Ambivalenz zerreißt mich: Annäherung an Traumabilder

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Chakotay
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Ambivalenz zerreißt mich: Annäherung an Traumabilder

Beitrag Do., 20.02.2014, 18:34

Liebe Leser,

es gibt schon etliche Threads zum Thema Trauma, aber ich habe per Suchfunktion nicht das gefunden, um das es mir gerade geht.

Meine Situation:
Ich bin nach längerem Klinikaufenthalt seit 2 Jahren und 4 Monaten in ambulanter Traumatherapie (kein EMDR, kommt für mich nicht in Frage). Ich fühle mich wunderbar dort bei meinem Thera aufgehoben und die Vertrauensbildung ist so weit gediehen, wie ich es mir nie hätte träumen lassen ("Nebenwirkung" der Traumafolgestörung: distanzierte Bindungsstörung, ich triefe über vor Misstrauen). Mein Thera weiß nur Bruchstücke meiner traumat. Erfahrungen und ich habe zahlreiche Intrusionen und Flashbacks, die ich ihm ebenfalls nur bislang bruchstückhaft geschildert habe.
Ich ziehe mich immer sofort aus dem Gespräch und dem Kontakt zu meinem Thera zurück, sobald ich mich den Bildern annähere. Mein Thera steht nun auf dem Standpunkt, dass dies zu respektieren sei, da mein Körper/Geist/Seele nur so viel Annäherung zulässt, wie ich verkraften kann.
Seit einem halben Jahr jedoch drängt in mir das Bedürfnis, diese Bilder zu beschreiben und mich den damaligen traumat. Situationen anzunähern. Es drängt mich wirklich extrem stark!!
In der letzten Stunde haben wir uns nur ganz vorsichtig dem "leichtesten" Bild (sofern es so etwas überhaupt gibt) angenähert und ab einer gewissen Stelle habe ich wieder nur noch zugemacht und bin zum "Gegenangriff" (verbal) übergegangen.
Mein Thera spiegelte mir dann, was für mich sehr hilfreich war, dass ich widersprüchliche Signale aussende:

auf der einen Seite das sehr starke Bedürfnis, von den Bildern zu erzählen,
auf der anderen Seite das starke Abwehrverhalten

Ich habe nun länger darüber nachgedacht, warum ich trotz des Wunsches, an die Bilder heranzugehen, immer wieder Rückzieher mache (ich steuere das übrigens nicht bewusst - es geschieht "einfach so").
Eines ist mir dabei sonnenklar geworden:
Ich habe Angst, wieder - wie früher - alleine damit zu stehen, da ich schnell den inneren Kontakt zum Thera verliere. Das Gefühl des Alleinseins überwältigt mich in Kombination mit der Angst völlig. Ich bin mir sicher, dass mein Thera vieles mitmachen würde, um mich aus diesem Dilemma zu bringen, daher wollte ich gerne hier mal rückfragen, wie ihr das so macht oder gemacht habt, wenn ihr euch den Bildern annähertet und wie ihr die Sicherheit des Theras spüren konntet. (Ich hoffe, ich habe nicht zu wirr geschrieben, aber ich BIN wirklich sehr stark verwirrt.)

Habt ihr euch in eine Decke gehüllt und in dieser "Höhle" darüber gesprochen? (Ich glaube, da würde ich mich aber wieder alleine fühlen, der Thera wäre ja noch weiter weg...)
Habt ihr euch näher an den Thera gesetzt oder Körperkontakt (Hand oder so) gehabt? Ist das nicht peinlich? Darf ich mir so etwas wünschen? (Nochmal: ich bin ein sehr distanzierter Mensch und für mich ist eine solche Vorgehensweise fast unvorstellbar - aber ich möchte wirklich neue Wege gehen, um endlich an diesen Sch.eizz zu kommen und ihn bearbeiten zu können...)
Habt ihr die Möglichkeit gehabt, nach einer solchen Therapiestunde noch im Laufe der nächsten Tage Kontakt zum Thera zu haben? (Mein Problem ist auch, dass ich zeitverzögert reagiere; manchmal Stunden, manchmal sogar 2 - 3 Tage später.)

