'Ja, es wirkt!' - Fortschritt in der Therapie?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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SamuelZ.
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'Ja, es wirkt!' - Fortschritt in der Therapie?

Beitrag Sa., 29.08.2009, 19:49

Hallo zusammen,

Das "Ja, es wirkt!" kommt noch etwas zögerlich. Dennoch meine ich, in den letzten Tagen und Wochen Veränderungen an mir wahrgenommen zu haben, die ich zum großen Teil auf meine Therapiesitzungen zurückführe.

Meine Frage an euch: Woran macht ihr Fortschritt in der Therapie fest? Was heißt Fortschritt für euch?

Zu mir: Es sind mehr die kleinen Dinge und Veränderungen, an denen ich merke, das sich da was tut bei mir. Ich bin u.a. wegen meiner Depression in Behandlung.

Seit einigen Wochen kaufe ich regelmäßig Blumen. Ehrlich gesagt, mein Wohnzimmer quillt fast über. Früher hätte ich mich gefragt: "Muss das sein? Die verwelken doch bald wieder."

Ich gehe regelmäßig zum Friseur. War mir früher einfach zu anstrengend (Horror bei dem bloßen Gedanken an die unvermeidbaren Friseur-Gespräche).

Seit einigen Wochen bin ich am Wochenende mal nicht konstant müde, zermürbt, antriebs- und energielos. Alles geht leichter von der Hand (eben auch der Friseur) und haben meine wenigen Bekanntschaften keine Zeit für mich, dann gehe ich halt alleine los ohne mir viel dabei zu denken.

Ich habe in fünf Wochen 2 Kilo abgenommen. Ich habe kein Problem mit meinem Gewicht, trage aber seit dem Tod meines Vaters (vor 6 Jahren) 7 Extrakilo mit mir herum. Habe es schon aufgegeben, die magische Grenze von 66 Kilo irgendwann zu unterschreiten. Trotz Mega-Jogging, Fitnessstudio, etc. Plötzlich, ohne weitere Anstrengung, sind 2 Kilo von den 7 weg.

Hm, sind das nun die Auswirkungen der Therapie? Wie seht ihr das? Wie sind eure Erfahrungen?

Liebe Grüße
Sandy

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Medea
Forums-Insider
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Beitrag Sa., 29.08.2009, 20:12

Liebe Sandy,
was für ein schönes Thread Thema! Ich danke dir von Herzen dafür.

Jaaa, die Fortschritte, gerade im Kleinen bemerke auch ich sie. Einige wenige. Aber du hast mir gerade die Augen geöffnet! An das was du schreibst habe ich noch gar nicht gedacht.
Ich gehe witzigerweise nun auch öfter zum Frisör, mach mich häufiger schick und tu mir etwas gutes.

Weitere Fortschritte bei mir, sind eher im sozialen Bereich einzuordnen. Ich habe viel weniger Angst vor sozialen Interaktionen. Sachen, die ich früher nie gemacht hätte, kosten mich keine Überwindung mehr, nur ein kurzer Gedanke: "Soll ich das wirklich machen?" und meine eigene mir mutmachende Antwort " Ja, klar, mach es."

Zum Beispiel wollte ich immer schon mal bei Ikea Stoffe kaufen, wußte aber nicht wie das geht und hab mich deshalb nicht mal in die Stoffabteilung hineingetraut.
Gerade heute hab ich mir 3 Meter Stoff gekauft.

In Situationen, in denen mich andere nieder machen, sage ich nicht mehr innerlich Ja und Amen zu Anschuldigungen oder Anordnungen.
Ich spüre nun innerlich, was mir widerstrebt und wie ich es gerne anders hätte.

Artikulieren kann ich es noch nicht, aber ich bin froh, es zu spüren.

