Therapiesitzung macht Rast- und Ratlos

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Somnia
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Beitrag So., 23.08.2020, 10:27

Guten Morgen und danke fürs Schreiben.

Liebe Waldschratin und Vivy, euch zu lesen, hat mir das Herz erwärmt. Es scheint als durften ihr in eurer Therapie kommen. Das klingt sehr ermutigend!

Im großen und ganzen geht es mir nach außen hin viel besser. Heißt, ich bin nach außen hin wieder sortiert und so, dass ich mich selbst wieder sehr gut im Griff habe. Das sehe ich als Erfolg und bin darüber sehr froh. Ich schaffe es wieder, meine Ängste bei mir zu behalten.

Das lauter werden des Therapeuten, war mir etwas unangenehm und ich wollte ihm wirklich zuhören, aber als ich dann im Auto saß, stellte ich fest, dass ich nichts mitbekommen habe.

Vielen Dank Captcha für dein verständliches und für mich gut nachvollziehbares Bild! Es ist tatsächlich gefühlt sehr ähnlich. Mir fliegt die Sicherung raus, aber merke es erst, wenn ich das Licht anschalten möchte, das es passiert ist.

Ich hatte den Eindruck, dass als ich sagte, dass mir der rosa Flamingo zu viel ist, dass es ihm trotzdem wichtig war darüber zu reden. Zumindest erklärt es mir so, warum er im Reden lauter wurde. Vielleicht hat er auch erklärt, warum er lauter spricht, dass weiß ich aber leider nicht.

Das blöde ist nur, das wenn die Sicherung rausgeflogen ist (ich mag dieses Bild total) braucht es sehr lange, bis ich alles wieder angeschaltet habe.Stunden, wenn nicht Tage und dass macht es so schwer.

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Waldschratin
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Beitrag So., 23.08.2020, 10:54

Somnia hat geschrieben:Das lauter werden des Therapeuten, war mir etwas unangenehm und ich wollte ihm wirklich zuhören, aber als ich dann im Auto saß, stellte ich fest, dass ich nichts mitbekommen habe.
Liebe Somnia, das würde ich auf jeden Fall deutlich ansprechen beim nächsten Termin! :ja:

Für mich widerspricht es sich auch absolut, was ein Lauterwerden mit der Stimme "Sinnvolles" an Verständigung/verstanden werden können bewirken soll. (Das kenn ich schon in der Kommunikation mit Hunden anders. ;-) )
Schon gleich im Kontext einer Therapiesitzung, und dann noch mit dem bekannten Hintergrund "Traumatisierung" bei dir dabei.

Lauter werden mit der Stimme hat doch immer einen "Bedrohungsfaktor" mit dabei.
Auch wenn dein Thera vordergründig die Absicht damit gehabt haben sollte, dich damit aufmerksamer, "wachsamer" zu bekommen.
Für mich wäre auch das dann ein Einfordern seinerseits, anstatt dass er hergeht und er "aufmerkt", bei dir bleibt und sich mal fragt, was du ihm da grade "mitteilst" mit deinem innerlichen Wegdriften.

Vielleicht könnte es ja auch eine gute Möglichkeit sein, dich ihm verständlich zu machen, wenn du den Thread hier ganz oder teilweise dir ausdruckst, in die nächste Sitzung mitnimmst und ihm mal zu lesen gibst?

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Beitrag So., 23.08.2020, 14:11

Somnia hat geschrieben: So., 23.08.2020, 10:27 Das blöde ist nur, das wenn die Sicherung rausgeflogen ist (ich mag dieses Bild total) braucht es sehr lange, bis ich alles wieder angeschaltet habe.Stunden, wenn nicht Tage und dass macht es so schwer.
Da gibt es aber auch Techniken!
Eine ganz simple wäre:
Sich sensorisch wieder in die Gegenwart zu holen, z.B. indem man einen liebenswerten Gegenstand in der Hand reibt oder an einen angenehmen Duft riecht
Aber ich bin da nicht so bewandert, da ich nur leicht "weg" bin und von allein wieder zurückfinde.

Aber vielleicht haben die anderen im Thread noch Tipps?
Jedenfalls sollte auch hier ein Therapeut Antworten parat haben - vor allem, wenn er durch seine Arbeitsweise solche Sachen auslöst! :evil:

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Vivy
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Beitrag So., 23.08.2020, 14:38

Somnia hat geschrieben: So., 23.08.2020, 10:27 Das blöde ist nur, das wenn die Sicherung rausgeflogen ist (ich mag dieses Bild total) braucht es sehr lange, bis ich alles wieder angeschaltet habe.Stunden, wenn nicht Tage und dass macht es so schwer.
Du könntest mal nach „Notfallkoffer“, „Skills Liste“ oder „Skill Sammlung“ googeln.
Dann bekommst du endlos viele Ideen.
Und dann: ausprobieren.