Was gibt es sonst noch so?
Ich glaube, wenn ich es schaffen würde, den inneren Kontakt zum Thera zu halten, während ich erzähle, dann wäre das schon mehr als die "halbe Miete". Aber WIE UM ALLES IN DER WELT SCHAFFE ICH DAS?

Ich würde mich freuen, wenn ihr mich an euren Erfahrungen/Ideen etc. teilhaben lassen würdet, dann hätte ich Anregungen, die ich für meine persönliche Situation auf Stimmigkeit überprüfen könnte. Es dürfen auch gerne ungewöhnliche Dinge sein, ich bin für alles offen.

Danke euch sehr, schon allein, dass ihr diesen langen und wirren Sermon durchgelesen habt.

Liebe Grüße von einer ambivalent zerrissenen Chakotay
Wenn ich mich niederwerfen würde,weinen u.erzählen,was wüßtest Du v. mir mehr als v. der Hölle,wenn jmd erzählt,sie ist fürchterlich.Darum sollten wir voreinander so ehrfürchtig,nachdenklich,liebend stehn wie vor dem Eingang zur Hölle.(Kafka,gekürzt)

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LovisTochter
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Beitrag Do., 20.02.2014, 21:19

Liebe Chatokay,

leider kann ich Dich nicht Lösungsmöglichkeiten bei dieser Thematik unterstützen, denn, Dein Beitrag hätte auch von mir sein können. Ich möchte Dich nur wissen lassen, dass Du nicht alleine mit dieser Problematik bist. Dementsprechend bin ich natürlich auch gespannt, was hier noch so an Antworten folgen wird.
Ganz liebe Grüße,
LovisTochter
Wer nicht auf seine Weise denkt, denkt überhaupt nicht. (Oscar Wilde)

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Teekesselchen
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Beitrag Fr., 21.02.2014, 08:21

Liebe Chakotay,
das, was du schreibst, ist mir auch nicht unbekannt und berührt mich sehr!
Ich rate dir, so offen wie möglich mit deinem Thera über deine Wünsche, Ängste und dein Verwirrtsein zu sprechen oder ihm vielleicht sogar das, was du hier im Forum geschrieben hast, zum Lesen zu geben.
Gemeinsam mit ihm darüber nachzudenken, was dir persönlich helfen könnte, den inneren Kontakt zu deinem Thera zu halten, finde ich wichtig.
Dass er dir vielleicht die Hand halten oder sie auf deine Schulter legen könnte, darüber kannst du mit ihm sprechen, ob er bereit dazu ist
- vielleicht lässt er sich drauf ein und du kannst einfach kurz "mal probieren", wie sich das für dich anfühlt.
Für mich ist es ganz wichtig, dass sowas gut abgesprochen ist (ist es möglich? darf ich drum bitten, wenn ich in einer schwierigen Situation bin?....).
Ich wünsch dir ganz viel Mut!
LG

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marietta
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Beiträge: 17

Beitrag Fr., 21.02.2014, 09:12

wir haben mal mit nem wollfaden gearbeitet - jede von uns hatte ein ende in der hand. und wenn ich dabei war, mich zu verlieren, hat sie ihn leicht gespannt. ich hatte den wollfaden ne weile dann auch immer mit dabei und wenn ich dabei war, in die alten gefühle abzusinken, hab ich den faden in meiner hosentasche berührt und mich erinnert, dass ich in kontakt sein kann.
in dieser phase wäre mir körperkontakt klar zu viel gewesen.

und was anderes: ich weiss nicht, wie dein stundenkontingent und das zeitbudget deines thera aussieht: aber es könnte auch ne möglichkeit sein, für heftigere themen ne weile mal zwei stunden pro woche abzumachen, dass du, wenn du zeitverzögerst reagierst, weisst: übermorgen kann ich alles wieder abladen, werde ich wieder stabilisiert werden.