Sei lieb gegrüßt,
Medea

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Serpentina
Helferlein
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Beiträge: 61

Beitrag Sa., 29.08.2009, 20:28

Hallo,

ich merke schon, dass ich Fortschritte machen, manchmal kommts mir aber so vor, als wärens Fortschrittchen (verbunden mit Rückschritten). Manchmal fällt mir das selbst auf, viel öfter jedoch muss mich jemand anders darauf hinweisen. Erst dann merk ich, dass sich dieses oder jenes doch sehr gebessert hat.

So hab ich jetzt zum Beispiel weniger oft Gedanken der totalen Sinnlosigkeit und kann mich - immer öfter - an kleinen Dingen (ich hab angefangen, mir jeden zweiten Tag was zu essen zu kochen --> vorher nur TKK oder n Brot oder so) freuen. Ich überleg dann schon im Voraus, was ich einkaufen muss. Wenn Besuch kommt, backe ich mittlerweile gerne einen Kuchen (auf die Idee wär ich vorher nieeee gekommen). Damit bin ich nicht nur beschäftigt und abgelenkt, sondern hab sogar noch Spass dabei!

Grüße,
Luzie

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Elena
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weiblich/female, 40
Beiträge: 1378

Beitrag Sa., 29.08.2009, 20:37

Hi Sandy,
cool, endlich wieder ein Thread von Dir
Ich bin vom Typ her nicht depressiv, eher das Gegenteil, ich verdränge durch ganz viele Kontakte und Aktivitäten meine eigentlichen Ängste. Der selbst auferlegte Stress ist mein Verdrängungsmechanismus.
In der Therapie ist es mir zum ersten Mal geglückt, meine Ängste anzuschauen.
Ich fühle mich dadurch innerlich ruhiger und mehr darauf ausgerichtet, meine ureigensten Bedürfnisse zu befriedigen, die ich nicht mehr verdränge, sondern als schön empfinde.

LG Elena

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Träumerin3
sporadischer Gast
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Beiträge: 22

Beitrag So., 30.08.2009, 13:58

Hallo,

ich habe ja leider leider meine Analyse vor einigen Monaten abgeschlossen, die maximale von der Kasse finanzierte Stundenzahl war erreicht. Der Abschied ist mir sehr sehr schwer gefallen und immer noch vermisse ich die 2 Stunden in der Woche und auch meine Analytikerin. Ab und zu leiste ich mir eine Stunde bei meiner Analytikerin, zahle sie also selbst. Gerne lese ich aber immer noch hier mit.

Ich habe einem Mann, der mir gefällt, vorgeschlagen, uns auf einen Kaffee zu treffen und freue mich darauf und auch darauf, ein wenig zu flirten. Ich freue mich über mich, dass ich das doch recht locker geschafft habe. Nach dem Motto, was soll schon passieren, wenn er nein sagt dann sagt er eben nein, davon geht die Welt nicht unter. Mehr Leichtigkeit also. Das hätte ich früher nicht gemacht. Und meine Spinnenphobie habe ich überwunden, das ist mir vor kurzem eher zufällig aufgefallen, als ich im Urlaub in einer einfacheren Unterkunft im Wald erst am zweiten Abend bemerkt habe, dass in unserem Zimmer, in dem wir auch geschlafen haben, eine doch etwas größere Spinne war. Hat mir nichts ausgemacht, früher hätte ich bei jedem Betreten des Zimmers erst mal alles abgescannt und selbst bei größter Hitze unter der Bettdecke geschlafen. Ich habe aufgedeckt geschlafen (war so heiß)!! Okay, auf die ganz großen Spinnen kann ich verzichten und möchte auch keinen Test allein erleben Ich bin mutiger in zwischenmenschlichen Kontakten und erkenne mehr meine Bedürfnisse. Wie schon geschrieben wurde, artikulieren kann ich das nicht sofort, aber ich nehme mich schon mal ernster. Das fällt mir gerade so auf die Schnelle ein.