Was bei anderen hilft, muss noch lange nicht bei dir helfen.
Und es macht Sinn, erst mal rumzuprobieren.
Wie bei der Feuerwehr: man übt vor dem Feuer, damit man weiß, wie es geht, wenn’s brennt.

Als mein Therapeut mich das erste mal gefragt hat, ob ich mit dem Begriff „dissoziieren“ was anfangen kann, bin ich erst mal aus allen Wolken gefallen. Ich war so schockiert, dass diese ganzen „Zustände“ plötzlich einen Namen bekommen haben-
Und dann hat er erklärt und ich bin erst mal dissoziiert.
Das war sehr beängstigend, weil das das erste mal war, dass ich es bewusst mitbekommen hab.

Als ich ihn dann gefragt habe, was ich dagegen tun kann, hat er zu mir gesagt, das wichtigste ist, es erst mal überhaupt mitzubekommen. Solange ich es nicht oder erst Tage später merke, bringt es nichts, darüber nachzudenken, was dagegen helfen könnte.
Und er sagte, wenn ich anfange, es mir bewusst zu machen, in Situationen, in denen ich es merke, würde ich auch besser werden, es zu merken in Situationen, in denen ich es eben nicht merke. (Haha, witziger Satz)

Also hab ich angefangen, aufzuschreiben, wenn ich dissoziiert bin.
Ich hab aufgeschrieben, wann es passiert ist, wie es sich geäußert hat, wie lange es gedauert hat und was der Trigger war.
Und es ist wirklich so, dass ich nach und nach aufmerksamer dafür geworden bin.

Erst dann hab ich angefangen, mir zu überlegen, was dagegen helfen könnte.

Und was die Skills angeht:

Ich hab die Erfahrung gemacht, dass ich zuerst mal ausprobieren muss, was mir liegt und was nicht. Dann muss ich das üben, auch wenns nur läppisches ein- und ausatmen ist.
Und dann muss ich als Nächstes schauen, hilft das dann tatsächlich, wenn ich es brauche?

Und so hab ich inzwischen eine ganze Liste an Dingen, die helfen.
Ich hab auch die Erfahrung gemacht, dass ich unterschiedliches brauche, je nachdem, ob ich Panik habe oder dissoziiert bin.

Wenn ich merke, ich fange an, abzudriften hilft mir z.B. Kaltes Wasser trinken oder rumlaufen.
Ich stehe dann inzwischen manchmal auch in der Stunde auf und lauf ein paarmal auf und ab.

Inzwischen ist es auch so, dass es hilft, wenn ich ihm sage, dass ich grad dabei bin, abzudriften. Und dass ich das aber grad nicht will, weil ich alles mitbekommen will.
Oder wir wechseln mal kurz das Thema.

Was gegen tagelange Dissos hilft, da bin ich auch noch am nachforschen und ausprobieren.
Singen und schaukeln ist aktuell das beste.
Am wichtigsten ist aber, dass ich mich dafür nicht verurteile.
»Man versteht nur die Dinge, die man zähmt«, sagte der Fuchs.
aus: Der kleine Prinz, Antoine de Saint-Exupéry

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Beitrag So., 23.08.2020, 14:50

was mir hilft in allen Lebenslagen:
Musik mit Kopfhörern hören. Weil das schirmt mich nach aussen ab.
Oder auch einen Podcast. Irgendwas, was mich interessiert.

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Sadako
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Beitrag So., 23.08.2020, 14:52

captcha hat geschrieben: So., 23.08.2020, 14:11
Somnia hat geschrieben: So., 23.08.2020, 10:27 Das blöde ist nur, das wenn die Sicherung rausgeflogen ist (ich mag dieses Bild total) braucht es sehr lange, bis ich alles wieder angeschaltet habe.Stunden, wenn nicht Tage und dass macht es so schwer.

Aber vielleicht haben die anderen im Thread noch Tipps?
Grundsätzlich ist die erste Frage, was du noch kannst, wenn die Sicherung raus ist, bist du „nur“ emotional weit weg oder sind auch deine Sinnesfähigkeiten oder deine Fähigkeit dich zu bewegen betroffen?
Alles, was dich in Kontakt mit der Gegenwart bringt, ist gut. Ich gehe davon aus, dass der Flamingo, der sich so raushaut, keine reale Rolle in deinem Alltag jetzt hat.
Um die Sicherung wieder reinzubekommen brauchst du Sicherheit, klingt kalauerartig, ist aber so.
Nimm Kontakt auf, mit dem, was dir jetzt in deinem Leben gut tut.
Sensorische Sachen, wie schon von Captcha vorgeschlagen, Auch eine Dusche oder eine tröstende Lieblingsdecke können helfen.
Wichtig ist es, so gut es geht, die Wahrnehmungsfühler auszustrecken.
Mir helfen Sachen, bei den ich aktiv werden muss,... Alle Gegenstände einer bestimmten Farbe im Raum laut aufzählen, Musik aus dem Radio mitsingen, Es gibt ganz, ganz viele Skills gegen solche Zustände und du kannst ausprobieren, was dir gut tut.