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candle.
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Beitrag Fr., 21.02.2014, 10:31

Liebe Chakotay!

Ich will jetzt auch gerne etwas zu deinem Thema schreiben.
Chakotay hat geschrieben: In der letzten Stunde haben wir uns nur ganz vorsichtig dem "leichtesten" Bild (sofern es so etwas überhaupt gibt) angenähert und ab einer gewissen Stelle habe ich wieder nur noch zugemacht und bin zum "Gegenangriff" (verbal) übergegangen.
Ich gehe jetzt zwar nicht zu einem verbalen Gegenangriff über, aber ich kenne das auch ähnlich. Ich habe es aber nie so empfunden, dass ich zumache, sondern dass es einfach noch nicht an der Zeit ist die Traumata zu bearbeiten. Ich weiß schon wie sehr man das manchmal möchte, also alles auf einmal loswerden um sich zu erleichtern. Nur das Gehirn ist eben phantastisch und läßt nur so viel zu wie gerade geht.
Jetzt weiß ich natürlich nicht was du mit verbalen Gegenangriffen meinst, darunter kann ich mir nichts vorstellen. Ich habe dann in diesen Situationen nur gesagt wie es sich für mich anfühlt in diesem Moment, dann wurde nicht weiter gemacht, und das war auch gut so aus heutiger Sicht. Ich weiß auch was es an Geduld erfordert. Vielleicht wäre es erstmal interessant zu gucken warum du in die Angriffshaltung gehst? Kann ja auch traumatisch bedingt sein. Ich kann mir gut vorstellen, wenn das geklärt ist, es dann weiter geht.
Ich habe Angst, wieder - wie früher - alleine damit zu stehen, da ich schnell den inneren Kontakt zum Thera verliere. Das Gefühl des Alleinseins überwältigt mich in Kombination mit der Angst völlig.
Das halte ich für völlig normal, denn schließlich hängst du in diesem Moment ja in deinem Trauma drin und fühlst dich so als wäre das gerade real. Vielleicht ist es da ratsam das Trauma erstmal so anzugehen, dass du dahingend reichlich stabilisiert wirst, dass du den Bezug zur Realität herstellen kannst zwischendurch und dich nicht mehr allein und ausgeliefert fühlst. Das würde ich jetzt erstmal so ansprechen.
Darf ich mir so etwas wünschen?
Warum nicht, alles was dir hilft, kannst du ansprechen und ausprobieren!
Habt ihr die Möglichkeit gehabt, nach einer solchen Therapiestunde noch im Laufe der nächsten Tage Kontakt zum Thera zu haben? (Mein Problem ist auch, dass ich zeitverzögert reagiere; manchmal Stunden, manchmal sogar 2 - 3 Tage später.)
Ja, diese Möglichkeit habe ich immer. Dass das zeitverzögert auftritt, halte ich auch für völlig normal, weil ja doch etwas verarbeitet wird, das dauert dann schon etwas und wird einem dann etwas später bewußt.

Ich glaube, wenn ich es schaffen würde, den inneren Kontakt zum Thera zu halten, während ich erzähle, dann wäre das schon mehr als die "halbe Miete". Aber WIE UM ALLES IN DER WELT SCHAFFE ICH DAS?
Beiße dich bitte nicht so fest daran, dass du glaubst keinen Kontakt zum Therapeuten zu haben, den hast du!!! Du steckst nur lediglich dann im Trauma drin. Ich kenne das alles! Du versuchst mir das zu sehr auf eine Beziehungsebene zu schieben, aber da bist du gar nicht falsch so wie ich das lese!!!

Was gibt es noch? Ja, Entspannungsübungen, Tresorübung, Hypnose... ich weiß ja nicht was ihr euch da schon erarbeitet habt?

