Angst nach der Stunde/Therapiepause

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lisbeth
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Beitrag Do., 03.12.2020, 23:14

Saly hat geschrieben: Do., 03.12.2020, 22:55 Ich versuche jedes Gefühl und jedes Verhalten einzusortieren und zu verstehen. Aber mir einzugestehen, dass es nicht das richtige ist, hat schon wieder was von Versagen. Ich hab da einfach kein Gefühl dafür, ob mir das helfen könnte. Ich habe generell kein Gefühl für mich selbst. Wann was zu viel ist, was mir gut tut. Bei solchen Fragen ist mein Kopf immer völlig leer. Und das Gefühl auch. Daher weiß ich nicht, ob es vielleicht das falsche Verfahren ist.
Genau das meinte ich, dass diese doch sehr strukturierte Vorgehensweise (und dein Impuls, immer alles "richtig" machen zu wollen) dir nicht unbedingt dabei hilft, ein Gefühl für DICH zu entwickeln, mal auszuprobieren und testen, zu erfahren, wie sich "gut" und "nicht gut" für dich anfühlen. Und zwar wirklich ganz unmittelbar im Körper und nicht über den Kopf und den Verstand (oder die Schemata). Denn eigentlich geht es doch darum, einen eigenen Kompass dafür zu entwickeln, was für dich passt oder nicht passt.

Ich finde, du widersprichst dir auch ein wenig, wenn du von "Vertrauen" zur Therapeutin sprichst. Denn an anderer Stelle sagst du ja auch, dass du tierische Angst hast vor ihren Reaktionen. Angst davor, etwas "falsch" zu machen. Du findest es schwierig, über Deine Themen zu reden.
Das ist sicher alles auch in deiner Problematik begründet. Aber ich frag mich auch, ob das wirklich Vertrauen ist. Oder einfach das "Vertraute" (im Sinne von Altbekannte), das du aus deinem Elternhaus kennst, und das sich daher weniger bedrohlich anfühlen mag, als etwas Neues, Anderes, Unbekanntes? Ist jetzt nur so ein Gedanke, den du auch getrost liegen lassen kannst, wenn er nicht passt.

Meinst du, du kannst dieses Thema "ist das hier das Passende für mich?" trotz aller (verständlichen) Angst mal ansprechen bei der Therapeutin, und zwar im Sinne von "wie merke ich überhaupt, was für mich das Passende ist?" Und dann mal mit ihrer Unterstützung zu überlegen, wie du sowas merken/erkennen könntest. Das könnte ja vielleicht auch mal eine andere Tür öffnen, damit ihr aus eurem vertrauten (!) Muster herauskommt...
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Saly
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Beitrag Do., 03.12.2020, 23:27

Hm vielleicht ist es kein echtes Vertrauen, kann sein. Vielleicht ist Vertrauen bei mir aber auch einfach als etwas negatives, bedrohliches geprägt. Natürlich musste ich meinen Eltern vertrauen,das war überlebenswichtig.Aber das Vertrauen wurde eben missbraucht. Vielleicht kenne ich Vertrauen auch einfach nicht anders.

Meine Theorie (da ist wieder das Verkopfte ;)) war eher, dass ich gerade in so einer „Zwischenphase“ bin. Es gibt Momenten da vertraue ich der Therapeutin voll und ganz und mein Erwachsener Anteil weiß auch, dass sie mir nie einen Anlass gegeben hat ihr nicht zu vertrauen. Und dass sie nicht meine Mutter ist. Sie tut echt viel für mich und hat nie mit einem Wort erwähnt, dass es zu viel ist. Aber da kommt dann immer wieder die Kleine hervor, die eben super misstrauisch ist. Und gerade schwankt das hin und her wie auf einem Schiff.