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Somnia
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Beitrag Di., 25.08.2020, 20:00

Vielen Dank für eure Ratschläge.
Musik finde ich super. Es schließt tatsächlich die Außenwelt aus. Aber ich habe das Gefühl, dann zu brauchen um wieder zurückzukommen. Mit Kopfhörer und Musik, bin ich wie in einer Blase, die nicht weg ist, sobald ich die Öhrer abnehme, sondern ich laufe dann noch eine Weile im Dunst der Blase rum. Einerseits gut, andererseits unangenehm, wenn ich athock präsent sein muss. Wisst ihr was ich meine?
Bei sensorischen Reizen, wie zb Duft, Musik, irgendwie drifte ich damit so in meiner eigenen Welt ab. Klingt das seltsam, vielleicht ist das ja auch normal.

Über Dissozieren, haben wir in der Therapie noch nie konkret gesprochen. Mir ist der Begriff auch recht neu gewesen.

Ich stehe immer noch neben mir. Es gibt zwar klare Momente, aber irgendwie komme ich nicht für eine längere Zeit an. Irgendwie als würde ich immer wieder durch diesige Luft laufen. So lange kann das doch nicht gehen oder? Dass das immer noch Nachwehen von der Sitzung sind oder?

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Beitrag Mi., 26.08.2020, 07:51

Somnia hat geschrieben: Di., 25.08.2020, 20:00 Über Dissozieren, haben wir in der Therapie noch nie konkret gesprochen. Mir ist der Begriff auch recht neu gewesen.
Es gibt auch genug Therapeuten, die sich mit sowas nicht auskennen - und auch nicht erkennen, wenn ihre Patienten nicht präsent sind. Du hattest ja schon mal gefragt, ob sich nicht alle Therapeuten mit Trauma auskennen oder so ähnlich. Das würde man annehmen, weil ja jeder Patient, der in die Praxis kommt, ein Trauma in sich bergen kann und Therapeuten doch zumindest soviel Grundahnung haben sollten, dass sie Anzeichen wie z.B. Dissoziationen erkennen - aber meine Erfahrung ist, dass manche Therapeuten in ihrer Ausbildung da überhaupt nichts vermittelt bekommen haben.
Somnia hat geschrieben: Di., 25.08.2020, 20:00 Ich stehe immer noch neben mir. Es gibt zwar klare Momente, aber irgendwie komme ich nicht für eine längere Zeit an. Irgendwie als würde ich immer wieder durch diesige Luft laufen. So lange kann das doch nicht gehen oder? Dass das immer noch Nachwehen von der Sitzung sind oder?
Also ich glaube, es ist schon mal sehr gut, dass du das überhaupt wahrnimmst.
Die qualitativen Unterschiede wahrzunehmen - wie sehr bin ich gerade präsent - wie sehr bin ich gerade in Watte gepackt - das ist schon mal der Anfang und dann kann man lernen, das zu steuern, ausprobieren, was einem hilft.

Ich bin wie gesagt, eher nur leicht "weg" und nicht stark dissoziiert - aber ich hab es immer so erlebt, wenn ich meine Umgebung oder Lebenssituation als sicher oder angenehm erlebe, dann werde ich präsent oder präsenter - hingegen, wenn mich irgendwas stresst oder ich mich in meiner Umgebung nicht wohl fühle - das kann z.B. ein nicht so toller Arbeitsplatz sein oder ich mit Menschen zu tun habe, mit denen ich mich nicht so wohl fühle, dann schütze ich mich und bin dann nicht so präsent...

Aber vielleicht kann ja noch jemand anderer schildern, der mehr Erfahrung hat, wie das ist, wenn man stärker weggleitet und eigentlich zurückmöchte...das ist ja auch nochmal die Frage - möchtest du gerade zurück oder hast du in Wahrheit gute Gründe, warum du ein bisschen "weiter weg" bist?

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Somnia
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Beitrag Mi., 26.08.2020, 17:23

Der Therapeut ist auch etwas ratlos. Das macht es gerade nicht besser.

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Beitrag Sa., 29.08.2020, 18:43

Hmm...
Hat er das so gesagt: "Ich bin ratlos" oder ist es das, was du spürst, dass er ratlos wirkt?
Habt ihr denn wieder eine Stunde gehabt und darüber gesprochen?

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Bouress1989
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Beitrag Di., 15.09.2020, 15:58

Ich würde es also mit Aufmerksamkeitsmeditation versuchen. Es gibt gute Anleitungsprogramme wo man bequem von Null anfangen kann.

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