Liebe Grüße!
candle
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montagne
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Beitrag Fr., 21.02.2014, 17:04

Hi Chakoty
was du schreibst kenne ich ganz genauso sehr gut. Zur Zeit beim derzeitigen Thema komme ic leider erstmal auch nicht wirklich voran. es ist genu so wie du es beschreibst. ich möchte darüber sprechen, immer dringender, aber es geht nicht aus ähnlichen Gründne, wie du sie nennst.

Ich habe vor einiger Zeit jedoch ein anderes Trauma, dass sehr abgegrenzt war, in der Therapie bearbeiten können, nämlich mit der Bildschirm, bzw. Beobachtertechnik.
Therapeutin und ich saßen parallel und blickten an eine weiße Wand, okay ich blickte an die Wand und sie wahrscheinlich mich an. Man muss sich dann richtig ein Gerät vorstellen, auf dem die Szene abgespielt werden kann. Man kann die Lautstärke verändern, ran- oder rauszoomen, die Perspektive verändern (Ich-Perspektive oder Beobachter) und alles mögliche. Und dann erzählt man eben, was man sieht.
Eigentlich halte ich von "solchem Kram" nicht viel, abe rich gebs zu, mir hat es geholfen.
Ein Punkt ist, ich kann mich so auf mich konzentrieren. Ich sehe ja die Therapeutin dabei nicht. Man hat volle Kontrolle. Man gerät auch weniger in den Strudel des Beziehungsaspektes des Traumas. Dazu ist es halt da.
Auch gut ist, dass es wirklich funktioniert, dass man Kontrolle darüber ausüben kann. Mir hat das rauszoomen oder Schwarz/wei0 machen wirklich geholfen. Die Emotionen die hochkamen waren erstaunlich flach. Anfangs dachte ich, so kann es ja nicht integriert werden. Doch wird es aber. So wird es auch in der Literatur beschrieben. das ist der Vorteil der Methode. Eine Integration ist möglich ohne sich zu überschwemmen.
Direkt im Anschluss an eine solche Exposition haben meine Therapeutin und ich dann drüber geredet, so gut ich halt konnte.
Beruht auf Luise Reddemann, bzw. sie hat es in Deutschland bekannt gemacht.

Ein Spaziergang ist es dennoch nicht. Ich hatte in der Zeit übel verschlimmerte Symptome und mir ging es nicht gut. Glaube bei mir haben sich die Gefühle so gezeigt. da es um etwas ging, bei dem ich nur durch zufall eben nicht gestorben bin und wohl Todesangst hatte, bzw. in den Szenen dachte sterben zu müssen, hatte ich diese Gefühle zur Zeit der Bearbeitung so halt. Hatte wirklich Todesängste wegen an sich banaler körperlicher Beschwerden, mein Körper hat mir zusätzlich noch den ein oder anderen Streich gespielt. Insofern kamen die Gefühle doch massiv hoch. Ich kann es garnicht in Worte fassen, es war teils wirklich schlimm und hätte ich gewusst, dass es so wird hätte ich mir ggf. ein Bedarfsmedi besorgt, was ich halt nicht hatte und nie hatte. Das nur am Rande.

Kontakt danach zur Therapeutin war natürlich möglich, sofern sie in der Praxis war, klar. Reichte mir aber, da sie da natürlich häufig ist und meine Therapeutin auch gut zu erreichen ist. Habe das auch 2-3 Mal in Anspruch genommen. Das ist ja auch etwas, dass irgendwo heilt, eben zu sehen, man muss nicht allein klarkommen.

