, aber es fällt mir schwer, weil ich fürchte, vieles auszulassen, mich unklar auszudrücken. Ich habe ihn dann gebeten, es zu lesen. Er hat es gelesen. Und das hat wunderbar gut getan. Danach konnten wir vorsichtig darüber reden. Seitdem weiß ich: wenn es gar nicht anders geht, so geht es. Mti Schreiben. Mit Lesen. Manchmal sagen wir dann beide auch gar nichts. Weil Schweigen dann einfach besser passt, wenn wir beide uns verstanden haben. Manchmal gibt es dann nichts zu sagen. Das sind sehr schöne Momente, in denen ich mich gut aufgehoben und verstanden fühle.

So. Jetzt weißt du, wie ich das mache. Vielleicht kann das oder etwas ähnliches auch für dich ein Weg sein, deiner Thera mit deinen Ängsten zu begegnen. (Vielleicht kannst du das, was du hier geschireben hast, einfach audrucken und mitnehmen - ich finde, du drückst dich sehr klar und deutlich aus)

Ach ja, und noch was:
Für mich hört sich das alles so bekloppt an. Ich kann nicht glauben, dass ich darauf so reagiere. Ich bin eine erwachsene Frau... aber trotzdem bekomme ich diese Gefühle nicht weg.
Mir geht es genauso. Ich bin oft erschrocken über meine Gefühle, die da auftauchen. Aber das bin eben auch ich. Das ist ein Teil von mir, den ich gerne annehmen lernen möchte.

Das wollte ich dir noch sagen.
alles Gute!
elisa

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Fritz
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Beitrag Do., 21.02.2008, 12:00

Das nennt man wohl Übertragung und passiert öfter mal in Therapien. Wichtig ist es, dass der Therapeut/die Therapeutin den Klienten in die Selbstständigkeit führt. Ich empfand dieses Vater-Ersatz-Gefühl damals als sehr heilsam...

Fritz

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forgiven
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Beitrag Do., 21.02.2008, 13:35

Vielen Dank für die Beiträge.
Das nennt man wohl Übertragung und passiert öfter mal in Therapien. Wichtig ist es, dass der Therapeut/die Therapeutin den Klienten in die Selbstständigkeit führt. Ich empfand dieses Vater-Ersatz-Gefühl damals als sehr heilsam...
Ja, ich habe mich schon seit einiger Zeit etwas belesen was das Thema Übertragung angeht. Nur kann ich ehrlich gesagt nicht ganz nachvollziehen, wie sich dies heilsam anfühlen kann.
Vielleicht liegt das auch daran, dass ich ja nun nicht mehr in Einzeltherapie bin und wir das Problem nicht unter vier Augen bearbeiten können. Und in der Gruppe möchte ich das nur ungern ansprechen, da es ja eine Sache zwischen der Thera und mir ist.
Ich hatte auch Angst, es anzusprechen. Ich fand nicht die richtigen Worte. Ich hatte Angst, nicht die richtigen Worte zu finden. Also habe ich es aufgeschrieben.
Das mit dem Schreiben habe ich mir auch schon überlegt. Ich habe sie sogar schon gefragt, ob ich ihr etwas geschriebenes mitbringen darf, worauf sie meinte, dass ihr das, was ich ihr ohne Zettel zu sagen hätte voll und ganz genügt. Sie hatte auch etwa zwei Monate nach Therapiebeginn ganz vorsichtig das Thema angeschnitten. Damals kam es mir aber noch nicht so wichtig vor. Schließlich dachte ich, dass das von selbst wieder verschwindet. Tja, ich denke, ich habe meine Chance vertan.

Liebe Grüße
Jeder trägt in sich das Urbild der Schönheit, deren Abbild er in der großen Welt sucht.
Blaise Pascal

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montagne
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Beitrag Do., 21.02.2008, 17:12

Sprich es genau so an, wie du es hier getan hast, wie es dir ergeht, forgiven.

