Positive Gefühle dem Therapeuten gegenüber beschreiben

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Mondmann
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Beitrag So., 08.11.2020, 07:14

Ich dagegen würde sie als Zufall abtun
Ich glaube, das ist ein Missverständnis: Es geht um konkrete Dinge, Taten und Aussagen, die sich wiederum auf bestimmte Situationen und Äußerungen beziehen. Das hat mit "Zufall" eben gar nichts zu tun, wenn jemand auf die Aussage oder den Wunsch eines Anderen auf eine bestimmte Art reagiert. Nur ist es eben kein: "Ich mag Sie" / "Ich freue mich" - sondern eine Geste.

So sinngemäß, als ob jemand sagte: "Ich mag Pralinensorte XY", und dann schenkt der Andere sie ihm ganz spontan bei der nächsten Begegnung. Wenn man nun erzählt: "Er hat mir Pralinensorte XY geschenkt", dann würden Dritte sagen: "Was ist daran so besonders toll?" - Es wird deswegen "besonders toll", weil bereits darüber gesprochen wurde und weil in der Geste die Bezugnahme und damit auch die Beziehung überhaupt fühlbar wird. Das wäre bei mir nicht der Fall, wenn jemand sagt: "Ich mag Sie" - das wäre mir persönlich zu wenig bezogen (aber das ist natürlich meine persönliche Sicht).

An "Zufall" oder "Verwechslung" zu denken, wenn jemand einem anderen Menschen eine persönliche bzw. individuelle Geste zukommen lässt (wenn man "Praline XY" durch irgendwas ersetzt, was z. B. viele Leute nicht mögen, wird es noch deutlicher), finde ich ziemlich traurig.

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Philosophia
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Beitrag So., 08.11.2020, 12:16

...ich finds auch traurig. Zumal die "großen" Worte einfach nicht nötig sind, wenn das richtige Gefühl im Raum ist. Die kleinen Gesten zeigen es und nicht die Phrasen. Wenn die kleinen Gesten stimmen und dann mal ein großes Wort kommt, kann das ne Bestätigung sein - nötig ist sie aber nicht. Aber die Worte, dass sich wer freut mich zu sehen, ohne, dass ich es sonst grundsätzlich nicht eh spüren würde, wären für mich leer.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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Montana
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Beitrag So., 08.11.2020, 19:17

Für mich auch. Ich würde das nicht glauben und mag es auch nicht. An dem Beispiel mit den Pralinen ist allerdings nichts "spontan", im Gegenteil. Das kann ja nur geplant sein. Und bei einem Therapeuten der mir Pralinen schenkt, da gruselt es mich. Mir hat mal ein Orthopäde welche geschenkt, nachdem er mich operiert hatte. Das fand ich schon merkwürdig, aber es war eben nichts spezielles. Über meine persönlichen Vorlieben wusste er nichts. (Gegessen habe ich sie allerdings nicht. Die sind noch irgendwo bei mir Zuhause, seit Jahren abgelaufen. Gefühlsmäßig schwanke ich immer noch, was davon zu halten ist. Ich halte es immer noch für unwahrscheinlich, dass der JEDEM Patienten welche schenkt. Der ist nicht im Zweitjob Betreiber einer Pralinenfabrik, vermute ich.)

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Mondmann
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Beiträge: 220

Beitrag So., 08.11.2020, 20:27

Das kann ja nur geplant sein
Stimmt: "Spontan" ist nicht das richtige Wort. Ich meinte wohl eher "überraschend" / "unerwartet".
Und bei einem Therapeuten der mir Pralinen schenkt
Das war ein Beispiel! Deswegen schrieb ich: "sinngemäß" und "als ob".

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Solage
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Beitrag Fr., 20.11.2020, 23:24

Mondmann hat geschrieben: Sa., 07.11.2020, 22:27
Was ich aber weiß, ist, dass es analytisch nicht funktioniert, dem Patienten zu sagen: "Ich freue mich immer, wenn Sie mir schreiben".
Das kannst du nur für dich wissen, nie pauschal für andere. Weil, es funktioniert bei mir sehr gut.
Inzwischen habe ich sogar in etwa ein stimmiges Gefühl in dieser Hinsicht, und ich stelle sein Mich-Mögen gar nicht mehr infrage; aber es bleibt immer noch die Frage, wie das mit dem "Begehren" ist (und nichts anderes ist ja das Sich-Freuen über die Präsenz des Anderen; man könnte sich natürlich auch ohne Begehren am Anderen erfreuen, aber dann wäre es egal, wenn der Andere weg wäre). Wir kennen einander nun schon recht viele Jahre, und ich glaube, mittlerweile bin auch ich ihm irgendwie ans Herz gewachsen, und ich weiß nicht, ob ich Angst davor haben soll, dass er sich freut, wenn ich da bin - oder ob ich es mir wünschen soll. Jedenfalls wäre es kein wirkliches Freuen über die Gegenwart des Anderen, wenn es egal wäre, ob er weg wäre.
Bei mir ist es es so, dass ich mich über die Anwesenheit von bestimmten Personen freue, ohne diese zu begehren. Beim Begehren ist der Kontext der Sexualität für mich dabei. Sich über die Anwesenheit von bestimmten Menschen zu freuen, heisst für mich jetzt nicht unbedingt, dass ich diese auch begehre. Ich freue mich, wenn meine Kinder, meine Freunde da sind, ohne diese zu begehren. Und es wäre mir nicht egal, wenn meine mir Liebsten weg wären.

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Solage
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Beitrag Fr., 20.11.2020, 23:48

Mondmann hat geschrieben: Sa., 07.11.2020, 22:27
Was ich aber nach wie vor nicht einordnen kann, ist die Frage, ob er sich freut, mich zu sehen. Lange hab ich alles dafür gegeben, dass dieser Fall sowieso nicht eintritt; lange auch hat er es - wie er es häufig tut - indirekt formuliert ("Sie denken, ich freue mich nicht, Sie zu sehen" usw.). Inzwischen brauche ich diese Formulierungen nicht mehr, aber ich frage mich trotzdem, wie das ist mit dem "wirklichen Gefühl" seinerseits: Es gibt eben die professionelle Ebene und die menschliche. Und lange hat es mich gequält, nicht zu wissen, was er menschlich empfindet, und ich wollte es so sehr wissen.
Nach meiner langjährigen psychoanalytischen Erfahrung mit meinem Therapeuten ist die Aussage: "Sie denken, dass ich mich mich nicht freue, Sie zu sehen, eine Deutung. Da geht es dann um Übertragung und die wird besprochen und bearbeitet, wenn meine Befürchtung nicht stimmt!

Wenn meine Befürchtung stimmt, dann weicht er mittlerweile auch nicht mehr aus und wir sprechen auf der Realebene über unsere Beziehung. Er für sich und ich für mich. Sehr heilsam.

Und jetzt aktuell ist es so, dass ich viele Jahre nach Übergriffen privat, nach Übergriffen von einem anderen Therapeuten, wie ein Geschenk erfahre, dass da doch jemand ist, der mir helfen möchte. Der mir eine andere Erlebenswelt zeigen möchte, als die, die ich gewohnt bin.

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