Ich wollte dir das schreiben, weil ich das so hilfreich fand und ich denke auch,w enn das Trauma raus will, will es raus. Es macht einen richtig fertig, kostet Kraft, dieses hin und her zwischen ich will, aber ich schaffe es nicht. Da sollte man einen weg drum rum finden. (Gibt zwar einige, die sagen, dann ist es noch nicht reif, aber an die Möglichkeit des wieder wegpackens glaube ich nicht so recht, aus eigener Erfahrung. Ab einem bestimmten Punkt geht es nicht mehr.)
amor fati

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Chakotay
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Beitrag Fr., 21.02.2014, 23:17

Liebe LovisTochter, Teekesselchen, marietta, candle., montagne und alle anderen Mitleser,

Zu allererst: Danke für eure Rückmeldungen, die mir zeigen, dass ich doch nicht so ganz vom anderen Stern bin! Ich zweifele sooo oft an meinen Wahrnehmungen, Gefühlen und Verhaltensweisen! In unserer Situation hat man ja auch keine Vergleichsmöglichkeiten - was ist in dem Rahmen "normal" und was nicht? -, da man ja nicht einfach mal den Nachbarn fragen kann: "He, sag mal, wie machst du das denn eigentlich so in der Situation?" und vor allem auch, da ja offensichtlich die Traumafolgen höchst individuell sind (ein Problem für die Krankenkassen, die Traumafolgestörungen ja auch nicht richtig in ihrem ICD10 erfassen können - beim 11er soll es wohl besser sein...).

Den Rat, über mein Problem mit dem Thera zu sprechen, habe ich schon ansatzweise befolgt. Aber Bedürftigkeit zu zeigen, und zwar eine solch große, heißt ja wieder, mich noch mehr verwundbar zu machen - und jeder Schritt in diese Richtung ist sooo schwer. Aber in der nächsten Stunde werde ich es tatsächlich versuchen zu verbalisieren, was ich in meinem Eröffnungsbeitrag geschrieben habe. Wie weit ich da komme, weiß ich allerdings nicht. Ich bin leider immer noch Meilen davon entfernt, meine innere Verletzbarkeit in der Therapiestunde nach außen zu tragen, obwohl ich weiß (kognitiv!), dass ich dort wunderbar begleitet und unterstützt werde und es auch zunehmend spüre (emotional!).

Die Idee, mit einem Gegenstand - Wollfaden - den fühlbaren Kontakt zu halten, fand ich klasse! Ich habe diese Situation dann hoffnungsvoll mal für mich in der Vorstellung durchgespielt und - schon wieder schließt sich eine Tür vor meiner Nase. Denn: Ich bin sehr, sehr schreckhaft und der Wollfaden entwickelt dann ja quasi ein "Eigenleben", wenn der Thera daran zieht und schon kriege ich Panik. Boah - es ist echt zum... Ob der Körperkontakt mir in diesem Moment auch zu viel wäre, kriege ich in meiner Vorstellung nicht so richtig heraus. Hand auf Schulter legen, wäre mir viel zu nah. Ich glaube, ICH müsste den Kontakt mit meiner Hand herstellen können, wenn ich es in dem Moment WOLLTE und nicht, dass der Thera die Initiative ergreift. Mmh, ich bin mir nicht sicher...

Für heftigere Themen vorübergehend zwei Stunden pro Woche abzumachen, kann ich mir sehr gut vorstellen. Es müsste nur fest abgesprochen sein und nicht "Wenn es Ihnen nicht gut geht, dann melden Sie sich und wir machen einen Notfalltermin aus." - denn das würde ich mit Sicherheit nicht tun...

Meine Abwehrreaktionen sind übrigens immer sehr plötzlich und unfair. Z.B. kann ich dann aus heiterem Himmel verletzende Dinge äußern. Ich habe meinem armen Thera wirklich mal folgendes um die Ohren gehauen: "Bei Ihnen wird man ja depressiv!" Und kurze Zeit später bin ich nur noch schamerfüllt und es tut mir sehr, sehr Leid... Wenn ich an die Grenze gelangt bin, kann ich dies nicht mehr adäquat verbalisieren, sondern ich gehe nur noch in eine Art "Verteidungsmodus". UND DAS WILL ICH ABER NICHT! Es ist auf jeden Fall traumatisch bedingt, dass ich so reagiere, das ist klar. Aber dieses Wissen nützt mir nichts, um die Blockade aufzuheben. Leider.
An Stabilisierungsmöglichkeiten haben wir schon einiges erarbeitet, aber ich dissoziiere trotzdem noch. In der Stunde aber nur leicht und kurz, denn die Verbindung zum Thera ist prinzipiell schon da, da hast du Recht, candle. Aber wenn ich diese komische magische Schwelle erreiche, ist NICHTS mehr da!