Liebe Grüße - ich beneide euch doch darum, das ihr noch in Therapie seid....
Träumerin


montagne
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Beiträge: 4600

Beitrag Mo., 31.08.2009, 14:57

Was für ein schöner Thread. Ja komisch, das du es sagst Sandy, das mit den Blumen ging mir irgendwann ganz genau so. Ich kaufte mir welche und habe mich wie blöde gefreut. Es war für mich der erste Schritt mir etwas gutes zu tun. Nicht nur das schädigende, wa sich mir tat sein zu lassen oder auf anraten meiner Therapeutin mir dies und jenes gute zu tun, sodnern so ganz aus mir slebst heraus und ich echt darüber freuen können.

Woran bemerke ich den Erfolg meiner Therapie? Insgesammt fühle ich mich erwachsener und selbstbewusster. Meine Einstellung zum leben hat sich geändert. Dadurch kann ich mich besser durchsetzen und fühle mich einfach besser, ein Stück weit weniger den Wechselfällen des Lebens ausgeliefert. Ich habe im Laufe der Therapie den Mut gefunden, Verantwortung für einen anderen Menschen zu übernehmen, das durchzuboxen, auch rechtlich und habe es bis zum Schluss mit gestaltet. Konnte aber auch erkennen wo meine Grenzen sind und habe mich deswegen nicht verachtet und als schwach empfunden.

Und ich spüre auch in der Therapie unterschiedliche Phasen, die bisher nacheinander gekommen und gegangen sind. Und mein Bauchgefühl sagt mir, das es der richtige Weg ist. Ist eben auch so eine grundlegende Sicherheit, die ich in mich, andere Menschen und die Welt gewonnen habe.

Ich denke, ich habe das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, aber ich bin ein gutes Stück rauf.
amor fati

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Dakota
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Beitrag Mo., 31.08.2009, 15:29

Hi,

Schöne Thema-Idee SandyP !
Also ich bin nach 2 Jahren Therapie auch endlich an dem Punkt angelangt, wo ich selbst merke, dass sich etwas tut.
Ich habe zwar immer das Gefühl ich mache 2 Schritte vor und Einen zurück, aber dadurch geht es ja immerhin vorran.
Ich merke es an Kleinigkeiten, die sich verändert haben oder bessern :
Ich habe mich seit einem 1/2 Jahr nicht mehr selbstverletzt (mein bisheriger Rekord ! ) !
Ich war am Sonntag auf einer riesen Feier, wo ich noch vor einem Jahr abgesagt hätte, weil ich mich unter vielen fremden Menschen so unwohl und unsicher fühle. Aber ich habe mich der Angst gestellt. Bin zwar nur 2 Stunden geblieben, aber für mich war das schon ein riesen Schritt.
Ich traue mich Menschen, die mir wichtig sind zu umarmen. Bis vor kurzem bin ich Körperkontakt ausgewichen.
Ich traue mich inzwischen meinem Thera zu sagen, wenn mir etwas nicht passt oder ich mich gekränkt fühle. Bis vor kurzem wäre es für mich noch undenkbar gewesen ihm zu widersprechen, aus Angst vor seiner Reaktion bzw. einer Konfrontation....
das sind nur ein paar Beispiele, die mir aber viel bedeuten und mir Mut machen, dass ich auch den Rest noch schaffe...auch wenn es etwas länger dauern sollte ! Ich gebe nicht auf !

lieben Gruss...

Dakota

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Medea
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Beitrag Mo., 31.08.2009, 20:48

Dakota,
das was du schreibst rührt mich jetzt total.
Danke fürs teilen!

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Emma
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Beiträge: 78

Beitrag Di., 01.09.2009, 07:38

Hallo,

ich finde diesen Thread auch toll!