Ja, das wird sicher ein Thema sein und war es auch schon. Wie oft ich ihr schon gesagt und geschrieben habe, dass ich kein Gefühl für gut und schlecht habe . Sie hat mir da auch schon echt geholfen. Allerdings ging es da um für mich „harmlosere“ Sachen als eine Therapiepause oder gar -wechsel. Sie hat mir relativ früh klar gemacht, dass etwas dann nicht gut ist, wenn es mich belastet oder dazu führt, dass es mir schlechter geht. Das war mir bis vor einiger Zeit gar nicht klar. In meinem Kopf hatte ich dann halt was falsch gemacht oder gefühlt.
Kann man sich echt nicht ausdenken...

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Saly
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Beitrag Fr., 11.12.2020, 09:48

So, ich wollte kurz berichten. Sie hat die Stunde am Mittwoch kurzfristig absagen müssen wegen einem Corona Zwischenfall. Das hat natürlich pure Verzweiflung und Wut in mir ausgelöst. Obwohl es nicht ihre Schuld war. Ich hab mir ausgemalt, das sie bestimmt keine Termine jetzt vor Weihnachten mehr für mich hat und dann erst im Januar. Und dass ich ihr bestimmt furchtbar egal bin. Da wollte ich doch wieder ne Pause machen und hab mir ausgemalt ich sag ihr dann, dass ich so große Abstände nicht aushalte und dann lieber aufhöre.

Ok, es kam anders. Wir hatten gestern einen Videotermin und nächste Woche wieder einen Termin vor Ort :roll: evtl vor Weihnachten dann sogar noch einen Termin. Klar die Stunden sind schneller aufgebraucht, aber ehrlich gesagt verlasse ich mich mal darauf, das sie sich für hinterher was überlegt. Ich MUSS mich auf die Themen konzentrieren und nicht auf so Termin-Geschichten.
Ich hab auch klar gesagt, dass ich regelmäßigere Stunden will. Und sie will, dass es mir nach der Stunde nicht mehr schlecht geht. Das ist ihr oberstes Ziel.

Ich hatte Ihr geschrieben, dass ich nach unserem
Umzug im nächsten Sommer vermutlich keine Therapie mehr machen werde. Ich kann nicht wieder von vorne bei jemandem Fremden anfangen. Und ewig brauchen, um Vertrauen zu fassen. Das fand sie sehr schade.
Aber wir haben zwei Themen aufgetan, die jetzt noch zu besprechen sind. Und das eine ist eben, das Problem mit dem reden und vertrauen in der Therapie zu verbessern. Damit ich am neuen Wohnort weiter machen kann.

Wir sind auch dahinter gekommen, woran das liegt, dass ich nicht reden kann. Also welches Muster dahinter steckt und warum es mir nach den Stunden schlecht geht.

Wir haben dann noch über die Nachbeelterung gesprochen. Das ist ein Thema dass ich in der nächsten Stunde nochmal ansprechen will. Weil ich es echt nicht verstehe. Sie fragte mich, ob ich ihr glauben kann, dass das funktioniert. Klar, hab ich gesagt, ich glaub ihr alles :lol: Aber ich versteh es nicht. Sie weiß, dass ich zB. Angst vor einer „blöden“ Reaktion von ihr habe. Also setzt sie alles daran, das nicht zu tun. Verständnis zu haben. Sie reagiert nie empört und zurückweisend wenn ich etwas offenbare (außer es geht um meine Mutter ;)). Aber mir ist ja bewusst, dass sie das absichtlich macht. Das ist doch künstlich. Wie ein Kind, dass man für alles lobt, auch wenn’s nicht gut ist.
Und selbst wenn ich durch sie jetzt ne positive(re) Beziehungserfahrung mache, die Menschen da draußen sind ja so nicht. Klar sie ermöglicht mir echt alles, damit ich mich traue offen zu reden. Wenn ich das jetzt so aber bei einem anderen „normalen“ ;) Menschen mache, dann wird der ja vielleicht wieder „schlechter“ reagieren und meine positive Beziehungserfahrung ist dahin.

Versteht ihr was ich meine?