Danke, montagne, für deine sehr persönliche Beschreibung. Die Bildschirmtechnik hatte ich damals in der Klinik versucht, bin aber nicht gut damit klargekommen. Aber vielleicht war die Zeit auch noch nicht reif dafür.
Ich bin übrigens auch ein Mensch, der nicht gut "Wegpacken" kann. Ich weiß nicht so recht, ob ich da leicht "maso" veranlagt bin, aber mich drängt es, mir die traumatischen Situationen genau anzuschauen. Jede. Genau hinzuschauen. Vielleicht ist es aber auch mein ausgeprägtes Kontrollverhalten, das auch über diese Dinge Kontrolle erlangen will, über die es aber keine Kontrolle hat?????!!!??

Oh Mann,
manchmal weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll, um ein Thema (hier: Annäherung an meine traumat. Bilder) zu bearbeiten - ein Riesenhaufen voller verknäuelter Spaghetti ist bei mir dort, wo andere ein funktionierendes Gehirn haben...

Ich werde, ermutigt durch eure Beiträge, in der nächsten Therapiestunde versuchen, all das auszusprechen und konkret nach Lösungsvorschlägen, besser: Unterstützungsvorschlägen, fragen.

Danke euch allen.
Liebe Grüße,
Chakotay
Wenn ich mich niederwerfen würde,weinen u.erzählen,was wüßtest Du v. mir mehr als v. der Hölle,wenn jmd erzählt,sie ist fürchterlich.Darum sollten wir voreinander so ehrfürchtig,nachdenklich,liebend stehn wie vor dem Eingang zur Hölle.(Kafka,gekürzt)


montagne
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Beitrag Fr., 21.02.2014, 23:34

Es mag von mal zu mal unterschiedlich sein. Damals half es mir, obwohl ich auch erst dachte...na ja...
Für das jetztige kann ich es mir auch nicht vorstellen. Noch zumindest nicht, aber wer weiß. Wollt nur sagen, sowas ändert sich auch. Ich denke es ist für bestimmte Arten besser geeignet als für andere.
In jedem Fall aber drüber reden. Es ist vllt. Ein Suchprozess. Ich glaube aber man muss eben auch suchen.
Ob es masochistisch ist hinsehen zu wollen, kann auch sein, nicht ausgeschlossen. Alles genau anschauen zu wollen kenne ich nicht, aber Kontrolle, ja doch. Kontrolle und irgendwie meinen Frieden.
Ich denke, wenn etwasreif ist, ist es reif. Was nicht heiß, es sprudelt nur so raus. Es ist trotzdem schwer.
amor fati

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candle.
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Beitrag Sa., 22.02.2014, 17:16