Vielleicht hilft es dir, wenn ich dir von meiner Therapie erzähle:
Diese Verlassenheutsgefühle kenne ich auch aus meiner Therapie. Mal war es ganz konkret, weil die Therapeutin sagte, vllt. solle ich doch wechseln (das war in einer ganz verfahrenen Phase), weil ich eben auch so verschlossen dort bin, wenig sage und die Therapeutin ja wollte das ich voran komme. Aber damals habe ich nur den unglaublichen Schmerz gefühlt. Manchmal kommt das Gefühl auch so an, aus diffuseren Gründen.
Daran sieht man aber, dass es eben ein altes Gefühl ist, denke ich, was aktiviert wird.
Ich fand es schon heilsam, das anzusprechen. Anfangs noch sehr zornig und vorwurfsvoll, inszwischen ehrlicher zu mir selbst. Mit jedem Mal heile ich ein kleines Stück mehr.

Ich denke also, wenn du lieber Einzeltherapie machen möchtest, solltest du das so ansprechen. Ich gehe mal davon aus, das deine Thera das Beste für dich will. Okay, sie dachte Gruppenthera hilft dir mehr, sie mag sich geirrt haben, das ist schade, aber nicht schlimm. Schließlich geht es in der Therapie ja auch darum zu lernen, zu dem zu stehen was man will und für sich einzustehen.

Und zur Frage: Ist die Therapeutin ein Mutterersatz? Ja eigentlich ja nicht. aber: Doch irgendwie schon. Mutterersatz in dem Sinne, das sie dir den Raum, die Geborgenhzeit gibt, den dir deine Mutter eben nicht geben konnte: Zu wachsen, zu reifen. In dem Falle eben wirklich Nachreifen. Sie als Spiegel für dich und deine Gefühle zu haben, wie es eben normalerweise die Aufgabe einer Mutter wäre.

Grüße
amor fati

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forgiven
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Beitrag Do., 21.02.2008, 19:08

Liebe vallée,

Das was du schreibst, bringt es mehr oder weniger auf den Punkt. Das erinnert mich auch daran, dass meine Therapeutin zu mir sagte, dass es zu überlegen wäre, ob ich denn überhaupt bereit für eine Therapie bin. Sie hat das auf mein Schweigen hin in Erwägung gezogen. Ich bin so unglaublich durcheinander und lebe in einem wahren Gefühlschaos und habe auf der anderen Seite große Angst davor etwas falsch zu machen in der Therapie. Ich bin einfach so gehemmt, dass ich meine Wünsche nicht aussprechen kann, was ja dazu führen könnte, dass ich wieder weggeschickt werde.
Und zur Frage: Ist die Therapeutin ein Mutterersatz? Ja eigentlich ja nicht. aber: Doch irgendwie schon. Mutterersatz in dem Sinne, das sie dir den Raum, die Geborgenhzeit gibt, den dir deine Mutter eben nicht geben konnte: Zu wachsen, zu reifen. In dem Falle eben wirklich Nachreifen. Sie als Spiegel für dich und deine Gefühle zu haben, wie es eben normalerweise die Aufgabe einer Mutter wäre.
Diese Theorie mit dem Spiegel hört sich sehr interessant an. Kannst du das noch näher erklären? Oder hast du dazu 'nen guten Link ?

Liebe Grüße
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Blaise Pascal


montagne
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Beitrag Sa., 23.02.2008, 21:50

Theorien, ja die stehen in Büchern. Quellen kann ich dir keine (mehr) nennen. Darum geht es doch auch nicht. Es geht um das persönliche Erleben, DEIN Erleben.

Ich denke man lernt im Idealfall einen positiven Umgang mit Gefühlen von den Eltern. So wie sie auf die Gefühlszustände des Kindes reagieren, so reagiert der Mensch später auf sich selbst.