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Montana
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Beitrag Fr., 11.12.2020, 12:34

Ja, aber es geht um Grundsätzliches. Natürlich laufen draußen haufenweise Menschen rum, die sich dir gegenüber doof verhalten werden, auch in Zukunft. Aber das liegt dann in den wenigsten Fällen an dir. Manche Leute sind so, aber die sind dann entweder zu allen so oder zu allen, die sich das gefallen lassen. Was sich also ändern kann ist, dass du nicht gleich bei dir einen Fehler vermutest und dass du dir nicht alles gefallen lässt. Also einfach, dass du weißt: es gibt nette Leute und es gibt andere, aber mit den anderen wirst du auch fertig. Das wirst du nämlich, wenn du vor einer möglichen Konfrontation weniger Angst hast. Ich habe auch schon gestaunt, wie viel ein deutliches Wort an der passenden Stelle bewirken kann. Plötzlich ist da ein Kreislauf aus Angst und Schmerz und Rückzug gar nicht mehr existent, nach über 25 Jahren Stress mit der Stiefmutter. Weil ich ENDLICH Kontra gegeben habe.

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Saly
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Beitrag Fr., 11.12.2020, 14:04

Montana, das klingt alles unglaublich logisch und nach einem sehr guten Ziel. Allerdings verstehe ich nicht, wie das durch die Nachbeelterung entstehen soll. Ja langfristig ist das Ziel, dass dieser Satz „du bist nicht okay“ verschwindet oder minimiert wird. Dass ich nicht alles auf mich beziehe und solche negativen Beziehungserfahrungen mich nicht mehr belasten. Aber wie soll es da helfen, dass die Therapeutin mir einen super netten Menschen vorspielt, der nie „schlecht“ zu mir ist und mir das gleichzeitig voll und ganz bewusst ist, dass es eben nicht echt ist?!

Ich hab da echt ein Verständnisproblem. Gehts um das Gefühl? Das Gefühl so angenommen zu werden und keine schlechten Reaktionen zu bekommen? Kann das denn aufkommen in so einer Situation?!

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Saly
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Beitrag Fr., 11.12.2020, 14:08

Das ist ein bisschen so, als würde man ein Kind immer loben. Egal ob es was Gut oder schlecht gemacht hat. Und selbst bei was schlechtem sagen würde „gut gemacht“. Was soll das bringen?!

Ok das Beispiel passt vielleicht nicht ganz, aber ein besseres fällt mir gerade nicht ein :D


hey_jude
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Beitrag Fr., 11.12.2020, 14:52

Denke nicht das eine Therapeutin immer nur positiv sein sollte. Das wäre in der Tat unrealistisch, künstlich, unglaubwürdig. Geht schon, glaube ich, um echten emotionalen Kontakt. Es lässt sich doch nicht vermeiden, das Menschen Gefühle in Menschen auslösen oder ? Auch nicht wenn man Therapeut ist...die haben (hoffe ich jedenfalls) eine bestimmte Perspektive auf den Menschen oder das Menschsein...und diese Perspektive kann man lernen oder sich abgucken (für sich passend machen) oder sich dadurch weiterbilden/entwickeln. Da würde/müsste dann sozusagen eine Transformation des Selbst-und Weltbildes passieren oder in Gang gesetzte werden.Klingt jetzt auch mega-theoretisch. Das passiert auf jeden Fall nicht an der Oberfläche. So genau weiss ich auch nicht WIE das funktionieren soll. Vielleicht sollte man sich das aber auch nicht zu sehr fragen, sondern "einfach" mitmachen, Themen finden ...und fühlen was so in einem passiert und das als Ausgangspunkt für die nächsten Handlungen oder Reaktionen nehmen. Zum Besipiel auch, wenn man nicht mitmachen will oder kann, an der ein oder anderen Stelle, man ist der Situation nicht ausgeliefert, in Wahrheit. Das muss man auch fühlen können, seine eigenen Grenzen und Möglichkeiten der MitGestaltung. Ich glaube, damit hat man dann auch schon Herausforderung genug. Je nachdem weswegen man in Therapie ist