Hallo Chakotay!
Chakotay hat geschrieben: In unserer Situation hat man ja auch keine Vergleichsmöglichkeiten - was ist in dem Rahmen "normal" und was nicht? -, da man ja nicht einfach mal den Nachbarn fragen kann: "He, sag mal, wie machst du das denn eigentlich so in der Situation?" und vor allem auch, da ja offensichtlich die Traumafolgen höchst individuell sind (ein Problem für die Krankenkassen, die Traumafolgestörungen ja auch nicht richtig in ihrem ICD10 erfassen können - beim 11er soll es wohl besser sein...).
Also in "unserer" Situation oder ich sage mal in meiner speziell, war es ja auch ein wüstes Durcheinander. Ich konnte nur immer mal zwischendurch auf mein eigenes Leben schauen, das für mich ja lange Zeit normal war, so dass ich dann ein Ziel hatte wo ich hin wollte oder zurück quasi. Ich weiß nicht, ob du dich mal anders erlebt hast?
Rückblickend glaube ich nicht, dass Traumafolgestörungen so individuell sind, denn wenn ich einschlägige Literatur lese, finde ich mich so ziemlich überall exakt wieder, nicht überall und überall unterschiedlich ausgeprägt oder gar nicht vorhanden, aber diese Abläufe scheinen mir allgemein sehr identisch zu sein, und wie man mir gerne sagte, dass es sich um eine gesunde Reaktion auf die Ereignisse handelt. Und Therapeuten werden das ja kennen müssen in der Theorie.
Aber Bedürftigkeit zu zeigen, und zwar eine solch große, heißt ja wieder, mich noch mehr verwundbar zu machen - und jeder Schritt in diese Richtung ist sooo schwer.
Zu Beginn war ich da ja auch unberührbar, allerdings habe ich mich um eine verwundbar Machung nicht gesorgt. Vielleicht kannst du den Satz für dich nochmal umschreiben? So z. B., dass ein Zeigen der Bedürftigkeit eine Gesundmachung wird? In einer Traumatherapie wirst du ja nicht einfach im Regen stehengelassen- jedenfalls meine Erfahrung.
Hand auf Schulter legen, wäre mir viel zu nah. Ich glaube, ICH müsste den Kontakt mit meiner Hand herstellen können, wenn ich es in dem Moment WOLLTE und nicht, dass der Thera die Initiative ergreift. Mmh, ich bin mir nicht sicher...
Was hast du denn für Ideen, die dir da weiterhelfen könnten? Mich durfte damals auch kein Mensch anfassen, selbst beim Gutachter wurde das nicht getan und Untersuchungen weggelassen. Es kann ja auch andere Maßnahmen geben, die emotional besser zu dir passen als Körperberührungen. Ich würde daran jetzt eh keinen Gedanken daran verschwenden, wenn es nicht geht. Es geht dann nicht!
Meine Abwehrreaktionen sind übrigens immer sehr plötzlich und unfair. Z.B. kann ich dann aus heiterem Himmel verletzende Dinge äußern.
Und wenn du das etwas übst deine Impulse anders zu steuern? Habt ihr das mal thematisiert?
An Stabilisierungsmöglichkeiten haben wir schon einiges erarbeitet, aber ich dissoziiere trotzdem noch.
Ja, das geht auch nicht so schnell, und nicht alles geht ganz weg, da muß man dann einen Umgang damit erlernen. Wendest du das denn auch Zuhause an? Das ist wichtig, damit du besser zurecht kommst.
In der Stunde aber nur leicht und kurz, denn die Verbindung zum Thera ist prinzipiell schon da, da hast du Recht, candle. Aber wenn ich diese komische magische Schwelle erreiche, ist NICHTS mehr da!
Wie gesagt: Ich halte es für normal. Es ging mir auch so, wenn es sich auch anders geäußert hatte. Ich habe das dann gesagt wie es ist, dann haben wir anders weitergemacht. Ich hatte hier jetzt mehrfach bei dir den Eindruck, dass du die therapeutische Beziehung damit in Frage stellst. Wie das bei dir jetzt zusammenhängt, weiß ich auch nicht, aber ich sehe dein Verhalten schon als relativ normal an. Vielleicht denkst du auch zu viel und zerdenkst alles, statt etwas loszulassen. Was steckt denn dahinter? Hast du Angst vor bestimmten Reaktionen?
Ich weiß nicht so recht, ob ich da leicht "maso" veranlagt bin, aber mich drängt es, mir die traumatischen Situationen genau anzuschauen.
Kenne ich auch! Allerdings war dann bei mir irgendwann eine Grenze erreicht, dass es mir damit so schlecht ging, dass ich es von selber gelassen habe. Das ist dann aber auch eine Übungssache sich sowas nicht mehr anzuschauen, weder in den Medien, noch sich selbst dabei zu beleuchten. Erst dann wirst du langfristig Ruhe finden, wenn du in der Lage bist diese Traumata auch wegzusperren. Und erst dann können diese auch erst bearbeitet werden!
Vielleicht ist es aber auch mein ausgeprägtes Kontrollverhalten, das auch über diese Dinge Kontrolle erlangen will, über die es aber keine Kontrolle hat?????!!!??
"Man" weiß es nicht, spielt aber auch so gar keine Rolle. Besser ist es dann wirklich ganz stoisch die Übungen durchzuziehen bis man von dieser Situation wirklich distanziert genug ist.

