Das Parfum der Therapeutin

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Alicorn
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Das Parfum der Therapeutin

Beitrag Do., 27.01.2022, 10:49

Guten Morgen
mir ist das ziemlich peinlich. Meine Therapeutin hat mir vor kurzem erzählt welches Parfum sie trägt. Das hatte sich ergeben, als ich meinte, dass sie gut riecht. Warum auch immer, ich habe es mir gekauft. Nicht weil ich es benutzen möchte, denn obwohl ich es gut finde, ist es keines was zu mir passt. Nun sitze ich hier und fühle mich total peinlich. Ein Teil in mir möchte es wegschmeißen, doch ein anderer Teil schnuppert dran und will es behalten. Das ist doch bescheuert. Zumal die Therapeutin und ich zwischendurch so unsere Probleme miteinander hatten. Der Kontakt zwischen uns ist recht eng und sie gibt recht viel von sich preis. Was mir manchmal die Luft nimmt, so das ich öfter schon ans aufhören gedacht habe. Und jetzt gebe ich Geld aus für ein Parfum, was ich nie tragen werde, nur weil es nach ihr riecht. Das ist doch verrückt?! Habt ihr sowas auch schonmal erlebt? Das fühlt sich so widersprüchlich und ungut an. Ich möchte mehr Raum zwischen ihr und mir und gehe dann hin und hole mir ihr Parfum ins Haus.
Über Denkanstöße würde ich mich sehr freuen...

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Griselda
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Beitrag Do., 27.01.2022, 12:52

Gerüche sind sehr wichtig und werden auch von Sterbenden noch intensiv wahrgenommen.
Meine Therapeutin hatte auch ein sehr intensives Parfüm. Ich vermute ein sehr teures.
Neulich, als mir eine Klamottenbestellung geliefert wurde, war das Parfüm zu riechen. Offenbar war das Tuch eine Retoure und die Bestellerin vor mir hatte denselben Duft. Ich fühlte mich sofort in die Zeit der Therapie zurückversetzt. Auf seltsame Art sicher und geborgen.

Ich finde es gar nicht verkehrt oder komisch, dass du dir das Parfüm geholt hast. Ehrlich, ich wüsste auch gern welches Parfüm meine Therapeutin trug. Es spielt sich viel in diesen Räumen ab, und solche Eindrücke helfen Gefühle wieder hervorzuholen. Ich sehe es als Äquivalent zu einem Teddybären aus der Kindheit, Schmuckstücken aus der Jugendzeit, Bücher oder auch Kleidungsstücken die man aufbewahrt. Dinge, die einen im Leben begleitet haben.

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münchnerkindl
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Beitrag Do., 27.01.2022, 13:42

Du könntest es ja behalten und am Ende der Therapie ihr als Abschiedsgeschenk schenken.

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Gespensterkind
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Beitrag Do., 27.01.2022, 13:46

Klingt für mich nach "Übergangsobjekt" und finde ich gar nicht peinlich. Ein sehr schönes Übergangsobjekt sogar. Weil Du Deine Therapeutin damit sogar "riechen" kannst. Übergangsobjekt hat was mit Objektkonstanz zu tun und damit, dass das Kind durch einen Teddybären o.ä. die abwesende Mutter ersetzt (ganz grob erklärt - andere hier im Forum können das bestimmt besser erklären als ich) - aber kommt ganz oft vor auch bei Erwachsenen und auch in der Psychotherapie.
Was ist Dir peinlich an dem Parfum? Weil Du Geld ausgibst für etwas, was Du selbst nicht nutzt? Aber Du nutzt es ja! Nur nicht als Parfum, sondern als etwas, was Dich der Therapeutin in manchen Momenten ein Stück weit näher bringt - nur dann, wenn Du das auch meinst zu brauchen.