Die Therapeutin zu der ich gehe, sagt immer so Dinge wie "das finden wir raus; da gucken wir dann..." und ich habe dann auch oft diesen Impuls sie zu fragen (etwas ungeduldig) "ABER WIE....???" ich spare es mir darauf rumzureiten, weil man das eben noch nicht weiß, das ist es ja....das muss sich entwickeln, denke ich mittlerweile und das geht nur mit Gefühl und das man auf sein Gefühl hört und das mit in die Therapie bringt...(positiv, wie negativ)

Die Therapeutin muss nicht mit allem einverstanden sein und alles gutheißen (das wäre künstlich), aber sie sollte die Fähigkeit haben einen dafür nicht zu verurteilen oder abzulehnen, sondern einen so zu nehmen, wie man eben ist und fühlt und sich mit einem zusammen darüber auseinandersetzten und hinzugucken, so dass man selbst besser klar kommt. das finde ich dann schon realistisch.
Ist jetzt eine Vorstellung, die ich habe...hm
Zuletzt geändert von hey_jude am Fr., 11.12.2020, 15:38, insgesamt 3-mal geändert.


hey_jude
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Beitrag Fr., 11.12.2020, 15:21

Saly hat geschrieben: Fr., 11.12.2020, 14:04 Aber wie soll es da helfen, dass die Therapeutin mir einen super netten Menschen vorspielt, der nie „schlecht“ zu mir ist und mir das gleichzeitig voll und ganz bewusst ist, dass es eben nicht echt ist?!
Das ist ein gute Beispiel für dein Weltbild und auch für dein Selbstbild. Finde ich. Alle Menschen sind also eigentlich immer mal schlecht zu anderen Menschen, da muss man immer mit rechnen ? Was ist "schlecht", wo fängt das an? Warum sollte man schlecht zu dir sein wollen ? Supernett ist immer nur vorgespielt, gibt es in echt nicht? Neben schwarz und weiß (supernett und schlechte), gibts auch Grautöne? ............
Will dir nicht zu nahe treten oder dir etwas unterstellen. Dann ignorieren oder so.

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Saly
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Beitrag Fr., 11.12.2020, 19:23

@heyjude:
Also sie ist nicht immer nur positiv. Ich meinte damit, dass sie einfach immer so reagiert, dass es für mich ok ist. Also selbst wenn sie anderer Meinung ist oder was kritisiert. Sie gibt mir da einfach ein gutes Gefühl.

Das mit dem Abgucken ist sicher ne gute Methode, allerdings ist das aber auch so ein Muster von mir und ich bin mir nicht sicher, ob gerade Das bei mir so sinnvoll ist. Aber ich verstehe was du meinst.

Klar, vermutlich zerdenke ich das alles zu sehr. aber ich habe das Gefühl, dass ich das immer im Hinterkopf haben werde, diese „das ist nicht echt“.
Und dann bin ich mir nicht sicher ob ich mich darauf einlassen kann.

Ich hab nicht das Gefühl, dass das bei mir alles schwarz weiß (gut/böse) ist. Nur in der Therapie arbeiten wir eben an den Extremen, weil die eben oft Probleme machen. Beziehungen mit denen man klar kommt, sind ja nicht Thema in der Therapie. Aber es gibt sie durchaus ;)


hey_jude
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Beitrag Fr., 11.12.2020, 21:03

Eigentlich gehts ja vor allem um dich und das was du von dir denkst, zu dir fühlst und wie du (in Gedanken) mit dir umgehst, ob echt oder unecht von der Therapeutin (wie auch immer man das definiert). Und ein gutes Gefühl bekommen ist doch gut oder...irgendwie kannst dus nicht annehmen, weil es dir unecht vorkommt...