Wenn sie die Gefühle ignoriert haben oder bestimmte Gefühle als schlecht abstempeln (Trauer, Wut), wird man es auch an sich tun. Was in einer Therapie passieren kann ist, dass man nachträglich den positiven Umgang mit sich und seinen Gefühlen lernt, ganz so, wie man es von der Mutter hätte lernen sollen, wollen.

Ich erlebe das so in meiner Therapie. Und dazu gehört auch meine Bedürfnisse ernst zu nehmen und lernen sie zu äußern. Und auch lernen sie so zu äußern, das man eine realistische Chance hat erfüllung zu finden.

Auf dich bezogen heisst es schon, deiner Therapeutin zu sagen, das du lieber eine Einzeltherapie bei ihr machen möchtest. Es geht dabei nicht nur darum, dass du es bekommst. Vllt. wirst du erfahren, das sie dir das nicht geben kann oder möchte. Aber ganz bestimmt wird sie dich mit deinem Wunsch annehmen und dir helfen zu verstehen. Und das alleine reicht um ein kleines Stück auf dem Weg voran zu kommen. Zu merken das du mit deinen Wünschen okay bist und das die Hemmungen etwas von Früher sind, was du jetzt abbauen kannst.
amor fati

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unterwegs
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Beitrag So., 24.02.2008, 00:08

Hallo forgiven, hallo vallée!

Hoffe, es ist okay für euch, wenn sich noch jemand einschaltet... habe ganz schön lange überlegt, weil ich immer Angst habe, zu viel von mir preiszugeben, aber ich finde euer Gespräch sehr bewegend.

Forgiven (schöner Name übrigens), ich kann deine Situation so gut nachempfinden. Und ich kann mich vallées Antworten nur 100%ig anschließen. Sie hat viele wichtige Punkte wunderschön ausgedrückt.

Ich kann das auf meinem Erfahrungshintergrund nur rundum bestätigen und möchte dir auch Mut machen, deiner Therapeutin das alles offen zu sagen. Mir ging es gewissermaßen ähnlich: als ich den Begriff "Übertragung" hörte, habe ich auch manches nachgelesen. Inwiefern dadurch aber etwas Heilsames in Gang kommt, konnte ich mir auch nicht recht vorstellen - habe es dann aber gespürt. Und das geht genau in die Richtung, die vallée beschreibt.

Stell dir vor...
... du hast in deiner Therapeutin einen Menschen, vor dem du diese ganzen Gefühle und Sehnsüchte endlich nicht mehr verstecken musst, sondern sie offen zugeben darfst - ohne Angst, denn sie kennt dieses Phänomen und kann damit umgehen (sie wird dich nicht wegen solcher Sehnsüchte und Gefühle wegschicken - aber die Angst davor kenne ich )
... du kommst dir selber näher - deinen Bedürfnissen, deinem Schmerz und Kummer. Das tut weh, aber es fühlt sich auch gut an, so "ganz" zu sein. Zugeben zu dürfen, was ist. Und darin immer noch angenommen zu werden.
... du erfährst vielleicht die Beziehungsebene der Therapie bewusster, wenn sie durch das Thema "Übertragung" angesprochen wird. Und dadurch kannst du schon ein Stück weit die Eigenschaften einer guten Mutter im Umgang deiner Therapeutin mit dir spüren. Das lässt dich wachsen.

Wenn die Therapeutin echt kompetent handelt (und dich dann eben nicht total in die Abhängigkeit rutschen lässt), dann ist das eine kostbare, befreiende Erfahrung,... die man einfach selber machen muss, um ihre Wirkung zu spüren. Ich möchte sie nicht mehr missen. Für denjenigen, der das nie gehabt hat, ist es genial, alle Bedürfnisse usw. aussprechen zu können und zu spüren, dass sich ein wertschätzendes Gegenüber ernsthaft damit auseinander setzt - ganz sicher nicht alle Sehnsüchte erfüllt, aber einen damit auch nicht alleine lässt.
Ich wünsche dir, dass du den Sprung wagst, dich deiner Therapeutin anzuvertrauen.

LG,
unterwegs

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