Leider ist das alles kein Spaziergang.

Liebe Grüße
candle
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HansPeterHeinz1
sporadischer Gast
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Beiträge: 12

Beitrag So., 21.01.2024, 10:38

ich möchte mich aucvh da anhängen ich habe das auch und eine Ambivalenz zu meiner Freundin an die ich emotional gebudnen bin irgendwie und nicht weg kam die Jahre und ja das ganze ist gepaart von Panikattacken


Anm.Mod.: Auch hier: Bitte auf das Thema achten. Hier geht es um Traumabilder. Nicht jeder Thread mit dem Stichwort "Ambivalenz" passt auf deine Thematik. Pauline


ziegenkind
[nicht mehr wegzudenken]
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weiblich/female, 51
Beiträge: 3514

Beitrag So., 21.01.2024, 11:54

Chakotay, ich habe in einer ähnlichen Phase tatsächlich sehr, sehr lange über die Ambivalenz gesprochen, darüber, wie sehr mich mein Wunsch beschämt, mich gehalten zu fühlen, über den Drang, mir das alles mit Gemeinheit vom Hals zu halten ... das ging bestimmt drei oder vier Monate drei Mal die Woche (Analyse). Und danach ging es. War immer noch schlimm. Aber ich hab die Scham hinter mir gelassen und tatsächlich hin und wieder die Verbindung gespürt.

Den Wollfaden finde ich auch klasse!!
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Chakotay
Forums-Insider
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weiblich/female, 54
Beiträge: 243

Beitrag So., 21.01.2024, 13:44

Liebes Ziegenkind,
danke für deine Gedanken zum Thema 💜. Ich war längere Zeit nicht mehr hier im Forum, bekam nur heute eine Nachricht, dass es in meinem Thread hier einen neuen Beitrag gibt (von HansPeterHeinz).
Es ist viel Zeit verstrichen.
Um es vorweg zu nehmen: meine oben beschriebenen Ambivalenzen bin ich nicht losgeworden.
Aber es gab und gibt Annäherungen.
Im „real life“ bin ich ein Mensch, der sehr geradeaus agiert. Sehe ich ein Problem, suche ich nach einem Pack-an und arbeite so straight an der Lösung des Problems. Bei Traumbildern scheint es das für mich nicht zu geben. Ich muss sie offenbar einkreisen, den Kreis enger und dann wieder weiter ziehen, einen Finger danach ausstrecken und ihn manchmal zirückziehen und manchmal mit einem Handschuh tiefer hineinbohren.
Was mir persönlich aber dabei enorm wichtig ist: ich habe gelernt, damit weitgehend Frieden zu schließen und der Therapie, ähnlich wie ein Spiralcurriculum, die Zeit zu geben, die ich brauche.
Dir herzliche Grüße! 👋
Wenn ich mich niederwerfen würde,weinen u.erzählen,was wüßtest Du v. mir mehr als v. der Hölle,wenn jmd erzählt,sie ist fürchterlich.Darum sollten wir voreinander so ehrfürchtig,nachdenklich,liebend stehn wie vor dem Eingang zur Hölle.(Kafka,gekürzt)

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