Nachbeelterung, glaube da gehts dann darum, dass die unerfüllten Gefühle von damals versorgt werden durch eine andere Person und man dadurch lernt sich das selbst zu geben. Lernt in der Art mit seinen Gefühlen umzugehen oder bspw sich selbst gute Gefühle geben kann, hm...-

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Montana
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Beitrag Fr., 11.12.2020, 21:37

Vielleicht ist es auch nicht ganz klar, was das eigentlich ist, was Eltern im Idealfall tun und was in Therapie nachgeholt werden muss, wenn es die Eltern nicht konnten. Es geht nicht darum, gute Gefühle zu erzeugen. Auch nicht darum, sich selbst etwas zu geben (wie sollte das möglich sein?) Menschen sind von Natur aus soziale Wesen. Wir brauchen einander zwingend. Was gute Eltern tun ist, Kindern erklären, was das für Gefühle sind, die sie erleben, und warum. Und auch, wie man mit ihnen umgeht. Ebenso, wie man Gefühle anderer Menschen erkennt, deren Bedeutung für einen selbst, und wie man sich angemessen verhält. Und so, wie man Kindern das nicht auf theoretischer Ebene vermitteln kann, so kann man das auch nicht bei Erwachsenen. Das geht nicht über Bücher oder Vorträge, sondern rein dadurch, dass sich der Therapeut als Beziehungspartner zur Verfügung stellt. Dabei verhält er sich aber nicht so, wie er das einem gesunden Erwachsenen gegenüber tun würde, sondern so, wie man das bei einem Kind macht, das auf einer anderen Entwicklungsstufe steht. Kinder dürfen sich ja bekanntlich ohne Konsequenzen eine ganze Menge erlauben, weil sie eben noch Kinder sind. Weil sie Lernende sind. Das heißt natürlich nicht, dass sie alles bekommen was sie wollen oder dass man immer nett sein muss. Auch gute Eltern sind nicht immer nur lieb und lassen Kinder alles machen.


hey_jude
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Beitrag Fr., 11.12.2020, 21:50

Montana hat geschrieben: Fr., 11.12.2020, 21:37 Vielleicht ist es auch nicht ganz klar, was das eigentlich ist, was Eltern im Idealfall tun und was in Therapie nachgeholt werden muss, wenn es die Eltern nicht konnten. Es geht nicht darum, gute Gefühle zu erzeugen. Auch nicht darum, sich selbst etwas zu geben (wie sollte das möglich sein?)
ein Buch lesen, spazierengehen, Musik hören....in Gedanken anders mit sich sprechen lernen (z.B so wie die Threpaeutin mit einem umgeht) respektive sich nicht selbst fertig machen für bspw. bestimmte Gefühle o.ä. Einen Umgang mit den eigenen Gefühlen finden, über die Beziehung. Denke ich
Montana hat geschrieben: Fr., 11.12.2020, 21:37 Menschen sind von Natur aus soziale Wesen. Wir brauchen einander zwingend. Was gute Eltern tun ist, Kindern erklären, was das für Gefühle sind, die sie erleben, und warum. Und auch, wie man mit ihnen umgeht. Ebenso, wie man Gefühle anderer Menschen erkennt, deren Bedeutung für einen selbst, und wie man sich angemessen verhält.
Ja, gute Eltern mentalisieren ihr Kind auf feinfühlige Art und Weise. Sie erklären dem Kind nicht nur die Gefühle, sie leben ihnen den Umgang mit den eigenen Gefühlen vor und das vom ersten Tag der Geburt, in dem sie es umsorgen, für es da sind, es beruhigen, wenn es traurig ist oder Angst hat, es füttern, wenn es hungrig ist, Gefühle spiegeln und angemessen beantworten...usw....
Montana hat geschrieben: Fr., 11.12.2020, 21:37Und so, wie man Kindern das nicht auf theoretischer Ebene vermitteln kann, so kann man das auch nicht bei Erwachsenen. Das geht nicht über Bücher oder Vorträge, sondern rein dadurch, dass sich der Therapeut als Beziehungspartner zur Verfügung stellt.
Ja. Und wie auch in der Eltern-Kind-Beziehung ginge es dann darum, dass der Erwachsene sich irgendwann um sich selbst und die eigenen Gefühle kümmern kann. Was nicht heißt das er nicht auch andere Menschen braucht

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lisbeth
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Beitrag Fr., 11.12.2020, 22:14

Montana hat geschrieben: Fr., 11.12.2020, 21:37 Vielleicht ist es auch nicht ganz klar, was das eigentlich ist, was Eltern im Idealfall tun und was in Therapie nachgeholt werden muss, wenn es die Eltern nicht konnten. Es geht nicht darum, gute Gefühle zu erzeugen.
Das möchte ich gerne ganz dick unterstreichen (eigentlich den ganzen Post von Montana).