Witzigerweise kaufe ich jetzt auch ab und an Blumen und gehe einigermaßen regelmäßig zum Frisör. Blumenläden und Frisöre scheinen irgendwie die geheimen Nutznieser der Psychotherapie zu sein.
Ich kann mich auch sonst freier bewegen. Ab und zu gehe ich mit meinem Mann essen, bisher nur im Freien, aber ich glaube ich kann auch bald rein.
Außerdem mache ich einen Yoga-Kurs. Zwar nur, weil ich die Yoga-Lehrerin schon länger kenne aus einem anderen Bereich, aber trotzdem ist das für mich ein großer Schritt, da sonst Gruppensituationen für mich unerträglich waren und hier konnte ich letzte Woche sogar richtig gut entspannen.
Ich kaufe mir auch mal Kuchen oder etwas Süßes. Früher hab ich mir nur das Notwendigste gönnen können, was der Körper halt notgedrungen braucht, aber jetzt habe ich gerade Samstag ein schönes Stück Obstkuchen richtig genossen.
Ansonsten schaffe ich es fast jeden Tag aus dem Haus.

Liebe Grüße,
Emma

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chicheringrün
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Beitrag Mi., 02.09.2009, 00:22

Ich merke es unter anderem daran, dass ich fröhlichere Musik höre.
"Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten."
Willy Brandt

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Carry
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Beiträge: 346

Beitrag Mi., 02.09.2009, 06:46

Hallo Sandy,
ja es wirkt bei mir auch schon.

Jetzt nach ca. 10 Monaten Gesprächstherapie fühle ich mich mitten im Umbruch. Ich merke, dass sich ganz tief in mir drinnen etwas tut. Ich bin dabei meine PTBS ganz langsam zum schmelzen zu bringen. Ich habe eine Ahnung davon, wie es sein könnte wenn der Auslöser der PTBS für mich nur noch eine Erinnerung wäre.-

In Situationen, die bei mir sonst einen enormen Stress ausgelöst haben, lege ich mittlerweile eine Gelassenheit an den Tag, die ihresgleichen sucht. Ich bin auf dem besten Weg mich mit meinem inneren Kind auszusöhnen und endlich erwachsen zu werden.

In Bezug auf meine Erkrankung bin ich auch ein ganzes Stück weiter gekommen. Ich habe für mich einen Sinn ( wenn man das so sagen kann ) in meiner Krankheit entdeckt. In meinen Augen ist sie ein Hilfeschrei meiner Seele. Und genau diese Erkenntnis hätte ich niemals für möglich gehalten. Immer häufiger finden mit meiner Therapeutin Gespräche statt, die meine Seele berühren.-

Ich habe in mir eine Welt kennen gelernt, die einfach phantastisch ist.

Ich bin gespannt, was in der Therapie noch auf mich wartet.

Carry, auf einem harten,steinigen aber erlösenden Weg
Es gibt Leute, deren Geist immer Ferien hat.
Peter Sirius

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SamuelZ.
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Beitrag So., 06.09.2009, 16:13

Hallo zusammen,

schön zu lesen, dass sich auch bei euch Dinge verändern und zum Positiven wenden. Allein meine Antennen für solche Veränderungen zu schärfen, meine Leistungen zu erkennen und v.a. anzuerkennen und zu spüren, stellt für mich einen weiteren Sieg dar. Trägt alles zu einem besseren Selbstwertgefühl bei.

Interessant finde ich auch, einzusehen, wie die Gefühlsäußerungen anderer Leute meine eigene Gefühlslage beeinflussen und dann bewusst dagegen anzusteuern:

"Nur weil diese Leute ihren Ärger zum Ausdruck bringen, werden sie dich nicht gleich verprügeln, also brauchst du auch keine Angst vor ihnen empfinden [wie das Kind, das sich vor der Strafe fürchtet]"

weitere Auffälligkeiten und Neuerungen:

- ich trage häufiger farbenfrohe Klamotten. Mir kam letztens beim Bummeln durch die Innenstadt beim Anblick all der weißen, schwarzen, grauen und blassen Farben, die dort in den Läden angepriesen werden, das kalte Grausen. Ja, ich habe früher auch mausgraue Strickjacken getragen. *würg* (bloß nicht auffallen!)

- ... und: ich verbringe weniger Zeit in Internetforen...

Liebe Grüße
Sandy

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