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Thread-EröffnerIn
Alicorn
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Beitrag Do., 27.01.2022, 14:48

Vielen Dank für eure Rückmeldungen.
Ja, ich kann meine Therapeutin gut riechen. Und wenn ich das Parfum öffne, dann ist dieser Duft angenehm vertraut. Es erinnert mich vor allem an die gute gemeinsame Zeit.
Trotzdem habe ich es versteckt, denn mir wäre es peinlich, wenn mein Freund es finden würde. Auch ist mir das Bedürfnis sehr unangenehm, als hätte ich etwas verbotenes gemacht.
Und eigentlich ist mir die Nähe zu ihr oft viel zu viel, darum finde ich es erst recht strenge, das ich es mir gekauft habe und auf diese Weise ihr doch wieder nahe sein will.

Schenken würde ich es ihr nicht. Ich würde vor Scham in Boden versinken. Was würde sie nicht denken, wenn sie wüsste, dass ich ihr Parfum gekauft habe.

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Shukria
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Beitrag Do., 27.01.2022, 15:35

Es ist ja auch ein Stück Selbstermächtugung, ich spinn jetzt mal ein bissel aber wenn du schreibst das es dir oft zu eng und zu nah mit der Therapeutin ist... Bei dem Parfüm hast du es ja vollständig in der Hand wann du es nimmst, dran riecht, es wegstellst. Wie weit weg von dir.

Vielleicht gelingt dir eben mit dem Parfüm das die Nähe und Distanz zu deiner Therapeutin zu regulieren so wie du es grad brauchst, was dir im direkten Kontakt mit ihr noch nicht gelingt. Und es ist ungefährlich :) also es bleibt dir erhalten egal wie oft du es in die hintersten Ecke vom Schrank verbannt

Vielleicht gelingt dir das dann ja auch in der Therapie, Nähe und Distanz besser zu regulieren, auch mal auszusprechen, das ist mir grad zu nah/zu viel....

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Alicorn
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Beitrag Do., 27.01.2022, 16:37

So habe ich das noch nicht betrachtet. Nähe und Distanz in der Therapie ist für mich ein großes Problem.
Ja, mit dem Parfüm habe ich es in der Hand. In der Therapie gelingt es mir nicht. Da bin ich auch in meinen Gefühlen unklar "Komme mir nahe, aber bleibe bloß auf Abstand".
Das ist auch im normalen Leben so. Irgendwie fühlen sich die Menschen bei mir sehr schnell dazu eingeladen sich zu öffnen. Woran ich selber Schuld bin, weil ich ja diese Tür öffne. Das ist mir in der Therapie auch passiert. Nur bekomme ich die nicht geschlossen.
Mit dem Parfum habe ich das öffnen und schließen selbst in der Hand und kann es kontrollieren.

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Joa
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Beitrag Do., 27.01.2022, 18:26

Das hab ich auch mal gemacht, Alicorn. Ich hab den Duft noch hier. Hab das nie als was Negatives empfunden. Bei uns war es auch teilweise schwierig. Aber der Duft erinnert mich an das Positive. Das, was war. Und an das, was ich gerne gehabt hätte. Es weckt eine Sehnsucht nach Geborgenheit, und auch wenn das weh tut, so wird diese Geborgenheit doch wenigstens in dem Moment dadurch ein kleines bisschen fühlbar.

Kurz gesagt, an sich finde ich sowas nicht schlimm, gar nicht. Was es bei jedem Einzelnen auslöst und damit verknüpft ist, ist natürlich individuell.

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Lilien
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Beitrag Do., 27.01.2022, 18:47

Ich habe zu Anfang meiner Therapie (mittlerweile beendet) ein ganz bestimmtes Parfum getragen. Ich benutze es seitdem kaum noch, weil es mich irgendwie immer an den "Verlust" meiner Therapie erinnert. Bei mir ist es also ein wenig umgekehrt :-D

Ich denke auch, dass das eine absolut legitime Möglichkeit ist, eine Art "Verbindung" zu seiner/seinem Therapeuten/in zu spüren und ihm/ihr nahe zu sein, ohne es tatsächlich physisch "ausleben" oder es vor ihm/ihr rechtfertigen zu müssen.

Bei einem schönen Duft an eine bestimmte Person zu denken, das ist doch eigentlich eine sehr angenehme Erfahrung. Also ich könnte mir sogar vorstellen, dass es Deiner Therapeutin ein wenig schmeicheln würde... ;)

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