Und auch noch hinzufügen:

Spiegelung und Resonanz: Durch die Reaktionen und Rückkopplungen meiner Therapeutin fange ich an, mich selbst besser wahrzunehmen bzw. lerne ich auch, mich überhaupt mitzuteilen, bzw. mich so mitzuteilen, dass es beim anderen auch ankommen kann.

Und auch die Erfahrung zu machen: Ich "darf" dort anstrengend, nervig, wütend, sprachlos, schwierig, impulsiv etc sein, und das bedeutet nicht automatisch Bestrafung, Beschämung oder das Ende der Beziehung. Ich kann und darf eine eigene Meinung haben, darf die auch zum Ausdruck bringen, manchmal sind wir uns da auch extrem uneins und kriegen uns auch in die Wolle, und auch das kann und darf grundsätzlich da sein. Das ist für mich eigentlich die wichtigste (und zugleich die schwierigste) Erfahrung in diesem ganzen Kontext und eben so komplett anders als das was ich als Kind bzw Heranwachsende erlebt habe.

Und ja, das ist nicht so sehr "gute Gefühle machen" was die Therapeutin dort macht, sondern Kontakt, Auseinandersetzung, sich als Gegenüber zur Verfügung stellen. In meinen Augen emotionale Schwerstarbeit. Mein Job dabei ist, mich immer wieder darauf einzulassen und "da" zu sein. Ist auch schon schwer genug... :anonym:
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Beitrag Fr., 11.12.2020, 22:30

...und um die Kurve zu deinem Anliegen zu kriegen, Saly:
Saly hat geschrieben: Fr., 11.12.2020, 19:23 Klar, vermutlich zerdenke ich das alles zu sehr. aber ich habe das Gefühl, dass ich das immer im Hinterkopf haben werde, diese „das ist nicht echt“.
Und dann bin ich mir nicht sicher ob ich mich darauf einlassen kann.
Klar, die Therapiesituation ist irgendwie "künstlich". Gleichzeitig ist das Kontakt- und Resonanzangebot, das die Therapeutin dir macht, ein "echtes". Sicher ist sie im Therapiesetting anders als sie es privat wäre. Und doch kann sich aus dem, was sie dir bietet, soetwas wie "echter" Kontakt ergeben, denn sie stellt sich dir in deinen Stunden als lebendiges Gegenüber zur Verfügung. Und ja, wenn man in den prägenden Jahren sowas wie "echten" oder "ehrlichen" Kontakt nie kennengelernt hat, oder ein Gegenüber, das wirklich da ist (und nicht innerlich abwesend, weil selbst traumatisiert/dissoziiert), dann ist so ein Angebot befremdlich, verstörend, verwirrend und macht auch richtig Angst. Ging mir jedenfalls so. So ganz langsam (nach fast 3 Jahren bei dieser Therapeutin) kann ich mit diesem Angebot selbst etwas anfangen, manchmal jedenfalls. Sowas braucht ganz einfach auch Zeit. Die Frage ist, ob du sie dir selbst geben magst.
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Beitrag Fr., 11.12.2020, 23:12

Das finde ich mit am Schwierigsten: wenn ich merke, dass mein Therapeut wirklich mit seiner ganzen Aufmerksamkeit da ist. Dieses Gefühl, Aufwand zu verursachen, Arbeit zu machen. Mein jetziger Therapeut ist immer voll da, der letzte war das oft nicht. Arbeit zu machen war in meiner Kindheit eines der schlimmsten Vergehen und damit bin ich schon allein dadurch gestresst, dass mir jemand so viel Aufmerksamkeit schenkt. Das allein führt zu einer innerlichen Flucht aus der Situation. Das zu ändern, da arbeite ich seit Jahren dran. Ich glaube auch, dass das wirklich Zeit braucht. Man kann sich damit nicht "beeilen".

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